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rat hat er seinen Wohnsitz zur Zeit meist in Berlin, da er Mitglied der Kommission für die Ausarbeitung des Bürgerlichen Gesetzbuches ist.

Berlin, 27. März. Die Tabaksteuer» kommission lehnte sämtliche Abänderungsanträge zu § 1 betreffend die Zollsätze uud sodann auch tz 1 der Regierungsvorlage ab.

Berlin. 28. März. Es bestätigt sich, daß im Herrenhause der Antrag, unterstützt von mehreren Katholiken und von dem deutsch-frei- sinnigen Berliner Oberbürgermeister Zelle, ein­gebracht ist, eine Marmorbüste Bismarcks im Sitzungssaale auszustellen. Die Besprechung der Depesche des Kaisers im Richstag ist wegen Widerspruchs des Zentrums aufgegebcn.

Berlin, 27. März. Der dem Fürsten Bismarck vom Kaiser gestern überreichte Ehrenpallasch hat einen goldenen Korb, worauf das BiSmarcksche Wappen angebracht ist. Auf dem Knopf befindet sich in reicher Verzier­ung das Bildnis des Kaisers. Eine Sette der Klinge trägt die Inschrift: «Dem Fürsten von Bismarck, Herzog von Lauenburg, zum vollendeten achtzigsten Lebensjahr." Auf dieser Seite ist auch das Wappen Elsaß Lothringens unter den Fittigen des deutschen Reichsadlers angebracht, die andere Seite der Klinge zeigt in gotischer Schrift den Ausspruch:Wir Deutschen fürchten Gott, sonst nichts in der Welt.« Das dem Fürsten vom Kaiser geschenkte Petschaft aus La­pislazuli befand sich seiner Zeit auf dem Schreib­tisch des alten Kaisers Wilhelm und wurde von diesem täglich benutzt. Grade die Erinnerung hieran bildet für den Fürsten die größte Freude an dem auch an sich wertvollen Geschenke.

Friedrichsruh, 27. März. Prinz Heinrich mit seinem sechsjährigen Söhnchen, dem Prinzen Waldemar, ist heute Vormittag 11 Uhr hier eingetroffen. Bald darauf trafen der Großherzog von Baden, Reichskanzler Fürst Hohenlohe, der Legationsrat Prinz Alexander v. Hohenlohe, der badische Gesandte v. Jage- mann und der Chef der Reichskanzlei Frhr. v. Wilmowski ein und wurden am Bahnhofe vom Grafen Rantzau empfangen. Der Großherzog erkundigte sich sogleich nach dem Befinden Bis­marcks und fuhr mit dem Reichskanzler zum Schloß, wo Fürst Bismarck an der Thürschwelle seine Gäste herzlichst begrüßte.

Der Reichskanzler Fürst Hohenlohe überbrachte dem Altreichskanzler Fürsten Bis­marck Beglückwünschungsschreiben des Bundes­rats und des preußischen Staatsministeriums, zweier Körperschaften, die wie er betonte stolz darauf seien, Jahrzehnte lang unter Leitung Bismarcks für das Wohl des Vaterlandes gearbeit zu haben. Der Reichskanzler schloß seine Ansprache mit dem herzlichen Wunsche, daß Gott dem Fürsten Bismarck noch lange Jahre Kraft und Gesundheit schenken möge. Bismarck dankte dem Reichskanzer persönlich und bat ihn, auch dem Bundesrate und dem Staatsministerium seinen herzlichsten Dank zu übermitteln, und bemerkte, es habe ihn stets gefreut, mit dem Fürsten Hohenlohe zu arbeiten und es mache ihm deshalb ganz besondere Freude, daß gerade dieser Reichskanzler ihm die Glückwünsche über­bringe.

Berlin, 27. März. Die hervorragend­sten Geschäftsinhaber Berlins haben insgesamt beschlossen, am 1. April, dem Geburtstage des Fürsten Bismarck, ihre Geschäfte nicht später als 7 Uhr zu schließen, um dadurch eine öffent­liche Ehrung dieses Festtages zum Ausdruck zu dringen.

Leipzig, 27. März Eine Anzahl an­gesehener Katholiken erläßt imLeipz. Tagbl." die Aufforderung an die deutschen Katholiken, gegen die Nichtehrung Bismarcks seitens des Reichstags Widerspruch zu erheben und sich von dem Verdachte zu reinigen, als wollten sie Deutschlands größtem Sohn keine Ehre erweisen. Selbst der Papst habe Bismarck wiederholt zum Geburtstag beglückwünscht, auch Windhorst würde das nicht verweigert haben.

