Juristendeutsch. In den Entscheidungen des Reichsgerichts Band 22 Seite 20S findet sich folgender Satz: „Aus der geschehenen Normierung des gedachten Thatbestanderforder- nisses in Verbindung mit der Erwägung, daß die Vorschrift des § 288 des Straf Gesetz-Buches aus dem legislatorischen Gedanken hervorgegangcn ist, es erheischten die materiellen, auf Befriedigung ihrer Forderungen gerichteten Interessen der Gläubiger gegenüber den vielfach zutage tretenden, die Vereitlung der von den Gläubigern im Wege einer Spezialexekutive gesuchten Befriedigung bezweckender Gcbahrungen böswilliger Schuldner mit Bestandteilen ihres Vermögens, einen staatlichen Schutz durch Bedrohung derartiger Gebarungen mit öffentlicher Strafe, und daß der § 288 eben diesen für erforderlich erachteten Schutz gewähren will, folgt, daß das von dem Schuldner veräußerte oder bei Seite geschaffte Vcrmögensstück ein solches sein muß, welches dem Zugriff des Gläubigers im Wege des Zwangsvollstreckungsverfahrens dergestalt offen steht, daß die Zwangsvollstreckung in dieses Vcrmögensobjekt zugunsten des Gläubigers mit rechtlicher Wirksamkeit einwandsfrei erfolgen und insofern zu dessen Befriedigung führen kann." Zur Nachahmung nicht empfohlen!!
(Das Gewand der Zukunft.) Ueber die wichtige Frage, ob der schwarze oder farbige Frack das Gewand der Zukunft sein wird, schreibt man aus Wien: Fast zwei Jahre sind es her, seit die Brüsseler Kleiderkünstler auf den Einfall kamen, an Stelle des schwarzen Fracks ein farbiges Ballkleid zu propagieren. Die Brüsseler Herrenschneider setzten sich alsbald mit ihren Kollegen in Wien, Paris, London und Berlin ins Einvernehmen und der vorjährige Fasching sollte über das Schicksal der neuen Idee, von welcher sich die Herrenschneider einen Aufschwung ihres Gewerbes versprachen, entscheiden. Die internationale Allianz setzte mit Anbruch des Winters olle Hebel in Bewegung, um dem farbigen Frack zur Anerkennung zu verhelfen. Feine Kammgarne in diskretem Stahlgrün und Braun und dropfarbiges Tuch für die dazu gehörigen Pantalons wurden angeschafft, und in der That gelang es, einigen wenigen Exemplaren der neuen Balltracht Eingang in den Tanziaal zu verschaffen. Der Erfolg blieb jedoch aus. Die Herrenwelt wollte von dem schwarzen Frack, in welchem sie bisher kondoliert, gratuliert, repräsentiert und getanzt hatte, nicht lassen, und als der Fasching um war. mußten sich die Kleiderhändler geschlagen geben, nicht nur in Wien, sondern auch im ganzen zivilisierten Europa. Bloß in — Kairo, wo der Sonne heißere Strahlen allenthalben reichere Farbenpracht hervorzaubern, fand auch die Idee vom farbigen Ballkleid fruchtbaren Boden und die vornehme Herrenwelt Kairos tanzt nicht nur im farbigen Frack, fit begünstigt auch für Gehröcke stahlgrüne und braune Kammgarne. Bei uns jedoch ist der sarbige Frack so gründlich abgelehnt, daß auf lange Zeit hinaus Niemand den Mut finden wird, die Rechte des schwarzen Fracks anzutasten.
20 Franken für jede Schrotkugel. Unter dieser Spitzmarke erzählen französische Blätter folgendes: „Zwei Gendarmen gingen jüngst über ein gräfliches Feld, wo gerade eine Anzahl vornehmer Herren dem Jagdvergnügen oblag. Plötzlich krachten zwei Flintenschüsse, und die beiden Gendarmen wurden von einer Anzahl Schrotkugeln getroffen. Die Schüsse hatte ein Millionär abgefeuert, der auf eine Schnepfe gehalten und dabei die beiden Vertreter des Gesetzes, allerdings nicht gefährlich, verwundet hatte. Der Millionär, der schon einen Prozeß wegen fahrläßiger Tötung fürchtete, eilte sofort zu den Verwundeten und verpflichtete sich, ihnen für jede Schrotkugel, die in ihr Fleisch eingedrungen sei, 20 Franken Schmerzensgeld zu zahlen. Freudestrahlend und mit einem schönen Häuflein Geld in der Tasche kehrten die beiden Angeschossenen in ihre Kaserne zurück. Unterwegs fiel es aber dem einen von ihnen, einem Brigadier, ein, daß er als Vorgesetzter seines Begleiters,
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eines einfachen Gendarmen, ein Recht auf mehr Geld habe, als er empfangen hatte. Der Gendarm hatte nämlich 80 Franken mehr eingesteckt, als der Brigadier, da er vier Schrotkugeln mehr aufweisen konnte. Mit den Worten: „Wie können Sie sich erlauben, mehr Schrotkugeln zu haben als Ihr Vorgesetzter", nahm der Brigadier seinem Genossen das ganze Geld fort und lief davon. Die Sache wird natürlich noch die Gerichte beschäftigen, denn der Gendarm hat seinen Brigadier wegen Straßenraubes angezeigt.
