338

Begründer des Deutschen Reiches ist. Wer diese Leistung nicht begreift, kennt die Geschichte des Vaterlandes und dessen Elend nicht vor 1870. 2) Weil Bismarck den von mir und jedem Katho­liken verurteilten Kulturkampf nicht blos ange­fangen. sondern auch beendet hat Er ging, als er sich besiegt sah. nach Canossa: «Ueber einen Sünder, der Buße thut, soll aber im Himmel mehr Freude sein, als über 99 Ge­rechte re." Wenn also der Himmel sich freut, dürfen wir es auch. 3) Soll der Christ seinen Feind lieben und ihm siebenzigmal siebenmal, wie der Heiland sagt, verzeihen also kann er auch einem achtzigjährigem Greise, der sein Feind war. Glück wünschen. 4) Bismarck stürzte über einer Verhandlung mit Windthorst, welche, Wie ich sicher weiß, die volle Aussöhnung mit der katholischen Kirche bezweckte. DasZentrum hat vom christlichen und politischen Standpunkt aus einen großen Fehler gemacht, daß es sich nicht unter Protest gegen den Kulturkampf an einer patriotischen Feier beteiligt hat. Der Papst hat nach dem Kultur­kampf den Bismarck geehrt, also durfte es auch das Zentrum und jeder Katholik, Die Zukunft wird lehren, daß man klüger gelhan hätte, mit- zuthun. Dies meine Anschauung, von der Sie jedermann Mitteilung machen können und die ich vor jedermann, der sie wissen will, vertrete."

Württemberg.

Se. Maj. der König hat bestimmt, daß bei den Linien und Landwehrpionieren für Neu- beschaffungen die Litewka aus blauem Molton nach der Probe für Infanterie mit dem vorge- legten Musterkragen. sowie mit Tressen aus Silber und Chargenknöpfen aus Britania zur Einführung kommt, der Arbeitskittel dagegen forttällt.

In mehreren auswärtigen Blättern ist die! Vermutung ausgesprochen worden, der Führer der Volkspartei, Rechtsanwalt und Kammer­präsident Payer würde zum württembergischen Justizminister ernannt werden. Vorerst ist zwar nichts von einem baldigen Rücktritt des Justiz­ministers Dr. v. Fa der bekannt, aber wenn er einmal erfolgen sollte, so wäre gegen Payer's Ernennung zu dessen Nachfolger nichts einzu­wenden. Als Mitglied des Skaatsministeriums hätte Herr Payer dann ja Gelegenheit, die ganze innere Politik der Staatsregierung wie deren Beziehungen zum Reiche zu kontrollieren und sehr wahrscheinlich würde es dann gehen, wie bei jenem Stadtbewohner, der solange über die Stadtverwaltung raisoinerte, bis er aufs Rat­haus gewählt war. und von da ab alles in schönster und bester Ordnung fand.

Stuttgart, 5 April. Vorgestern wur­den in einem hiesigen Handlungsgeschäft drei Ladenfräulein wegen des V rdachts fortge­setzten Warendiebstahls festgenommen und dem Amtsgericht ütnrgeben. Bei Durchsuchung der betriffenden Wohnungen wurden viele diesbezüg­liche Waren gesunden.

Heilbronn. In der Scheune des Bauern Singer in Hedersdorf wurde ein vergrabener Topf aufg-funden, der etwa 1300 Silbermünzen enthielt. Die meisten tragen auf einer Seite ein Kreuz, auf der anderen eine off-me Hand; einige zeigen eine Jahreszahl aus dem 16. Jahrhundert.

Ravensburg. 4 April. Soeben nachtmittags 4'/e Uhr wurden vom Schwurge­richt hier L'sette R>ß und Joseph Rehm von Biberach wegen Mv'ds, verübt an dem Ehemann Rud Riß zum Tode verurteilt, erster« wegen Mords, letzterer wegen Anstiftung. Die Mutter der Riß Brigitte Kößler, wurde wegen Beihilfe zu der Zuchthausstrafe von 12 Jahren verur­teilt. Die Angeklagte Riß wurde ohnmächtig; Rehm nahm das Urteil ziemlich gefaßt auf Be­kanntlich wurde am Aschermittwoch der Ehemann Riß von seiner Frau im Schlafe mit der Absicht, ihn zu töten, in den Kopf geschossen.

