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Reuenbürg, den 4. März

Qrsläloitsris

zu Gunsten

der Wiederherstellung der Marienkirche in Aeulkingen.

Nach soeben eingetroffener Mitteilung haben die bürgerl. Kollegien von Reutlingen die Ziehung -er ll. Serie auf

Donnerstag, den 21. März ds. Js.

verschoben.

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v. -LssL.

Deutsches Aeich.

Es fehlt nicht an Anzeichen, welche auf be- vorstehende schwere Komplikationen in der inneren Po litik Hinweisen. Wenn die Meld­ung sich bestätigt, daß Frhr. v. Berlepsch mit seinen Vorschlägen bezüglich der Organisation der Arbeiterschaft im preußischen Staats- Ministerium durchgedrungen sei, und demgemäß in der nächsten Zeit der Versuch gemacht werden soll, die sozialpolitische Gesetzgebung in einer Richtung weilerzubilden, die von jeher bei den wärmsten Vaterlandsfreunden und vor allem bei dem Fürsten Bismarck auf lebhaften Widerstand gestoßen ist, und in einem Augenblick, in welchem selbst in eigentlich sozialpolitischen Kreisen einem solchen Unterfangen mit der größten Sorge ent­gegengesehen wird, so stehen wir vor einer Aera leiden fchaftlichen politischen Kampfes. Ob dabei irgend etwas zu Stande kommen wird, ist sehr fraglich; sowohl im Bundesrat als auch im Reichstag dürfte die Ansicht sehr verbreitet sein, daß der Staat im gegenwärtigen Zeitpunkt nicht daran denken dürfe, der Sozialdemokratie von sich aus Organisationen zu schaffen. Das aber unterliegt keinem Zweifel, daß den Vorteil aus diesem höchst unzengemäßcn Kampfe der bürger­lichen Elemente des Staates einzig und allein die Sozialdemokratie ziehen wird, und selbst wenn es gelingen sollte, den zu schaffenden Arbeiter­kammern eine Einrichtung zu geben, weiche die nächsten und schwersten Bedenken beseitigt, so wird man schon mit dem bloßen Aufwerfen der Frage der Sozialdemokratie einen höchst wirk samen Agitativnsstoff gegeben und dadurch dem Reiche mehr geschadet als genützt haben. Wenn der Umsturzvorlage der letzte Rest der Berechtig­ung genommen werden sollte, so konnte das nicht gründlicher geschehen, als durch den gleich­zeitigen Entschluß, der Sozialdemokratie durch die Einrichtung einer mit Korporationsrechten ausgestatteten Berufsvertretung entgegenzu- trelen. (Allg. Ztg.)

Berlin, 3. März. Der Reichstag be- gann am Samstag mit der zweiten Beratung des Etats des Reichsheercs. Abg. Liebknecht empfahl mit Rücksicht auf die vorzüglichen Er­folge des Schweizer Miliz-Heeres und zum Wohl der arbeitenden Klassen die Annahme eines An­trages seiner Parteigenossen um Einführung des Milizheeres an Stelle des stehenden Heeres im Deutschen Reich. Abg. Baumbach (Reichsp.) wandte sich gegen diesen abenteuerlichen Antrag, dem der Reichstag als der Abg. Liebknecht ihn am Schluß nochmals zur Annahme empfahl, ironisch mir Bravorufe beigestimmt hatte. Dann wandte sich der Abg. Rickert (frs. Vg.) gegen Herrn Liebknecht, besonders gegen dessen Zahlen­angaben. Abg. Podbielski (kons.) schilderte dem Abg. Liebknecht mit vielem Humor den Anblick des Zukunfts-Milizheeres von 8'/-Mill. Mann und fand viel frohen Beifall damit im Hause. Bei der Fortsetzung der zweiten Be- ratung des Militär elats am Montag den 4. ds. wiederholte Abg. Liebknecht seine schon am Samstag mit aller Ausführlichkeit wieder- gegedenen Anschauungen von den Vorzügen der Mtlizarmee mit all der sorgfältigen Breite, die man einem Licblingsprojekt widmet. Den Höhe­punkt erreichte die Debatte in einem lebhaften Rededuelle zwischen Bebel und dem Kriegs­minister Bronsart v. Schellendorf. Bebel ist bekanntlich so ziemlich der beste Redner des Hauses und der Kriegsminister ist in seiner vornehmen Sicherheit und dem überlegenen Humor, der ihn auszeichnet, ein ihm ebenbürtiger Fechter. Bebel beschwerte sich über die Hintan­

