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Aus Stadt. Bezirk und Umgebung.
Bon der evangel. Oberkirchenbehörde ist die Schulstelle in Obern Hausen dem Schullehrer Bender in Gaisthal übertragen worden.
/ Zur Landtags-Wahl.
Eingesendet. Das Programm des Stadtschultheißen Bätzner wird für manchen einige Uebcrraschung gebracht haben, denn es steht mit dem, was man bisher über die politische Meinung Bätzner's gehört hat, in grellem Widerspruch. Noch kürzlich hat Bätzner in einer Versammlung in Höfen erklärt, daß ihm dos Programm Commerells zu weit nach links gehe und hat versucht, bei einigen Programmforderungen einen Hemmschuh anzulcgcn. Heute schießt das Programm Bätzners beinahe über das Ziel Commerells hinaus! Ob man cs hier mit einer thalsächlichen Front-Veränderung oder nur mit Wahl-Manövern zu lhun, bleibt abzuwarten. Das Programm Bätzners wird aber gerade deshalb nicht arg verfangen, weil die Vergangenheit Bätzners bekannt ist und hiernach — der Glaube fehlt. Wir wollen es heute unterlassen, das Programm unter die kritische Lupe zu nehmen, aber einige allzusehr auffallende Punkte niederer zu hängen, können wir uns doch nicht versagen. Bezüglich der II. Kammer ist Bätzner für Entfernung der Privilegierten, erklärt aber im gleichen Atemzuge, daß Vertreter der Kirche. Schule u. s. w. in der neuen Kammer Platz finden sollen! Welcher Widerspruch?! Seine Endentscheidung über die Zusammensetzung der II. Kammer will Bätzner sich bis nach der Wahl Vorbehalten, nachdem er bei den Wahlreisen den Bolkswillen kennen gelernt haben wird. Auf diese Entscheidung kann man gespannt sein, aber mit Speck fängt man die Mäuse. Auf der einen Seite gicbt man sich den Anschein, den Volks willen nicht außer Acht zu lassen, auf der andern Seite aber bedeutet dieser Vorbehalt nicht mehr und nicht weniger als eine Hinterthüre, durch die man nach der Wahl bequem wieder hinaus schlüpfen und dann thun kann, was man will. Für Aufhebung des Umgcldes erklärt sich Bätzner ohne Ersatz durch eine sonstige Weinsteucr und glaubt, den Ausfall des Umgeldes von den „Staats-Ausgaben" ausglcichen zu können. Das will viel heißen und die Wilobader Steuerzahler weiden im Stillen gedacht haben, wenn man es bei uns auch nur so machen würde, aber die Nerschenkung der Wildbader Stadtjagd steht zu jenem Bestreben in schroffem Gegensatz. Die Unbilligkeit fühlt Bätzner scheints nicht, die darin liegen würde, wenn man den Wein als Genußmittel der besser Situierten ganz steuerfrei ließe, während man Bier, Branntwein rc., vorwiegend das Getränk des armen Mannes, ruhig weiter besteuert!
Wer viel verspricht, sehe zu, daß er's auch halten kann. Wir wählen
Commerell.
(Eingesandt.) Lieber Enzthäler, ich muß mich wundern und beschweren, daß Du in Deinem heutigen Blatte auch gar nichts Neues über die uns allen am Herzen liegende Wahl- angelegenheit bringst. Ich schätze Deine Opfcr- willigkeit für die neuesten Telegramme, aber Du könntest Dich doch auch ein wenig über die Kan- didarenfrage aussprechen.
1. Wen sollen wir wählen? Daß Du für einen weiteren Ortsvorstand in den Landtag schwärmen könntest, kann ich niemals glauben, Deine Meinung wird auch sein, daß Solche genug drinnen sind, dagegen wenige Gewerbetreibende und deßhalb solltest auch Du froh sein, daß ein Mann wie Herr Commerell sich bereit erklärt hat, eine Wahl anzunehmen. Er ist mein Mann, denn Du kannst Dich auf dessen einmal gegebenes Wort bestimmt verlassen.
2. Wirst Du mich wohl verstehen, wenn ich lieber einen Mann wähle, der sich aus eigener Ueberzeugung schon längst für Aufhebung der LebenSlänglichkeit ausgesprochen hat (nota beno wer auf Lebensdauer gewählt ist, bleibts auch), als einen solchen, der sich erst deßhalb dazu herbeiläßt, weil die große Mehrheit des Volkes dafür ist.
