aus Bahnen geraten, die geradezu verderbliche wären. Die Reichsregierung wird sich also wohl noch besinnen, ehe sie einen solchen Schritt thut).

Berlin, 1. März. Schon seit einer Reihe von Jahren galt Fürst Lobanow als voraussichtlicher Nachfolger des Ministers von Giers. Er ist zweifellos der Begabteste und Kenntnisreichste unter den russischen Diplomaten und seine langjährige diplomatische Laufbahn hat ihn namentlich mit den Berhälrnissen im Orient, in England und in Oesterreich Ungarn genau vertraut gemacht. Die Thatsache, daß seine Er­nennung zum Botschafter in Berlin in den hie­sigen amtlichen Kreisen mit lebhafter Zustimm­ung und Anerkennung begrüßt worden ist. läßt den Schluß gerechtfertigt erscheinen, daß er auch in seiner neuen verantwortungsvollen Stellung in Petersburg alles aufbieten wird, die guten Beziehungen, die feit einigen Jahren wiederum zwischen der russischen und der deutschen Re­gierung cingetreten waren, auch weiterhin zu fördern und und zu befestigen. Wir glauben demnach, daß die Ernennung des Fürsten Lobanow wie in Petersburg, Io auch in maß­gebenden Kreisen in Berlin und in Wien mit Genugthung begrüßt weiden wird.

München, 28 Febr. Ebenso wie der Magistrat nahm das Gemeiudekollegium die Ver­leihung des Ehrenbürgerrechts an den Fürsten Bismarck, allerdings nicht gleich erstem beinahe einstimmig, sondern mit 42 gegen II Stimmen, an. Dagegen sprach der Sozial­demokrat Birk.

Württemberg.

Stuttgart, 27. Febr. Heute Abend 5 Uhr brach im Gebäude des Generalkommandos in der Kriegsbergstraße Feuer aus. Der Brand entstand dadurch, daß durch einen Windzug die Flamme aus einem Ofen, der zum Kochen von Bodenwichse im Speisesaal stand, herausgeschlagen wurde und einen Vorhang ergriff. Der Schaden beträgt 3000 Mark.

L u d w i g s b u r g , 27. Febr. Wie man hört, sind in letzter Zeit umfassende Verhand- lungen gepflogen worden wegen Erwerbung des K. Seeguls Monrepos zu einem großen Exer­zierplatz für das XIII. württ. Armeekorps. Die Verhandlungen haben jedoch lautN. Tgbl." zu einem negativen Resultat geführt.

Aus dem OA. Balingen. Auch bei uns sind nunmehr seit gestern Staaren sichtbar, wiewohl noch Alles von Eis und Schnee starrt.

Von de» Geld- und Warenbörsen.

Stuttgart, 28. Februar. Letzten Sonntag ist in Wien das an dieser Stelle seit Wochen angekündigte Ereignis eingctreten: Das von den Wiener Spekulanten aufgeführte und Monate hindurch mit Zähigkeit sestge- haltene künstliche Haussegebäude für österr. Kreditaktien ist zusammengestürzt und hat gerade an den österr. Börsenplätzen mehrere Tage hindurch wie eine regel­rechte Panik gewirkt, indem sowohl die Börsenbesucher als die österr.-unganschen Privatkapitalisten nicht nur Aktien aller Art, sondern auch solide Staatspapiere um jeden Preis losschlugen. Aus den Getreidemärkten beginnt sich die Kauflust etwas zu regen, weshalb die Preise, wenn auch vorerst nur unbedeutend angezogen haben. Die Ursache dieser Erscheinung liegt ohne Zweifel in dem Umstand, daß das fortgesetzte Auftauen und Wiedergefrieren der Wintersaaten in Ungarn und Süd- rußland Befürchtungen über den Ausfall der dortigen Ernte erweckt. Die in voriger Woche auf den Zucker­märkten eingetretene bessere Stimmung hat nicht Stand gehalten. Der Verkauf geht recht stockend und die Preise sind nicht unerheblich zurückgegangen. Rüben- zucker 88°/, Rendement fiel in Hamburg pro Februar von 9.15 auf 9.05, pro März von 9.07 V- auf 8.95, pro Mai von 9.22 Vr auf 9.10 und pro August von 9.52'/, auf 9.35.

Ausland.

Der größte Teil der französischen Presse äußert sich ziemlich sympatisch über die Einlad­ung Frankreichs seitens des deutschen Kaisers zur Eröffnung des Nordostseekanals. Inzwischen hat aber die französische Regierung auch Ein­ladungen zur Teilnahme an der im Jahr 1900 in Paris stattsiadenden allgemeinen Weltaus­stellung überallhin versandt und ein Pariser Gerücht will wissen, daß die franz. Regierung erst dann die Einladung des deutschen Kaisers zur Eröffnung des Nordostseekanals annehmen werde, wenn das deutsche Reich sich an der er­wähnten Weltausstellung beteilige. So wie

heute die diplomatischen Beziehungen Deutsch­lands und Frankreichs zu einander liegen. ist mit großer Wahrscheinlichkeit anzunehmcn, daß Deutschland sich an dieser künftigen Pariser Weltausstellung offiziell beteiligen werde und so lange die Franzosen mit den Vorbereitungen zu einem solchen Unternehmen beschäftigt sind, ist anzunehmen, daß sie gegen uns keinen Krieg anfangcn.