setzung der Sozialdemokraten in den Staats­werkstätten wie im Heere und belegte seine Aus­führungen mit einer Unmenge Einzelfälle. Dann suchte er die Debatte in die Duellfrage einzu­hacken, was ihm aber nicht gelang, da der Kriegsminister diese Frage nur kurz erörterte. Gegenüber der Behauptung Bebels, die Armee sei die Trägerin der Duellidee, berief sich der Kriegsminister auf v. Bollmar. Bebel suchte dessen Aeußerungen im bayerischen Landtage nach Möglichkeit für seine Zwecke zurechtzustutzen, wurde aber von v. Vollmar, der vor ihm saß, mit keinem Wörtchen unterstützt. Schließlich wurde das Gehalt des Kriegsministers bewilligt und der Antrag Auer und Gen. auf Einführung des Milizsystems gegen die Sozialdemokraten unter großer Heiterkeit abgelehnt.

Berlin, 4. März. Der Verein der deut­schen Zeitungsverleger beschloß in seiner heutigen Generalversammlung, in geeigneten Fällen (bei­spielsweise in Prozessen wegengroben Un­fugs") Preßprozessc auf Vereinskosten bis zur Entscheidung des Reichsgerichts durchzuführen, gleichgiltig, ob der Verleger der verklagten Zeitung des Vereins sei oder nicht.

Straßburg i. E. Wie groß und all­gemein das Interesse an unserer Industrie- und Gewerbeausstellung und wie sehr man in den weitesten Kreisen für einen möglichst erfolgreichen Verlauf derselben besorgt ist, das beweisen u. A. die von allen Seiten kommenden Anerbietungen, dem Unternehmen durch allerhand Sonderveron- staltungen besonderen Reiz zu geben. Sv hat sich neuerdings der hiesige Verein fürBriefkauben- zuchtPhönix" erboten, eine Ausstellung von Brieftauben ins Werk zu setzen, der sich ein Wettfliegen anschließen soll. Beteiligen wollen sich die zahlreichen Briestaubenzüchter aus Elsaß- Lothringen, Baden und der Pfalz, die dem unter dem Protektorat Seiner Majestät des Kaisers stehenden Verbände deutsche rBrieftaubenliebhaber- Vereine angehören.

Mannheim, 4. März. Ein verspäteter Treffer. Seit Langem war, jo wird aus Augs­burg berichtet, ein Mannheimer Photograph im Besitze eines Augsburger 7 fl -Loses. Da fiel ihm vor einigen Tagen ein Lotteriekalender ln die Hände, aus dessen freundlichen Spalten ihm die hocherfreuliche Nachricht wurde, daß er seit 1892 der glückliche Gewinner ein Haupttreffers im Betrage von 10200 M. sei. Der glückliche Gewinner hat jetzt den unverhofften Schatz er­hoben.

Ellmendingen, 5. März. Die ersten Störche sind gestern in unserem Dorfe ange­kommen. Andere Frühlingsboten. eine Schar Staren wurden schon vor einigen Tagen auf hiesiger Gemarkung bemerkt. Hoffentlich wird das kalte Wetter nun nicht mehr lange anhalten, da sonst die Vögel ihre frühzeitige Wiederkehr wohl mit dem Leben büßen müßten.

Der Uord-Ostsre-Kanal.

Wenige Wochen nur trennen uns noch von dem Zeitpunkte, an welchem die in bezug auf ihre technischen Einrichtungen und ihre nautische Vollkommenheit bedeutendste Seestraße der Welt auf deutschem Gebiete dem Verkehr übergeben werden wird. Die zu diesem bemerkenswerten Akte geplanten Feierlichkeiten werden einen sehr großen Umfang annehmen, der deutsche Kaiser wird in Person die Eröffnung vollziehen, und außer den berufenen deutschen Festteilnehmern, Vertreter der Landmacht und der Kriegsflotte werden die Kriegsmarinen fast aller fremden Staaten dem Akte beiwohnen.

