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Ausland.

Der Präsident der französischen Re­publik Casimir Perier hielt an die fremden Di­plomaten wie an die französischen Generale recht friedliche Ansprachen. Ein minder gutes Zeichen für den Frieden ist die Pariser Meld­ung, daß die vor einigen Jahren aufgelöste Patriotenliga wieder errichtet werden soll. Der Hauptzweck dieser Liga ist bekanntlich die syste­matische Hetzerei gegen Deutschland.

Paris, 2. Jan. DerFigaro" erzählt, daß die Gemahlin des außerordentlichen Bot­schafters des Zaren, Generals Tscherlkoff, welche sich bei der Ankunft des letzteren unten der auf dem Nordbahnhof angesammelten Menge befand, von einem Schutzmann, der die Zuschauer zurück­drängte, einen Faustschlag ins Gesicht erhielt. Die Gemahlin Tschertkoffs brach in lautes Schluchzen aus; ihre Bekannten, welche den Zwischenfall nicht kannten, glaubten, sie weine vor Freude über den Volksjubel, mit dem ihr Gemahl empfangen werde.

Roubaix, l. Jan. In der verflossenen Nacht wurden im Arbeiterviertel Fontenay vier Personen, die zwei aneinanderstoßende Zimmer bewohnten, ermordet und zwar der Strohflechter Georges, dessen 17jähriger Sohn und das Ehe­paar Geschieres. Der Mörder, ein Akrobat Dereneq, wurde im Treppenhause erhängt auf- gcfunden. Unter ihm lag ein blutiges Beil; auch die Hände und das Hemd des Mörders waren mit Blut bedeckt. Man vermutet, daß Dereneq, vcr dem Trünke ergeben war und bei dem Ehepaar Geschieres Unterkommen gefunden hatte, die That im Säuferwahnsinn verübt hat.

London, 2. Januar. Heute Bormittag brach in einer Waschanstalt in der Edgarestreet Feuer aus, wobei fünf Mädchen, ein Mann und eine Frau in den Flammen ihren Tod ge­funden haben.

New-Aork, 31. Dez. Im nördlichen Florida.herrscht außerordentlich kaltes Wetter, das der Apfclsinenernte und anderen Obstsorten sehr schadet. Der angerichtete Schaden wird auf 3 000 000 Dollar geschätzt. Seit 1835 ist es in Florida nicht so kalt um diese Zeit des Jahres gewesen. An vielen Orten ist dickes Eis zu finden.

Aus Ostasien liegen keine weiteren Nach­richten über neue Gefechte vor; doch zeigen die gemeldeten Einzelheiten aus der Schlacht vom 18. Dezember, daß die Chinesen nunmehr ernst­lichen Widerstand leisten und die Japaner noch lange nicht in Mulden sind. Vielleicht trägt gerade dieser Umstand dazu bei, daß die Japaner ihre Friedensbedingungen nicht allzu hoch schrauben.

Zlnlerhattender Heit.

Ein Neujahrstag in Südamerika.

Aus dem Leben eines deutschen Farmers m Argentinien.

Bon ihm selbst erzählt. S. T.

Die Nacht war heiß, ich schlief unruhig und lebhaft träumend, so daß mich wiederholtes Brüllen des Viehes rasch ermunterte. Ich sprang auf und gewahrte durch einen Blick aus der vorderen Schießluke, daß sich das gesammte Vieh gegen die Hintere Corralwand drängte, und hörte es lebhaft brüllen.

Ich weckte meine Frau und meinen größeren Jungen und teilte ihnen mit, daß im Corral etwas nicht in Ordnung sei und daß wir Nach­sehen müßten. Ich nahm die Winchesterbüchse zur Hand und trat durch die Hofthür ins Freie, gefolgt von meiner Frau und meinem Jungen. Der Mond stand schon ziemlich im Westen, und die rasch dahinziehenden schweren Wolken machten die Beleuchtung recht unsicher. Ein Hund lag wohlgemut mitten im Hofe. Ich dachte von außen den Corral abzupatrouillieren, um zu erfahren, warum das Vieh so gegen die Rück­seite drängte.

