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zu verbergen, bis sich Gelegenheit zur Vernichtung darböte. Später vergaßen Sie vielleicht daran, durch den Erfolg Ihres schurkischen Coup in Sicherheit gewiegt, oder — was auch nicht ganz unwahrscheinlich ist — Sie hielten dieses verhängnisvolle Objekt am Ende gar noch zu einem etwaigen Meisterstück parat, falls ein solches Ihnen erforderlich dünken mochte. Wenn Hügel seine Strafe verbüßt haben und Ihnen etwa noch einmal in dieser oder jener Weise hinderlich sein konnte, indem er vielleicht später noch mit seinen Unschuldsbeteuerungen hätte durchdringen können, und dergleichen — dann wäre vielleicht jenes ominöse Portefeuille, wieder in sehr komprimittierender Weise hier oder dort zum Vorschein gekommen, als erneutes Substrat auf irgend eine Art aufgetaucht, kurz— sei dem wie immer — wir dürfen nun einmal mit dem für uns hocherfreulichen Faktum rechnen, daß ;encs Portefeuille, mit allen seinen seinerzeit vor Gericht genugsam demonstrierten Kennzeichen, wirklich noch vorhanden ist. — Ferdinand Weller. Sie rieten damals zur Hausdurchsuchung bei Herrn Hügel — das Mittel hat sich heute wieder einmal als sehr probat erwiesen! Derselbe alte Praktikus, der damals das Geld im Sophabezuge aufspürte, hat vor einer Viertelstunde — dieses Portefeuille in Ihrem Pulte zu Hause entdeckt; das ist es wohl? Ich hoffe Sic werden es eben- sogut, wie Herr Sendler und Herr Hügel erkennen und ein unumwundenes Geständnis oblegen!"
Damit öffnete Ramberg rasch das kleine Packet vor sich, mit dem er bisher ganz harmlos gerändelt hatte und zog die erwähnte Geld- lasche aus der Papierumhüllung. Sendler, Hügel und Marie, die bisher fast ohne Atemzug der Rede des Amtmanns gelauscht hatten, stießen bei dieser sensationellen Entdeckung einen Ruf der Ueberraschung aus, fuhren aber im selben Moment erschreckt zurück, als a tempo Weller mit einem gellenden Wutschrei gegen den Gerichtstisch vorstürzte, ehe er ihn aber noch erreicht hatte, wie vom Blitze getroffen zusammenbrach und sich mit Schaum vor dem Munde, brüllend wie ein wildes Tier, in entsetzenerregenden Konvulsionen am Boden wand.
Während die Gerichtsdiener herbcieilten, um dem im Wutkrämpfe sich Wälzenden beizustehen, verließen Hügel, Sendler und dessen Tochter rasch das Gerichtszimmer.
Im anstoßenden Zimmer sank Marie laut weinend auf ein Sopha. Leopold stand starr und fassungslos daneben, als könne er alle die Ereignisse der letzten Minuten noch immer nicht begreifen. Da näherte sich ihm Herr Sendler. Mit von Schluchzen erstickter Stimme ergriff er die Hände des jungen Mannes, dem auch er so schweres Unrecht gethan hatte, und zog ihn, unfähig jedes Wortes, einfach an seine Brust. . .
Wir haben, wenn wir den Scharfsinn unserer Leser nicht beleidigen wollen, der zuletzt entworfenen Schilderung nichts mehr hinzuzufügen. Daß, trotzdem Ferdinand Weller aus dem Ge- schäfte geschieden war, die Firma des Hopfen- Hauses noch immer, oder vielmehr mit erneutem Rechte: „I. M. Sendler u. Compagnie" lautete, ist nicht mehr als selbstverständlich, ebenso selbstverständlich auch, daß der Wunsch des alten Handelsherrn, diese Compagnie durch eine Familienverbindung zu befestigen, sehr bald in Erfüllung ging, und der biedere Amtmann Ramberg der treueste, innig verehrte Hausfreund der Familie und Firma verblieb und sein Ansehen unter seinen übrigen Mitbürgern durch jenen neuen, sensationellen Gerichtsfall keineswegs einbüßte. Es wurde ihm sogar von berufener Seite ein bedeutend höherer Posten angeboren, aber der alte Jungeselle erklärte, seine Freunde, die alte, gewohnte Umgebung nicht verlassen zu wollen, und mußte mit einem Orden verlieb nehmen.
