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des Stuttgarter jProf. Dr. R. Baur) wurde beim Festtag von Graf Herbert dem Fürsten Bismarck vorgestellt und von letzterem nach längerer Unterhaltung umarmt und geküßt.
Berlin. 2. April. Der Geburtstag des Fürsten Bismarck. Zu dem Festmahle, das am Montag abend im königlichen Schlosse zu Berlin stattfand, war auch der frühere Präsident des Reichstages, v. Levetzom, eingeladen. Es wurde besonders bemerkt, daß in das vom Kaiser ausgebrachte Hoch auf den Fürsten Bismarck auch die beiden klerikalen Reichstagspräsidenten Frhr. v. Buol und Spahn mit einstimmten. Das dürste für sie gewissermaßen wohl auch eine äußere Notwendigkeit gewesen sein. Die „Germania" berichtet, der Kaiser habe die Herren sehr huldvoll und freundlich begrüßt und den Wunsch ausgedrückt, der Reichstag möge unter ihrer Leitung eine energische Thätigkeit entfalten. Der Empfang habe nur wenige Minuten gedauert.
Berlin, 2 April. Der Kaiser sprach gestern auf dem Hoffeste mit dem Präsidenten des Reichstags sehr ernst über die Aufgaben des Reichstags. In der Unterhaltung fielen folgende Worte des Kaisers: „Sie amtieren erst kurze Zeit, die Veranlassung Ihres Amtsantritts ist kein freudiger gewesen!" Von der Abwesenheit des zweiten Vizepräsidenten Schmidt nahm der Kaiser keine Kenntnis. — Dem gewesenen Reichstagspräsidenten v. Levetzow ist eine besondere Auszeichnung verliehen worden.
Hildes heim, 1.Z, April. Bei dem gestrigen Bismarck-Kommers sind 1400 olL als Grundstock zu einer Bismarckstiftung für arme kranke Kinder gesammelt worden.
Karlsruhe, 2. April. Der Großherzog übermittelte dem Oberbürgermeister Schnetzler das Bildnis des Fürsten Bismarck für den Rathaussaal.
Friedrichsruh, 2. April. Fürst Bismarck hat diese Nacht so ausgezeichnet geschlafen, wie lange nicht mehr. Der gestrige Tag ist ihm trotz der großen Anstrengungen vorzüglich bekommen. Geheimrat Dr. Schweninger sagte ihm heute Morgen scherzend, er dürfe fernerhin nach solchen körperlichen Leistungen nicht mehr behaupten, er sei ein alter kranker Mann. Die Telegraphenbeamten, die außerordentliches leisten, meinen, Friedrichsruh sei in der letzten Woche der Mittelpunkt der Welt gewesen; 120000 Postkarten sind angekommen, allein 10000 aus Nordamerika.
Der 80. Geburtstag des Fürsten Bismarck hat sich in Wahrheit zu einem nationalen Festtage für ganz Deutschland ge- staltet, dies bekunden die aus allen Gauen des deutschen Vaterlandes vorliegenden Berichte über die schier zahllosen mannigfachen Festlichkeiten, welche am 1. April und teilweise schon am 31. März zu Ehren des Altreichskanzlers veranstaltet worden sind. Legion ist auch die Zahl der dem Fürsten Bismarck zu seinem Ehrentage zugegangenen telegraphischen und brieflichen Beglückwünschungen, an welchen Kundgebungen sich die weitesten Schichten und Kreise der Nation beteiligt haben. Ueber den Verlauf der Festfeier in Friedrichsruh selbst liegen so eingehende Mitteilungen vor, daß eine Wiedergabe derselben an dieser Stelle viel zu weit führen würde. Es sind etwa 200000 Glückwunschbriefe und 20000 Telegramme und Eilbriefe eingegangen. Ein solcher telegraphischer Verkehr ist noch nie dagewesen. Das Befinden des Fürsten Bismarck ließ in den letzten Tagen vor dem Geburtsfeste infolge der mannigfachen Anstrengungen, die sie für den allverehrten Greis mit sich brachten, zu wünschen übrig, doch hatte sich sein Befinden schon im Laufe des Sonntags wieder erheblich gebessert und auch die Aufregungen und Anstrengungen des eigentlichen Festtages scheint der Fürsti verhältnismäßig gut überstanden zu haben, hoffentlich kann dies auch für das Weitere gelten.
Berlin, 1. April. Heute fand unter dem Vorsitz des Kaisers eine Kommissionssitzung für die Eröffnungsfeier des Nordostseekanals statt, woran General Waldersee, Oberpräsident Steinmann und die Admirale Knorr und Hollmann teilnahmen. — Das Kaiserpaar über-,
brachte gestern mittag dem Reichskanzler Fürsten Hohenlohe persönlich seine Glückwünsche zum 76. Geburtstage.