3. Wie verhältst Du Dich zur Weinsteuer? Mir scheints, so lange das Bier besteuert wird so lange muß man auch den Wein besteuern. Bätzner will den Wein von jeder Steuer frei (wo er aber den Ausfall ersparen will, wird ihm sehr schwer sein, überzeugend vvrzuführen), Commerell, der für eine allgemeine Einlage- steuer ist will dem die Steuer auferlegen, der Wein trinkt, das ist gerecht, deshalb wähle ich für meinen Teil Commerell. — So viel für heute!
Ein Wähler und Biertrinker.^ Deutsches Weich. ^
Berlin, 19. Jan. Der Kaiser empfing heute Mittag die Präsidien des Herren- und Abgeordnetenhauses. Das Gespräch Handelle von der bevorstehenden Berufung des Slaats- rates und den Verhältnissen der Landwirtschaft. Beim Empfang des Abgeordnetenhauses bezog sich das Gespräch zunächst auf die bevorstehenden Arbeiten des Landtages. Der Kaiser verweilte dann längere Zeit bei den neuesten Ereignissen in Frankreich. Beide Präsidien wurden später auch von der Kaiserin empfangen.
Der Kaiser hielt am Donnerstag Mittag ein Kapitel des Schwarzen Adlerordens im Kapitclsaale des Berliner Residenzschlosses ab. Vorangegangen war dem Kapitel die feierliche Jnoestiiur der schon früher ernannten jüngsten Ritter dieses höchsten preußischen Ordens. Abends fand kür die sämtlichen Teilnehmer am Ordens- kapitel Festmahl im Elisabethsaale des Schlosses statt.
Berlin. Wie aus Stuttgart telegraphisch gemeldet wird, bcgiebt sich der König am 26. Januar zur Beglückwünschung Sr. Majestät des Kaisers noch Berlin.
Karlsruhe, 19. Jan. Der Großherzog und der Erbgroßherzog reisen zum Kaisersge- burtsrag nach Berlin.
Berlin, 19. Jan. Die Reichstagsbaukommission beschloß, an der Vorderfront des Reichstagsgebäudcs die Inschrift „Dem deutschen Reiche" anbringen zu lassen.
Berlin, 19. Jan. Der kaiserliche Statthalter in Elsaß Lothringen, Fürst Hohenlohe- Langenburg, war heute zur kaiserlichen Früh- stückstafel geladen.
Berlin, 19. Jan. Reichstag. Die Beratung der Justiznovelle wird fortgesetzt. Abg. v Gültlingen (Reichsp): Von einem waraswiw eriminslis, wie Abg. Lenzmann sich ausdrückle, kann man meines Erachtens nur da sprechen, wo man von vornherein die Richter in Spezialisten für das Zivil- und für das Kriminalfach trennt. Bei uns in Württemberg ist das nicht der Fall, deshalb kennen wir auch keinen Marasmus orimmalis. Bei uns wird dem Verteidiger auch jeder mögliche Verkehr mit seinen Klienten zugestanden, bei unseren Gerichten bestehen sogar eigens für diesen Verkehr eingerichtete Zimmer. Was die Vorlage anbetrifft, so stehe ich im Großen und Ganzen auf dem Boden derselben. Die Entschädigung unschuldig Verurteilter haben wir in Württemberg schon 1868 zum Gesetz erhoben; nach dem Inkrafttreten der Reichsjustizgesetze fiel die betreffende Bestimmung, aber wir haben trotzdem, auch ohne gesetzlichen Zwang, unschuldig Verurteilte auch weiterhin entschädigt. Nicht einverstanden kann ich mich mit der Bestimmung des Entwurfes erklären, daß die Untersuchungshaft auch dann ohne Weiteres über einen Angeklagten verhängt werden darf, wenn der Verdacht vorliegt, daß er seine Freiheit zur Begehung neuer strafbarer Handlungen mißbrauchen werde. Von verschiedenen Seiten ist der Vorschlag bemängelt worden, daß die Geschästsverteilung durch den Justizministcr erfolgen soll. Ich muß jagen, mir ist der Justizminister lieber als der Gerichtspräsident, denn jener kann jederzeit vor dem Lande verantwortlich gemacht werden. Abg. Grillenberger (Soz.) hebt die Notwendigkeit einer Verstärkung des Laienelements in der Rechtsprechung hervor. Es sei erfreulich, daß die Regierung sich zu einigen Konzessionen entschlossen habe, und legt sodann an Vorgängen in der Verhandlung des sogenannten Gummischlauchprozesses die Notwendigkeit einer Be
rufungsinstanz in Strafsachen dar. Abg. Werner (Antisemit) beklagt die Höhe der Gerichtskosten, billigt die Erweiterung der Zuständigkeit der Schöffengerichte, befürwortet ebenfalls die Entschädigung solcher, die unschuldig Untersuchungshaft erlitten haben, tritt für die Festsetzung eines Gerichtsstandes der Presse ein und spricht sich für die Ueberweisung des Gesetzentwurfes an eine 28- gliedrige Kommission aus. Die Novelle wurde schließlich an eine 28gliedrige Kommission verwiesen. Darauf vertagte sich der Reichstag bis Dienstag. Tagesordnung: Beratung der Zoll- tarifuovelle.