Paris, 28. Febr. In Nogent-sur-Marne findet im März ein Wettlaufen zwischen Stelz­füßen statt; die Distanz beträgt 200 Meter.

Lyon, 28. Febr. Der Diamantenhändler Franc hat mehrere Pfandleihanstalten um über 100 000 Frcs. geschähet; er hatte wertlose Steine mittelst eines eigentümlichen Verfahrens mit Edelsteinen doubliert und verpfändet. Der Be­trug kam beim Verkauf der verfallenen Pfand- objektc zu Tage.

London, 27. Febr. Letzte Woche sind in London 111 Personen an Influenza ge­storben. Auch im Hospital der Garden in Rochester Row ist die Seuche ausgebrochen. Wie groß die Sterblichkeit in London ist, kann man allein schon aus der einen Thatjache ab- rechnen, daß dieTimes" gestern 100 Trauer­anzeigen enthielt. An demselben Tage des vorigen Jahres waren es nur 25.

London. 26. Febr. Ein furchtbarer Orkan Hot die Fidschi-Inseln heimgesucht. In Lcvaka und Rcva wurden alle Häuser dem Erdboden gleichgemacht. 20 Kutter, 30 Leichter­schiffe und 2 Barken wurden zerschellt. Sowohl auf der See, wie aus dem Lande ist der Verlust von vielen Menschenleben zu beklagen. Der Fluß stieg bei Sova 15 Fuß. In Sova selbst wurden alle Kirchen von dem Orkan zerstört. Eigentümlich war cs, daß der Sturm etwa zwei Stunden lang innehielt, dann aber aufs Neue mit der alten Heftigkeit ausbrach, freilich von der entgegengesetzten Richtung. Es wird Jahre dauern," bis die Fidschi-Inseln die von dem Sturm angerichteten Verheerungen überwunden haben werden.

Chicago, 28. Febr. Ein großes Feuer brach im Fabrikviertel aus; dabei entstand eine Panik unter 225 in einer Karamelfabrik be­schäftigten Kindern; drei wurden totgetreten, viele schwer verwundet.

Vermischtes.

(Ein phonographisches Rednerpult) dürfte demnächst im deutschen Reichstage erprobt wer­den. Da jetzt im Reichstag mehr von der Rednertribüne wie vom Platze aus gesprochen wird, so ist, wie man dem Stenographischen Kurier seinem in Wiesbaden unter der Redak­tion von W. Kronsbein erscheinenden Zentral­blatt für Stenographen aller Systeme, mitteilt, Kammerstenograph und Ingenieur Beyerlen in Stuttgart gegenwärtig damit beschäftigt, ein phonographisches Rednerpult zur Aufnahme von Reden zu konstruieren. Herr Beyerlen hofft, demnächst einen praktischen Versuch mit seinem Rednerpult im deutschen Reichstage machen zu dürfen.

10S56 Wohnungen sollen gegenwärtig in Berlin leer stehen. Von diesen Wohnungen sind sind 3426 größere, 4310 mittlere und 3220 kleine. Die Mietspreise sind infolge dessen ganz erheblich heruntergegangcn. Wohnungen, die früher 5000 ^ kosteten, finden jetzt kaum für 3600 viL Abnehmer, während für mittlere und kleinere Wohnungen, die früher 700 und 360 ^ gekostet haben, nur 570 bezw. 300 »-L gefordert wird.

Basel, 27. Februar. In denBasler Nachr." lesen wir folgendes Inserat:Bitte. Eine ehrenhafte Familie erlaubt sich, den sprich­wörtlich gewordenen Unterstützungs- und Wohl- thätigkeitsstnn der löblichen Basler Private um vorübergehende Beschaffung einer Summe von 90- bis 100 000 Franken gegen sicheres Unter­pfand und mäßigen Zins anzusprechen. Kein Risiko. Für hilfreiche Menschenfreunde Gelegen­heit, einem edlen Werke beizustehen. Offerten u s w." Neunzig- bis hunderttausend Franken! Mm ä'urie xipe, mitKleinigkeiten" scheinen

sich diese Bittsteller nicht abzugeben ! Wenn schon, denn schon ....