Weller wurde zu einer Zuchthausstrafe in der Dauer von zwölf Jahren verurteilt. Und wenn vielleicht Leopold und Marie doch heimlich für ihr junges Eheglück gebangt hatten, in Erinnerung an die Drohung des Unholdes, so wurde auch dieser Schatten sehr bald aus ihrem
Paradiese verscheucht, als Dr. Ramberg ihnen eines Tages, etwa zwei Jahre nach ihrer Verheiratung die Nachricht überbrachte, daß Ferdinand Weller, laut amtlicher Mitteilung, vor Kurzem im Zuchthause einer schweren Krankheit erlegen war, nachdem er zuvor noch, im Gegensätze zu seinem anfänglichen wüsten Trotze, feine Vergehen aufrichtig bereut hatte.
Unter der Rubrik „Literatur und Wissenschaft" enthält die Fastnacht-Nummer der Münchner Neuesten Nachrichten folgenden Beitrag: „Preisausschreiben. Es ist eine leider noch von wenigen Menschen gewürdigte, aber nichtsdestoweniger beschämende Thatsache, daß wir Menschen auf einem Gestirn wohnen, das nicht einmal einen Namen hat. Alle Planeten sind mit den pompösesten Namen getauft: Venus, Mars. Jupiter, Saturn u s. w. Der schäbigste Fixstern 20. Güte ist mit einem klangvollen klassischen Namen in's astronomische Taufregister eingetragen, nur die immerhin recht respektable Kugel, aus der wir wohnen, heißt schlechtweg Erde — das ist aber kein Name, sondern nur ein Begriff. Gesetzt den Fall, es gelingt, was bei den Fortschritten der Wissenschaft in größter Bälde geschehen kann, mit den Bewohnern eines anderen Planeten in Verkehr zu treten, wir könnten auf die erste Frage, die an uns gerichtet würde: „Wie heißt Euer Stern eigentlich?" nicht einmal eine Antwort geben. Dem schmachvollen Uebelstande abzuhelfen, hat die Universität von Philadelphia ein Preisausschreiben erlassen, welches den Titel eines vr. xdilaäol- xkiae und 25 Dollars baar dem zusichert, der den besten Namen für die Erde ausfindig macht; gelegentlich der nächsten Pariser Ausstellung soll sie dann feierlich getauft werden. Eine Reihe sehr origineller Lösungen der Frage wurde bereits eingereicht. So ist ein gewisser Rentier Schulze für den Namen „Groß-Berlin", ein Herr Biermcieer aus Straubing für den Namen „Orterer", der bekannte Pariser Mr. Trottele schlägt den Namen „Revanche" vor, Privatier Nudclmaier aus München: „Salvator". Mr. Happig aus New-Iork den klangvollen Namen „Dollar", ein Herr Veilchenduft den Namen „Mammon", Herr v. Hirsch in Paris hat sich bereit erklärt, die Kosten des ganzen Verfahrens auf sich zu nehmen, wenn die Erde „Hirsch" ge- tauft würde, Abgeordneter Lieber ist für „Loyola", ein Malzkaffeefabrikant befürwortet den Namen „Kneipp", ein Herr O M. den Namen „Wagner", während Herr Biez aus Wien die Bezeichnung „Johann Strauß" vorschlägt. U. s. w. Die endgiltig gewählte Bezeichnung wird wahrscheinlich in 10 Meter hohen Buchstaben in den Aequator eingraviert werden. — Dieselbe Nummer bringt ferner unter Feuilleton: Ein neues Gewehr hat ein Büchsenmeister in Spandau konstruiert und dürfte damit wohl Alles in Schatten stellen, was bis jetzt an Fern- und Präzisionswoffen geleistet worden ist. Es ist ein elektrisches Gewehr, Kaliber 1'/, Millimeter. Das Geschoß sieht aus wie ein dünner Ballbleistift, hat einen Jridiummantel und besteht innen aus komprimierter Elektrizität. Diese wird unter ungeheurem Druck (12,573 Atmosphären) und bei starker Kälte zu einem kristallharten Körper verdichtet, der erst beim Aufschlagen auf's Ziel wieder zu normaler Elektrizität wird und dabei aus den getroffenen Gegenstand einen furchtbaren Schlag ausübt, der im Stande wäre, einen Elefanten blitzartig niederzustrecken. Die Rasanz der Flugbahn des elektrischen Geschosses ist ungeheuer und die Tragweite so groß, datz das Gewehr eben aus diesem Grunde noch nicht benutzt werden kann. Als auf dem Schießplätze in Jüterbogk der Erfinder sein Gewehr probierte, fiel er eine halbe Sekunde später von seinem eigenen Geschoß in den Hinterkopf getroffen, entseelt zur Erde. Er hatte sein Ziel verfehlt und da das Geschoß nun zufällig keinen Widerstand fand, flog es rund um die Erde zum Ausgangspunkte zurück und bereitete seinem geistvollen Erfinder ein allzufrühes Ende. Bis jetzt ist es leider nicht gelungen, die Flugkraft des elektrischen Geschosses auf ein zweckdienliches Maß einzudämmen.
