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Straße Osterdingen-Pliezhausen unter Wasser. Der Verkehr kann überhaupt nur durch einen Kahn bewerkstelligt werden, was wegen der schwimmenden Eisschollen auch nicht ungefährlich ist. Viele Geschäftsleute aus Pliezhausen, die auf das elementare Ereignis nicht vorbereitet waren, konnten abends ihre Heimat nicht er­reichen und mußten auswärts übernachten. Die Rekruten aus den Orten rechts vom Neckar, die zur Musterung nach Walddorf geladen sind, müssen Umwege über Tübingen und Neckar­tenzlingen machen. Bei der heutigen Ziehung der Reutl. Kirchenlotterie fiel der Haupt­treffer mit 25 000 ^6 aus die Nr. 15 749, der zweite mit 5000 oiL auf die Nr. 15 781, der dritte mit 2000 auf die Nr. 20125, je ein Gewinn mit 500 auf die Nummern 44 043 und 2509. (S. C.-B.)

Ausland.

In Spanien herrscht zur Zeit hochgradige Aufregung. Zu den Sorgen wegen des Auf­standes auf der Insel Cuba, wobei die spanischen Kriegsschiffe mit den amerikanischen Privatschiffen, welche Freibeuter und Munition für die Auf­ständischen nach Cuba zu schaffen suchen, wenig Federlesens machen, wodurch leicht ein Konflikt mit der Regierung der Vereinigten Staaten entstehen kann, ist nun auch ein bedeutender Militärexzeß in Madrid selbst hinzugekommen. Einige Madrider Zeitungen hatten die Offiziere gröblich beschimpft, wofür diese in großer Zahl sich zusammenrotteten und in den betreffenden Druckereien alles kurz und klein schlugen und schließlich auch noch 60 verschiedene Redakteure zum Duell fordern ließen. Wegen dieses Skan­dals ist das Ministerium Sagasta jäh zusammen­gebrochen, und die Königin Regentin mußte wohl oder übel den Marschall Martine; Campos zum Generalkapitän von Madrid ernennen und ihm die Bildung eines Ministeriums übertragen, während Martincz Campos schon dazu bestimmt war, den Oberbefehl auf der Insel Cuba gegen die Aufständischen zu führen. Der Marschall hat die Kabinetsbildung abgelehnt. Er besteht darauf, daß Sagasta dieselbe übernehme.

Aus Griechenland. 20. März. Gestern abend ist in Athen ein ziemlich starker Erdstoß wahrgenommen worden.

London, 20. März. Henry Simons stiftete dem Owens-College in Manchester 100000 Mark für die Errichtung eines Lehrstuhles für deutsche Sprache und Literatur.

ZLnterhattender Teil.

Grenadier Prchcszy.

Militär-Humoreske von Alexander Miiller-Roosevelt.

Morgen sollte die Vor-Jnstruktion der alten Leute" vor dem neuen Regimentskomman­deur, Herrn Oberst von K., stattfinden. Ich hätte dem Ereignis in meiner Eigenschaft als Korporalschaftsführer ja in voller Ruhe ent­gegensehen können, wenn ich nicht in meiner Korporalschaft einenMann gehabt hätte, welcher

Mein guter Freund Pschieh, wo magst Du jetzt stecken? d. h. eigentlich hieß er Wenzeslaus Prchcszy und stammle von der schlesisch-polnischen Grenze. Da ich aber ohne Gefahr für meine Zunge seinen Familiennamen nicht aussprechen konnte, so nannte ich ihn, unter Zusammenzieh­ung seines Vornamens, im Anfang kurzweg Wenzel. Da stand ich denn eines Tages einmal auf dem langen öden Korridor unseres Kom­pagniereviers und sah auf den Kasernenhof hinaus. Plötzlich merkte ich, daß sich in meiner Nase Verschiedenes zu einem kräftigen Niesen vorbe­reitete und da ich erstens sehr laut zu niesen pflegte, zweitens aber auf dem hallenden Korridor dadurch ein ganz enormes Echo entstehen mußte, jo riß ich schleunigst mein Taschentuch aus der Rocktasche, um das bevorstehende Geräusch mög­lichst zu ersticken; doch ehe ich damit zurecht kam, erfolgte schon die Explofion. Und was für eine! Unmittelbar darauf hörte ich, wie in einer der näher gelegen Stuben Jemand donnernd den Schemel bei Seite rückte, die Thür der Stube öffnete sich, und ich bemerkte durch meine lhränenden Augen hindurch, wie ein Grena­

dier auf mich zumarschierte, ohne denselben jedoch zunächst in Folge des Wassers in meinen Augen erkennen zu können.

