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Das Grundübel liegt nach der Ansicht aller I Kenner der Verhältnisse in der allzugroßen Vertrauensseligkeit einzelner Fabrikanten und in dem Außerachtlassen der erforderlichen Vorsichts­maßregeln Bei dem jüngsten Prozeß in Karls­ruhe wurde bezüglich einer der größten Fabriken die Aeußerung gethandaß das Gold nur so herumfahre." Ist dem so, dann ist es kein Wunder, wenn zweifelhafte Elemente so schwer der Versuchung widerstehen können.

Welche Tage gelten als Festtage? Nachdem die Bestimmungen über die Sonn- und Festtagsruhe in Industrie und Handwerk Geltung erlangt haben, gewinnt die Frage, welche Tage als Festtage anzusehen sind, eine erhöhte Be­deutung. In der Gewerbeordnung ist unge­ordnet, daß die Landesregierungen unter Berück­sichtigung der örtlichen und konfessionellen Ver­hältnisse bestimmen, welche Tage als Festtage gelten. Von den Landesregierungen haben von dieser Ermächtigung Gebrauch gemacht: Sachsen, Württemberg, Baden, Oldenburg, Meiningen, Altenburg, Koburg-Gotha und die beiden Schwarzburg-Lippe, Lippe, Lübeck, Bremen und Elsaß-Lothringen. In den übrigen Bundes­staaten bleibt es bis auf Weiteres bei dem bis­her geltenden Rechte. Ucberall im Reiche gelten als Festtage das Weihnachts-, Oster- u. Pfingst­fest und zwar je zwei Tage, nur in Reuß ä. L. drei Tage, außerdem der Neujahrs- und der Himmelfahrtstag. In Preußen gilt als Festtag allgemein noch der Bußtag und in den vor­wiegend evangelischen Landesteilen auch der Charfreitag. In Bayern wird die Frage örtlich geregelt. In Sachsen sind außer Bußtag und Charfreitag, Reformationsfest und Fest der Er­scheinung Christi (6. Jan) in den Ortschaften mit überwiegend katholischer Bevölkerung in der Kreishauptmannschaft Bautzen das Fest Mariä Verkündigung (25. März), das Fronleichnams­fest, das Fest Peter und Paul (29. Juni), das Fest Mariä Himmelfahrt (15. August), das Fest Mariä Geburt (18. Septbr.), das Fest Aller­heiligen (1. November) und das Fest Mariä Empfängnis (8. Dezbr.) als Festtage bestimmt, in Württemberg das Erscheinungsfest und der Charfreitag. bei den Katholiken außerdem Fron­leichnam und Mariä Himmelfahrt. Die Fest­tage gelten ohne Rücksicht auf die Konfessionen der Arbeiter für die Bezirke, für welche sie angeorduet sind.

Württemberg.

Stuttgart, 7. April. Wie bekannt, wird dem Landtag seitens der Regierung ein Abänder­ungsvorschlag. betr. das Farrenhaltungsgesetz, zugehen. Die Tendenz des Vorschlages wird die obligatorische Anschaffung der Gemeinde- farren auf Gemeindekvsten anstreben. Das Ge­samtkollegium der Zentralstelle für Landwirtschaft hat sich mit 14 gegen 3 Stimmen dafür er­klärt. Noch nicht sicher ist indes, ob der Ge­setzesvorschlag radikal jede Prrvatfarrenhaltung aufhebt oder die Regiewirlschaft nur in den Ge­meinden anordnet, in denen die Privatwirtschaft bedenkliche Mängel zeigt.

Stuttgart, II. April. Gegen den früheren VerbandWürttembergischer Landwirtschaftlicher Genossenschaften und Molkerei", vertreten durch den Berbandsdirekt. OberamtmannFilser, schweben bekanntlich seit zwei Jahren aus dessen Ein­käufe von Landesprodukten verschiedene An­sprüche von Lieferanten, deren Höhe von zuver­lässiger Seite auf etwa 140000 «^6 beziffert wird. Die erste Klage dieser Art, welche die Firma Jakob Hirsch u. Se. in Mannheim er­hob, im Betrage von 5000 wurde bekannt­lich vom hiesigen K. Landgericht auf eingelegte Berufung hin auch vom K. Oberlandesgericht zu Ungunsten des Verbandes entschieden. Die von diesem eingelegte Revision wurde nun auch vom Reichsgericht kostcnfällig zurückgewiesen, mithin hat der Verband diesen Prozeß verloren. Wie verlautet werden nun die Kläger, da der Verband keine Mittel besitzt, im Einzelangriff gegen die Mitglieder des Verbands den Prozeß fortsetzen. Dieser bestand aus 116 landwirt­schaftlichen Konsumvereinen, Molkerei, Vereine und Genossenschaften, sowie Privatmolkereien. Eine Einzelklage gegen eine Gruppe von 20

I landwirtschaftlichen Genossenschaften ist schon j länger vor dem K Landgericht Ellwangen an­hängig und dem Vernehmen nach ist die erste Entscheidung dieses Gerichts im nächsten Monat zu erwarten.