Berlin, 1. April. Die Wahlprüfungskommission des Reichstags hat einstimmig beschlossen, beim Reichstag zu beantragen, die angefochtene Wahl des Rcichstagsabgeordneten Siegle-Stuttgart als giltig zu erklären.
Der Reichstag ist am Samstag in seine Osterferien gegangen, ohne den Antrag Kanitz, welcher das Haus in den beiden letzten Sitzungen vor den Ferien beschäftigte, zur definitiven Erledigung gebracht zu haben Indessen bedeutet der gefaßte Beschluß des Reichstages auf Kommissionsberatung des Antrages Kanitz unter den obwaltenden Verhältnissen eigentlich doch nichts weiter, als eine verschleierte Ablehnung des letzteren. Denn das Zentrum, welches ja auch in dieser Frage den Ausschlag giebt, hat ja in der Debatte über den Antrag Kanitz erklären lassen, es könne dem Prinzip desselben niemals zustimmen, vielleicht lasse sich aber in der Kommission noch etwas Brauchbares aus dem Anträge herausschälen. Dies wird jedoch nach Lage der Dinge schwerlich zu ermöglichen sein, der Antrag Kanitz läßt sich nicht gut zerstückeln, ohne nicht seinen Wert für leine Befürworter fast gänzlich zu verlieren; vermutlich wird er in der Kommission entweder abgelehnt oder aber still „begraben" werden. Für die Regierung aber ist die Sache auf alle Fälle abgethan. nach den vom Reichskanzler Fürsten Hohenlohe abgegebenen und entschieden ablehnend lautenden Erklärungen gegenüber dem Anträge Kanitz wäre an seine Genehmigung durch den Bundesrat — selbst wenn der Antrag vom Reichstage angenommen worden wäre — nicht zu denken. Wie sich nunmehr das Verhältnis zwischen der Regierung und der Rechten weiterentwickelt wird, das bleibt allerdings noch abzuwarten. immerhin wäre es nicht verwunderlich, wenn der Unmut in den Reihen der Konservativen über die zurückweisende Stellungnahme der Regierung in Sachen des Antrages Kanitz auf irgend eine Art noch zum Ausdruck käme.
Württemberg.
Das Regierungsblatt Nr. 8 vom 30. März enthält das Gesetz vom 22. März 1894, betr. die allgemeine Fortbildungsschule und die Sonntagsschule, sowie sonstige Bestimmungen über die Volksschule, ferner die Verfügung des Ministeriums des Kirchen- und Schulwesens zur Ausführung dieses Gesetzes.
Stuttgart. 31. März. Se. Kgl. Maj. haben an den Fürsten Bismarck aus Anlaß seines 80. Geburtstags ein Glückwunschschreiben gerichtet, mit dessen Ueberbringung der der k. Flügeladjutant Oberst Frhr. v Walter in Berlin beauftragt ist.
Die von der Stadt Stuttgart gestern Abend in der Liederhalle veranstaltete Bismarckfeier war zahlreich besucht. Kurz vor acht Uhr erschien auch der König. Oberbürgermeister Rümelin bewillkommete die Versammlung und erteilte dem Festredner Professor Karl Weitbrecht das Wort, der das Eigenartige in dem genialen Wesen des Mannes hervorhob, der das vollbracht hat, was die Deutschen schon längst ersehnten. Er schloß seine oft von Beifall unterbrochene Aede mit einem Hoch auf Bismarck, in das die Rnwesenden voll Begeisterung einstimmten. Patriotische Gesänge und Vorträge des Liederkranzes trugen nicht wenig dazu bei, daß die Stimmung bis zum Schluß eine äußerst gehobene war.
Stuttgart, 31. März. Unter Vorantrilt einer flotte Märsche spielenden Militärkapelle bewegte sich heute abend ein imposanter Fackel zug der Schüler der Oberklassen der drei hiesigen Gymnasien und der Realanstalt die Königsstraße herab, über die Plante zum Denkmal des Fürsten Bismarck gegenüber dem Wilhelmspalast Die etwa 800 Fackelträger nahmen teils rings um vas Denkmal, teils im Hofe des Wilhelmspalastes Aufstellung. Eine ungeheure Volksmenge füllte sowohl den Platz zwischen der Akademie und dem Waisenhaus als alle darauf einmündenden Straßen. Unter Musikbegleitung wurde zuerst die Wacht am Rhein gesungen,
> dann folgten von ;e einem Schüler der vier 1 Lehranstalten patriotische Ansprachen, welche mit einem von der Volksmenge begeistert oufge- nommenen Hoch auf den Fürsten Bismarck endigten. Dann folgte wieder mit Musikbegleitung das Lied „Deutschland, Deutschland über alles." Inzwischen war Se. Maj. der König auf der Eingangstreppe des Wilhelmspalastes erschienen, was unter den jugendlich°n Fackelträgern großen Jubel hervorrief. Sie sangen „Heil unserm König Heil". brachten stürmische Hochrufe auf den König aus und zogen sodann mit Musik nach der Liederhalle, wo ein Bankett staltfand.