Zurrr Stelle, Herrr Unt'rrrosfizirrr!" die Stimme konnte nur Wenzel gehören.

Was wollen Sie denn?"

Weiß ich nicht hat Herrr Unt'rrroff'- zirrr gerrruffen."

Ich? Sie gerufen? Wann denn?"

Ebben jetzt."

Mir ging ein Licht auf: mein geniestes Pschieh!" aha!

Heißen Sie denn Pschieh?"

Jawoll, Herrr Unl'rrroff'zirrr."

Ja. warum haben Sie denn das nicht gleich gesagt? Ich wollte übrigens weiter nichts von Ihnen, Sie können wieder gehen." Und Wenzel ging. So kam ich auf die denkbar einfachste Art zur richtigen Aussprache des pol­nischen Familiennamens.

So eigentümlich wie die Namen, war der ganze Wenzel gebaut.

Als ich ihn zum ersten Male erblickte, sagte ich zu ihm:Was grinsen Sie?"

Grins' ich nicht."

Na, natürlich lachen Sie!"

Js immer so!" Und ich stellte denn auch bald fest, daß Wenzel durch eine ganz eigentüm­liche Bildung der Gesichtsmuskeln eine ewig lächelnde Miene zeigte. Aber dieser Kopf! Oberhalb der niedrigen, breiten Stirn saßen einige flachsblonde Borstenbündel, unterhalb derselben zwei kleine, schwarze Schlitzaugen, dann kam die Nase, die eigentlich nur aus ein paar riesigen Nüstern bestand und dann folgte ein Mund ja. der ist schwer zu beschreiben. Alle anderen Teile dieses Apollokopfes zusammenge­nommen, einschließlich des Gehirnkastens, standen zu dem Munde ungefähr im Verhältnis wie 1 zu 4; der ganze Kopf bestand also beinahe nur aus dem Munde. Ich weiß nicht, an welches Bild ich immer erinnert wurde, wenn ich ihn ansah; es war ein Mund, wie ihn etwa in Be­zug auf Breite derKladderadatsch", in Bezug auf bodenlose Tiefe und Zahngröße ein ziemlich großer Nußknacker zeigten. Mein boshafter Gefreiter Markwald behauptete steif und fest, daß Wenzels Mutter sich vor seiner Geburt an irgend einem in der Menagerie ausgestellten Menschenfresser versehen haben mühte Grund zu dieser Behauptung war wirklich da. Dieser Kopf thronte auf einem eckigen Oberkörper, an welchem sich, gleich Dreschflegeln, ein paar Arme von unheimlicher Länge befanden, welche in ein paar wahre Tatzen ausendigten. Was wurde von diesen Händen nicht alles behauptet! Daß die winterlichen Kommiß-Daumen-Handschuhe, welche man doch kaum, für gewöhnliche Hände, knapp gearbeitet nennen kann, unserem Helden so prall aussaßen, wie aufgemalt, das habe ich selbst gesehen. Aber etwas zweifelte ich doch, wenn mein Putzer Hüske, welcher seines Zeichens Handschuhmacher war, mit Kennermiene feststellte, daß Wenzels Hände für Glacehandschuhe Nr. 17, achtknöpfig, also die Nummer, welche beim Handschuhmacher immer draußen hängt neben dem Firmenschilde, gebrauchten. Ich war mehr für höchstens Nummer 14. Auch daß cs in der Stube so dunkel wurde, daß mau Licht an­zünden mußte, wenn Pschieh eine Hand hoch hob, glaubte ich nicht. Seinen Händen ent­sprechend waren die unteren Extremitäten unseres Elephantcnkükens und von bestunterrichteter Seite weiß ich. daß unser Kompagniechef ernsthaft da­rüber nachgedacht hat. ob cs nicht ratsam wäre, Wenzel nicht mit in das Manöver zu nehmen, da er in Anbetracht seiner mächtigenPedale" doch einen zu großen Flurschaden anrichten würde und nur die Vorhaltung des Premier­lieutenants von W., daß man bei einem etwaigen Flußübergang die Stiefel Wenzels im Notfälle als Pontonkähne benutzen könnte, veranlaßte, daß der Hauptmann seine Absicht aufgab.

Rechnet man zu allen diesen Körperunge- heuerlichkeiten noch die Gesamtlänge Pschieh's, nämlich 1 w 98 em, so wird sich jeder wohl ein ungefähres Bild desselben machen können.

