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halte. Bestätigt wurde diese Ansicht durch Graf Mirbach, welcher schrieb, daß der Vorschlag auf den lebhaftesten Protest des leider in allen Reichstogsangelrgenheiten Ausschlag gebenden Zentrums stoßen werde. Wir wollen die juristischen Bedenken außer Betracht lassen, daß es überhaupt kein Neichs-Ehrenbürgertum giebt, demselben wäre ja ohne viele Weitläufigkeiten durch einen Reichstagsbeschluß abzuhelfen! In­dessen glauben wir. baß unser alter eiserner Kanzler bereits derart mit Ehrenbezeugungen überhäuft ist und seine Volkstümlichkeit einen so hohen Grad erreicht hat, daß Deutschland nicht notwendig hat. zu dergleichen neuen außerge­wöhnlichen Mitteln zu greifen, um die Aner­kennung des Vaterlandes zum Ausdruck zu bringen.

Aus Hannover. Im Harz ist erneuter heftiger Schneefall eingetreten, wodurch die Ber­kehrsverhältnisse wieder ungemein schwierige ge­worden sind. Das Wild hat im Harz in diesem Winter sehr gelitten. Hauptsächlich krepieren die Rehkälber.

Augsburg, 2. März. DieAllg. Ztg." berichtet: Als der Pfarrer Münch in der Kirche zu Villenbach die Kommunion erteilte, nahte sich ihm die Wirtsfrau D. Ihr verweigerte der Pfarrer die heilige Handlung unter der Begründ­ung, sie habe eine Feindschaft gegen ihn, was nach dem Gesetz sein Verhalten rechtfertige. Der Vorgang machte das größte Aufsehen, und Frau D. verklagte den Pfarrer wegen Beleidigung. Er wurde vom Amtsgericht Wertingen zu 200 Mark Geldstrafe bezw. 20 Tagen Gefängnis verurteilt. Die von ihm eingelegte Berufung wurde vom hiesigen Landgericht kostenfällig ab­gewiesen.

Ettlingen. 6. März. Am nächsten Donnerstag, nachmittags halb 3 Uhr wird eine Versammlung des Eisenbahnkomites im Gasthaus zumHirsch" dort stattfinden, um über den Bau der Bahnen nach Pforzheim und Herrenalb zu beraten.

Württemberg.

Stuttgart, 7. März. In der heute vormittag gehaltenen nicht öffentlichen Sitzung beider bürgerlichen Kollegien wurde eine städt­ische Feier des 80. Geburtstages des Fürsten Bismarck, Ehrenbürger von Stuttgart, be­schlossen. Zur Feier des 80. Geburtstages des Fürsten Bismarck wird sodann eine Deputation der bürgerlichen Kollegien nach Friedrichsruh gehen und dem Fürsten die Glückwunsch-Adresse der Stadt Stuttgart überreichen.

Stuttgart, 8. März. Die Kammer der Abgeordneten begann am Mittwoch mit der Beratung des Adreßentwurfs. Sämt­liche Abschnitte wurden ohne längere Debatten gutgeheißen. Der Abschnitt über die Steuer­reform wurde nach einigen Bemerkungen des Berichterstatters Fr. Haußmann, des Finanz­ministers und des Abg. Henning angenommen. Ebenso die Ziffer von der Sparsamkeit im Reich und Land, bei welcher der Berichterstatter be­gründete, warum man eine Reichsangelegenheit hier hereingezogen habe. Eine Debatte entspann sich bei dem Verlangen nach gesetzlichen Normen über die Staatsbeiträge zum Schulaufwand und zur Unterhaltung der Nachbarschaftsstraßen, an der sich beteiligen der Abgeordnete Friedrich Haußmann, Kultusminister Dr. v. Sarwey, die Abgg. Schnaidt und v. Geß. Beim Abschnitt: Bedrängnis der landwirtschaftl. Bevölkerung be­tonte der Berichterstatter Fr. Haußmann, man werfe der Regierung kein Versäumnis vor und könne ihr den guten Willen nicht absprechen.

Cannstatt. Die hiesigen und Unter- türkheimer Neckarfischer wollen Schadenersatz haben, da durch die Sprengungen des Neckar­eises viele Fische zu Grunde gegangen sind. Die Fischer werden jedoch höchstwahrscheinlich mit ihren Forderungen abgewiesen werden.

Altensteig, 4. März. Die Genesung unseres Landtags-Abgeordneten, Hrn. Reg.- Präsidenten v. Luz, macht erfreuliche Fortschritte. Hr. v. Luz, dessen Fuß sich noch im Gipsver- band befindet, kann mit einem Stock versehen, im Zimmer umhergehen. In einigen Wochen

hofft der Hr. Abgeordnete wieder hergestellt zu sein.

Bon -eu Geld- und Warenbörsen.

