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halt zu thun und durch Zähmung der letzten Vertreter einer fast ausgestorbenen Tierwelt dauernd zu erhalten, sowie seine unverwüstliche Kraft für kulturelle Aufgaben auszunutzen. Die Deutsche Kolonialgesellschaft hat schon in früheren Jahren für diese Zwecke eine Summe bereitge­stellt und Die Kolonialabteilung des Auswärt­igen Amtes hat auch jetzt einen Betrag be­willigt.

Bei Station Buch walde der Königsberg- Allensteiner Bahn trug sich ein schreckliches Un­glück zu. Dicht vor dem Personenzug wollte rin Schlitten mit zwei Personen über das Ge­leise fahren. Das Fuhrwerk wurde vom Zuge erfaßt, vollständig zermalmt und beide Insassen wurden sofort getötet. Die beiden Pferde fftürz- ten schwer verletzt von dem hohen Bahndamm hinab.

In der letzten Zeit waren in Straßburg u. a. O. zuerst falsche Fünfmarkstücke, dann als diese nicht mehr recht zogen, falsche Zweimark­stücke, und nun sind in den letzten Tagen falsche Dreimarkstücke verausgabt worden. Die Fünf­markstücke sind, soweit sie die Jahreszahl 1876 tragen, lauschend nachgemacht. Die nachge­machten hessischen Fünsmarkstücke sind aber an ihrer Leichtigkeit und dem dunklen Bleischein leicht zu erkennen. Also aufgepaßt.

Ingweiler, 11. März. Gestern Abend beim Tanze starb zum Schrecken aller ein hies. Dienstmädchen infolge zu starken Schnürens am Herzschlag in den Armen seines Tänzers.

DasBißchen" Sozialreform.

Im Reichstage und in Blattern, welche, obwohl sie angeblich die Interessen der bürger­lichen Parteien vertreten, dennoch immer ein weniges zur Aufhetzung der Arbeiter beizutragcn beflissen sind, ist neuerdings wieder von dem Bißchen" Sozialreform die Rede gewesen. Die Unlust, etwas Ernsthaftes gegen die sozialrevo- lutionären Umsturzbestrebungen zu thun, weil man dadurch anPopularität" eindüßen könnte, Verfälle, wenn nicht mehr zu bestreiten ist, daß der sozialrevolutionäre Uebermut unerträglich geworden ist, stets auf die Ausrede, man solle lieber die sozialenSchäden" heilen, nicht die aus ihnen herrührcndeBewegung" unterdrücken, man müssesehr energisch" Sozialreform treiben, dasBißchen" Versicherungsgesetzgebung sei der Rede gar nicht wert u. s. w.

Wie steht es nun mit demBißchen" Sozial­reform, das in der Arbeiterversicherungsgesetz­gebung steckt?

Die Unfallversicherung ist seit 1. Oktober 1886 in Kraft, und hat an Entschädig­ungen geleistet: 1886 1 915 366 Mk. 1887

5 923 930 Mk. 1888 9 691 447 Mk. 1889

14 464 203 Mk. 1890 20 315 319 Mk. 1891

26 426 377 Mk. 1892 32 340277 Mk. 1893

38160770 Mk. zus. 1886/93 149 230 589 Mk.

Die Entschädigungen drücken aber bei weitem nicht dasBißchen" Sozialreform aus, das in der Unfallversicherung bezahlt wird. Reserve­fonds und Verwaltungsausgaben kommen hinzu, ersterer betrug Ende 1893 bereits 100'/r Mil­lionen Mark. Man hat also nicht allein die Entschädigungsausgaden, sondern die gesamten Einnahmen der Unfallversicherung ins Auge zu fassen, wenn man diesesBißchen" wägen will. 1893 betrugen die Ausgaben für Entschädigung 58°/o der Einnahmen, 1892 nur 52°/o, und zwar steigt dieser Prozentsatz seit 1887 fortge­setzt. Wir rechnen also sehr ungünstig, wenn wir diesen Prozentsatz von 1893 zu Grunde legen, da in früheren Jahren eine viel geringere Quote auf die Entschädigungen und eine viel höhere auf die Berwaltungskosten rc. von den Einnahmen entfallen ist. Legen wir aber den Prozentsatz von 1893 zu Grunde, so ergiebt sich, daß von 1886 bis 1893 mindestens 257 Mil­lionen Mark für Unfallversicherungszwecke auf­gebracht worden sind, und schätzen wir 1894 mit 44 Millionen Entschädigung und 71 Mil­lionen Einnahmen, so sind bis Ende 1894, also in 8'/» Jahren, 328 Millionen Mark die Aus­gabe der Nation, welche dasBißchen" Unfall­versicherung finanziell darstellt. Macht durch­schnittlich 40 Millionen Mark pro Jahr!

Für die Krankenkassen sind die Einnahmen

bis 1892 bekannt, für 1893 und 1894 müssen wir sie schätzen; dieselben betrugen: 1888 91 914 433 Mk. 1889 102 529 830 Mk. 1890 114 588 315 Mk. 1891 120 031 968 Mk.

