280
Anteryattender Teil.
Die Brüder.
Eine Erzählung aus Island von A. v. Hahn.
(Schluß.)
Konnte er das aushalten, eine endlose Reihe von Stunden gegen den Felsen gelehnt, den schwindelnden Abgrund unter sich, in nacht- schwarzer Finsternis und der erstarrenden Eiskälte zuzubringen?"
Wenn die Felsen auch jetzt noch von der Sonne durchwärmt waren, Nachts würden die unteren Regionen ihren eisigen Odem emporsenden und seine Glieder in ihren starren Bann legen.
Wenn er auch einige Bewegungen wagen durfte, um das Blut in Cirkulation zu bringen, Frost und Erschlaffung würden ihn widerstandslos machen und im Stadium der Machtlosigkeit über sich selbst mußte er seinen Tod unzweifelhaft da unten sinken.
So sann und grübelte er, in furchtbarer Aufregung und mittlerweile wurde es dunkler und dunkler um ihn her und dann sank die endlose, grausame, für ihn furchtbarste Nacht hernieder.
Angst und Verzweiflung trieben ihm das Blut kochend durch die Adern, scheuchten die Müdigkeit von seiner Stirn und hielten ihn aufrecht, wenn er ficberzitternd zusammenbrcchcn wollte.
Wie er's getragen, wie cs ihm möglich gewesen, auszuharrcn, so viele Stunden erbarmungslosen Entsetzens durchzumachcn, so viele Anwandlungen der Schwäche, der gänzlichen Erschöpfung zu überwinden und sich heroisch aufrecht zu erhalten, er hat cs selbst nie begreifen können.
Als endlich, endlich die Sonne blosse Schimmer von Osten herüberwarf und die Vögel- schaaren sich zu regen und kreischend auszuslattcrn begannen, hatte er das Gefühl, als sei er ein Mcnschenalter lang in einem gräßlichen Bonn an diesen Felsen geschmiedet gewesen, als sei er nun zu einem alten, müden Mann geworden, der niemals mehr wieder lochen, niemals mehr werde froh aufatmen können.
Und nochmals mußte er Stunden in Heller Betäubung vor sich hinbrüten.
In feurigen Tinten drang das Sonnenlicht in die Schluchten und Felsenriffe, strich in verschwenderischer Flut über den breiten, gefrorenen Gürtel der Küste, leckte flimmernd an den glitzernden Kolossen der Polarwelt empor, welche die Strömung hergetragen und breitete den entzückenden Zauber des Winters vor ihm aus.
Gleichgültig stumpf blickte er in den märchenhaften Glanz, der krystallklor unter ihm winkte, nieder.
Wie sie die zappelnden Fische in starrer Fesselung in ihren Bann zwang und sie als Monumente des Gewesenen in rücksichtsloser Offenbarung ihrer Grausamkeit dem Sonnenlicht preisgab, das in vergeblichem Mitleid an den gläsernen Sarkophagen leckte, so würde die erbarmungslose Zauberin auch sein Blut, wenn er hinabstürzend, cs über ihr Gewand ergoß, in ihrem eisigen Bann festhalten.
Höher und höher stieg der Sonnenball und mehr und mehr versank Björn in starre Lethargie.
Die wilde Vcrzweiflumg, die ihm in der Nacht das Blut siedend durch den Körper peitschte, war der Apathie der Erschöpfung gewichen. Mehr und mehr erschlaffend, blickte er in mutloser Gebrochenheit in die glitzernde Pracht der herrlichen Winterlandschaft hinaus, die seinen müden brennenden Augen weh that.
Da drang Plötzlich durch das wüste Summen und Klingen, das als Vorbote des gänzlichen Zusammenbruchs seiner erschöpften Kräfte, als chaotisches Durcheinander in seinem halbbetäubten Hirn hämmerte, ein Ton aus der realen Welt, den er als solchen deutlich von dem Getöse unterschied, das seine überreizten Nerven schufen, zu ihm hernieder.
Das Geräusch wiederholte sich, andere wurden daneben laut, — oufhorchend rüttelte er sich aus der dumpfen Lähmung die ihn um
fing, auf und versuchte seine Aufmerksamkeit den Vorgängen über sich zu widmen.
