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eilten Arzt konnte nur noch der Tod konstatiert werden. In den letzten Tagen beabsichtigte Herr Reiser in Pforzheim eine Privatpostansialt in's Leben zu rufen.

Pforzheim, 6. März. Der Pferde­markt am Montag hatte 300 Pferde, der Monatsviehmarkt ca. 240 Ochsen, 180 Kühe, 80 Kalbinnen; 100 Stück Jung- und schmal- vieh, sowie 20 Kälber aufzuweisen. Pferde wurden 54 Stück zu 90850 Mk. abgesetzt. Ochsen sind 46 Stück als verkauft notiert und stellt sich der Durchschnittspreis per 50 Kilo Schlachtgewicht auf 44 Mk. Weiter verkauft zu Durchschnittspreisen 34 Kühe (pr. Stück 270 Mark), 17 Kalbinnen (275 Mk. pr. Stück). 38 Stück Jungvieh (pr. Stück 160 Mk.) 8 Kälber (pr. Stück 3845 Mk.) Ein nennenswerter Abscblag nach jenen des Februarmarktes ist nicht zu konstatieren. wie auch der Handel mit Aus­nahme einzelner Stücke kein besonders lebhafter war. Der Schweinemarkt war von 114 Stück Span- und Saugferkeln und 4 Läuferschweine beschickt. Nicht ganz die Hälfte der Ferkel fanden pr. Paar zu 2030 Mk. Absatz Die Läufer wurden zu 70 und 75 Mark pr. Paar angeboren. Es waren nur etwa 2025 Kauf­lustige zugekommen

Deutsches Aeich.

Berlin, 6. März. Der Kaiser soll die Absicht geäußert haben, an den bevorstehenden Verhandlungen des engeren Ausschusses des Staatsrates so oft wie möglich selbst teil­zunehmen. Für die Beratungen des Staats­rates ist eine Dauer von 14 Tagen in Aussicht genommen.

Berlin, 6. März. Nachträglich wird bekannt, daß anläßlich der neulichen Beerdigung des Erzherzogs Al brecht von Oesterreich der Herzog von Cumberland (vormaliger Kron­prinz von Hannover) durch den Kaiser von Oesterreich dem deutschen Kaiser vorgestellt wurde. Ohne beiderseitige vorherige Zustimmung wäre eine solche Vorstellung natürlich nicht möglich gewesen. Kaiser Wilhelm hat am Sarge des Erzherzogs Albrecht dem Herzog von Cumber­land die Hand gereicht und später mit ihm eine längere Unterredung gehabt. An diese Be­gegnung knüpfen sich bereits allerlei politische Combinationen. Allem Anschein nach wird der älteste Sohn des Herzogs von Cumberland im Oktober 1898, wo er 18 Jahre alt, also voll­jährig wird, Herzog von Braunschweig werden. Der Herzog von Cumberland soll durch einen seinem Vater auf dem Sterbebette geschworenen Eid verhindert sein, mit dem preußischen Staat bezw. dem deutschen Reich für seine eigene Person einen formellen Friedensschluß zu machen.

Aus Hannover wird den Hamb. Nachr. geschrieben: Durch die Blätter geht jetzt die Nachricht, daß der Herzog von Cumberland sich in Wien gelegentlich des Begräbnisses des Erzherzogs Albrecht dem Kaiser Wilhelm habe vorstellen lassen. Das hannoversche Welfenblatt bestätigt die Nachricht mit der Bemerkung:Wir sehen darin wiederum einen, wenn auch nur kleinen Schritt zur Wiederherstellung Hannovers." Man sollte diese Bemerkung in Berlin beachten und sie zu den übrigen Erfahrungen legen, die man darüber bereits gemacht hat, daß man die Welfen, ebenso wenig wie die Polen und Sozial­demokraten, durch Liebenswürdigkeitversöhnt".

Berlin, 6. März. Im Abgeordneten­hause gab der Minister Frhr. v. Berlepsch auf eine Anfrage von Bueks (natl.) eine sehr entschiedene Erklärung zugunsten der Handels­verträge ab. Er werde nie die Hand bieten zur Durchsicht der Handelsverträge, sofern sie nicht etwa zugunsten der Industrie verbessert werden sollten. In der Stabilität der Handels­verträge liege deren Verdienst, und ihr wesent­licher Nutzen würde durch deren Beseitigung verschwinden.

Berlin, 6. März. Auf das Huldigungs­telegramm des Bismarck-Kommerses der Hochschulen an den Kaiser erging eine Ant­wort des Zivilkabinets, worin es heißt, der Kaiser habe über den schönen, würdigen Verlauf der Feier, welche von der begeisterten Dankbar­keit und warmen Pietät der akademischen Jugend

gegen den großen Kanzler ein glänzendes Zeug­nis ablege, sich herzlich gefreut.