Heilbronn. 1. April. Anläßlich des 80. Geburtstags des Fürsten Bismarck wurde heute unter zahlreicher Beteiligung der Bevölkerung, die seitherige Jägerstraße in Bismarckstraße umgetauft. Ehrenpforten waren errichtet mit dem bekannten Kcrnspruch des Altreichskanzlers: „Wir Deutsche fürchten Gott und sonst Nichts in der Welk." Die dortige Regimentskapelle ließ patriotische Weisen erklingen. — Die Bismarckstraße läuft parallel mit der Mollkestraße, beide begrenzen den Kaiser Wilhelmsplatz auf welchem die Kaiser Wilhelmskirche erbaut werden soll.
Weinsberg, 1. April. Gestern abend fand auf der Gänscrshälde zu Ehren Bismarcks ein Freudenfeuer statt, woran sich Alt und Jung beteiligte. Stadtschultheiß Seufferheld hielt die Festrede. Auch wurde eine Bismarcksciche gesetzt. Die Stadt prangt im herrlichsten Schmuck. Sehr viele Häuser, worunter besonders das Rathaus hervorzuheben ist, sind prächtig illuminiert. Es herrscht ein freudiges Treiben in unserer Stadt. Abends fand Bankett im Gasthof zur „Traube" statt.
Biberach, 1. April. Bismarckfeier. Gestern abend fand eine Beleuchtung vieler Gebäude und Musik auf dem Marktplatz statt. Heute zeigt die Stadt reiche Beflaggung; abends fand ein Festbankct des Liederkranzes, des Veteranen-, des Militär- und des Turnvereins statt.
Cannstatt. Schlossergeselle Mannuß, der seine Geliebte, die Ehefrau Hipp, erschoß und deren Ehemann durch Schüsse schwer verletzte, wurde vom Schwurgericht Stuttgart wegen Mordes zum Tode, und wegen versuchten Totschlags zu 4 Jahren Gefängnis verurteilt.
Solitude, 30. März. Während gestern Abend, etwa um 8 Uhr, am östlichen Horizont ein starkes Wetterleuchten von hier aus beobachtet werden konnte, fing es heute Morgen um dieselbe Z it hier zu schneien an. — Kaum war der letzte Schnee auf unserer Höhe geschmolzen, da zeigte sich schon auf der Wiese des Schloß- verwalters Beck die liebliche Krokusblüte in ihrem herrlichen Blau.
Stuttgart. sLandesproduktenbörse. Bericht vom 1. April von dem Vorstand Fritz Kreglinger.s In der letzten Woche war die Tendenz ziemlich unverändert, trotzdem wurden die auswärtigen Offerten schlank ausgenommen. Die Landmärkte sind gut beschickt, an einzelnen Märkten mußten die Preise etwas nachgeben. Wir notieren per 100 Kilogr.: Azima-Weizen 15.60—15.75 -tL, Gyrka-Weizen 15.35 Oberländer Kernen 16 -1«, nngar. Gerste 18 Landhafer 11 50 Albhafer 12 Albhafer 1a 13 — Mehl-
preise Per 100 Kilogramm inkl. Sack bei Wagenladung : Letztwöchentlich.
Zustand.
Wien, 1. April. In den heutigen 46 Ergänzungswahlen zum Gemeindeausschuß im zweiten Wahlkörper wurden 18 Liberale und 20 Antisemiten gewählt. 8 Stichwahlen sind erforderlich. Die Antisemiten gewannen 13 Mandate.
Pest. 2. April. Um I Uhr früh wurde eine Dynamitbombe am Hcntzi-Denkmal entzündet. Die furchtbare Schlagentzündung hat das Standbild nur wenig beschädigt; die Fenster der anliegenden Gebäude, am Ministerpräsidium und am Palast des Erzherzogs Josph wurden zertrümmert. Der Verbrecher ist der Redakteur des Volksblattes „Olvasd" und heißt Szeles. Er konnte bis jetzt nicht verhaftet werden. Szeles ist mehrfach wegen Majestätsbeleidigung vorbestraft.
Mit einer Beilage.
Redaktion, Druck und Verlag von C. Meeh in Neuenbürg.