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Weller wäre soeben aus der Stadt gekommen und wolle seinem Kompagnon wichtige Mitteilungen in Betreff der mutmaßlichen Ursachen der Feuersbrunst machen.
„Ah. sehr gut, der kommt mir gerade gelegen! Komm Mariechen, wir wollen ihn zum Frühstück einladen und ihm gleich unfern Dank für seine werkthätige Hilfe aussprechen! — Franz, sagen Sie Herrn Weller, wir kämen sofort nach!"
Der Diener ging und Herr Sendler wollte de» Arm seiner Tochter nehmen, um mit ihr in die Villa zurückzukehren und den „Rettungsengel" zu bewillkommnen, aber Marie entschuldigte sich, sagte, sie käme nach und ließ den Vater allein gehen. Eie wollte sich noch ein wenig sammeln, ehe sie dem Bräutigam nach der gestrigen Doppeltszene, die ihr Gemüt im Innersten erregt hatte, entgegentrat und ihm. wie sie doch nicht umhin konnte, einige Dankesworte für seine aufopfernde Bemühung sagte. Indem sie dem Vater den Vortritt gönnte, überließ sie ihm gleichsam auch die Initiative zu diesem offiziellen Anerkennungsausdruck.
Das Feuer war wirklich vortrefflich locali- siert worden. Außer dem ausgebrannten Stallgebäude, dessen zusammengestürzte u. demolierte Trümmer den Hof bedeckten, hatte das fürchterliche Element kein Opfer mehr verlangt. Sogar die Hundehütte, die doch so dicht bei dem Brandobjekte stand, war vollständig intakt geblieben, bis auf die Einwirkungen des Löschwassers. Dasselbe hatte auch ein Leben zerstört, nämlich das des getreuen Philax. der, an seine Hütte durch eine starke Kette gefesselt, durch die niederströmendcn Wassermassen er- tränkt worden war. Da lag er steif neben seinem Hause ausgestreckt, ein rührendes Bild von Wächtertreue. Es hatte fast den Anschein, als hätte er in Ausübung seiner Dienstpflicht das Leben gelassen, und es wäre nicht die Kette die zwingende Ursache seines Todes gewesen.
Marie konnte sich nicht enthalten, sich niederzubücken und dem armen, toten Tiere mit mitleidiger Hand über den Rücken zu streicheln. In dieser Stellung fiel ihr Bl'ck zufällig auf daS nasse Stroh, das aus der hölzernen Hütte heraushing. und entdeckte da drinnen etwas Dunkelblaues, das wie ein vom Wasser getränktes Tuch aussah. Sie zog es hervor. Es war ein feines blaues Seidentuch, mit weißen Streifen am Rande. Es war nur auf dem einen Zipfel so durchnäßt, der zufällig aus der Hütte herausgehangen hatte; sonst präsentierte eS sich als ein ziemlich neues, sehr gutes Cachenez. Es hatte vielleicht einem der Feuerwehrleute gehört, der es hier verlor und das Philox kurz vor seinem Ende als eine Art Strandgut in den sichern Port seiner Hütte rettete, die durch ein vor das Eingangsloch hingcfallencs glimmendes Holzscheit, dem Reste eines Dachsparrens, allerdings ihm selbst kein Asyl mehr zu bieten vermocht hatte. — Oder, was unter diesen Umständen noch wahrscheinlicher war, vielleicht hatte Martin, der Kutscher, als er heute Nacht bei seinem heimlichen Ausrücken den getreuen Hauswächter beschwichtigte, dieses Seidentuch verloren; es trug ja auch in der einen Ecke, mit roter Seide, den Buchstaben eingestickt und der Kutscher Hieß ja Martin Weiß. Freilich war das Foulard für einen Kutscher auffallend elegant.
Marie nahm das Tuch an sich, um cs bei Gelegenheit seinem mutmaßlichen Eigentümer zuzustellen, dann wandte sie sich dem Hause zu. um endlich ihrem Vater und dessen Compagnon am Frühstückstisch Gesellschaft zu leisten.
Als sie in das Speisezimmer eintrat, sprang Herr Sendler von seinem Stuhle auf und trat ihr entgegen. Sein Gesicht sah blaß und erregt aus.
„Marie, mein Kind, denke nur, was ich da soeben von Ferdinand erfahre: Der Hügel. Leopold Hügel, unser ehemaliger Buchhalter — ist wieder hierher — zurückgekehrt, begnadigt wie es heißt — und —" Hier zögerte Herr Sendler und räusperte sich, ehe er ablenkend fortfuhr. — „und — man hört seltsame Dinge über ihn!"
