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ung so bedenklich gestiegen, daß der Kriegsminister Zurlinden eine genaue ärztliche Untersuchung aller dieser Soldatenzweiter Kategorie" vor­schrieb. Die als unbrauchbar erkannten werden auf Staatskosten noch ihrer Heimat zurückgeschickt werden.

Paris, 20.Febr. Lieutenant Canrobert hat das Schlachtroß des verstorbenen Marschalls dem Professor Roux für dessen Laboratorium zur Erzeugung von antidiphtheritischem Serum geschenkt. Pasteur dankte dem Geber in einem Briefe, worin es heißt: Das Pferd des Marschalls befindet sich jetzt unter ausgemusterten Pferden franz. Regimenter und es wird zwar seine Lauf­bahn nicht so glorreich aber sehr nützlich beenden, indem es kleinen Kindern das Leben rettet.

Unterhaltender Heil.

Schlechter Leumund.

Kriminal-Novelle von Karl Ed. Klopfer.

(Nachdruck verboten.)

(Fortsetzung.)

Dr. Ramberg blickte doch etwas überrascht empor, während sich unter den übrigen Anwesen­den ein Gemurmel verbreitete. Hatte es vielleicht doch noch Einen oder den Anderen gegeben, der an der Schuld des Angeklagten zweifelte? Fast erschien es so.

Weller lächelte und nickte bestätigend mit dem Kopfe. Seine Zeugenaussage war also auf die denkbar einfachste Weise bestätigt worden. Es war entschieden Hügel als Brandleger entlarvt. Was jetzt folgen mußte, das war ohne besonderen Scharfsinn zu berechnen.

Und Sie geben das Motiv der Rache zu?" fragte Ramberg

Ja," erwiderte Hügel, seinen Blick gewalt­sam ablenkend, der durch Weller's Gesicht wie mit magnetischer Kraft angezogen wurde;ja, ich wollte mich rächen. Ich denke, das ist genug, Herr Amtmann? Es braucht doch hoffent­lich kein weiteres Verhör mehr? Liefern Sie mich nur möglichst rasch an's Kreisgericht ab, dort will ich meinethalben meine Aussage mit allen nur erdenklichen Details wiederholen, die man von mir verlangen kann, aber jetzt bitte, lassen Sie mich gehen! Ich verlange nichts, als daß das ganze Gerichtsverfahren möglichst rasch durchgeführt werden möge trachten Sie, daß ich so bald als thunlich ab­geurteilt werde!"

So hatte er auch damals gesagt, als er unter der Anklage der Veruntreuung stand und dieses Verbrechen geleugnet hatte Dies wiederholte sich Dr. Ramberg unwillkürlich in Gedanken, während er den Angeklagten nach seiner Zelle abführen und die einzelnen Zeugen­aussagen durch den Amtsschreiber protokol­lieren ließ

Weller begab sich in das Haus seines Compagnons und zukünftigen Schwiegervater- zum Frühstück, wo er die sensationelle Mitteil­ung von Hügel's Verbrechen mit allem Behagen vorzubringen gedachte, das er bei dem Gedanken empfand. Marie damit für immer von ihrem bedenklichen Faible für diesen unbequemen Sträfling zu heilen.

Es mochte etwa eine Stunde nach dem so über Erwarten resultatreichen Verhör des Brandlegers Leopold Hügel vergangen sein, als der Gcrichtsdiener in die Amtsstube trat, wo Dr. Ramberg damit beschäftigt war, die Akten über den neuesten Fall zu schließen und zur Expedition bereit zu machen. Der Diener mel­dete, draußen harre eine tiefverschleierte Dame, die den Herrn Amtmann augenblicklich in einer sehr wichtigen und dringenden Angelegenheit zu sprechen verlange. Ramberg ließ der Einlaß- bcgehrenden sagen, sic möge sich eine Stunde gedulden, bis er die Akten über die Affaire Leopold Hügel erledigt habe, was ihn vorläufig vollständig in Anspruch nähme.

Der Gerichtsdiener entfernte sich mit diesem Bescheid, kehrte aber schon nach einer halben Minute mit der Meldung zurück, die Dame be­haupte, ihre Mitteilungen beträfen eben jene Affaire Hügel und duldeten gerade deshalb keinen Aufschub.