1892 124 283 140 Mk. 1888/92 553 347 687 Mark.

Nach vorstehender Progression werden die Einnahmen der Krankenkassen für 1893 auf 128 und für 1894 auf 133 Mill. geschätzt werden dürfen, so daß also 822 Mill. Mark für die sieden Jahre 18881894 anzusetzen wären. Hiervon fällt '/? mindestens auf die Arbeitgeber tatsächlich viel mehr so daß sich dasBißchen" Krankenversicherung bis auf 274 Mill. Mark für die Unternehmer belaufen hat, also jährlich durchschnittlich auf 44'/« Mill.

Die Jnvalidäts- und Altersversicherung ist seit 1891 in Kraft. 1893 betrug die Einnahme aus Beiträgen 89 892 206 Mark, 18911893 zusammen 254 Mill. Mark, man darf also für 1894 gewiß aus 9091 Millionen Beiträge rechnen, so daß für die Jahre, seitdem dieses Bißchen" in Wirksamkeit ist, 345 Millionen Mark seinen Wert darstellen. Hiervon zahlen nun zwar nominell die Arbeiter die Hälfte; thatsächlich liegt die Sache jedoch auch hier sehr viel anders. Da wir aber in keinem Falle zu viel rechnen wollen, so setzen wir nur 172'/r ein. so daß jährlich dasBißchen" Jnvalidäts- und Altersversicherung als soziale Leistung den Unternehmern 43 Mill. Mark kostet.

Seit Geltung der drei Arbeiterversicherungs­gesetze sind also nach Abzug der gesetzlich auf die Arbeiter selbst entfallenden Beiträge bis Ende 1894 gezahlt worden 774 Mill. Mark, oder 127'/« Mill. Mark jährlich im Durch­schnitte!

In Preußen ist für 1893/94 das gesamte Einkommen aller zur Einkommensteuer veran­lagten Zensiten also nur denjenigen, die über 900 Mark Jahreseinkommen haben, auf 2756 Mill. Mark veranlagt worden, was, die gleichen Einkommensverhältnisse angeonmmen, für das Deutsche Reich 4590 Millionen aus Einkommen über 900 Mark ergeben würde. Es ist also vom gesamten Einkommen über 900 Mark im Deutschen Reiche für diese Zwecke eine Quote verwandt worden, die doch nahe legen sollte, etwas weniger geringfügig von der Last zu reden, welche den Bessergestellten zu Gunsten der arbeitenden Klassen sozialreformatorisch auf­erlegt worden ist. Davon zu schweigen, daß sich andere und vielleicht höhere Lasten dieser Art der statistischen Erforschung entziehen.

(D. B. K.)

Württemberg.

Stuttgart, 9. März. Anläßlich der Adreßbcratung in der Abgeordnetenkammer wurde gestern bei dem die Landwirtschaft be­treffenden Abschnitte auch der Antrag Kanitz in den Kreis der Erörterungen gezogen. Abg. Dr. Stockmayr (freie Vereinigung) sprach sich gegen den Antrag aus. Abg. Frhr. v. Gais- verg, Vorstand des Bundes der Landwirte in Württemberg, sagte, der Antrag werde den süd­deutschen Verhältnissen gegenüber bedeutender Aenderungen bedürfen. Frhr. v. Wöllwarth erklärte sich namens der ritterschaftlichen Abge­ordneten gegen den Antrag. 11. März. Heute nachmittag 3 Uhr hatte eine Abordnung der Kammer der Abgeoreneten behufs der feierlichen Ueberreichung der beschlossenen Adresse im Schlosse Audienz bei Sr. Majestät dem König An der Spitze der Deputation stand der Prä­sident Payer. Mitglieder waren Die Abgeordne­ten: v. Weizsäcker, v. Schad, Kollmann. Egg­mann, v. Gcß, Sachs, Kiene, Haußmann (Gera- bronn), Betz, Hähnie, Schmidt (Maulbronn), Hennig. Der Präsident verlas die Adresse, worauf, nach Ueberreichung derselben, von Sr. Majestät huldvolle Worte an die Deputation gerichtet und die eingehende Prüfung des In­halts der Adresse in Aussicht gestellt wurde. Bon der Opferwilligkeit im Zusammenwirken der Stände und der Staatsregierung erhoffe er das Beste für das Gedeihen des Vaterlandes. Se. Majestät sprach noch weiter mit dem Präsidenten Payer über den Gang der parlamentarischen Arbeiten, die nach Beendigung der Debatte über die Schulgesetznooelle bis nach Ostern im Plenum s

unterbrochen werden sollen, um der Finanz­kommission Zeit zur Durchberatung des Etats zu gewähren. Am Schluffe der Unterredung wünschte der König, die heimische Landwirtschaft möchte Heuer wieder ein gutes Jahr haben, da- mit die Notlage des Bauernstandes und des mit diesem eng verknüpften Kleinhandwerks ge­mildert werde.