Der Jesuiten antrag des Zentrums hat im Reichstag, wie im vorigen Jahre, eine Mehrheit gefunden, lieber die kurze Beratung ist weiter nichts zu melden, als daß der Zentrums- sührer Graf Hompesch abermals von der Verbannung Deutscher auf Grund des Jesuitengesetzes und von der Notwendigkeit des Jesuitenordens zur Bekämpfung des Umsturzes sprach. ä.cl 1 ist es bekanntlich nicht wahr, daß das Jesuiten- gesetz gestattet, deutsche Staatsbürger, welche Jesuiten sind, auszuweisen. Es verbietet nur die Niederlassung des Jesuitenordens, dH. die Errichtung von Jesuitenklöstern und -Schulen und die Abhaltung von Jesuitcnmissioncn. Jeder Jesuit deutscher Staatsangehörigkeit kann in Deutschland leben und die von dieser Freiheit keinen Gebrauch machen, unterlassen es freiwillig. Wenn Mitglieder der Gesellschaft Jesu Amtshandlungen vornehmen, die dem Orden unterlagt sind, so kann ihnen der Aufenthalt an bestimmten Orten verboten oder auch angewiesen werden, vom deutschen Boden können sie nicht verwiesen werden. Das Gesetz ist also keineswegs „grausam gegen Söhne deutscher Erde." ^cl. 2 hat gerade jetzt wieder der ehemalige Jesuit Gras Hoensbroech gezeigt, was die Herrschaft der Jesuiten in Belgien gegen den Umsturz und für die Sittlichkeit geleistet hat. Dieses kleine Land hat 30000 Mönche und Nonnen aller Orden und die meisten Sozialdemokraten, „die Unsittlichkeit ist abscheulich." D>e belgische Regierung trägt sich mit dem Gedanken, ein Gesetz gegen sozialistische und anarchistische Aufreizungen in der Armee einzubringen, also mit ihren Jesuiten dasselbe zu thun, was die Regierung des jesuitenenlblößten Deutschlands thut. Im Anarchismus ist uns das ultramontan regierte Land sogar noch bedeutend „über".
Berlin, 19. Jan. Die wirtschaftliche Vereinigung des Reichstages ist zur endgiltigen Beratung des Antrages des Grafen Kanitz betr. Einführung des staatlichen Getreidemonopols auf den 22. Januar einbcrufen worden.
Zu dem parlamentarischenEmpfangs- adend des Fürsten Hohenlohe im Reichskanzlerpalais wird der „Straßb. Post" außer der in Nr. 12 d. Bl. enthaltenen kurzen Notiz weiter geschrieben: „Erschienen waren auch die meisten Minister und mit ihnen ein Heer von Geheimen Räten. Ein überaus reichhaltiges Buffet hielt alle Nahrungssorgen fern, und von dem Bier bemerkte ein sachverständiger Staats- sekrekär, man sehe bei ihm einen wesentlichen Unterschied zwischen dem neuen und dem neuesten Kurse: „So was, wie das hier, vermag eben nur ein Bayer zur Stelle zu schaffen!" Weiterhin wurde bei diesem Bier und diesem Büffet die Ansicht vertreten, daß man hier wohl ein Mittel vor sich habe, um die leider oft so säumigen Reichsboten zu eifriger Erfüllung ihrer Pflichten anzuhalten und die Beschlußunfähigkeit des hohen Hauses zu verhindern. Und in der That, würde man es vielleicht, wenn man den Reichsboten immer diese Anziehung auch im Reichshauje böte, fertig bekommen, daß die Herren sich regelmäßig einfänden. Wie gesagt, alle Parteien waren vertreten, mit Ausnahme der Sozialdemokraten, die sich eben nicht dazu entschließen können, ihre Karten beim Reichskanzler abzugeben. Das Gespräch war sehr lebhaft und drehte sich zum Teil um die französische Krisis. Ab und zu begegnete man jemand, der Verwicklungen voraussah, und es fehlte auch nicht an kurzlebigen Gerüchten, nach denen in Paris ichon alles durcheinandergehen sollte. Wie gesagt, sie waren sehr kurzlebig, denn es fanden
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