Der Amtmann sprang überrascht von seinem Stuhle auf und befahl, die Dame sofort cinzu- laffen. Dann setzte er sich wieder, mit Spann­ung und Erstaunen den Eröffnungen entgegen­setzend, die ihm von der Unbekannten gemacht werden sollten.

Die Dame betrat etwas zaghaft die Amts­stube. Ramberg musterte ihre elegante, jugend­liche Erscheinung mit gesteigerter Verwunderung. Aus ihrer sorgfältigen Vermummung und ihrem schüchternen, unsicheren Auftreten glaubte er entnehmen zu können, daß sic wünschen möge, ihn allein. ohne Zeugen zu sprechen. Er bot ihr einen Sruhl an, dann schickte er den Schreiber und den Gerichtsdiener hinaus.

Mit wem habe ich die Ehre" begann er, nachdem sie allein waren, fuhr aber im selben Momente mit einem Ruf der höchsten Ucberraschung zurück, als die junge Fremde ihren Schleier abnahm und ihr bleiches, erregtes Ge- sichtchen enthüllte.

Herrgott Fräulein Sendler?! Was führt"

Sie sind überrascht, mich hier zu sehen, Herr Doktor ich bin es, aufrichtig gesagt, auch, denn ich glaubte noch vor wenigen Minuten nicht den Mul dazu zu finden," sagte Marie, dem alten Freunde ihres Vaters die Hand reichend.Aber halten wir uns nicht mit langen Erklärungen und Einleitungen auf! Ich sagte Ihnen bereits, daß ich gekommen bin, um Ihnen bezüglich der Affäre Hügel einige wichtige Mit­teilungen zu machen"

Sie? wirklich Sie. mein verehrtes Fräulein ? Ist es eine Zeugenaussage gegen ihn?" fragte Ramberg, noch immer höchst frappiert und nahm seinen Platz hintcr'm Gerichtstische ein, sich so gleichsam in seine offizielle, amtsmäßige Pose stellend.

Wir werden sehen!" erwiderte Marie, mit einem festen Entschluß den letzten Rest von Auf­regung und Befangenheit niederkämpfend, wäh­rend sie sich vor den Tisch des Amtmanns stellte. Vor Allem gestatten Sie mir eine Frage. Herr Doktor! Hat Leopold Hügel wirklich ge­standen, das Feuer in unserem Hause gelegt zu haben, wie uns Herr Weller berichtete?"

Hm! Allerdings allerdings, mein verehrtes Fräulein" Ramberg stockte, was Marie, die ihn ängstlich beobachtete, zu einem leisen, einem erleichternden Seufzer ähnlichen Ah!" veranlaßte, als sähe sie in seinen Zügen etwas Beruhigendes.

Und hat er sofort, ohne einen Ab­leugnungsversuch, gestanden?"

Nein, er erging sich anfangs sogar in Be­teuerungen seiner Unschuld hm! in so warme Beteuerungen, daß Ihnen darf ich's ja ge­stehen, daß ich trotz all der niederschmettern­den Wucht des gegen ihn vorliegenden Beweis- materiales ihm so etwas wie Glauben entgegen­brachte oder hm! vielleicht hege ich auch jetzt noch solche wunderliche Gedanken trotzdem er endlich seine Schuld gestanden hat."

Sie schwiegen Beide einen Moment und sahen sich gegenseitig forschend in die Augen, als suche Jedes des Anderen Gedanken daraus zu lesen.

Herr Doktor", begann endlich Marie, sagen Sie mir aufrichtig haben Sie etwa die Empfindung, als als stände er vielleicht unter dem Eindruck eines gewissen moralischen Druckes, der ihn nötigte, kurz, ich beschwöre Sie, mir offen zu antworten! halten Sie es für möglich, daß Hügel absichtlich eia 'Geständ- nis abgelegt haben könnte, trotzdem er sich un­schuldig fühlte?"

Ramberg wiegte unschlüssig sein Haupt zwischen den Schultern und kraute sich mit der Feder hintcr'm Ohr. Seine Miene drückte eine fast komische Beklemmung aus.

Je nun," meinte er langsam, nach mehr­maligem Räuspern,es wäre wohl sehr ver­messen, eine Behauptung aufzustellen, wie Sie eine solche da andeutcn hm! es giebt aller­dings Fälle, es sollen wenigstens dergleichen Ausnahmen schon vorgekommen sein, wo wo

ein Angeklagter, um irgend Jemand nicht zu kompromitieren"

Ha!" rief sie mit leuchtendem Auge.Und empfinden Sie heute einen ähnlichen Eindruck?"

