Civilkabinets Dr. v. Lucanus unmittelbar hinter den Staatsministern die politisch bemerkenswer­testen.

Berlin. 28. Jan. DerReichsanzeiger" meldet: Dem preußischen Gesandten in Hamburg v. Kiderlen-Wächter ist der rote Adlerorden II. Kl. mit Eichenlaub und der königl. Krone verliehen worden.

Berlin, 29. Jan. DasMilitärwochen­blatt" meldet, dem Grafen Herbert Bismarck, Oderstlieutenant. ü 1a suite der Armee mit der Uniform des 1. Garde-Dragonerregiments, sei der Charakter als Oberst verliehen worden.

Berlin, 29. Jan. D>e Abendblätter melden, der Landwirtschaftsminister Frhr. v. Hammerstein-Loxten habe sich zur Aufnahme in den hiesigen Klub der Landwirte gemeldet.

Berlin, 29. Jan. Der Reichskanzler Fürst Hohenlohe wurde gestern vom König von Sachsen in längerer Audienz empfangen und vom Großherzog von Baden mit einem Besuch beehrt. Schon am Sonntag stattete der König von Württemberg dem Reichskanzler einen Besuch ab.

Mit der erfolgten Einbringung der Gesetzentwürfe über die Tabakfabrikatsteuer und über die Reform der Reichsfinanzen im Reichstage hat dos Arbeitsmaterial des­selben eine bedeutsame Erweiterung erfahren. Die genannten Entwürfe stellen neben der Umsturz-Vorlage" die wichtigsten gesetzgeberischen Stoffe der laufenden Session der deutschen Volksvertretung dar, hoffentlich gelangt das Haus schon in den nächsten Tagen zur erstmaligen Erörterung der neucingebrachten Vorlagen. Sowohl das Tabakstcuergesetz wie das die Reform der Reichssinanzen betreffende Gesetz haben im Vergleiche mit den entsprechenden gescheiterten Entwürfen der vorigen Session keine Acnder- ungen erfahren, welche einer umstürzenden Neu­gestaltung dieser Projekte gleichkommen würden. Speziell deckt sich der jetzt dem Parlamente vor­gelegte Entwurf eines Reichsfinanzreformgesetzes im Wesentlichen mit der früheren Vorlage und auch die neue Tabaksteuer-Borlage weist im Ver­gleiche zu ihrer Vorgängerin keine einschneidenden Abänderungen auf. Dieselben beschränken sich im Großen und Ganzen auf Wegfall der Jn- landsstcuer für fermentierten Rohtabak und entsprechende Herabminderung des Zolles auf ausländischen Rohtabak auf Festsetzung einer anderweitigen Fabriksteuer (25°/o für Zigarren und Zigarretten, 40°/o für Rauch-,Kau- und Schnupftabak) und auf einiger Erleichterung im Kontrollwesen, endlich auf den Wegfall der ge­plant gewefencn Ausdehnung der steuerlichen Aufsicht auf den Handel mit Tabakfabrikaten. Welche Aufnahme die beiden Vorlagen nach ihrer Umarbeitung im Reichstage erfahren werden, dies dürfte sich wohl bald zeigen.

München, 25. Jan. Ein Maurer und ein Schlosser, welche beide wegen Münzfälsch­ungen vorbestraft sind, und von welchen der eine erst seit Anfang dieses Monats sich in Freiheit befindet, haben neuerlich zahlreiche falsche Zwei- Mark-Stücke mit den Bildnissen Ludwigs II. und Alberts von Sachsen angefcrtigt. Beide wurden heute Mittag verhaftet.

Württemberg.

Stuttgart, 27. Jan. Seine Majestät der König ist telegraphischer Nachricht zufolge gestern Abend 10 Uhr 40 Min. glücklich in Berlin eingetroffen. Aüerhöchstderselbe wurde bei der Ankunft von Seiner Majestät dem Kaiser, sowie von Sr. K. Hoh. dem Prinzen Friedrich Leopold von Preußen auf dem Bahn­hose empfangen und aufs Herzlichste begrüßt. Hierauf fuhren Seine Majestät mit dem Kaiser in das Schloß, wo der König in seiner Wohn­ung von Ihrer Majestät der Kaiserin erwartet und bewillkommnet wurde. Um 11 Uhr war in den Appartements des Königs Souper, an dem außer dem Kaiser und dem Könige Se. K. Hoh. Großherzog Ernst Ludwig von Hessen und bei Rhein und die Herren der Umgebung teil- nahmen.