Stuttgart. 4. April. Als Beilage zum Gewerbeblatt sind in Broschürenform die Jahres­berichte der Gewerbe Aufsichtsbeamten im König- reich Württemberg für das Jahr 1894 erschienen. Ueber den ersten Bezirk, der den größten Teil des Neckarkreises und den Jagstkreis mit Aus­nahme des Oberamts Heldenhrim umfaßt, be­richtet Gewerbe-Inspektor Berner; über den zweiten, der den Rest des Neckarkceises, den ganzen Schwarzwaldkrcis und vom Donaukreis das Oberamt Kirchheim umfaßt, Gewerbe-In­spektor Hochstetter; über den dritten, der den ganzen Donaukreis mit Ausnahme des Ober­amts Kirchheim. ferner das Oberamt Heiden­heim umfaßt, Gewerbe-Inspektor Hardegg. Den Jahresbericht über die unter Aufsicht der Berg­behörden stehenden Anlagen erstattete Ober- Regierungsrat Mayer. Im Allgemeinen wird konstatiert, daß die Lohnverhältnisse der Arbeiter sich trotz der vielfach minder günstigen Lage der einzelnen Industriezweige wenig geändert und jedenfalls nicht ungünstiger gestaltet haben, mit Ausnahme einzelner Fälle, in welchen die Ar- beiter durch zeitweilige Arbeitslosigkeit und Lohnherabsetzungen zu empfindlichen Einschränk- ungen sich genötigt sahen. An Bemühungen, die Wohnungsverhältnisse zu verbessern, hat es auch im Berichtsjahr nicht gefehlt; im allge­meinen können die Wohnungen geordneter Ar- beiterfamilien als den Bedürfnissen entsprechend bezeichnet werden. Aus allen drei Bezirken wird auch über verschiedene von den Arbeitgebern ge­troffene Wohlfahrtseinrichtungen (Kinderküchen, Gewährung von Urlaub ohne Loynausfall rc) berichtet.

Stuttgart, S. April. Der Fleischver­brauch in hiesiger Stadt ist zur Zeit noch immer sehr gering gegenüber demjenigen in den ersten 3 Monaten früherer Jahre. Der so lange an­haltende und überaus strenge Winter hat die baugewerblichc Thätigkeit zu andauerndem und völligem Stillstand gebracht, so daß die darin beschäftigten Arbeiter in eine empfindliche Not­lage gebracht wurden. Aber auch von anderen Berufsarten sind die Arbeiter durch den unge­wöhnlich starken Verbrauch an Heizungsmaterial wirtschaftlich zurückgekommen, so daß sie sich noch immer den Fleischgenuß versagen müssen. In- folge dieser Umstände sind die sonst fast nicht mehr ausreichenden Fleischerhallen im hiesigen Schlachthaus zur Zeit kaum zur Hälfte besetzt. Der nunmehr eingekehrte Frühling wird vor allem der Bauthätigkeit wieder lebhaften Auf­schwung bringen und zahlreiche auswärtige Bau­handwerker in die Stadt bringen.

Ausstellung für Elektrotechnik und Kunstgewerbe, Stuttgart 1896. Wer sich erinnert, welch' bescheidenen Raum die Elektrotechnik auf der Württembergischen Landes­gewerbeausstellung des Jahres 1881 einnahm, der wird sich nicht wenig wundern, wenn er nunmehr die elektrotechnische Abteilung der 1896er Ausstellung allein für sich fast in demselben Umfange entstehen sieht, den damals die ganze Ausstellung überhaupt besaß. Tatsächlich durch­dringt die Elektrizität in ihrer tausendfältigen praktischen Anwendung mehr und mehr unser ganzes Dasein. Fast jeder Tag zeigt einen neuen Weg, auf dem die Elektrizität für die Zwecke des Menschen nutzbar gemacht werden kann, und rastlos ist der Fortschritt auch auf den alten Wegen. Entsprechend dieser gewaltigen Entwicklung der Elektrotechnik in allen ihren Formen ist die Zahl der württembergischen Firmen gewachsen, die sich mit elektrotechnischen Aufgaben befassen. Da nun auch die meisten großen auswärtigen Firmen in Württemberg Vertretungen besitzen, in das württembergische Hundelsregister eingetragen und deshalb als Ausstellerinnen zugelassen sind, so ist voraus­zusehen, daß die Ausstellungen des Jahres 1896 ein vollständiges und vollwertiges Bild des der- maligen Standes der Elektrotechnik geben wird.