Ich war eben noch etwa acht Schritte von der Thorkette entfernt, da sprangen aus dem hohen Grase drei Kerle mit dem Rufe:Viva Lau Antonio!" in die Höhe und auf mich los. Gleichzeitig erhob sich an allen Ecken und Enden

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ein greuliches Geheul. Ich rief, um meine Frau und den Jungen zu warnen:die Indios!", und schoß auf die drei, was zur Folge hatte, daß einen Augenblick das Geheul verstummte und die drei Kerle sich in das Gras duckten, doch nur für einen Augenblick. Eben wollte ich den Repetirmechanismus meiner Büchse in Bewegung setzen, da sah ich links vom Hühner­stall her einen Indianer mit hochgeschwungener Lanze auf mich losstürzen, während ein anderer von der Mitte des Hofes geradeaus gegen die offene Thür, wo meine Frau und der Junge mir ängstlich zuriefen, zurannte. Da blitzte für eine Sekunde das schreckliche Schicksal der kurz vorher in Las Garzas scheußlich ermordeten Kolonistenfamilie vor meinem Geiste auf: ich sah mein Weib und die lieben Kleinen gemartert und verstümmelt vor mir liegen.Nur das Haus verteidigen!" dachte ich, mit Sturmeseile der offenen Thür zuspringend. Da sah ich die Lanze des einen Indianers, der vom Hühnerstall hergekommen war, in dem eben wieder Hellen Mondlichte in einer Entfernung von nur fünf Schritten, blitzen; ich bückte mich instinktiv zur Erde und fiel, da ich dabei des Korridorständers nicht geachtet, der Länge nach hin. Die Lanze streifte den Ständer in einer gewissen Höhe über mir, aber bevor nun der Indianer zu einem zweiten Stoß ausholen konnte, war ich im Hause, und der starke Riegel klingle eben ein, als des Indianers dunkle Gestalt durch die Ritzen einen Augenblick sichtbar wurde. Gerettet? Wir atmeten auf! Da erhob sich an der vorderen Luke das Geheul auf's Neue; einen hörten wir rings um's Haus laufen, und vorne strichen sie mit der flachen Hand über den bretternen Ver­schluß des Fensters, und einer stieß sein Messer oder seine Lanze darein. Nun aber jagte ich eine Kugel durch das tannene Brett in die Richtung des Hauptheulers, der nicht anders wie eine Ulmer Dogge bellte. Die Kerle huschten nach beiden Seilen auseinander und mit einem Male herrschte Todtenstille, die fast beängstigender wirkte, als der frühere Lärm.

Ich öffnete nun die in die große Lucke ein­gelassene Schießscharte, und da sah ich links am Hauseck einen Indianer kauern, der den Kopf nach dem Corral gewendet hatte. Ich steckte vorsichtig die Mündung des Gewehres durch die Scharte gegen den Indianer; aber leider saß er zu viel links im todten Winkel, mein Schuß kann ihn also kaum verletzt haben. Doch hatte dieser Schuß die Wirkung, daß sich die schwarzen Teufel eiligen Laufes vom Hause entfernten, wobei sie mit den Fußsohlen einen eigentümlich patschenden Ton hervorbrachten. Während ich da vorne operierte und mein Junge mir die Patronen bereit hielt, lief meine Frau von einer Thür zur andern, zu sehen, ob die Indianer nicht da und dort noch einzudringen versuchten, zugleich hin und wieder einen Blick auf meinen Fuchs, mein bestes Pferd, werfend, das im Hofe, etwa zwanzig Schritte vom Hause ent­fernt, angeflockt war. Wir enthielten uns allen Geräusches, und auch die beiden kleinen Mädchen, welche durch mein Schießen erwacht waren, ver­hielten sich mäuschenstill, wie wir es ihnen oft genug für einen solchen Fall anbefohlen hatten.

Kaum hatte ich nach dem auf jenen am Hauseck hockenden Indianer abgegebenen Schuß das Gewehr wieder geladen, als meine Frau ausrief:Der Fuchs ist weg!" Gleichzeitig hörte ich den Fuchs hinten zwischen Garten und Haus galoppieren. Das Pferd mußte gerettet werden, denn ohne dieses konnten wir den Ueberfall nicht melden, da in solchem Falle kaum Jemand zu Fuß den weiten Weg in die Stadt machen konnte und eine Verfolgung auch zu spät gekommen wäre. Ich riß daher die kleine Schießlucke in der vorderen Stube auf und ge­wahrte, wie einer der Indianer eben mit dem Fuchs, der bockt und sich bäumt er läßt un- gesattelt sich nicht besteigen gegen den Zaun anprallt, den er in der Hast und der mittler­weile immer stärker gewordenen Dunkelheit wegen nicht bemerkt haben mochte. Ich knallte nun vier Schüsse nach einander los; schon nach dem ersten war der Kerl herunter, und der Fuchs stand ruhig. Die andern drei galten den

etwaigen Insassen des hohen Grases neben dem Garten, wo es recht lebendig schien.