Berlin, 3. März. Ganz Deutschland rüstet sich zu festlicher Begehung des 1. April, zur Ehrung des Mannes, der, den Traum vieler Millionen erfüllend, uns ein einiges Vaterland geschaffen. Allerorten beschließen die deutschen Städte, gleichviel ob ihre Vertreter im Parla­ment auf der linken oder rechten Seite sitzen, des großen Kanzlers Verdienste durch Verleih­ung des Ehrenbürgerrechts zu würdigen/ Da ist denn auch die Frage nur allzu berechtigt: Was gedenkt die offizielle Vertretung der Ge­samtheit des deutschen Volkes, der Deutsche Reich tag zu thun? Die Antwort die jedes deutsche Herz mit Scham erfüllen muß, lautet: Nichts! Der Deutsche Reichstag hat es ab­gelehnt, dem Fürsten Bismarck irgend welche Ehre zu erweisen, der Deutsche Reichstag gestattet seinem Präsidenten nicht einmal, dem Begründer des Reiches an seinem Ehrentag einen Glückwunsch auszusprechen! Zwar der Senioren­konvent hat entgegen den Meldungen ein­zelner Blätter in der Sache weder beraten noch entschieden, aber private Vorbesprechungen hoben doch mit aller Sicherheit ergeben, daß ein Gedenken Bismarcks im Deutschen Reichstage am 1. April den lauten Protest des Zentrums, der Sozialdemokraten und des Freisinns finden würde. Da aber daraufhin die Mitglieder der nationalen Parteien sich weigerten, an einer Sitzung teil- zunchmen, beschloß man, um jeder Verlegenheit aus dem Wege zu gehen, die Sitzung an jenem Tage ausfallen zu lassen! Wahr­lich, wir haben es herrlich weit gebracht im neuen Reich!

Friedrichsruh, 4. März. Die Ge­treuen zu Jever haben Heuer als Begleitvers der Kibitzeiersendung an den Fürsten Bismarck folgende Widmung bestimmt:

Achtzig Jaohr', ne lange Ticd

Fort' Vaterland in Sorg und Fliet (Fleiß).

Gott laot' uns dat Geburtstagskind,

Bis dat et hundert und eene sind!"

Berlin, 5. März. In den letzten Tagen sollen nach oer Norddeutschen Allgem. Zeitung in den Straßen Berlins Versuche zur Anwerbung für die chinesische Armee sich bemerkbar gemacht haben. Besonders werde es auf Soldaten ab­gesehen, deren Dienstzeit in der hiesigen Garnison mit diesem Monat zu Ende geht.

Königsbach, 5. März. Bis jetzt hat man auf dem Jagdgebiet des Herrn Baron St. Andrv (Gemarkungen Königsbach, Stein, Wössingen, Wöschbach rc.) 60 verendete Rehe auigefunden, welche infolge des hohen Schnees und der Kälte durch Hunger jämmerlich zugrunde gegangen sind. Zur Pflege werden an verschie­denen Stellen Futtcrplätze errichtet werden. Auch auf dem Brettener Jagdgebiet hat der Jagd­pächter Herr Löwenwirt Scheufele dort bis jetzt 17 Stück verendete Rehe, worunter 3jährige Böcke, eingebracht bekommen.

Frankreich und Deutschland.

Frankreich wird, wie wir bereits in letzter Nummer meldeten, bei der Eröffnungsfeier des Nord-Ostsee-Kanals durch zwei Panzerschiffe und einen Aviso vertreten sein. Vor zwei Jahren noch wäre eine solche Meldung undenkbar gewesen. Fünfundzwanzig Jahre haben die beiden höchstentwickelten Nationen des Kontinents mit mißtrauischen Blicken auf der einen, in feindseliger Haltung auf der andern Seite einander gegenüber gestanden, immer wieder hat das Geschrei gewissenloser Hetzer, die Prahlsucht irgend eines Paradegenerals oder die boshafte Mißdeutung irgend einer deut­schen Vorsichtsmaßregel die bereits sich voll­ziehende Annäherung zerstört, bis es der Aus­dauer und der Ritterlichkeit Kaiser Wilhelms II. gelingen sollte, den feindlichen Nachbar endlich davon zu überzeugen, daß Deutschland nur den einen Wunsch hegt, mit Frankreich in Frieden zu leben. Dieses erreicht zu haben ist ein Sieg unseres thalcnfrohcn Kaisers, den die Weltge­schichte dereinst höher anrechnen wird, als den Waffenerfolg auf blutdampfenden Schlachtfeldern.

