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Bon den Geld- und Warenbörsen.
Neuenbürg. 1. Apr. Fürst Bismarcks 80. Geburtstag wurde hier gestern abend unter überaus großer Beteiligung begangen. Es mögen im Hotel zur Post wohl 200 Festgenossen beisammen gewesen sein. Ueber den Verlauf der Feier werden wir im nächsten Blatt berichten.
* Jgelsloch, 29. März. In unserem sonst so stillen Ort gab es am heutigen Freitag außergewöhnlich lebhaften Verkehr und wohl noch nie dürfte man hier so viele Gäste von auswärts. welche zu Fuß und zu Wagen eingetroffen waren, gesehen haben. Es galt, die Feier des 25jährigen Dienstjubiläums unseres verehrten Ortsvorstehers. Hrn. Schultheißen Bertsch zu begehen. Die schöne Feier vollzog sich im Gasthaus zum Hirsch; es hatten sich daselbst nicht nur die Amlskollegcn des ganzen Waldgangs eingefunden, auch Freunde und Kollegen aus dem Enzthal, ja sogar aus dem Hinteren Bezirk, von Herrenalb, Dobel. Neusatz und Rothensol haben die regnerische Witterung und den langen Weg nicht gescheut und waren herbeigekommen. In dem Gasthaus war^chließ- lich kaum mehr ein Plätzchen zu finden. Nach dem einfachen aber gut zubereiteten Imbiß erhob sich als erster Redner, der Geistliche, Hr. Pfarrer Beitler von Schömberg, um in herzlichen Worten zur Feier des heutigen Tages zu sprechen. Als Geistlicher der Filialgemeinde sei es ihm eine herzliche Freude auszufprechen, wie der Hr. Schultheiß ihm und seinen drei Amtsvorgängern stets mit Rat und That zur Seite gestanden und ein wie eifriger Anhänger und Freund unserer Kirche der Jubilar sei. Namens des Kirchspiels, dessen weltl. Vertreter der Jubilar seit Jahren ist, übergebe er zum Zeichen der Anerkennung eine Bibel in großem Format, mit dem Wunsche, die heilige Schrift möge dem Jubilar auch fernerhin zur Erbauung dienen. Aber nicht nur als Geistlicher spreche er, auch namens der Gesamtgemeinde Jgelsloch- Unterkollbach wolle er herzlichen Dank sagen für Alles was der Ortsvorsteher gethan habe. Hr. Bertsch habe wahrhaft wie ein Vater für die Gemeinde gesorgt; letztere widme ihrem verehrten Jubilar ein hübsch ausgestaltetes Diplom in schönem Rahmen, worin Worte der aufrichtigen Dankbarkeit zum bleibenden Andenken an den heutigen Tag niedergelegt sind. Der Herr Pfarrer setzte humorvoll hinzu, als es sich darum gehandelt habe, was für ein Gegenstand dem Jubilar als Gescheukzum heutigen Tag gegeben werden solle, habe es zuerst geheißen. einen Lehnstuhl, doch sei dagegen eingewendet worden, der Hr. Schultheiß könnte dazu wie einst Kaiser Wilhelm sagen, „Ich habe keine Zeit müde zu sein", und da ja auch der Jubilar, trotz seines silberhellen Greisenhaares noch so jung und thatkräftig sei, habe man sich gesagt, einen Lehnstuhl brauche er noch nicht, man wolle ihm einen solchen bei seinem goldenen Jubiläum geben. Als Angebinde übergab sodann der Hr. Pfarrer in besonderem Auftrag des Gemeinderats eine goldene Uhr, welche auf dem inneren Deckel ebenfalls entsprechende Widmung in musterhafter Gravierung trägt. Hoffentlich werde die Uhr nie stille stehen, und wie sie ihren Gang stets gehen wird, so möge der Hr. Schultheiß seinen Gang als ehrenwerter Charakter auch fürderhin gehen. — Hierauf brachte Hr. Oberamtmann Maier in ebenfo herzlichen wie beredten Worten dem verehrten Jubilar seine Glückwünsche dar. Der Hr. Redner sagte weiter, ein Ortsvorsteher habe kein beneidenswertes Los, er stehe mitten im Leben und es treten die Anforderungen von allen Seiten an ihn heran. Wenn nun ein Ortsvorsteher auf sein 25jähriges Jubiläum mit solchem Erfolg zurück- blicken könne, wie der Jubilar, so müsse man sagen: „alle Verehrung, alle Hochachtung." Es sei gewiß ein Schönes und ein Großes, wenn dem Jubilar das Zeugnis gegeben werden kann, daß er alles das gehalten, was er vor 25 Jahren als charaktervoller Mann versprochen: Treue zu Seiner Majestät dem König, Treue zu den Bürgern und Vorgesetzten. Und in stets schlichter und bescheidener Weise sei Hr. Schultheiß Bertsch seinen Pflichten nachgekommen, er sei immer der-