Tuttlingen, 5. April. In der hiesigen Schuhbranche bereitet sich einer neuer Aufschwung in Bezug auf Erweiterung und Weiterentwick­lung vor. So werden im Laufe dieses Sommers zwei weitere mechanische Schuhfabriken neu erstellt

werden. In der Fabrik von Barteubach und Weinsheimer ist eine sog. Zwickmaschine ange- schaffl worden, wodurch ein großer Teil der bisher mittelst Handarbeit verrichteten Tätig­keit der Arbeiter einem mechanisch-maschinellen Betriebe entgegengeführt wird.

Wildberg, 2. April. Am 1. April ging die Uebersiedelung des hiesigen Kameral- omts (Reukhin) nach Herrenberg vor sich Die Beamten hielten am 30. v Mts. ihren Abschied im Gasthaus z. Schwanen. Die alte Linde, die neben dem Gebäude stand, ist dieser Tage in sich zu­sammengebrochen, jedenfalls aus Schmerz über den Verlust, der unsere Stadt, die früher schon das Oberamt und das Notariat verloren hat, trifft. Welchen Ersatz werden wir bekommen?

Maulbronn, 4, April. Der an hiesiger Markung gelegene ca. 53 Morgen große Aalküstensee wurde gestern abgefijchl. Der Haupikäufer der Fische war ein Fischhändler in der Pfalz Dieser erstand 41'/-- Ztr. Hechte, 43 Ztr. Karpfen, 5'/» Ztr. Barsch und Schleien und 1 Ztr. Aale. Im Kleinverkauf wurden ca. 34 Ztr. abgegeben. Aus der näheren und ferneren Umgebung waren zahlreiche Lieb­haber von Fischen und Freunde des Fischfangs zum Abfische n herbeigeströmt Auch einige Profes­soren vom Stuttgarter Naturalienkabinett waren eifrig mit dem Sammeln von allerlei Tierlein, welche der See in sich birgt, beschäftigt. Das Fischen förderte auch weiße Hechte zutage, welche eine große Seltenheit sind. Dieselben werden lebend nach Stuttgart gesandt und kommen- später in das Naturalienkabinett. Hier kann man auch seltene Süßwasserschwämme sehen, welche von Professor Lampert am Aalküstensee gefunden wurden. Ganz in der Nähe der Fisch­fangstelle hatte Böhrrnger zum Rößle von Oel- bronn eine Wirtschaftsbude, in der man gute

! Weine, gebackene Fische und sonstige kalte und warme Speisen haben konnte. Im Kleinverkauf wurden je 1 Pfund Aale 1,20, Hechte 90, Karpfen 80, Barsch und Schleien 70 Pf. erlöst.

Ausland.

Skandal zwischen Deputierten in Brüssel. Nach Schluß der vorgestrigen Kammer­sitzung kam es in den Wandelgängen zu einem lebhaften Zwischenfall. Der katholische Depu­tierte Hellepulte wandte sich an den sozialisti­schen Deputierten Defuisseaux und gebrauchte die Worte:Betrachten Sie sich als geohrfeigt". Diese Worte riefen einen großen Lärm hervor und es kam zwischen mehreren Deputierten zu Thätlichkeiten, so daß die Saaldiener einschreiten mußten. Verschiedene der Beteiligten haben sich gefordert.

Die französischen Chauvinisten-Blätter geberden sich wie rasend darüber, daß der deutsche Kaiser dem Fürsten Bismarck einen Reiter- säbel mit eingraviertem Wappen von Elsaß- Lothringen zum 80 Geburtstag geschenkt hat Ein schauerliches Verbrechen an dem französischen Nationalstolz! Uebrigens ist die französische Re­gierung >o klug, die Hetzereien der chauvinisti­schen Presse zu ignorieren. Die Patriotenliga, der s. Z. auch der jetzige Präsident der Republik, Faure. angehörte, hat sich unter ihrem früheren Vorsitzenden Deroulove wieder aufgethan und wittert überall Spionage der deutschen und ita lien'schen Konsuln u. s. W In Ehambery sind einige die Eisenbahn betreffende Aktenstücke in Verlust geraten; nun soll sie der dortige italie­nische Konsul, der aber seit Jahren tot ist, ge­stohlen haben. Sehr empört sind die Pariser Blätter auch über das englische Ministerium, das dem französischen Landerwerb am oberen Niger (Afrika) entgegen treten will. Aus Ma­dagaskar kommt schon die erste Siegesbot schuft: ein paar wehrlose Dörfer an der Küste haben die Franzosen erstürmt, ohne selbst nur einen einzigen Verwundeten zu haben. Ein sehr glorreicher Sieg, wie weiland der Sieg von Saarbrücken 1870.

