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1 30 April, Mcri und Juni -T8 durch die Post frei ins Haus

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Aus Stadt, Bezirk und Umgebung.

-j- D o b e l. Es hat den Anschein, als ob des Winters Macht gebrochen wäre. Seit einigen Tagen haben wir Tauwetter und die gewaltigen Schneemassen, welche auf unseren Höhen lagern, sitzen bedeutend zusammen,jj doch wird es noch Wochen dauern, bis wir ganz vom Schnee befreit sind. Einige warme Regen würden unter diesen Umständen nichts schaden. Das viele Schneefchauseln hat unserer Gemeinde schon bedeutende Unkosten verursacht. Es ist unseren Holzmachern und Fuhrleuten wohl zu gönnen, wenn sie nach '/ijäyrigen unfreiwilligen Ferien wieder ihrer gewohnten Beschäftigung nachgehen können. Die Holzvorräte sind gar arg zusammengcschrumpft. Auch die Staren haben sich in letzter Zeit wieder eingestellt und ihre allen Wohnungen besichtigt, ob sie bleiben können, wird von der Witterung abhängen. Nach einer alten Wetterregel machen die40 Ritter" für die folgenden Wochen das Wetter. Am 9. März hatten diese Wetterheiligen ihren Tag." Da dieser mild und freundlich war, so hätten die folgenden Wochen gutes Wetter. Zeit genug, mit dem Schnee aufzuräumen. Ov's aber auch eintrifft?! Heute regnete es zum erstenmal in diesem Jahre wieder. Auch in unseren Wäldern findet man viele Tiere, welche der großen Kälte und dem Mangel an Nahrung zum Opfer gefallen sind, trotz der Fürsorge durch die Forstbehörden, welche an geeigneten OrtenFutterplätze" einrrchtete. Da konnte man zur Fütterungszeit oft eine große Zahl von Hirschen und Rehen beobachten, welche ihre sonst große Scheu vor dem Menschen abgelegt hatten und sich das dargcreichte Futter gut schmecken ließen. Am besten haben es die Füchse, da ihnen manches Tier, das nicht mehr fort kommt, zur Beute wird. Es wird übrigens be­fürchtet, daß noch manches Tiereingeht." Wenn nämlich das junge Gras zum Vorschein kommt, so wird es aus Mangel an anderen Nahrungsmitteln von Hirschen und Rehen mit Gier abgefressen. Da jedoch die Tiere die lang entbehrte Speise nicht mehr vertragen können, so verenden viele derselben an der Ruhr. Bei Waldhüter Lauer imDürrcich" ist ein junger Hirsch zu sehen. Das Tier verlor infolge der großen Kälte die Mutter, wurde von H. Lauer aufgefunden und nach Hause gebracht mit Milch, gelben Rüben u. s. w. den Winter mit Erfolg durchgefüttert. Der Frühling kommt mit Brausen. Wir hatten heute eine fürchterliche Sturm- und Regennacht, da wird man so recht an Uhlands Märznacht" erinnert:

Horch! wie brauset der Sturm

und der schwellende Strom durch die Nacht hin!

Schaurig süßes Gefühl!

Lieblicher Frühling, du nahst!

Deutsches Aeich.

Der Reichstag verhandelte in der letzten Zeit über den Kolonialeiat, wobei die Gegner unserer Kolonien mit ihren alten Vorwürfen wenig Glück hatten. Bei dieser Beratung fand sich auch für den Vertreter der Reichsregierung die erwünschte Gelegenheit, dem Major Wiß- mann eine glänzende Genugthuung zu geben. Letzterer war bekanntlich von seinem Posten aus Deutschostafrika abberufen worden unter der Beschuldigung, er habe Reichsgelder verschleudert, ohne die nötigen Ausgabenbelege beibringen zu können. Inzwischen hat sich aber herausgestellt, daß nur noch für 10 000 die Belege fehlen,

und der Direktor des Kolonialamtes Kayser erklärt dies sehr überzeugend damit, daß bei den vielen Kämpfen Wißmanns gegen aufständische Schwarze und bei dem Mangel an geeigneten Rechnungsführern sein finanzielles Gefchäftsge- bahren geradezu musterhaft gewesen sei. Wiß- mann wird also nach dieser glänzenden Recht­fertigung sehr bald wieder eine einflußreiche Stellung in unseren Kolonien erhalten.