Eine Postkarten - Zustellung, wie sie bisher wohl noch keinem Sterblichen geblüht haben dürfte, hat an seinem 80. Geburtstage

Fürst Bismarck zu erwarten. Der Vorstand der deutschen Reichsfechtschule ist bekanntlich auf die Idee verfallen, Postkarten mit dem Bilde Bis- marcks Herstellen zu lassen und dieselben zum Besten seines Lahrer Waisenhauses für 10 ^ pro Stück zu verkaufen. Diese Karten haben den bestimmten Zweck, dem Alt-Reichskanzler am 1. April eine Massen-Gratulation zu über­mitteln, indem sie, mit den Beglückwünschungen versehen, insgesamt am 31. März an die Adresse Bismarcks gesandt werden sollen. Die Sache hat im Publikum solchen Anklang gefunden, daß bereits über eine Million jener Karten abge­nommen worden ist, von denen allein Amerika fast die Hälfte bezogen hat. Es wird sich also am 1. April über Friedrichsruh ein Postkarten regen ergießen, an welchem Fürst Bismarck und die dortige Postanstalt ihre Freude haben können.

Dresden, 26. März. Infolge des ab- lehnenden Reichstagsbeschlusses zeichneten zwei Bürger 15,000 für ein hier zu errichtendes Bismarckdenkmal.

Kehl. 27. März. Der Rhein ist gestern früh bis heute von 3,16 auf 3.86 m, um 70 em gestiegen. Im Steigen der Kinzig ist bei einem Pegelstand von 3.00 m Stillstand einge­treten. Auch der Rhein dürfte wenig mehr steigen, da von Waldshut gestern langsames Fallen gemeldet wurde. Gestern '/,5 Uhr und */»7 Uhr Abends gingen hier 2 heftige Gewitter, das erste verbunden mit starken Regen­güssen, nieder.

Rußheim (A. Karlsruhe), 25. März. In vergangener Nacht wütete hier ein größeres Feuer. Es brannten drei Scheuern nieder Auch 14 Stück Vieh sollen mit verbrannt sein. Das Feuer brach kurz nach Mitternacht aus.

Die Sonntagsruhe für Industrie u. Handwerk.

Am 1. April treten die reichsgesetzlichen Bestimmungen über die Sonntagsruhe für In­dustrie, Handwerk und Kleingewerbe-in Krafi, womit das seit 1. Juli 1892 in Wirksamkeit bestehende «Sonntagsruhe-Gesetz« für das Han­delsgewerbe seine bedeutsame praktische Ergänz­ung erfährt. Die Borerhebungen von zuständiger Seite über den mutmaßlichen Einfluß der Sonn­tagsruhe auf den Betrieb und die Leistungen in den vielen verschiedenen Branchen der indu­striellen wie handgewerblichen Thätigkeit sind sehr sorgfältige und eingehende gewesen, so daß wohl gehofft werden kann, es werde die Durch führung der neuen geietzlichen Bestimmungen weniger mit den Interessen des praktischen Lebens collidieren, als die seinerzeit von der Sonntagsruhe im Handcsgewerbe gelten mußte und zum Teil noch jetzt gilt. Wie schon im Handelsgewerbe, so sind auch in den meisten Zweigen der Industrie, weniger allerdings des Handwerks, von vornherein eine Reihe Aus­nahmen von der allgemeinen Sonntagsruhe festgesetzt worden. Dieselben beziehen sich bei der Industrie hauptsächlich auf kompliziertere und schwierigere Betriebe, die eine Unterbrechung der Arbeit nicht vertragen, beim Handwerk und Kleingewerbe auf die Bedürfnis-Branchen und auf Gewerbe mit sogenannter Saisonarbeit, bei der ebenfalls die Sonntage mit zur Hilfe ge­nommen werden müssen. Doch selbst diese Aus- nahmen haben nur für eine bestimmte Anzahl von Sonntagen im Jahre Gültigkeit, die Arbeit steht hierbei dazu noch unter polizeilicher Kontrolle. Wo derArbeiler oder Lehrling überhaupt am Sonn­tag beschäftigt wird, darf dies nur in bestimmten Stunden geschehen; wird er an einem Sonntag länger als 3 Stunden beschäftigt oder am Besuch des Gottesdienstes behindert, so sind die Arbeit­geber verpflichtet, jeden Arbeiter entweder an jedem 3. Sonntag volle 36 Stunden oder an jedem 2. Sonntag mindestens in der Zeit von 6 Uhr morgens bis 6 Uhr abends von der Arbeit frei zu lassen. Das Gesetz ist nun aller­dings vornehmlich für größere Städte von ein­schneidender Bedeutung, während es für kleinere Städte nicht von solchem Belang ist, um die Störung, die es in der üblichen Praxis vieler Betriebe bewirkt, aufzuwiegen. Es ist aber auf alle Fälle vom 1. April an mit dem Gesetz zu leben und ist vom Gesetz auch für die Ueber-