Marie schrack zusammen bei dieser Nachricht. Also man hatte Leopold gesehen, und gerade ihr Bräutigam mußte es gewesen sein, der ihn entdeckte. Himmel! ahnte er vielleicht, daß der „begnadigte Sträfling" in der vergangenen Nacht mit ihr gesprochen hatte? — Aber ein forschender Blick in das Gesicht Wellcr's beruhigte sie wieder. Er saß mit so gelassener, harmloser Miene bei seiner Theetasse. daß cs unmöglich war, ihm zu mißtrauen.
„Ferdinand hat mir auch sonst noch — sehr überraschende Mitteilungen gemacht", fuhr Herr Sendler fort, „aber — die will ich Dir erst bis nach dem Frühstück aufsparen, bis Du Dich mehr beruhigt hast. Die Nachricht von dem Wiedererscheinen dieses — dieses unangenehmen Menschen scheint Dich ohnedies sehr peinlich zu berühren. Ja, ja. es erweckt ja immerhin unliebsame Erinnerungen; — ich wollte — es wären nur — Erinnerungen.
Die letzten Worte murmelte er nur mehr in den Bart. Dann versuchte er es, wieder eine fröhlichere Miene aufzunrhmen, indem er seine Tochter neben sich aufs Sopha zog und ihr eine Theetasse zuschob. Dann klingelte er dem Diener.
„Franz, bringen Sie heute einmal eine Flasche Johannisberger herauf! — Ja, meine Kinder, der Wein wird uns Allen gut thun auf die Aufregungen des heutigen Morgens, und wir feiern damit das Glück über den verhältnismäßig ja so günstigen Ausgang oieses Ereignisses — und stoßen zugleich auf das Wohl des braven Ferdinand an, der sich heute so recht als Schirmherr unseres bedrohten Hauses erwiesen hat."
Ferdinand stimmte dem Vorschläge mit einem leichten Scherze bei und verwickelte den Schwieger- Papa in ein heiteres Gespräch, bei welchem beide Herren, wenigstens Herr Sendler gewiß, die gedrückte Schweigsamkeit ihrer Tischnachbarin gar nicht bemerkten.
Der Diener erschien mit dem verlangten Wein und füllte die Gläser, mit welchen die Drei gegenseitig anstießen.
„Apropos, Franz, was ich sagen wollte!" rief Weller dann dem sich zum Gehen wendenden Diener nach. „Ich vermisse ein seidenes Taschentuch, das ich wahrscheinlich im Lauf des gestrigen Nachmittags hier im Hause verloren habe; ich erinnere mich wenigstens, es noch mittags, als ich vom Comptoir kam, bei mir getragen zu haben und damit herausgekommen zu sein. Wenn Sie es finden sollten — es ist auS blauer Lyoner Seide, ziemlich groß, und hat einen weißen Streifen um den Rand; überdies ist mein Buchstabe, darein gezeichnet!"
„Bis jetzt wurde es noch nicht gefunden, aber ich werde Acht darauf geben!" sagte Franz und verlieb das Zimmer.
Marie lächelte, daß zufällig sie die Finderin gewesen, und griff schon in ihre Tasche, um das in Rede stehende Tuch hervorzuholen und zu erzählen. wie und wo sie dazu gekommen sei. da schnitt ihr der Vater, der das Lächeln auf ihren Lippen bemerkt hatte, das Wort von dem Munde ab und ließ sie vorläufig durch seine Rede diesen Gegenstand vergessen.
„Ach, mein Mäuschen, macht Dich endlich der Wein auch wieder fröhlich? Gelt ;a, dieser wunderbare Sorgenbrecher spült doch alle unangenehme Stimmung hinweg. Jetzt wage ich es auch, Dir jene Nachricht mitzuteilen, von welcher ich früher fürchtete, daß sie Dich etwas gar zu schroff berühren könnte. —
Er zögerte jedoch wieder und sah fragend auf Weller, den er nach und nach gewohnheitsgemäß schon als Orakel in allen heiklen und zweifelhaften Fällen zu Rate zu ziehen pflegte. Ferdinand ermunterte ihn zur Fortsetzung der Rede durch ein ausdruckvolles Neigen seines „korrekten" Hauptes.