Stuttgart, 7. März. Obgleich die Wirkungen des neulichenschwarzen Sonntags" m Wien sich dort noch immer bemerklich machen und namentlich den Kurs der österr. Kreditaktien nachteilig beeinflussen, verkehrten die Geldbörsen in der abgelaufenen Woche gleichwohl im allgemeinen in ziemlich fester Haltung, namentlich waren deutsche und auswärtige Staatspapiere und ebenso Eisen- und Kohlenaktien sehr fest bei steigenden Kursen. Auch die Mittelbanken konnten sich sehr gut behaupten infolge einiger inzwischen bekannt gewordener Jahresbilanzen. Die zeitweilige Verstimm­ung wegen der immer näher heranrückenden Börsen­reform hielt nicht lange stand, und man scheint sich in soliden Börsenkreisen der Ansicht nicht zu verschließen, daß eine Reinigung der Börse von zweifelhaften Ele­menten der Börse selbst nichts schaden könne. In Folge der so lange andauernden Kälte in Deutschland einerseits und der heftigen Ueberschwemmungen in Ungarn und Rumänien andererseits verkehrten die Ge­treidebörsen in fester Haltung bei erhöhten Preisen. Roggen pro Mai stieg in Berlin von 119 auf 120.25, pro Juni von 119.50 aus 121 und Pro Juli von 120.20 aus 121.70; Weizen pro Mai von 139 auf 140.50 und pro Juni von 139.50 auf 141.50; Hafer pro Mai von 114.20 auf 114.70 und pro Juni von 114.70 auf 115.50. Die Mehlpreise blieben unverändert. Auf den Zucker­märkten hat sich das Geschäft wieder lebhafter gestaltet, und die Preise sind gegenüber dem Schluß der Vorwoche nicht unwesentlich gestiegen. Die schon in voriger Woche schwache Stimmung auf den Kaffeemärkten hat sich nunmehr völlig verstaut, und die Preise sind aus allen europäischen wie auf den überseeischen Märkten beträchtlich zurückgegangen.

Vermischtes.

Berlin, 6. März. Sin Schneidermeister hatte in der Sonntagsnummer eines hiesigen Blattes angezeigt, daß er einen Gesellen zur An­fertigung von Röcken suche. Als er Sonntag früh noch im tiefsten Schlafe lag und das Haus kaum geöffnet war, klingelte es um 5'/« Uhr an seiner Thür. Seine Frau war nicht wenig erstaunt, als sie beim Oeffnen einen Mann mit einer Laterne vor sich sah, der sich um die Ar- beitsstelle bemühte. Nach ihm kamen noch fünf andere mit Laternen die Treppen hinauf, um sich gleichsfalls für die Arbeit anzubieten. Bas Zeitungsblatt konnte erst einem kleinen Kreise von Lesern zugänglich gemacht worden sein.

(Teure Briefmarken.) In Baden- Baden ist vor kurzem eine Briefmarkensamm­lung für 70,000 Mk. verkauft worden. Bon dem gleichen Sammler wurde eine wertvolle Englandsammlung für 20,000 Mk. verkauft. Die für 70,000 Mk. verkaufte Sammlung ent­hielt nur 4000 europäische Marken, aber diese in seltener Vollständigkeit. Von 28 Ländern Europas waren alle bisher verausgabten Marken ungebraucht vorhanden, also jede Marke in gleich sauberem Zustande, wie man solche am Post­schalter kaufte. Die Marken von weiteren acht Ländern waren gebraucht und ungebraucht komplet. Die größten Seltenheiten lagen in Blocks von 2. 4, 6 und 8 zusammenhängenden Exemplaren vor, darunter von Württemberg alle 18 Kreuzer in Blocks von 2 und 4 Stücken, gebraucht und neu.

Der Reichtum Sibiriens an Wild, besonders an Wafferwild, ist fabelhaft groß. Myriaden von Enten, Gänsen. Schwänen usw. bevölkern den Unterlauf des Jenissei. Niemanden fällt es ein, auf sie zu schießen, denn ein Schuß Pul­ver ist mehr wen, als eine Gans oder Ente. So z. B. verkauft man in Turuschansk am Jenissei Enten zu 2 Kopeken (etwa 3 das Stück und noch billiger. Man mag sie nicht, denn Entenfleisch bildet die Hauptnahrung. Im Süden des jeniffeiischen Gouvernements beun­ruhigt die Menge der Birkhühner die Landwirte, indem das Wild scharenweise die Kornhausen überfällt und zerzaust. Birkhühner kosten in Minussinsk, wenn Jemand sich die Mühe nimmt, sie auf den Markt zu bringen, 2 bis 3 Kopeken das Stück. Sie werden nur von Feinschmeckern gekauft; der einfache Bauer und der ärmere Stadtbewohner ziehen das Rindfleisch vor, wo­von die beste Qualität 2 Kopeken kostet. Die Ausbeutung des Wildreichtums wird wohl auch nicht lange mehr auf sich warten lassen, zumal die sibirische Eisenbahn dem russischen Wildexport große Dienste leisten dürfte.