Es waren die Laute sich nähernder Männerund Frauenstimmen, die sich endlich zu einem lauten Durcheinander über ihm konzentrierten.
Die wieder erwachende Hoffnung hob ihr Haupt und rüttelte den Lebensmut und die Willenskraft auf.
Er schüttelte die lethargische Mutlosigkeit ab und lauschte mit ausübender Energie. Er wußte, daß die laute Diskussion seinem Interesse galt, daß über seine Heraufschaffung beratschlagt wurde.
Endlich hörte er es über sich schlürfen und rutschen, während das Stimmengewirr schwieg. Es hatte Jemand den Abstieg begonnen.
Wogend trieb die Aufregung durch seine Brust. Mit geschlossenen Äugen, er wagte nicht emporzusehen, die Erwartung machte ihn schwindeln, lauschte dem näher und näher auf ihn niedertauchenden Geräusch entgegen.
Jetzt hörte er cs dicht über sich. Man hatte also in kluger Berechnung den Abstieg genau an der Stelle des vermeinten Absturzes unternommen. — Schabend hörte er etwas gegen den Felsen stoßen, dann ein rutschendes Gleiten und dann schwebte ein Schatten vor seinen krampfhaft geschlossenen Augen nieder und das erregte Atmen einer fremden Brust drang an sein Ohr.
Er hob die brennenden Augenlieder und blickte fassungslos in das von wildem Entsetzen oder ungläubigem Schreck entstellte Antlitz seines Bruders, der, niederschwebend mit starr erweiterten Augen zu ihm herüber sah.
„Kommst Du, um Dein Werk besser zu vollenden? „Wirst Du mich nun Hinabstürzen?" stammelte Björn heiser und lehnte sich mit abwehrend erhobenen Händen gegen die Felscn- wand, ein banges Flehen in den schrcckerstarrten Augen. „Laß mich leben! Führe mich in's Leben zurück! Ich will den Schwur jetzt leisten," fuhr er gebrochen fort. „Nimm das Glück hin, nach dem Tu verlangst, — nimm cs, — ich entsage, — Deine Liebe ist die größere — ich — ich hätte dies nicht — um sie vermocht!"
„Du lebst!" schrie Arni jetzt mit einer Stimme aus der alle Qualen der Hölle vor dem Jubel des Himmels wichen.
„Du lebst! Ich bin kein Mörder!"
„Du lebst!" wiederholte er schluchzend und streckte die Arme in heißem Verlangen aus, während er langsam, ruckweise mit dem Strick niederglitt.
„Er lebt!" gab er dann mit einem lhrän- erstickten Jubelschrei die frohe Kunde nach oben. „Haltet an, ich habe ihn!"
Zweifelnd blickte Björn auf ihn nieder. „Du freust Dich, daß Deine That nicht gelang?" fragte er ungläubig. „O, Bruder, ist es kein Trug, der mich in Deine Gewalt bringen soll, damit Du Dein Werk dennoch an mir vollenden kannst?"
„Björn," stieß Arni heiß hervor, „ich bin in dieser Nacht, in der mich die Qualen der Hölle durchtoblen, ein anderer Mensch geworden, Reue und Verzweiflung haben Alles in mir ausgemerzt, was schlecht und nredrig war. Nach dieser Stunde, in der mir Gott die Aussicht auf die Seligkeit wiedererschlossen hat, kann kein böser Gedanke mehr mein Herz beschleichen. Ich werde jetzt gut sein, — so gut, — daß die Engel neidvoll darauf niedersehen sollen! O, Björn, mein Bruder, wie ich Dich jetzt liebe!" Schluchzend streckte er die Arme aus. „Björn! Gieb mir ein Wort der Verzeihung!" Dann fuhr er fort: „In dieser Nacht, in der ich mit Gott gerungen, habe ich Alles gebüßt, was ich je gefehlt. Sieh, er hat mir vergeben, er hat mein reuevolles Flehen erhört und mich Dich lebend wiederfinden lassen. O Björn, um unserer Mutter willen, die uns Beide gebar, vergieb auch Du mir!"
In freudigem Staunen hatte Björn den Bruder angehört.