„Denke doch nur, Kind! Derselbe Hügel, der vordem bei uns Wohlthaten genossen, den wir selbst nach seinem für ihn so folgenschweren Fehltritt so glimpflich, als nur irgend thunlich, behandelt haben, oder vielmehr behandeln wollten, wenn er uns durch ein reumütiges Geständnis bei Zeiten entgegengekommen wäre — derselbe
Mann also trug die Sühne, die er doch nur durch eigenes Vergehen auf sich gezogen, in gehässigster Feindschaft uns, unserem Hause nach. An uns wollte er sich rächen für die Strafe, die ihm der Urteilsspruch der Richter zudiktiert hatte. diese Rache war der Plan, den er feit seiner Internierung im Zuchthause gefaßt haben mochte, dem zuliebe er seine Strafe unter so musterhafter Führung abbüßte, daß ihm ein Jahr davon geschenkt wurde, ein Jahr zur früheren Realisierung seines Racheplanes — und die Ausführung war der Zweck seiner Rückkehr. die er nicht um einen Tag verschieben wollte. Man hat konstatiert, daß er erst gestern Morgen das Zuchthaus verließ.
(Fortsetzung folgt.)
Sind Frösche der Fischzucht schädlich? Die meisten der heutigen Fischzüchter und Teichwirte sehen in den Fröschen ganz harmlose Amphibien und ahnen nicht, welch gefährlichen Gesellen sie in ihren Wässern Herberge geben. Wie die „Süddeutsche Tierdörse" mitteilt, haben neuere Beobachtungen bestätigt, daß Frösche ebenso gefräßig, wie geschickt als Laich- und Fischräuber sind, die nicht nur massenhaft kleine Fische fressen, sondern auch große Fried- und Raubfische überfallen und durch Ausdauer töten, um sie, wenn sie in Verwesung übergehen, zu verzehren. Aehnlich den Fröschen an Gefräßigkeit und auch an Geschicklichkeit sind die Wassermolche und Krebse. Eie alle schaden auf mannig- fache Art, namentlich dort, wo sie sich in großen Massen, wie dies bei Fröschen stets der Fall ist, aushalten, indem sie den Fischen die beste Nahrung wegfressen. Große Fische töten sie auf diese Art. daß sie sich ihnen auf den Kopf setzen, mit den Vorderfüßen in dir Augen eiu- klemmen, ihnen diese zudrücken, was ihnen selbst bei den behenden Forellen sehr oft gelingt. Eie halten sich da so fest, daß man, den Frosch anfassend, den umklammerten großen Fisch mitzu- Heden vermag, ohne daß er abfällt. Ein so behandelter Fisch stirbt ab und fällt der großen Froschbesatzung zum Opfer. Schädlich sind die Frösche insbesondere in solchen Teichen, in denen kleinere Fische stehen, die sie rasch zu dezimieren, ja selbst sämtlich aufzufressen vermögen. Die einfachsten Mittel, sich dieser Schädlinge zu entledigen, sind das Einsetzen von Hechten und Enten in von ihnen besetzte Teiche, oder indem man ihren Laich sammelt und sie selbst nach Möglichkeit fängt, sie verhackt und sie samt dem Laich an größere Fische verfüttert.
sAuf dem Balle.j Herr: „Habe ich Ihne« beim tanzen nicht mit meinem Ringe weh gethan ?"
— Dame: „Wenn rS nicht Ihr Trauring war
— nein!"
Höchster Lohn.s Der kleine HanS: „Mama, wenn ich die ganze Woche recht artig bin und recht fleißig lerne, darf ich dann wieder im Kurgarten spazieren geh'n zu dem Musikpavillon und den Kappellmcister mit 'ner Nadel in die Beine stechen?"
Telegramme.
Bern» 15. Febr. Der Bundesrat hat neuerdings die Ausweisung von fünf in Lugano wohnenden Anarchisten beschlossen.
W ei-H a i - W ei, 15. Febr. Unmittelbar nach der Uebergabe der chinesischen Flotte am Dienstag begingen der Admiral Ting und der Kommandant der chinesischen Landtruppen Selbstmord. Der Admiral Ting hat sich mittels einer Seidenschnur erdrosselt, während der General sich den Tod mit Hilfe seines Dolches bcibrachte. Das entstellte Gesicht des Admirals Ting lieferte den Beweis, daß der Admiral außerdem das bekannte tödliche chinesische Gift „Lengkong" genommen hatte. — Wie das Bureau Reuter aus Tientsin von gestern meldet, hat der Kaiser den Statthalter Li-Hung-Tjchang in alle seine Ehren wieder eingesetzt, ihm die gelbe Jacke und die Pfauenfeder zurückgegebcn und ihm aufgetragen, sich schleunigst nach Japan zu begeben, um die Friedensverhandlungen zu führen. Li-Hung-Tschang wird sich zuerst nach Peking zur Audienz bei dem Kaiser begeben.
Redaktion, Druck und Verlag von C. Me eh in Neuenbürg.