wachung der Bestimmungen seitens der Orts­polizeibehörde durch Revisionen gesorgt. Wir müssen uns also danach richten und da ist es ein Trost, daß unsere Anträge auf weitgehendste Ausnahmen bereits dem K. Oberamt zur Ge­nehmigung unterbreitet werden konnten; freilich ist immer wieder der ausgefallene halbe oder ganze Sonntag, wie schon oben gesagt, zu ersetzen. Bei Notfällen und bei Arbeiten im öffentlichen Interesse sind Ausnahmen gestattet, ebenso wenn zur Verhütung eines unverhällnismäßigen Schadens ein nicht vorherzusehcndes Bedürfnis der Beschäftigung von Arbeitern an Sonn- und Festtagen einlritt, im letzteren Fall ist die Ge­nehmigung der Ortspolizcibehörde einzuholen, während im ersteren eine Genehmigung nicht erforderlich ist. Bemerkt sei noch, daß die etwaige Sonntagsarbeit des Meisters in keiner Weise unter das Gesetz fällt.

Wie sich nun das neue Gesetz für Industrie und Handwerk in der Praxis bewähren wird, das bleibt freilich noch abzuwarten. Sicherlich ist regierungsseitig bei Erlaß der Ausführungs- bestimmungen zu dem neuesten Sonntagsruhe- gcsetze Alles gethan worden, um unnötige Härten für die betreffenden Kreise möglichst zu vermeiden, aber in der Praxis pflegen sich eben die Dinge stets etwas anders darzustellen, als am grünen Tische. Man weiß ja, wie zahlreiche Klagen und Beschwerden bald nach Inkraftsetzung der reichsgesetzlichen Sonntagsruhe für das Handels- gewerbe erschollen, da es sich zeigte, daß dies Gesetz in manchen Punkten mit den Erforder­nissen und Interessen des praktischen Lebens im Widerspruche stand. Es herrscht heute noch viel­fach Unzufriedenheit mit dem die Sonntagsruhe im Handelsgewerde betreffenden Gesetze. Daß auch bei der Ausführung der am l. April in Kraft tretenden Bestimmungen da und dort Schwierig­keiten sich ergeben werden, ist klar, man hofft diese aber um so eher aus der Welt schaffen zu können, als bei der Sonntagsruhe für In­dustrie und Handwerk im Unterschiede von der für das Handelsgewerbe, für einen gleichmäßigen Vollzug des Gesetzes in allen Bundesstaaten gesorgt ist.

Württemberg.

Stuttgart, 27. März. Se. Map der König empfieng heule in Begleitung des dienst- thuenden Flügeladjutanten am Bahnhof Ihre Majestät die Königin, welche in erwünschtem Wohlsein von Bordighera hieher zurückgekehrt ist.

Das Präsidium des Württ. Krieger­bundes hat au den Fürsten Bismarck eine Glückwunschadreffe mit folgendem Wortlaut zum 1. April abgesandt:

Stuttgart, den I. April 1895. Euer Durchlaucht! Zum Tage der Feier des 80. Geburtssestes bringt Euer Durchlaucht das Präsidium des Württ. Kriegerbundes als Vertreter seiner 60000 Mitglieder die wärmsten Glückwünsche dar. Unsere Veteranen und gedienten Soldaten jubeln heute, gehoben von nationalem Be­wußtsein, dem Mitbegründer unseres wiedergeeinigten deutschen Reiches begeistert zu. Möge Eure Durchlaucht diesen Tag noch oft in voller Gesundheit erleben. Möge er für immer ein Tag dankbarer Erinnerung für die deutsche Nation sein und bleiben. Das Präsidium des Württ. Kriegerbundes. (Folgen die Unterschriften.)

Stuttgart. Das Festkomite der bürger­lichen Kollegien (Vorstand Oberbürgermeister Rümelin) ladet zur städtischen Feier des 80. Geburtstags des Stuttgarter Ehrenbürgers Fürsten Bismarck auf nächsten Montag (1. April), Abends 7'/r Uhr, in den Festsaal der Liederhalle Jedermann mit Familie ein. Der Festredner des Abends ist Professor Karl Weitvrechl.

Letzten Sonntag fanden in Stuttgart die Landesversammlungen sowohl der deutschen als der Volkspartei statt; erstere war sehr gut. letztere überaus zahlreich besucht. Aus den Beschlüssen der Landespartei ist die daselbst ge­machte Mitteilung hervorzuheben, daß die deutsche Partei bei dem Wiederzusammentritt der Kammer als besondere Fraktion sich konstituieren will, umklein aber rein« die Prinzipien der Partei zu verfechten. In dem Reichsgerichtsral a. D. v. Geß hat sie einen tüchtigen und erfahrenen Führer. Die Landesversammlung der Volks­partei war in der Hauptsache eine Siegesfeier über die letzten Wahlen. Bemerkenswert ist die