Als ich nun das Pferd geborgen sah, lief ich wieder nach vorne, wo ich eine wirre Masse von Vieh bei der Pforte und durch die zerissene Drahtverkoppelung aus dem Corral drängen sah, aber bei der herrschenden Dunkelheit konnte ich unmöglich unterscheiden, ob der einzelne Punkt Mensch oder Vieh sei. Ich schoß nun so rasch wie möglich auf den Rand dieser Masse, wo ich die treibenden Indianer vermutete; nur einmal noch sah ich einen Reiter über das Mkrze empor­ragen, der mir für einen kurzen Augenblick ein Ziel bot, und wirklich habe ich den Kerl heruntergebracht, indem ich sein Maultier er­schoß, das nicht weit davon liegen geblieben ist.

Dann ein Sausen wie von fernem Hagel, und die schöne, fette' junge, so sorgsam behütete Herde war fort.

(Schluß folgt.)

Telegramme.

Budapest, 4. Jan. Die Kandidatur Khuen-Hedevary gewinnt immer mehr Bestand. In der liberalen Partei herrscht der Gedanke vor. jedes Kabinet zu unterstützen, welches das Vertrauen der Krone genießt und das Programm des abgetretenen Kabinets in allen Stücken annimml.

Petersburg, 3. Jan. Ein kaiserliches Reskript an den neuen Generalgouverneur von Warschau, Grafen Schuwalow, bisherigen Bot­schafter in Berlin, hebt dessen treue Dienste bei der Ausführung der Pläne des Kaisers hervor, die seit lange bestehenden Bande der Freund­schaft mit dem mächtigen (deutschen) Nachbarn zu pflegen, sowie daß er zu dem Erfolge des Werkes des Aufrechthaltens des allgemeinen Friedens beigelragen habe. Kaiser Nikolaus spricht die Hoffnung aus, Graf Schuwaloff werde als Gouverneur von Warschau eine ersprießliche Thätigkeit zum Wohle dieses Landesteils ent­falten.

Bukarest. 4. Jan. Der Unterrichts­minister Janesco erlitt gestern einen thätlichen Angriff durch einen gewissen Prof. Dragiersko, der ihm von rückwärts einige Schläge versetzte. Man nimmt an, das Attentat sei geschehen, weil Dragiersko bei der Bewerbung einer Pro­fessur am Lyceum zum drittenmale unterlegen ist.

Sofia, 3. Jan. Der militärische Unter­suchungsrichter beschloß die Verhaftung Stam- bulows, gegen den einige Zeugen im Prozeß Georgow ausgesagt hatten, daß er an der Er­mordung Beltschews beteiligt ser. In den Frem­denkreisen erregte dieser Schritt peinliches Auf­sehen. Die Konsuln einiger Mächte verliehen diesem Eindruck den Ministern gegenüber Worte.

Rom, 3. Jan. In Reggio in Calabrien wurde heute früh ein ziemlich heftiger wellen­förmiger Erdstoß verspürt. Die Bevölkerung flüchtete sich auf die Straße. Ein zweiter eben­falls heftiger und wellenförmiger Erdstoß folgte eine Stunde später. In Pilazzo wurde heute ein ebensolcher Erdstoß wahrgenommen, welcher gleichfalls lebhafte Panik hervorrief. Es herrscht großer Schneefall.

Messina, 3. Jan. Heute früh wurde ein starker sich wiederholender Erdstoß beob­achtet; die Bevölkerung befindet sich in großer Unruhe.

Athen, 4. Jan. Auf Euböa kamen Er­schütterungen sowie heftige Gewitterstürme vor.

London, 4. Jan. 17 Fahrzeuge werden seit 22. Dezember vermißt. Man befürchtet, daß sie mit der über 100 Personen betragenden Mann­schaft im Ozean untergegangen seien.

Jokohama, 3. Jan. Wie eine Meldung des Bureau Reuter besagt, verlieh der Mikado dem deutschen Kaiser das Grobkreuz des Chrysan­themum-Ordens, des höchsten japanischen Ordens.

WellMM ms de»EnMlkt"

für das I Vierteljahr 1895

wollen noch bei den Postämtern und Postboten gemacht werden.

Redaktion, Druck und Verlag von C. Meeh in Neuenbürg.