Stuttgart. Ucber die diesjährigen Herbstübungen ist vorläufig Folgendes zu be­richten: Die Brigademanöver werden 3, die Divisionsmanöver (>n zwei Parteien gegenein­ander) 4, und dos Korpsmanöver 3 Tage dauern. Letztere schließen mit dem 18 Sept. ab. Die Brigade- und Divisionsmanöver der 26. Divi­sion finden auf beiden Seiten des Neckars von Kirchheim a. N. abwärts bis gegen die Landes- grenze statt. Die Brigade- und Dlvisionsmanöver der 27. Division aus beiden Seiten der Eisen­bahnlinie Crailsheim-Mergentheim.

Reutlingen, II. März. Von allen Seiten wird nun die Ankunft der Frühlings­boten gemeldet. Staaren werden seit einigen Tagen in ganzen Scharen beobachtet; ihnen haben sich nun in den letzten Tagen in nächster Umgebung Störche, Bachstelzen und Rotschwänz­chen deigesellt. Gestern Abend kurz vor 12 Uhr war hier ein Mondregenbogen von seltener Schönheit auf längere Dauer zu beobachten.

Altcnburg (bei Tübingen). Die bürger­lichen Kollegien haben den Bau einer Neckar­brücke beschlossen. Vorgesehen sind 50000 Mark im Ueberschlag. Der Brückenbau wird dem Verkehr die Schönbuchorte mit der Kreisstadt Reutlingen erschließen.

Altensteig, 11. März. Die Freiherren von Gültlingen, Besitzer des Bernecker Ritterguts, haben aus Rücksicht auf die bedrängte Lage der Landwirtschaft den Pächtern des zum Gute gehörigen Hofs Roßrücken sowohl 1893/94 als auch 1894/95 einen bedeutenden Nachlaß am Pachtschilling gewährt. Sämtlichen Pächtern von weiteren gutshcrrlichen Grundstücken wurde ebenfalls in Anbetracht des heurigen harten Winters '/io des Pachtzinses nachgelassen. Wegen der Trockenheit im Sommer 1893 sind diesen Pächtern auch im Vorjahr Nachlässe an den Pachtgeldern bis zu 25°/o eingeräumt worden.

Stuttgart. fLandesproduktenbörse. Bericht vom 11. März von dem Vorstand Fritz Kreglinger.s Die Tendenz auf dem Getreideweltmarkte hat sich in der letzten Woche befestigt, da sowohl England als auch der Kontinent wieder größere Einkäufe machten. Die Preise der Landmärkte konnten auch etMas in die Höhe gehen, zumal die Zufuhren nicht groß waren. Die Börse ist sehr gut besucht, verkauft wurden ca. 21 000 Zentner. Wir notieren per 100 Kilogr.: Weizen, bayr.

14 -4L 10 bis 14 -4L 75 ^4, Azima 14 -4L 75

dto. la. 15 -4L 70 Eupatoria 15 -4L 50 bis 16 -4L 25 -F, Ungar. 17 ^ Gyrka 14 -4L 90 bis

15 -4L 25 ^4, La Plata 15 »4L 25 ^z bis 15 -4L 50 ^

dto. neu 15 -4L 60 Rumänicr 15 -4L 40 Kernen, Land 14 »4L 50 »4, Oberländer 15 -4L 10 ^ bis 15 »4t

40 Gerste, Ungar. 18 -4L ^ bis 18 -4L 50 »4,

Lauinger 15 -4L 75 württ. 13 ^L 40 Hohenloher

12 80 Albhafer In 13 -4L Albhafer 11 »« 40 »4 bis 12 -4L 50 ^4, Donaumais 13 -4L bis

13 -4L 50 ^>, Ackerbohnen 12 -4L 90 ^4. Mehl­preise per 100 Kilogramm inkl. Sack bei Wagenlad­ung: Letztwöchentlich.

Ausland.

Wien, II. März. Die Blatter melden: Auf Einladung des deutschen Kaisers werde auch ein österreichisch-ungarisches Geschwader sich zur Feier der Eröffnung des Nordostseekanals nach Kiel begeben, und zwar sei hierzu eine Kreuzer- Division bestehend aus den Torpedorammschiffen Kaiser Franz Josef",Kaiserin Elisabeth" und Kaiserin Maria Theresia" ausersehen.

Niu-Tichuan, 11. März. Nach der Einnahme von Uingkau sammelten die Japaner ihre Streukräfle bei Niu-Tschuan. Es wurde beschlossen, Thien-Tchuan Hai zu nehmen, wo der chinesische General Sung die Ueberbleibsel seiner Armee zusammengezogen hatte. Um 7 Uhr morgens schritt die dritte japanische Armee zum Angriff vor. Die Chinesen leisteten nur schwachen Widerstand und waren bereits um 11 Uhr in vollem Rückzug nach Westen begriffen. Bald verwandelte sich der Rückzug der Chinesen in wilde Flucht. Die chinesischen Streitkräfte be­liefen sich auf 11000 Mann, von denen 2000 getötet wurden.