Aus Amerika. „Der eigentliche amerikanische Bürger schaufelt nicht Schnee im Taglohn". das ist keine stolz klingende Redensart, sondern eine für amerikanische Arbeitsverhältnisse bezeichnende Thatsache. Die großen Schneefälle hatten um dir Weihnachtszeit die Straßen von New-Iork fast ungangbar gemacht, sodaß Tausende von Arbeitern dringend benötigt wurden. Man konnte aber nur dreihundert Arbeiter zu einem Taglohn von 1'/, Dollar bekommen, weil — im Staate New-Iork die Bestimmung besteht, daß niemand bei öffentlichen Arbeiten ongestellt werden kann, der nicht das amerikanische Bürgerrecht besitzt. Der eingeborene amerikanische Arbeiter hat nun überhaupt keine Lust, Tag» löhnerarbeitcn zu verrichten, welche im Süden von den Negern, in den übrigen Staaten von den frisch Eingewanderten besorgt werden. Wenn der Eingewanderte das Recht erworben hat, amerikanischer Bürger zu werden, dann har er auch andere, höhere Ansichten und mag nicht mehr mit Schaufel und Picke arbeiten. Nur den äußerst schlechten Zeiten ist es zu verdanken, daß sich doch noch 300 amerikanische Bürger zum Schneeschaufeln fanden, die natürlich nicht hinreichten, um die Arbeit zu bewältigen. So mußte man in Nerv-Jork ruhig warten bis die Sonne den Schnee wcgfraß.
„Halt's Maul!" ist eine im gewöhnlichen Leben so vielfach gebrauchte Redensart, daß cs nicht uninteressant sein dürfte, zu erfahren, daß das Schöffengericht zu München in einer Beleidigungsklage entschied, daß diese Redewendung als Beleidigung aufzufassen sei. Der Beklagte wurde deshalb zu einer Geldstrafe von 20 Mark verurteilt. Der klägerische Anwalt führte aus, daß mit dem Ausdruck „Maul" ein Vergleich mit einem Tiere gezogen werde, denn der Mensch habe kein Maul; es müsse daher diese Redewendung. wenn sie dazu noch in einem erregten Tone einem Manne entgegengeschleudert werde, um ihm Schweigen zu gebieten, entschieden als Beleidigung aufgefaßt werden. Diesen Ausführungen schloß sich das Gericht bei Erlaß des Urteils auch an.
(Der stärkste Zahnschmerz) soll bei Anwendung folgenden Mittels augenblicklich verschwinden: Man gieße sich etwas Rum in die flache Hand, nachdem man zuvor ein wenig geschabte Kreide hineingethan. Von dieser Lösung ziehe man — noch che zuviel Kohlensäure aus der geschabten Kreide entweichen kann — möglichst viel in die Nase. Ist letztere gefüllt, so halte man die Nase '/i—'/r Minute lang zu, damit das Eingesaugte nicht sofort wieder herauslaufen kann. Fast in demselben Augenblicke, in dem man die Flüssigkeit einsaugt, verschwur- den die Zahnschmerzen, gleichviel welcher Art dieselben sind. Es ist natürlich kein Mittel, das den Zahnschmerz für die Dauer beseitigt — ein solches giebt es ja bekanntlich nicht — es hat aber auch vor allen andern den Vorzug, daß es sehr billig ist und dabei ausnahmslos ganz sicher wirkt.