Der Nocd-Ostsee-Kanal bewirkt die un- I

mittelbare Verbindung zwischen Nord- und Ost­see. Zwar bestand schon seit mehr als einem Jahrhundert eine unmittelbare Wasserverbindung zwischen beiden Meeren durch den schleswig-hol­steinischen Kanal oder den sogenannten Eider- Kanal; aber diese Verbindung schuf nur eine schmale, für die heutige Schiffahrt absolut un­geeignete, durch zahlreiche Schleußen und Krüm­mungen benachteiligte Fahrrinne, die gegenüber dem Umweg nördlich um die jütische Halbinsel herum, an Skagen vorbei keinen Vorteil brachte. Sie wurde daher auch nur von der lokalen und kleinen Schiffahrt benutzt. Diese Linie wird nun durch den Nord-Ostsee-Kanal ersetzt.

Der Kanal selbst führt von Brunsbüttel am rechten Ufer der Unterelbc, in einem nordöstlich gerichteten Bogen Holstein durchschneidend. nach l Rendsburg und von dort in östlicher Richtung, auf der Grenzlinie des schleswigschen und hol­steinischen Gebietes, in einem seiner Zeit vom Eiderkanal benutzten Geländecinschnitt auf die Kieler Bucht zu, in welche er bei Holtenau, einem fast unmittelbaren Vororte von Kiel, an ihrem Westufer cintritt. Die Kieler Bucht bildet bekanntlich eines der bedeutendsten Hafengebiete der Welt, in dem die größten Kriegsflotten ankern können. Die Wahl Kiels zum Kriegs­hafen des Norddeutschen Bundes 1867 bezw. jetzt des deutschen Reiches war eine vollauf ge­gebene.

An den Mündungen ist der Kanal und zwar mit seinen Querschnittsdimensioncn entsprechenden sehr gewaltigen Schleuscnanlagcn versehen, die jedoch ausschließlich den Zweck haben, ihn gegen die etwa eintretenden wechselnden Wasferstände der Meere zu schützen und vor unwillkommener starker Strömung zu bewahren, dabei aber doch das Durchpasfiercn der Schiffe zu gestatten.

Der Kanal durchschneidet auf seiner Strecke 4 Eisenbahnlinien und 5 Chausseen; von ersteren werden 2 Bahnlinien mit Drehbrücken überführt, zwei andere, und zwar die Linien Neumüster- Heinl bei Grüuthal und Kiel-Eckernförde bei Levensau vermittelst riesiger Hochbrücken von je 156 ui Spannweite, die mit ihrer Brücken­bahn 42 m über dem Wasserspiegel des Kanals liegen. Die schwersten deutschen 8 m tiefgehen­den Panzer-Schlachtschiffe (Brandenburg-Klasse) mit 10300 t Deplacement können den Kanal also passieren. An geeigneten Punkten sind Aus­weichstellen hecgesteUt. Die Endschleusen, zu den größten der Welt gehörend, entsprechen in ihren Ausmaßen den vorgenannten Dimensionen ; jede ihrer Kammern ist 150 in lang (die größten deutschen Panzerschiffe sind 112 m lang), 25 m breit (Panzerschiffe 19'/, m) und 9'/, m tief; je 2 solcher Kammern, die eine für Einfahrt, die andere für Ausfahrt liegen nebeneinander.

Das gewaltige 156 Miü. vlL Baukosten beanspruchende Werk ist noch vor Ablauf der veranschlagten achtjährigen Bauzeit unter Mit- thäligkeit von 38000 Arbeitern und Ver­wendung zahlloser Maschinen und sonstiger Hilfsmittel, vermittels derer etwa 75 000000 Kubimeter Erde ausgehoben waren, ohne jede nennenswerte Störung vollendet. Durch seine Fertigstellung erfährt die Wehrkraft des deutschen Reiches zur See eine namhafte Verstärkung; aber auch die Schiffahrtskreise nicht nur deutscher, sondern zahlreicher außerdeutschcr Staaten be­grüßen die Abkürzung des zeitraubenden bis­herigen Seeweges zwischen den beiden Meeren mit großer Befriedigung.

Württemberg.

Stuttgart, 5. März. Kammer der Abgeordneten. Eingclaufen sind bei der I heurigen Nachmitlagssitzung Petitionen um Un-