„Wenn Du wahr sprichst," entgegnete er mit zitternder Stimme, „will ich Deine That segnen, die uns zusammcngeführt und alle
Schrecken, die sie mir gebracht mit Deiner Bruderliebe aufwiegen lassen."
Arni hatte sich inzwischen bemüht auf das Felsstück zu gelangen, das den Bruder trug. Von dem Tau gehalten war ihm dies nach kurzer Anstrengung gelungen.
In heißer Umschlingung preßte er den Bruder an's Herz, der sich vertrauensvoll an ihn schmiegte.
Dann beratschlagten sie schnell ihren Rückzug.
Arni rief eine entsprechende Weisung hinauf und darauf schwebte er, den Bruder mit den Armen fest umschlungen haltend, an der Felswand empor.
„Jetzt bin ich in Deiner Hand!" sagte Björn beklommen und klammerte sich fester an des Bruders Hals.
„Du gabst Dich in meine Hand!"
Arni drückte den Bruder innig an sich und blickte in inbrünstiger Hingabe zu ihm auf, dessen Wange an seiner Stirn lehnte.
Dann schwebten sie schweigend empor.
„Mache sie glücklich, Arni!" sagte Bchrn leise, als Hilder's Stimme in einem jubelnden Aufschrei erklang.
„Hilder ist Dein. Ich habe Dein Leben für ihren Besitz bei Gott eingetauscht!" flüsterte Arni erstickt und drückte sein Äntlitz an des Bruders Brust.
„Es wird Dich elend machen —"
„Werde so glücklich, daß die Engel Dich beneiden, ich will mich Deines Glückes neidlos freuen —"
„Arni, mein Bruder!"
Björn drückte seine Lippen auf des Bruders Stirn.
Berlin, 30. Mörz. Albumsprüche Moltkes und Bismarcks. Eine junge Dame erbat sich erst von Moltke und dann von Bismarck einige Worte in ihr Album. Mollke schrieb: Lüge vergeht, Wahrheit besteht!
v. Moltke. Feldmarschall, Fürst Bismarck schrieb darunter:
Wohl weiß ich, daß in jener Welt Die Wahrheit stets den Sieg behält,
Doch gegen Lüge dieses Lebens Kämpft selbst ein Feldmarschall vergebens, v. Bismarck, Reichskanzler.
sAuch ein Gcburtstagswunsch j Der kleine Willy (ncchdim er sich in der vatcrländischen Geschichte mit den Zahlen abgemüht hatte): Kaiser Wilhelm der Erste lebte von 1797 bis 1888, Moltke lebte von 1800 bis 1891. Ach, lieber Bismarck, werde doch hundert Jahre alt. — das merkt man sich so leicht!
jEin Opfer seines Berufs.) A: „Wann ist denn eigentlich Dein kleiner Laubfrosch krepiert?" — B: „Vergangene Woche. Als die Witterung so plötzlich nmschlng, ist er von seiner Leiter herabgepurzelt und hat's Genick gebrochen!" — jLnkant terridlo.j Tante: „. . . Gott, da habe ich jetzt in Gedanken Eu'ren Kuchen aufgegessen!" — Der kleine Neffe: „Ein Stück hast Du in Gedanken sogar in die Tasche gesteckt, Tante!"
Buchstaben-Rätsel.
1 2 3 4 1 2 1 3 5 3 6 4 7 8 9 4 ein Fa
milienspruch einer deutschen Adelsfamilie. 8 1 4 2 6 Frucht.
2 1 6 4 6 Körperteil,
8 5 1 6 4 2 ein Königreich,
2 5 3 3 6 4 böses Tier,
5 4 5 8 6 4 Volksstamm,
8 1 6 2 6 kleines Tier,
4 7 8 6 4 3 männlicher Name,
1 4 6 2 6 weiblicher Name,
7 4 1 6 2 3 Länder im Osten,
347337 14 ein Weg,
4 5 6 9 8 6 4 schlechter Mensch.
8 4 1 3 5 2 2 1 5 Metall.
3 5 9 8 6 4 Fluß.
5 4 8 6 1 3 Thätigkeit,
3 4 5 9 8 6 Frucht,
9 4 2 6 Behältnis,
3 4 1 8 9 3 Zins.
Redaktion, Druck und Verlag von E. Me eh in Neuenbürg.