(Moder- und Stockflecke aus Wäsche zu entfernen.) Diese Flecken, welche sich leicht einstellen, wenn man schmutzige Wäsche feucht auf- bewahrt oder zum Plätten eingrsprengte mehrere Tage stehen läßt, weichen folgender Behandlung: Man bestreicht die Flecke mir Butter, läßt sie einige Minuten darauf stehen und bringt dann mit Wasser angefeuchtete Pottasche darauf. Wird die Wäsche hierauf tüchtig durchgetrieben und gebleicht, so ist jede Spur der Flecke verschwunden.
(Vorsicht beim Schenken.) DaS unpassendste Geschenk, das eine Dame ihrem Gatten oder Verehrer machen kann, sind Strümpfe. Der Mann muß ein solches Geschenk selbstverständlich mit Füßen treten. Kauft sie ihm dagegen Kravatten, so kann sie sicher sein, daß er sie um den Hals nehmen wird, und kauft sie ihm Handschuhe, dann wird er sie ohne Zweifel auf den Händen tragen.
(Die Sandtorte.) Hausherr (zum Tramp): „Hier, lieber Mann, haben Sie eine Sandtorte, welche meiner Frau bloß ein bißchen mißraten ist." — Tramp: „Was. Sandtorte?! Wann Sie glauben, daß Sie's mit 'nem Erdfresser aus dem Hottentoltenland zu thun haben, dann find Sie aber gehörig auf dem Holzweg!"
(Eine edle That.) Augenzeuge: Brav, lieber Mann! Sie haben Ihre ganze Kraft angewandt, um den armen Roseostein vom Erstrinken zu retten! — Mandl: Kunststück! Er ist mir funizig Mark schuldig!
(Zarter Wink.) Tante (eben zum Besuch gekommen:) „Aber, Paulchen. weShalb läufst du mit dem großen Messer herum?" — Paulchen: „Ja, die Mama hat gesagt, wenn du uns Kuchen mildringst, sollen wir ihn uns redlich teilen!"
(Schüchtern.) Frl. Mabel (zu ihrem Anbeter) : „Nun müssen Sie aber auch noch Papa um seine Zustimmung fragen." — Anbeter (sehr schüchtern): „O gewiß. Ihr — Papa — hat — doch — hoffentlich — ein — Telephon — in — seinem — Bureau."
Telegramme.
Berlin, 8. Febr. Der Nordd. Allgem. Ztg. zufolge nahm der Kaiser gestern nachmittag einen längeren Vortrag des Reichskanzlers in dessen Amtswohnung entgegen.
Berlin, 7. Febr. Der „Reichsanzeiger" erklärt: die von London verbreitete Meldung, der Kaiser habe in Depeschen an das dortige deutsche Generalkonsulat sein Erstaunen darüber ausgedrückt, daß nur eine Frau von der „Elbe" gerettet worden sei, entbehre jeglicher Begründung.
Berlin, 8. Februar. Das Konzert zum Besten der Hinterbliebenen der Verunglückten der „Elbe" findet im neuen Reichstagsgebäude am 16. März statt.
Aus Trier wird gemeldet: Der bekannte Gerol st einer Sprudel brennt seit vergangener Nacht. Löschungsversuche sind wegen der Kälte unmöglich. Die Direktion und Lagerräume sind total niedergebrannt.
Durch eine Explosion in einer Kohlengrube nahe bei Radstock sind 7 Personen umgckommen.
Wien, 8. Februar. Der Solizitator Eichinger gestand, den Advokaten Rothspiegel ermordet zu haben, aber nicht mit Vorbedacht, sondern infolge eines Streites.
Paris, 7. Febr. Dem Justizministerum liegen nicht wenige als 44 Gesuche um Aender- ung des Namens Dreyfuß vor.
Das Bcrl. Tageblatt erfährt aus Rom: Giolitti schrieb seine» Freunden, er werde einem ev. Vorladungsbefehl sofort Folge leisten. Der Brief schließt: Diesfalls würde es für Alle etwas absetzen.
Lowestoft, 7. Febr. 2 weitere Leichen der mit der Elbe Verunglückten wurden gefunden. Die Identität der einen dieser Leichen hat nicht ermittelt werden können, während die andere als die des Karl Uskowitz aus Budapest erkannt wurde. Bei der Leiche des letzteren wurde eine große Geldsumme vorgcfunden. Die gestern gefundene Leiche ist nicht die des Obersteward Pschunder, da eine Narbe, wie sie dieser am Arme hatte, fehlte.
Bestellungen
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Grrzthiiter
für die Monate Ieöruar und März wollen noch bei den Postämtern und Postbote» gemacht werden.
Redaltion, Druck und Verlag von C. Meeh in Neuendtrg.