Man mag über die innere Politik des jungen, energischen Monarchen denken, wie man

will, den Lorbeer für das Gelingen dieser hohen Friedensmission wird ihm Niemand weigern, und dieser moralische Sieg über die Fran­zosen ist um so schwerwiegender, als es hierbei galt, die empfindlichste Seite des gallischen Nationalcharakters, den bis ins Herz getroffenen Ehrgeiz, zu beschwichtigen. Wer die Geschichte Frankreichs während der letzten 25 Jahre ver­folgt hat, wer vielleicht Gelegenheit hatte, die Franzosen auf ihrer heimatlichen Scholle selbst zu beobachten und all die Märchen sich erzählen zu lassen, mit welchen die Geschäftspolitiker das Mißtrauen der leicht beweglichen Franzosen wach zu halten sich bemühten, der wird die große Bedeutung, welche dieser Erfolg für die Zu­kunft Europas in sich schließt, zu würdigen wissen. Es ist ein Zeichen tiefer politischer Einsicht, daß unser Kaiser die Franzosen gerade an dieser Stelle zu fassen verstanden hat und durch Akte der Großmut und internation­aler Höflichkeit, welche weit über den üb­lichen Rahmen hinaustrat, den schmollenden Nachbar zwang, die Hand, wenn auch nicht herzlich, so doch überhaupt herüberzureichen.

Die Freilassung der beiden französischen Offiziere, die herzliche Anteilnahme an dem Tode hervorragender Franzosen, wie Meissonier (1891), Carnot, Mac Mahon, Canrobert, und andere Zeichen regster Teilnahme an dem Ge­schicke Frankreichs sind die Erkennungszeichen eines bewußt angelegten Planes, dauernd fried­liche Beziehungen zwischen Deutschland und Frankreich zu erreichen.

Einen noch größeren Sieg aber als Wilhelm II. haben die Franzosen selbst zu ver­zeichnen, denn sie haben sich selbst besiegt. Das prahlerische Pathos des Empire und die Phrase dergroßen Nation" haben sie zertrümmert und vor aller Welt bekannt, daß die hohen Aufgaben der Zivilisation nicht im Pulverdampf und Kanonendonner er­füllt werden, sondern in dem friedlichen Wett­bewerb, der sich in der Stille der Geisteswerk- stätlen, im Rasseln der Maschinenräume und in den weiten Flächen der Kulturanlagen vollzieht. Die Aufgaben des allgemeinen Fortschrittes sind so erhaben und die Interessen Frankreichs und Deutschlands berühren sich in so vielen Punkten, daß diese beiden Nationen wahrlich etwas Besseres zu thun haben, als sich in nutz­losem Waffenkampfe gegenseitig aufzureiben.

Deutschland wird den Franzosen diese Kulturthat, die in ihrem Entschlüsse, nach Kiel zu kommen, ausgedrückt ist, sicherlich nicht vergessen und Alles aufbieten, diesen mora­lischen Friedensschluß auch fernerhin zu festigen.

Württemberg.

Stuttgart, 6. März. Heute Nach­mittag am Geburtstage des Königs Karl er­schien Frau Herzogin Wera in der Hojkapelle und stieg mit den beiden Prinzessinnen Töchtern in die Gruft hinab, wo die hohen Damen einen prachtvollen Kranz auf den Sarg des Königs legten und daselbst einige Zeit verweilten.

Der von dem hiezu besonders gewählten Ausschuß der Kammer der Abgeordneten mit allen gegen zwei Stimmen angenommene Adreßentwurf ist am letzten Dienstag nach­mittags 4 Uhr allen Blättern mitgeteilt worden. (Der Raum unseres Blattes gestattet uns nicht, den Entwurf in seinem ganzen Wortlaut auszu­nehmen. Die Red.) Die Adresse hält dem König gegenüber so loyale Formen ein, daß der sozial­demokratische Abgeordnete der Residenzstadt schon aus diesem Grunde dem Entwurf nicht zustimmen kann, wie er dies auch glcrch ausdrücklich er­klärt hat. allerdings mit der Begründung, daß die Forderungen seiner Partei viel weiter gehen. Zunächst ist es von Interesse, daß die Adresse kein Sterbenswörtchen von den Forderungen des Zentrums betr. die unbeschränkte Zulassung von Männerklöstern in Württemberg enthält; wohl erklären die Zentrumsredner, daß sie ihre diesbezügliche Forderung bei einer andern Ge­legenheit geltend machen würden und sich dies­mal auf den Standpunkt der Bescheidenheit ge­stellt hätten, um eine Adresse überhaupt und deren Annahme mit großer Mehrheit zu sichern.