Stuttgart, 10. April. Einen sehr schlechten Aprilscherz, 9 Tage nach dem richtigen Termin,

verübte heute ein müßiger Kopf, der in der Stadt das Gerücht ausiprengte, heute abend gegen 6 Uhr sei der große Löwe in Nills Tier­garten ausgebrochen und habe seinen Weg hin­auf nach den Weinbergen genommen; die Polizei sei benachrichtigt und Militär zur Verfolgung des Löwen ausgesandt worden. Zufälliger Weise war heute das 7. Jnf.-Regt. Nr. 125 alamiert worden und zu einer Uebung ausgerückt, was das Gerücht vielleicht veranlaßte, jedenfalls ihm vielfach Glauben verschaffte. Wie ein Lauffeuer verbreitete sich die Schauermäre in allen Stadt­teilen, in einem Restaurant überlegten sich einige ängstliche Gäste bereits, ob sie überhaupt nach Hause gehen und nicht lieber im Hotel über­nachten wollen. Eine telephonische Anfrage bei Nill ergab die vollständige Grundlosigkeit des Gerüchtes. Die erste Antwort auf den Telephon­ruf lautete sehr bezeichnend schon vor der Frage: Wollen Sie sich nach dem Löwen erkundigen? Kein Tier ist ausgebrochen: bei uns ist alles in Ordnung, aber es ist schrecklich, daß wir vom Telephon nicht wegkommen, um immer wieder auf die gleiche Frage die gleiche Antwort zu geben."

Cannstatt, 15. April. Letzten Samstag wurde ein hiesiger Briefträger, der schon seit einiger Zeit im Verdachte stand. Briefe, in denen er Papiergeld vermutete, geöffnet und nach An­eignung des Wertinhalts vernichtet zu haben, auf frischer That ertappt, als er gerade wieder einige Briefe geöffnet hatte. Wie verlautet, soll man ihm eigens präparierte, d. h. mit einem schwer zu entfernenden Farbstoff gefüllte Briefe durch die Hände haben gehen lässen, ein Mittel, das die Postverwaltung schon wiederholt mit Erfolg zur Ermittlung von Bciefmardern ange­wendet hat. Der ungetreue Briefträger wurde sofort verhaftet und in das Amtsgerichlsgefängnis eingeliefert.

Weinsberg, 15. April. Demnächst wird auf Veranlassung des K. Kriegsministeriums die hiesige Bezirksfeldwebelstelle in die 3 Stun­den von hier entfernte Oberamlsstadt Oehringen verlegt, was hier sehr mißbilligt wird. Höhere militärische Gesichtspunkte sollen Grund der Amderung sein. Seitens der Amtskörperschaft und des K. Oberamtes sind bereits Schritte ge- lhan, um Erleichterungen im Verkehr zu schaffen. Der Feldwebel soll nämlich an bestimmten Tagen selbst persönliche dienstliche Meldungen hier ent­gegennehmen.

Rottweil, 4. April. Gegenwärtig wer­den im hiesigen Konvikt gegen 100 elektrische Lampen eingerichtet, wodurch die Gesamtzahl der hier bis jetzt installierten elektrischen Lampen ca. 800 Stück beträgt, welche Zahl sich mit Sicherheit auf mindestens 1000 Stück steigern dürfte, da das elektrische Licht hier überall un­geteiltesten Beifalls sich erfreut. Bekanntlich wird das hiesige Elektrizitätswerk durch die Wasserkraft des Eigentümers, des Hrn. Kunst- mühledesitzers A. Lang, betrieben und während wir im Laufe des vergangenen Winters von vielen elektrischen, durch Wasserkraft betriebenen Anlagen über mehr oder weniger empfindliche Störungen infolge der außergewöhnlichen Eis­verhältnisse oder des Hochwassers zu hören be­kamen. ist hier und zwar ohne jede Zuhilfe­nahme von Dampfkraft, nicht die geringste Be­triebsstörung vorgekommen, was gewiß der beste Beweis für die vorzügliche Turbinenanlage, so­wohl für den umsichtigen Betrieb der ganzen Beleuchtungsanlage sein dürfte.

Tuttlingen, 10. April. Durch Be­schluß der bürgerlichen Kollegien von gestern wurde die Erstellung der städtischen Wasserleit­ung nach einem Kostenvoranschlag von 200 000 Mark genehmigt, mit der Bestimmung, daß den­jenigen Hausbesitzern, welche sich sofort an­schließen, die Leitung unentgeltlich bis zum Hause geführt wird, während jeder spätere An­schluß auf Kosten des Interessenten von der Hauptleitung aus zu geschehen hat.

Saulgau, 15. April. Am Karfreitag Abend zwischen 7 und 8 Uhr wurde in Alts­hausen der Maurer Wendelin Schnöden in seiner Wohnung von seiner Frau erstochen. Die Mörderin wurde am folgenden Tage an das kgl. Amtsgericht Saulgau eingeliefert.