Originell war die Sprechweise Wenzel's. Die seiner Zunge unbequemen deutschen Worte

kamen immer nur stoßweise, in Silben zergliedert, aus seiner Kehle, wobei er alle Silben gleich stark betonte. S sprach er immer ganz weich, wie in dem Worte Soldat und statt eines R stets deren mindestens vier. Dabei verfügte er über eine solche Klangfülle seines Sprachorgans, daß er sich stets nur im Flüstertöne, wie er be­hauptete, mit seinem Stubenkameraden unterhielt, was jedoch nicht verhindern konnte, daß man ihn trotzdem noch wer weiß wie weit hören konnte.

Sonst eine Seele von einem Kerl und der gefälligste Kamerad, genügte doch schon eine Kleinigkeit dazu, um den baumstarken Riesen cinzuschüchtern. Eine unverhoffte dienstliche Anordnung, die Frage eines Vorgesetzten, reichten hin, um ihn völlig verwirrt zu machen. Das schadete jedoch Alles nichts dem Ansehen, welches Pschieh bei seinen Vorgesetzten genoß, war er doch ein ganz guter Soldat. Zwei Schützen­schnüre zierten seinen Rock, seine Schwimmhose trug das Abzeichen der Fahrtenschwimmer, beim Turnen benahm er sich stets mutig und be­trank sich nie, weder in noch außer Dienst. Nur in dem Fache, in welchem er sein Hirn anstrengen mußte, wollte letzteres nicht funktionieren, und die Instruktion war für Wenzel keine Kleinigkeit.

(Schluß folgt.)

Durch einen Bienenstich ist in Biel (Schweiz) der Vergolder Fritz Moser ums Leben gekommen. Der Genannte wurde im Garten von einer Biene unterhalb des Auges gestochen, fiel sofort in Ohnmacht und war nach einer Viertelstunde ein toter Mann.

(Boshaft.) A.: Sie waren ja gestern abend bei Geheimrats zur Einweihung des neuen Flügels geladen. Wie gefällt Ihnen denn Fräulein Elses Klavierspiel gegen früher? B.: Ich finde keinen Unterschied. Als sie noch auf dem Pianosorte vortrug, hätte man Flügel" haben mögen, und nun, da sie am Flügel saß. wünschte man sichpiano fort." (Anzüglich.) Käufer: Ich möchte gern eine fette Gans sehen. Kommis: Einen Augen­blick» die Frau kommt gleich!

Telegramme.

Berlin, 21. März. Der Staatsrat hat sich in seiner heutigen Schlußsitzung gegen den Antrag Kanitz ausgesprochen.

Berlin, 22. März. DieNordd. Allg. Ztg." bestätigt, daß der Botschafter in Kon­stantinopel, Fürst Radolin, für den Botschafter- Posten in Petersburg ausersehen sei. Den Blättern zufolge wurde der Antrag Kanitz von dem Staatsrat gegen 4, nach anderer Version gegen 16 Stimmen abgelehnt. DieNat.-Ztg." bemerkt dazu, die Verschiedenheit der Angaben sei vielleicht dadurch erklärbar, daß für den ur­sprünglichen Antrag 4, für den abänderten 16 Mitglieder stimmten. DerKreuzztg." zu­folge wird der Botschafter in Washington, Graf Saurma-Jeltsch zum Botschafter in Konstantinopel ernannt. Der Nat.-Ztg. zufolge würden bei den Verfügungen im diplomatischen Dienst auch der Münchner Gesandte Thielemann und der Ham­burger Gesandte Kiderlen-Wächter in Betracht kommen.

Berlin, 21. März. DasMarincver- ordnungsblatt" veröffentlicht eine ; serliche Verordnung, wonach die am 1. April, am 80. Geburtstage Bismarcks, in Dienst befindliche Schiffe über den Toppen flaggen.

Aus Colberg wird gemeldet: Im Kame- rower See seien 28 Fischer ertrunken.

New-Iork, 21. März. Nach einem Telegramm aus Barranco (Peru) wurde nach dem Kampfe in Lima ein Waffenstillstand vereinbart. Es heißt, daß durch Vermittlung der fremden Gesandten eine vorläufige Regier­ung gebildet werde.

Hongkong, 21. März. Die Japaner haben Tamsui (auf Formosa) blockiert. Die Friedensverhandlungen nahmen heute ihren An­fang. Der chinesische Vizekönig Li-Hung-Tschang hat in einem Gebäude an der Küste Wohnung genommen.

Redaktion, Druck und Verlag von C. Meeh in Neuenbürg.