Berlin, 20. März. In der Budget- kommisson des Reichstags erklärte der Schatzsekretär Graf Pvsadowski auf eine Anfrage Singers, ob die verbündeten Regier­ungen einer Konversion der vierprozentigen Reichsanleihe näher zu treten beabsichtigen. Er hätte gewünscht, diese Frage wäre nicht an ihn gerichtet worden, denn entweder werde dadurch eine schädliche Erregung in die betr. Kreise ge­worfen, oder cs werden nicht realisierbare Hoff­nungen erweckt. Wenn das Reich konvertiere, so müßten die Einzelstaaten der Konversion folgen. So wünschenswert eine Ersparnis von

Millionen wäre, so sei doch bei dem großen Werk einer Konversion die größte Vorsicht ge­boten. Es sei fraglich, ob die jetzige Geldslüssig- keir andaure. Wenn die Regierung sich über­zeuge, daß die Geldslüssigkeit eine dauernde wirtschaftliche Erscheinung sei, so werde ihr möglicherweise eine Konversion durch die Macht der Verhältnisse ausgezwungen. Solange der Regierung diese Ueberzeugung aber fehle, würde sie nicht zu dieser Maßregel greifen. Keineswegs feien dabei fiskalische Gesichtspunkte ausschließlich maßgebend.

D e t m o l d, 20. März. Fürst Woldemar von Lippe-Detmold ist heute früh ge­storben. Wie dieNordd. Allg. Ztg." ver­nimmt. hat der verstorbene Fürst letztwillig rück­sichtlich der bestehenden Meinungsverschieden­heiten über die Thronfolge im Fürstentum bis zu deren Erledigung eine Regentschaft eingesetzt, an deren Spitze Prinz Adolph von Schaumburg- Lippe, der Schwager des Kaisers, tritt.

Berlin, 21. März. Die Beteiligung seitens der preußischen Abgeordneten an der Kundgebung für den Fürsten Bismarck wird eine sehr große sein. An der Huldigungsfahrt werden über 200 Abgeordnete teilnehmen, welche in zwei Extra-Zügen befördert werden. Die- , selben treffen Montag mittag in Friedrichsruh ein und werden nach mehrstündigem Verweilen abends nach Berlin zurückkehren. Wie uns be­stimmt versichert wird, haben verschiedene Abge- ordnete von ausgesprochen freisinniger Richtung ihre Teilnahme in Aussicht gestellt. Der Kaiser wird sich am 26. d. M. nach Fciev- richsruh zu Fürst Bismarck begeben.

Hamburg, 20. März. DemHamb. Korresp." zufolge ist das Befinden des Fürsten Bismarck ein recht gutes. Wie es heißt, wer­den am 1. April 35 Sonderzüge nach und von Friedrichsruh abzufertigen sein.

Konstanz, 20. März. Auf vielen Gipfeln des Schwarzwaldes werden, wie der Hochw." in Neustadt schreibt, am Abend des 31. März zur Vorfeier des Geburtstages Bis­marcks Höhenfeier entzündet werden.

Darmstadt, 20. März. Die Erste Ständekammer hat beide Rheinbrücken bei Worms bewilligt.

Mannheim. 2l. März. Der Neckar ist seit gestern 2'/, Meter gestiegen; die Neckarufer sind überschwemmt. Der Rhein ist 1'/- Meter gestiegen.

Württemberg.