selbe ehrenwerte Mann geblieben. Seine Pflicht- treue habe vor 2 Jahren von Seiten der Kgl. Oberregierung und des Ministeriums durch Verleihung der silbernen Verdienstmedaille schon im Voraus dieKönigl. Anerkennung gesunden. Inder heutigen Zeit, wo Alles aus den Fugen zu gehen und zu wanken droht, gelte es um so mehr fest auf seinem Posten zu stehen. Wenn das Wohl des Staates gedeihe, könne auch nur das Wohl des Einzelnen gedeihen. Der Hr. Schultheiß habe als Seele der Gemeinde immer das richtige Wort am richtigen Ort gefunden. Möge es immer so sein in Jgelsloch! Beide eindrucksvolle Trinksprüche wurden mit Dank und Beifall ausgenommen und sodann mehrere Glückwunschschreiben bekannt gegeben, so das von Regierungspräsident v. Luz in Reutlingen, welcher den Jubilar heute vor 25 Jahren in sein Amt eingesetzt hat. die von Präsident v. Gau pp, OberregierungSrat Nestle und Regierungsrat Hofmann in Stuttgart, welche Herren bekannt- E lich der Reihe nach dem hiesigen Oberamt vorgestanden und welche den Jubilar als pflichtge- trcuen, tüchtigen Ortsvorsteher schätzen gelernt und in Erinnerung haben. Auch mit einem warmempfundenen Glückwunschschreiben des Hrn. Dekan Cranz von Neuenbürg, sowie mit einem Begrüßungstelegramm von 19 Ortsvorstehern des Nachbarbezirks Calw, welche anläßlich der Musterung in Neuweilcr beisammen, ihres befreundeten Kollegen gedachten, wurde der Jubilar erfreut. Hr- Sonnenwirt Zeltmann von Dobel brachte, bezugnehmend auf den befreundeten Ortsvorsteher von Neusatz, der ihn mitveranlaßt habe, von der einen Schwarzwaldhöhe auf die andere zu kommen, in launigen Worten einen Trinkspruch auf den Gefeierten aus. Es folgten weitere herzlich gemeinte Worte von Hrn. Schultheiß Häberlen von Calmbach, welcher die allzeit bewiesene ächte Freundschaft und Kollegialität des Jubilars hervorhob.
Der so Gefeierte, tief gerührt durch so viel Beweise von Liebe und Wertschätzung, richtete hierauf schlichte Worte herzlichen Dankes an die Festgäste. Vor Allem sei er von ganzem Herzen dankbar Gott dem Herrn aller Herren, der ihn die ganze Zeit so gnädig geführt und geleitet und ihm die nötige Kraft des Geistes und Lewes verliehen. Eine große Freude sei es für ihn, die Anerkennung seiner geehrten Vorgesetzten zu hören; er werde den Rest seines Lebens dazu benützen, immer treu und gewissenhaft sein Amt zu versehen; die Treue gegen Gott, Treue gegen König und Vaterland, Treue gegenüber seiner lieben Gemeinde werde seine Richtschnur sein. — Der Ortsvorsteher sei vor allem berufen, den starren und kalten Buchstaben des Gesetzes in die Gemeinde zu tragen und da gelte es ihn zum praktischen Gebrauch herzurichten, da man sonst überall anstoßen würde. — Es waren eindrucksvolle, von Herzen kommende u. zu Herzen gehende Worte, die der verehrte Jutalar gesprochen hatte.
Weitere Trinksprüche brachten noch aus Hr. Schullehrer Mayer, der das so schöne und friedliche Zusammenwirken der Gemeindebürger rühmte, ferner Hr. Oberamlspfleger Kübler, welcher der Frau Schultheiß ehrend gedachte. Ihm seien die Familienverhältnisse des Hrn. Schultheißen gut bekannt; der Einfluß, den eine musterhafte Frau auf den Mann auszuüben pflege, sei hoch anzuschlagen. — Da das heutige Jubiläum fast zusammentrifft mit dem Geburtstag des greisen Patrioten, der in diesen Tagen Gegenstand so großer Begeisterung ist, so nahm Hr. Römpler von Schömberg Veranlassung, des großen Mannes zu gedenken, indem er das schwungvolle Gedicht des Studenten Paul Warncke, in welchem unser Altreichskanzler Fürst Bismarck gefeiert wird, zum ausdrucksvollen Vortrag brachte. Der Jubel, mit welchem diese herrlichen Strophen ausgenommen wurden, bewies, daß auch Hr. Römpler das Richtige getroffen hatte; denn wie die Bewohner dieser unserer Schwarzwaldorte da oben noch an alter schwäbischer Sitte festhallen, so herrscht unter ihnen noch eine wahre, unverfälschte, patriotische Gesinnung, die man stets wohlthuend empfindet.