(Ein Gemütsmensch.) Brautvater:Was, Sie wollen meine Tochter heiraten? Sie werden ja noch von Ihrem Vater unterhalten. Freier: Ja, aber mein Vater will nicht mehr, und da hielt ich es für besser, wenn eine andere Familie jetzt das Amt übernehme!

(Für alle Fälle.) Dame: Ja, warum haben Sie denn heute ein schwarzes Gewand angezogen, Kathie, trauern Sie denn um jemand? Kathi: Ach nein, gnäd'ge Frau, es kommt heut der Schornsteinfeger ins Haus und der macht stets alles rußig.

(Begriffsverwirrung.) Professor: Um Alles, was ich für und wider den Vegetarismus ange­führt, noch einmal kurz zusammenzufaffen, möchte ich sagen: Bon allen Mehlspeisen ist doch das Fleisch das beste Gemüse.

(Unnobel.) Hausierer (der vom Chef des Hauses hinausexpediert wurde):Ist vas eine sparsame Firma! Nicht einmal 'n Hausknecht hat sie!"

Telegramme.

Berlin, 8. März. Die Umsturz- Kommission lehnte, nachdem über sämtliche dazu gestellten Amendements einzeln abgestimmt und unter anderem der Antrag Rintelen gegen 9 Stimmen adgelehnt worden war, mit 13 gegen 12 Stimmen tz 130 Absatz 2 betreffend den Schutz der Religion, der Monarchie, der Ehe. der Familie und des Eigentums, ab, lehnte ferner gegen 8 Stimmen die Aenderung des Z 166, betreffend Gotteslästerung, ab und nahm den Zentrumsantrag auf Beseitigung des Z I30a, des sogenannten Kanzclparagcaphen, an. Die Regierungsfassung wurde einstimmig abgelehnt.

Berlin, 9. März. Die Morgenblätter melden aus Belgrad: Der Direktor am Lehrer­seminar zu Ni sch wurde von sozialistischen Zöglingen mißhandelt und aus dem Fenster geworfen, weil ec mehrere Zöglinge wegen sozialistischer Agitation bestraft hatte. Im Jasenikathale herrscht wegen der schlechten Maisernte eine Hungersnot.

Berlin, 9. März. Aus Hamburg wird gemeldet: Der Afrikareisende Graf Pfeil wurde kommissarisch zum deutschen Konsul der Delagora- Bai ernannt.

Bremen, 8. März. Ohne amtliche An­meldung traf der Kaiser heute um 3 Uhr mit Gefolge hier ein. Der Senat empfing ihn im Ratskeller. Der Kaiser unterhielt sich unter andern mit dem bremischen Oberbaudirektor Franzius über Bremens Hchen- und Wasser­bauten. Die Abreise erfolgte um 5 Uhr.

Wien, 8. März. Wie ich höre, fand die Wiener Begegnung Kaiser Wilhelms mit dem Herzog von Cumberland in der Hofburg statt, als die Prinzen vor Beginn des Leichen­begängnisses sich versammelten. Sie war herz­lich. aber ohne jeden politischen Charakter und gestattet keinerlei politische Schlüffe. (Str. P.)

R o m , 9. März. Der Senator Deradi wurde bei der Inspektion eines Irrenhauses von einem Irrsinnigen lebensgefährlich verletzt.

London. 8 März. DenDaily News" wird aus Wien berichtet: Der Entschluß Frank­reichs. an der Eröffnung des Nordostseekanals teilzunehmen, sei durch den Zaren beeinflußt worden, der dem französischen Botschafter gesagt habe, er wünsche nicht, daß die russischen Kriegs­schiffe sich allein in Kiel befänden. Hierauf habe Frankreich nur die Bedingung gestellt, daß beide Geschwader beieinander ankerten, was der Zar bewilligt habe.

London, 9. März. In Folge der Streitigkeit wegen Anwendung von Maschinen und über andere Punkte forderten der nationale Schuharbeiterbund und die Arbeiterschaft auf» am 16. März in den Ausstand einzutreten. Am Streike sind 200 000 Arbeiter, darunter 20 000 in Leiceister und 900 in Northampton beteiligt.

New-Aork, 8. März. Der auf einer Sandbank sestgefahrene deutsche Lloyddampfer Havel" kam unter eigenem Dampf bei sehr hoher Flut ohne vorherige Umladung glücklich auf und erlitt keinerlei Schaden.

Redaktion, Druck und Verlag von C. Meeh in Neuenbürg.