Chinesische Nationalhymne. Wer den Schaden hat, braucht bekanntlich für den Spott nicht zu sargen. Diese Erfahrung machen jetzt auch die Chinesen, wie das nachstehende Spottgedicht zeigt:
Uns're Flotte ist vernichtet,
Mit den Truppen ist's vorbei,
Die Japaner steh'n vor Peking,
Wei-Hai-Wei!
Möchten gerne aus der Falle Schlüpfen, war es auch mit Müh',
Wenn wir insgesamt nur wüßten Wei-Hai-wie?
Sicher kommt ein großer Feldherr,
Oder sonst ein großer Mann,
Der uns wird erretten, aber Wei-Hai-wann?
Geld verlangen die Japaner Das ist wirklich nicht von Stroh,
Möchten's gerne borgen, leider Wei-Hai-wo?
Dunkel ist das Buch des Schicksals,
Großer Fohdi künde das:
Blüh'n uns doch noch Siege, oder Wei-Hai-was?
Telegramme.
Berlin, 28. Fcbr. Der Kaiser ist um 10°/» Uhr vormittags hier auf dem Bahnhof Friedrichstraße eingelroffen, von wo er sich nach dem Reichskanzlerpalast begeben hat. Der Kaiser fuhr unmittelbar nach seiner Ankunft aus Wien beim Reichskanzler Fürsten Hohenlohe vor, um einen längeren Vorrrag entgegen zu nehmen.
Berlin. 28. Febr. Kaiser Nikolaus hat den bisherigen Botschafter in Wien, Fürsten Lobanow, zum Nachfolger des Herrn V. Giers als Minister der Auswärtigen Angelegenheiten ernannt. Er hat damit die Ernennung des Fürsten zum Nachfolger des Grafen Schuwalow als Botschafter in Berlin rückgängig gemacht. Bisher lauteten die Nachrichten dahin, daß Fürst Lobanow. der in diesen Tagen in Wien sein Abberufungsschrciben übergeben sollte, zunächst den Berliner Botschaftsposten übernehmen und voraussichtlich erst im Herbst nach Petersburg als Minister des Auswärtigen berufen werden würde. Seine Ernennung nach Petersburg ist vom Kaiser Nikolaus beschleunigt worden.
Berlin, 28. Febr. Wie die „Nordd. Allg. Ztg." ausführt, besteht die engere Versammlung des Staatsrates, der bekanntlich zum 12. März einberufen worden ist, aus sämtlichen Ministern, dem Staatssekretär des Staatsrates, sämtlichen Ministern der Staatsratsabteilung. welche den Plenarvortrag über die zu begutachtende Sache Vorzubereilen haben, mindestens zwei Mitgliedern der Staatsratsabteilung, welche an der Vorbereitung der Sache zum Plenarvortrag teilzunehmen haben, und ferner aus zwei oder mehreren anderen Mitgliedern des Staatsrates. Ferner führt die „Nordd. Allg. Ztg." aus, Fürst Bismarck, Graf Zedlitz und v. Heyden feien, wie jetzt anerkannt, Mitglieder des Staalsraies, Fürst Bismarck auch Vizepräsident des Staatsrates geblieben.
W i e n, 28. Febr. Der deutsche Kaiser ernannte den Kaiser Franz Joseph zum Generalfeldmarschall. Die Insignien, bestehend aus zwei goldgestickten Miniaturmarschallstäben als Epaulettenschmuck, wurden gestern dem Kaiser überreicht.
Rom, 28. Febr. Heute Vormittag um 11 Uhr erschien Gioletti infolge einer ihm ' zugegangenen Vorladung vor dem Untersuchungsrichter, um über die gegen ihn von der Frau Crispi erhobenen Anklagen vernommen zu werden.
Bestellungen
auf den
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für den Monat März
wollen noch bei den Postämtern und Postboten gemacht werden.
Mit einer Beilage von E. Breitmeyer, Generalagentur, Stuttgart.
Redaktion, Druck und Berlag von T. Meeh in Neuenbürg.