Abends, als die auswärtigen Gäste uns verlassen hatten, sammelten sich noch weitere Bürger
zur geselligen Unterhaltung um ihren Ortsvorstand. der heute mit seinen zahlreichen Freunden und Gönnern einen so schönen Tag erleben durfte. Gewiß wird dem verehrten Jubilar die heutige Feier unvergeßlich bleiben. Auch wir schließen uns dem aüseitigen Wunsche an, daß ihm noch lange Jahre gleich guter Gesundheit und geistiger Frische zum Segen seiner Familie und der ganzen Gemeinde beschieden sein mögen.
Deutsches Aeich.
Der Reichstag hat in seiner Donnertags- sitzung den gesamten Etat in dritter Lesung erledigt. vorher war der von den Abgeordneten Möller (nat.lib.) und Hitze (Zentr.) eingebrachte Gesetzentwurf über die Abänderung des Reichsgesetzes, betr. die Einheitszeit debattenlos angenommen worden. Die dritte Etatslesung vollzog sich im Allgemeinen in glatter Form und unter unveränderter Genehmigung der allermeisten einzelnen Etatsteile aus Grund der Beschlüsse zweiter Lesung. U. A. wurde der Etat des Reichstages ohne jede Erörterung genehmigt; die zu dieser Position beantragte Resolution der Sozialdemokraten, das Haus möge Stellung zu der kaiserlichen Depesche an Bls aarck nehmen» war vom Präsidenten zurückgewiesen worden. Auch bei der Erörterung des Marine-Etats kam es nicht zu dem hie und da wohl erwarteten Zwischenfall, die Konservativen stimmten ebenso gut wie das Zentrum und die Nationallibcralen für die neuen Kreuzer. Dagegen kam es zu einer kleinen Szene bei der Diskussion über den Etat der Reichsbank, da der Abg. Ahlwardt hierbei seine früheren Beschuldigungen gegen den freikonservativen Abgeordneten v. Kardorff, derselbe habe in gewissen bedenklichen Verbindungen mit dem Bankhause Mohr u. Speyer gestanden, wiederholte; Herr v. Kardorff nnes die Ahl- wardt'schen Anzapfungen in scharfer Weise zurück.
Berlin, 29. März. Reichskanzler Fürst Hohenlohe erklärte im Reichstag bezügl. des Antrags Kanitz: Der Antrag schließt das Verbot der freien Getreideeinfuhr ein, dieses widerspricht den Handelsverträgen. Es ist der Würde des Reiches nicht angemessen, jo bald nach dem Vertragsschluß bei den betreffenden Staaten Abänderungen zu beantragen. Der Antrag bedeutet das Ende des Privatgetreidehandels. Ein solcher Eingriff in den Handelsorganismus wäre äußerst bedenklich. Dle Regierung kann keine Verantwortung für die richtige Regulierung der Zufuhr annehmen und hat Bedenken gegen die sozialdemokratische Richtung des Antrags. Der Antrag schädigt viele Staatsbürger und nützt nicht einmal allen Landwirten.
Der „Reichsanzeiger" veröffentlicht: Def Reichskanzler und Präsident des Staatsmini- steriums Fürst zu Hohenlohe hat dem Fürsten v. Bismarck am 27. d. M. die Glückwunschschreiben des Bundesrats und des preußischen Staatsministeriums zum 80. Geburtstage persönlich nach Friedrichsruh gebracht.
Friedrichsruh, 30. März. Die Vertreter der Studentenschaft sind augenblicklich be>chäftigl, auf dem rückseitigen Altane des Schlosses den die Form eines Obelisken darstellenden Schrank, den die gesamte deutsche Studentenschaft aus freiwilligen Beiträgen für 30 000 hat anfertigen lassen, aufzusteüen. An der Huldigung am 1. April nehmen über 4000 Studenten teil. Auf dem obellskförmigen Schranke stehen 30 prächtige farbiggemalte Pokale, je einer von jeder Universität. Der Sprecher credenzt Bismarck den Ehrentrunk aus dem Göttinger Humpen.
Eine humoristische Gratisbeigabe zu Bismarcks 80. Geburtstag veranstaltete das in Berlin neu gegründete deutsch-nationale Witzblatt „Deutscher Michel", indem es seine am 30. März als reich illustrierte, humoristische Blsmarck-Festnummer erscheinende Nummer auf Wunsch an Jedermann gratis und franko durch die Geschäftsstelle des „Deutschen Michel" in Berlin 57, Göbenstraße 6, versendet.
Berlin. Unsere Fahnenfabnken haben die letzte Zeit bis in die Nacht hinein gearbeitet, um alle für Montag bestellten Flaggen fertig zu stellen. Stark vertreten sind Blau-Weiß, die Bismarckschen Farben.