Stuttgart, 28. Jan. Die Nachricht desStandard"' der Erbprinz von Sachsen-

Koburg und Gotha habe sich mit der Herzogin Elsa von Württemberg verlobt, wird vom Hof­marschallamt der Herzogin Wera, der Mutter der Herzogin Elsa, für vollständig unrichtig erklärt.

Stuttgart, 28. Jan. Der königl. württ. Oberst v. Schill, Kommandeur des Eisenbahn­regiments Nr. 1 wurde zum Inspekteur der 3. Jngen.Jnsp. ernannt.

Garn isonwechsei. Se. Maj. der König hat mittelst Allerhöchster Ordre vom 25. d. M. zu bestimmen geruht, daß das IV. Bat. des 4. Jnf.-Reg. Nr. 122 Kaiser Franz Josef von Oestreich, König von Ungarn, zum 25. Juli 1895 von Gmünd nach Heilbronn verlegt wird, wo bereits der Stab und das 1 Bataillon des Regiments stehen. Das 2. und 3. Bataillon stehen in Mergentheim und Gmünd.

Bezüglich des Umgelds erklärte kürzlich Payer in Geislingen, seine Partei könne, ob­gleich sie dasselbe als ungerecht und belästigend ansehe, insolange nicht für die Aufhebung des­selben eintreten, bis durch die Einführung der progessiven Einkommensteuer Deckung für das­selbe gefunden sei.

Aus dem OA. Balingen. In der Nacht vom Samstag auf Sonntag, etwa 20 Minuten nach 11 Uhr, wurde in der Richtung vom Hohenzollern her ein nicht unbedeutender Erd­stoß verspürt. In den Häusern hatte man das Gefühl, als ob auf der Bühne eine schwere Last zu Boden gefallen wäre, die das ganze Haus erzittern und die beweglichen Geräte wanken machte.

Ausland.

Das Ministerium Windischgrätz in Oester­reich hat sich den Czechen gegenüber zu einem energischen Entschlüsse aufgerafft. Im böhmi­schen Landtage gab Statthalter Graf Thun in Beantwortung einer Interpellation die Erklär­ung ab, die Regierung habe Trautenau als Sitz eines neuen Krcisgerichts zur Entlastung der Kreisgerichte Gritschin und Königgrätz in bestimmte Aussicht genommen. Diese Erklärung wurde von den deutschen Abgeordneten mit stürmischem Beifall begrüßt, welche Kundgebung auch vollkommen begreiflich erscheint, denn mit der Errichtung eines Kreisgerichts in Trautenau würde ein alter Wunsch der Deutschböhmen in Erfüllung gehen. Das neue Kreisgericht würde im Gegensatz zu den in stark überwiegend czcch- ischen Gegenden liegenden Kreisgerichten von Gischin und Königgrätz einen durchaus deutschen Charakter tragen und sich demnach zu einem Stützpunkt für das von der czechischen Hochflut so hart bedrängte Deutschtum in Böhmen ge­stalten.

Paris, 28. Jan. Die deutsche Kolonie veranstaltete gestern Abend zum Geburtsfest des Kaisers ein Bankett im Hotel Continental, woran 160 Personen tcilnahmen. Graf Münster hielt die Festrede, worin er sagte, er habe jüngst die Auszeichnung genossen, einige Stunden in der Kaiserfamilie zu weilen; das sei ein Bild, welches das Herz jedes Deutschen erfreuen und erheben müsse. Die Deutschen im Auslande seien nicht durch Parteiungen zerrissen, und sie seien glücklich, daß der Kaiser die von seinen Vorfahren überkommene Macht zu erhalten und zu stärken wisse, um den Frieden zu schützen. Graf Münster schloß mit einem jubelnd aufge­nommenen Hoch auf den Kaiser und sein Haus.

Paris, 28. Jan.Estafette" behauptet, Casimir-Perier arbeite an einer Sen sations- schrift unter dem TitelSechs Monate Präsi­dentschaft"-

Paris, 28. Jan. Marschall Canrobert ist gestorben. Geboren 1809, trat Canrobert 1826 in die Militärschule zu St. Cyr in die Infanterie. Als Freiwilliger diente er in Afrika gegen Abd-el-Kader. Bei dem Staatsstreiche vom 2. Dez. 1851 leitete er als Adjutant Na­poleons die militärischen Maßregeln in der Hauptstadt und wurde dann zum Divisionsgenral befördert. Am Krimkriege nahm er rühmlichen Anteil. 1855 zurückberufen, wurde er am 18. März 1856 zum Marschall ernannt und mit

vertraulicher Mission nach Stockholm entsendet, um ein Bündnis mit Schweden abzuschlicßen. Im italienischen Feldznge befehligte er das III. Korps; 1868 erhielt er das Generalkom­mando über Paris. Er arbeitete eifrig an der i von Marschall Niel betriebenen Reform der > Armee mit und befehligte beim Ausbruch des ! 70er Krieges das VI. Korps. Er führte sein Korps bei Vionville, verteidigte St. Privat und wurde dann in Metz eingeschlossen und geriet j in Kriegsgefangenschaft. Später nahm er noch ! an der Neuformation der Armee teil, wurde Mitglied des obersten Kriegsrals und war seit ' 1879 (bonapartistisches) Mitglied des Senats.