Stuttgart. Aus Anlaß des 70. Ge­burtstages des Ministerpräsidenten Dr. Frhr. v. Mittnacht schreibt dieKöln. Ztg." über diesen Staatsmann, der bald 28 Jahre Minister ist, folgendes:Mittnacht ist von Natur und durch die Schule der Ereignisse ein Realpolitiker ersten Ranges geworden, der stets dem Geist der Zeit sich anpaßt, und zwar so rechtzeitig und >o geschickt, daß er die Strömungen, die ihn soeben fortzureißen drohten, mit einem Male zu beherrschen und zu leiten vermag. So ist er 1867 Justizminister mit partikularistischem, V« nationalem Anstrich geworden, hat dann 1870 mit jähem Frontwechsel sich auf die Seite der deutschen Einheilsbestrebungen geworfen und von da ab mit der Deutschen Partei, deren Führer Hölder er 1881 ins Ministerium berief, das Land regiert und ihm wie dem Reiche manchen schätzenswerten Dienst erwiesen, bis er in den letzten Wochen unter dem Eindruck der Neuwahlen sich entschloß, der siegreichen Volks- Partei ihre Hauptwünsche, diereine Volkskam­mer" und die Abschaffung der Lebenslänglichkeit der Ortsvorsteher, zu erfüllen. Er hat ihr dabei freilich zu verstehen gegeben, daß sie, wenn er mit ihr solle regieren können, hübsch artig sein müsse, und vorerst haben die Sieger des 1. Febr. diesen Wink auch befolgt. Wie man aber auch über diese neuesten Ereignisse urteilen mag, so wird man im deutschen und württemberglschen Interesse dem Siebzigjährigen noch manches Jahr der Amtsführung wünschen dürfen; das sturm- durchwühlte Württemberg hat keinen Mann, der ihm an parlamentarischer Gewandtheit gleich käme, und in Reichsfragen hat sich Mittnacht stets loyal erwiesen. Die Thatsache, daß König Wilhelm II. ihm sein volles Vertrauen schenkt, beweist in dieser Hinsicht zur Genüge, daß das Vaterland ruhig fein kann."

Stuttgart, 14. März. Die Versuche, Landleute durch die Vorspiegelung eines in der Nähe ihres Wohnorts verborgenen Schatzes zur Absendung von Geld nach einem Orte in Spanien zu bestimmen, werden immer noch fortgesetzt. Neuerdings ist es ein angeblicher Jose Casal, welcher um seiner Tochter willen edle Menschen­freunde um ein paar hundert Mark bittet, die ihnen durch die Zuwendung des dritten Teiles des von ihm vergrabenen Regimentskasseninhalts von 600 000 Frcs. reichlich ersetzt werden. (Um dem Gimpelfang zu steuern, ist nun schon des Oefleren in diesem Blatte auf den spanischen Schwindler aufmerksam gemacht worden.)

Stuttgart, 14. März. Steckbrieflich verfolgt wird der 32jähr. Kaufmann uud Agent R. G. Speidel von Weilderstadt, früherer Bijouteriefabrikant in Pforzheim, wegen Be­trügereien.

Oehringen, 18. März. Kaum ist am 9. d. MtS. der Postbote von Micheldach wegen mehrfacher erheblicher Unterschlagungen festge­nommen und dem Untersuchungsrichter übergeben worden, so wurde gestern vormittag ein zweiter Postbote einer Gemeinde des Bezirks ebenfalls wegen Veruntreuung eingeliefert; er war, als er verhaftet wurde, noch nn Besitz eines erheb­lichen Teils der unterschlagenen Summe.

Neulingen, 21. März. Infolge des Regens ist der Schnee gewichen. Zuerst wurde dem von der Achalm kommenden Reichenbach sein Bett zu enge. Das sonst ganz bescheidene Bächlein ist zum stattlichen Fluß angewachsen. Gegen 3 Uhr nachm, trat der Neckar über seine User und abends 5 Uhr stand schon die ganze