Im französischen Senate führte der Marineminister Besnard aus, daß die Vollend-

- ung des Nordostseekanals eine bedeutende Ver-

- stärkung des französischen Nordseegeschwaders

nötig machen werde. Da das französische Nord­seegeschwader für defensive Zwecke nicht bestimmt ist, so ist jeder Komentar überflüssig.

Lemberg, 3. April. In ganz Galizien herrscht seit gestern starker Schneefall, die Felder sind neuerdings mit einer meterhohen Schneeschichte bedeckt, und die Feldarbeiten er­leiden abermals eine empfindliche Verzögerung.

Newyork, 4. April. Auf der Linie Norfolk und Westernbahn stürzte gestern ein Eisenbahn­zug über eine brennende Brücke in den Fluß. Das Personal, sowie sämtliche Reisende kamen um. Die Zahl ist noch unbekannt.

Die Republikaner haben bei den Frühjahrs­wahlen in den westlichen Staaten der nord­amerikanischen Union vielfach gesiegt. Nähere Daten fehlen noch

Aermifchtes.

Was ist Schönheit.

In Europa bewundert man die weißen Zähne, in Japan aber müssen Zähne gelb und in Indien rot sein.

Eine blühende Gesichtsfarbe ist gewiß be­neidenswert, aber die Frauen in Grönland streichen sich das Gesicht blau oder grün an, und die Russinnen würden sich für häßlich halten, wenn sie sich nicht kalkweiß schminkten.

Welches ist die schönste Form der Nase? Man kann nur mit Achselzucken antworten. In Persien ist es die gebogene Nase, in Haiti die eingedrückte Nase, und die Mamas pflegen dort ihren Neugeborenen die Nase zu zerquetschen. In Rußland bewundert man die Stülpnasen. Wir Deutsche lieben die schlanken Gestolien, die Türken ziehen das Volle vor; wir schätzen das zarte Oval des Gesichts, in der Türkei liebt man die runden Gesichter. Bei uns gilt eine hohe gewölbte Stirn als ein Zeichen von Geist, in Griechenland ist die niedrige Stirn ein Haupt­merkmal von Schönheit.

Im zivilisierten Europa preist man die blonden, braunen und schwarzen Haare, je nach ihrem besonderen Verdienst, auf den Marianen- Jnseln bevorzugt man die weißen Haare. Die Perser hassen rotes Haar und die Türken ver­göttern es. Einen kleinen Mund aber schätzen sie alle.

München, 3 April. Einen hochinter­essanten Mikroben hat Dr. Wheeler in Chicago entdeckt, nämlich denTo des Mikroben". Dieser kann ganz ebenso wie die während des Lebens im menschlichen Körper wütenden Mi­kroben von sachverständiger Hand gelötet wer­den; er sieht ähnlich aus, wie der Mikrobe der Schwindsucht. Dr. Wheeler geht in der Freude seiner Entdeckung so weit, daß-^r. behauptet, jetzt könne nur noch baare Gewalt dem Lebe» eines Menschen ein Ende setzen. Die Sache hat. wie zu erwarten stand, in Chicago ver­dientermaßen ungeheures Aufsehen erregt. Die Nachricht datiert vom 1. April.

Auflösung des Buchstaben Rätsels in Nr. 54,

In trinitato rodnr.

(In Dreieinigkeit Kraft.)

Birne, Niere, Bayern, Natter, Araber, Biene. Robert, Irene, Orient, Trottoir, Räuber, Britannia Tauber. Arbeit, Traube. Urne. Tribut. Richtig gelöst von Ernst Gottschalk, Säger in Neuenbürg.

Telegramme.

Hamburg, 5. April. Wie derHamb. Corr " mitteilt, werden zur Eröffnung des Nordostseekanals am 19 Juni 22 Bundes­fürsten in Hamburg eintreffen. Die übrigen Gäste, nahezu 500, werden alsdann schon hier sein. Auch die Botschafter der an der Flotten­schau teilnehmenden Mächte sind eingeladen.

Berlin, 6. April. Als erstes Seeschiff ist der DampferChristian" mit einer Kohlen- Ladung in den Nordostseekanal eingelaufeu.

New-Orleans, 5. April. In einer Trinkstube gegenüber den Verkaufshallen am Frenchmarket erfolgte heule eine Entzündung eines Pulvervorrats. Fünfzehn Personen wur­den getötet, eine Anzahl verwundet. Das Ge­bäude geriet in Brand.

Redaktion, Druck und Verlag von C. Meeh in Neuenbürg.