Petersburg, 27. Jan. Minister Giers ist gestern Abend gestorben; er erlag einer Brust­bräune mit Lungenentzündung. Das Petersb. Journ. schreibt: Rußlano verlor einen seiner hervorragendsten Staatsmänner. Seine Er­nennung zum Minister des Auswärtigen datiert vom März 1882; aber bereits seit dem Berliner Kongreß leitete er unabhängig die auswärtige Politik. Er ist ein treuer, begabter und über­zeugter Ausführer der Bestrebungen seiner er­habenen Herrscher unter drei Regierungen ge­wesen, deren Dienst er, getrieben von heißer Vaterlandsliebe, seine Talente und Kräfte, un­ermüdliche Arbeitskraft und unschätzbaren Er­fahrungen während einer langen, fruchtbaren Laufbahn widmete.' Die übrigen Blätter widmen dem verstorbenen Minister Giers warme Nekro­loge und heben hauptsächlich den Diensteifer desselben hervor, der sich darin gezeigt habe, daß er trotz seiner Krankheit bis zu seinem Tode die russische auswärtige Politik leitete. Die Nordd. Allgem. Ztg." in Berlin sagt: Mit dem Minister v. Giers ist einer der hervor­ragendsten Staatsmänner dahingegangen. Es ist als ein glückliches Geschick anzusehen, daß den unermüdlich auf das Wohl des Volkes de- dachten Kaisern Alexander II. und Nikolaus II. ein Staatsmann von besonnener und maßvollen Klugheit zur Verfügung stand. Auch in Deutsch- i land wird der Tod des Ministers aufrichtig be- l klagt, da sich o. Giers um den Frieden wohl verdient gemacht hat. ,

In der s ü d a m e r i k a n i s ch e n Republik j Columbia ist ein Aufstand ausgebrochen. ! Derselbe scheint rasch um sich zu greifen, denn ; im ganzen Lande ist bereits das Standrecht s proklamiert worden. Die Hauptstadt Bogota l wurde infolge des Herandringens der Insurgenten j in Belagerungszustand erklärt. In der Pro- ! vinz Tolima herrscht ebenfalls Aufruhr. Trotz- ! dem hat der Präsident von Columbia erklärt, l die Ordnung binnen wenigen Tagen wiederher- l, stellen zu wollen. !

Den Japanern haben sich auf chinesischem j Boden Bundesgenossen angeboten, rebellische ' Tataren aus Kinn, einer im östlichen Teile der ' Mandschurei gelegenen Provinz. Ein tatarischer . Häuptling, namens Lukor Ariskang, aus jenem Teile Chinas erschien im Lager der 5. japani- - schen Division und bot dem Oberbefehlshaber , die Hilfe von 60000 Mann bei einem etwaigen Angriff der Japaner aus Mulden an. Dieses Anerbieten wurde zwar abgelehnt, doch erhielt Lukor Ariskang von der japanischen Heeresleitung ! Auftrag, über die Stellung der Chinesen zu be­richten. s

Telegramme. l

Brooklyn, 30. Januar. Die Unruhen i dauern noch immer fort, doch hat sich die Lage s gebessert; es fahren mehr Wagen. f

Rio de Janeiro, 30. Jan. Vorgestern ! Abend veranstalteten die sogen. Jakobiner stürm- ^ ische Demonstrationen. Die Truppen blieben über Nacht unter den Waffen und lagern auf ! den öffentlichen Plätzen, sic patrouillieren in den s Straßen und besetzen die Bureaus und Zeitungen. Zur Unterstützung des Militärs wurde Marine- Infanterie gelandet. Die Kadetten der Militär- j schule empörten sich; sie sind wahrscheinlich aus- ^ gerüstet mit Kanonen. j

Der heutigen Nummer liegen 2 Extrablätter zur Landtagswahl bei.

Redaktion, Druck und Verlag von C. Meeh in Neuenbürg.