Aus der Fastnachtsnummer der Münchner Neueste» Nachrichten:Das größte Hotel der Welt wird zur Zeit in Dingstown (Nordamerika) gebaut. Einige Daten werden unseren Lesern einen Begriff von der Ausdehnung des Etablissements geben. Das Hotel hat 365 Etagen, wovon die 20 obersten in der Region des ewigen Schnees liegen und wegen der Kälte unbewohn­bar find. Die Räume werden nur zum Weinkühlen, Schlittschuhlaufen und als Gefrierlammern verwendet. Die Bedienung der Gäste bei Tisch geschieht durch eine kleine elektrische Eisenbahn. Denn wenn ein Kellner am einen Ende der Tafel als 14jähriger Piccolo zu servieren anfinge, würde er sie am anderen Ende als hinfälliger Greis verlassen so lang ist die Reihe der Tafelnden. Das Hotel ist so umfangreich, daß es seinen eigenen Bürgermeister hat und zwei Vertreter in'S Parlament entsendet. Zwölf Flößer schaffen täglich das Holz Len Missisippi herunter, das für den Zahn­stocher im Hotel gebraucht wird. In jeder Etage be­sorgt eine fünfzigpserdige Dampfbürste das Stiefelputzen; in "jedem Stockwerk besorgt eine elektrische Bahn den Verkehr von Zimmer zu Zimmer. Den klarsten Begriff von der ungeheuren Ausdehnung des Unternehmens gibt aber folgende im Prospekt des Hotels angeführte Thatsache: eine Anilinfabrik mit 200 Arbeitern arbeitet Tag und Nacht an der Herstellung der Massen roter Farbe, mit der in der Küche die Tupfen auf die Weiß­fische gemacht werden, welche die Gäste bei der Table d'hote als Forellen vorgesetzt erhalten. Großartig, dies Hotel!"Eine epochemach ende Erfindung, geeignet, all' unsere bisherigen Besörderungsmethoden überflüssig zu machen, wird soeben von Chicago ge­meldet. Diese Erfindung, Produkt und in den Haupt­punkten zur Zeit noch Geheimnis des Herrn Dr. Wil­liam Smartson, Barnum's. Eolledge, Chicago, bedeutet nichts weniger als eine Verkürzung der zur Reise von Europa nach Amerika und umgekehrt erforderlichen Zeit auf nur mehr sage 12 Stunden! Der Grundge­danke dieser epochemachendsten aller Erfindungen ist äußerst einfach: die Erde dreht sich bekanntlich in 24 Stunden um ihre Achse, ein bestimmter Punkt der Erd­oberfläche macht also in rund 12 Stunden eine halbe Umdrehung oder, mit anderen Worten, ein Punkt in Europa gelangt binnen 12 Stunden nach dem Punkt im absolutem Raum, an dem sich 12 Stunden zuvor sein antipodischer Punkt in Amerika befunden hatte. Darauf gründet sich der Plan des Herrn Dr. Smartson; ein mit allem Nötigen versehener Ballon steigt in Eu­ropa in angemessene Höhe und bleibt durch Mittel, die vorderhand noch Geheimnis des Herrn Dr. Smartson sind, ruhig 12 Stunden oben, ohne an der Rotation der Atmosphäre mit teilzunehmen. Nach Verlauf der 12 Stunden senkt er sich dann an dem entsprechenden Punkte in Amerika, der sich jetzt direkt unter ihm be­findet, unversehrt und wohlbehalten nieder. Wie man sieht, ist die Erfindung so einfach wie gemal, ein neues Ei des Columbus. Behufs praktischer Verwertung der­selben soll sich bereits in New-Iork und Paris unter dem Vorsitze Rothschilds und Rockefeller's eineLuroxs- ^morioa-n6rons,vi8ation-eomps.gn^-Iimitöä° mit einem vorläufigen Kapital von 500,000,000 Pfund 1000 Mill. Mark gebildet haben."

sEin Curiosiums Professor: .Sie

müssen einmal zu mir kommen! Ich habe eine sehr interessante römische Aschenurne, die man mir als etruskisches Trinkgesäß verkaufte, die aber meinen Forschungen nach keins von beiden ist!"

sJm Untersuchungsgefängnis j Lude: Jloobst Du wirklich, daß Du diesmal sechs Jahre kriegen wirst? Ede: Jawohl! Der Richter hat mirs bei der letzten Vernehmung gesagt! Lude: Ach. jlood doch nich an so'n Vorurteil.

Telegramme.

Paris, 1. März. Der Redakteur des Journal des Debats, Porcher, wurde heute Vormittag in einem Duell von einem Marine­offizier getötet.

London, 1. März. Das Reuter'sche Bureau meldet telegraphisch aus Mexiko: Gestern entgleiste bei Temamalga ein Zug der interozeanischen Eisenbahn. Der Zag war von Pilgern, welche nach Mexiko reisten, dicht besetzt. 104 sollen getötet und 85 verletzt sein.

Hir 0 shima, 1. März. Nach einem amt­lichen Bericht des Marschalls Oyama wurden am 27. Februar die Chinesen in der Nähe von Tapingshan geschlagen. Am Nachmittag griffen 13000 Chinesen Haitscheng an, wurden zurück- gcworfen und zogen sich in der Richtung nach Ainkao zurück. Der Verlust der Japaner betrug 20 Tote und 250 Verwundete, die Chinesen verloren 200 Tote, die Zahl ihrer Verwundeten ist unbekannt.

Redaktion, Druck und Verlag von C. Meeh in Neuenbürg.