Hm! ahem! hm!" machte Ramberg und fuhr sich mit der Spitze des Federstieles so eifrig durch sein graues Haar, als gälte es, da einen be­sonders subtilen Gedanken herauszukratzen.Ich will Ihnen gestehen, mein Fräulein, es regt sich in mir ein wie soll ich nur sagen! nun, ein gewisser juristischer Instinkt, so etwas wie eine polizeiliche Witterung, wenn ich bedenke, daß der unglückliche junge Mann sein Bekennt­nis erst dann ablegte, als ich ihm das schwer­wiegende Indizium vorhielt, daß Herr Ferdinand Weller ihn lange beobachtet hatte, wie er an der Hecke ihres Gartens stand, als warte er auf Herrn Wellers Fortgehen. Ihr Bräutigam be­hauptet nämlich, ihn belauscht zu haben, nach­dem er sich aus der Billa entfernt hatte und"

Marie unterbrach ihn mit einem lauten Schrei. Derselbe Gedanke, der heute schon Hügel überkommen hatte, durchzuckte auch sie: Ferdinand hatte ihre Unterredung mit Leopold belauscht!! Diese Erkenntnis führte sie aber in raschem Sprung noch zu anderen Folgerungen, als sie der arme Hügel aufzustcllen vermochte. Eine überwältigende Flut blendenden Lichtes blitzte vor ihrem geistigen Auge auf, durchzitterte mit einem Male so erschütternd ihre Nerven, daß sie auf einen Augenblick von einer physischen Schwäche befallen wurde, die sie auf den Stuhl zurücksinken ließ. Sie preßte die Hand auf die hochklopfende Brust und atmete schwer auf.

(Fortsetzung folgt.)

^Berechtigter Borwurf, s Kaufmann: Was wünschen Sie? Bettler: Entschuldigen Sie, ein armer Reisender Kaufmann: Hinaus! Solchen geb, ich nichts! Bettler: Aber warum schreiben Sie denn an's Schaufenster, daß alles zum Reisen Notwendige bei Ihnen zu haben ist?

fDer moderne Kunstjünger.j Mama:. . Und hast Du Deine schönen Malereien schon hergezeigt?" Wunderkind:Der Tante schon; aber dem Onkel zeige ich sie nicht!" Mama:Warum nicht, Engelchen?"Wunder­kind:Weil ... der Onkel gleich wissen will, was es vorstellt!"

Telegramme.

Berlin, 22. Febr. Der Kaiser besuchte heute den Reichskanzler Fürsten Hohenlohe und nahm einen längeren Vortrag desselben entgegen.

Berlin, 22. Febr. Zur Umsturzvor- lage beantragt das Zentrum einen neuen Para­graphen:Mit Geldstrafe bis 600 oder mit Gefängnis bis zu zwei Jahren wird bestraft» wer öffentlich oder vor mehreren durch Druck oder Bild das Dasein Gottes, die Unsterblichkeit der Menschenseele, den religiösen und sittlichen Charakter der Ehe oder der Familie angreift oder leugnet."

Berlin . 22. Febr. Der deutsche Handels­tag ist heute eröffnet worden. Staatssekretär Dr. v. Bötticher begrüßte die Versammlung namens der Reichsregierung, hob den Nutzen und die Notwendigkeit der Handelsverträge hervor, nahm gleichzeitig aber auch das Interesse der Versammlung für die bedrückte Landwirtschaft in Anspruch. Der Staatssekretär besprach mehrere Vorlagen und wünschte den Beratungen guten Erfolg. Der Handelstag nahm sodann einstimmig eine Erklärung an, in der er die Annahme des Antrages Friedberg-Graf Mirbach betreffend die Währungsfrage bedauert.

München, 22. Febr. Der Magistrat nahm heute in geheimer Sitzung einstimmig die Verleihung des Ehrenbürgerrechts an den Fürsten Bismarck an.

Perpignan, 22. Febr. Der gesamte Ge­meinderat demissionierte, weil der Kriegsminister den Truppen die Teilnahme an den städtischen Carnevalsvergnügungen verbot.

Warschau, 22. Febr. Graf Schuwalow hat das gesamte niedere polnische Palastpersonal durch Russen ersetzt.

Redaktion, Druck und Verlag von T. Meeh in Neuenbürg.