742

behutsam den Schloßhauptmann und trug ihn hinab aus dem brennenden Gebäude, in das in der Nähe befindliche Haus des Doktors Bastian, in welchem der Regimentsfeldscheer der Oester- reicher einquartiert war. Die beiden Mädchen blieben bei ihm und gingen dem Heilkundigen bei seinen Bemühungen an die Hand. Klingen­burg aber eilte auf die Brandstätte zurück, um zu helfen und anzuordnen, wo es notwendig war.

Von den Türmen klang das Feuersignal schaurig durch die von den Flammen erhellte Nacht, in allen Häusern war Licht angczündet und auf den Gassen nach dem Schlosse zu be­wegten sich große Menschenmassen, müßige Gaffer und einzelne Hilfsbereite, die sich durch die Menge nur mit Mühe Bahn zu brechen ver­mochten. Dtr hölzerne Flügel des Schlosses stand über und über in Flammen und es galt jetzt nur noch denjenigen Teil zu retten, unter welchem sich der Pulverkcller befand.

Der Oberst hatte die Mehrzahl seiner Truppen an dem bedrohten, gefährlichen Punkt versammelt und die Leute arbeiteten mit einer wahren Todesverachtung. Gelang es nicht, die Gefahr abzuwenden, so war nicht nur das Schloß, sondern auch ein großer Teil der Stadt verloren; die bedeutenden Pulvervorräte mußten, wenn sie Feuer fingen, halb Düsseldorf in Trümmer legen.

Mit fieberhafter Spannung folgte die Be­wohnerschaft den Löscharbeiten, hing doch die Rettung ihrer Stadt von denselben ab. Von Hand zu Hand, durch lange Reihen, wandelten emsig die leeren und die gefüllten Eimer, und eine dicke Dampfwolke stieg jedesmal aus dem Feuerherd empor, wenn er mit dem chm feind­lichen Element überschüttet wurde.

Endlich sank die Flamme tiefer und tiefer; neuer Mut belebte wieder die Arbeiter und die Bürgerschaft, und nach einer Stunde abermaliger angestrengtester Thätigkeit war die Gefahr vorüber, das furchtbare Element gebändigt.

Klingenburg beeilte sich jetzt, nach der Ge­liebten und deren Vater zu sehen. Er fand denselben vollständig bei Bewußtsein, aber so schwach, daß er nicht mehr aufrecht zu sitzen vermochte.Der Herr Schloßhauptmann hat nur noch wenige Stunden zu leben," raunte der Feldscheer dem Obersten zu und dieser suchte seine Braut in schonendster Weise auf den bevor­stehenden Verlust vorzubereiten.

Der Kranke streckte dem jungen Offizier die Hand entgegen.

Setze Dich zu mir, mein Sohn, ich habe mit Dir zu sprechen," sagte er mit schwacher Stimme,aber schicke die Mädchen fort, was ich Dir mitzuteilen gedenke, ist nicht für solche zarte Ohren."

Regina und Marie entfernten sich, die beiden Männer waren jetzt allein.

Du kennst das Bild einer schönen, jungen Frau, welches im Ahnensaal hängt." begann der Schloßhauptmann mit Anstrengung und zwischen jedem kurzen Satze eine Ruhepause machend;das ist das Porträt der Herzogin Jacobäa, an deren Hof einst das ausgelassenste Leben herrschte. Damals war dein Vater, der sich nach seinen Vorfahren Graf von Schenkern nannte, Hofmarschall, aber die Herzogin war ihm nicht günstig gesinnt, weil er ihr ausschweifendes Leben rückhaltlos tadelte. Nachdem ihr Mann, der Herzog Johann Wilhelm, in Blödsinn ver­fallen war, kannte sie keinerlei Rücksichten mehr, so daß dein Vater die Landstände bewog, die Herzogin bei dem Kaiser zu verklagen. Da kam der lange genährte Haß gegen den Hofmarschall zum Ausdruck, und einer ihrer Günstlinge ward gedrungen, den lästigen Mahner, den sie ohne die Zustimmung ihres Gemahls nicht entlassen durfte, zu ermorden."

Der kranke schwieg erschöpft; das Reden strengte ihn an. Klingenburg reichte ihm das Glas mit dem kühlenden Trank, welchen der Feldscheer verschrieben hatte, und ein wenig ge­stärkt, fuhr er fort:

Es war gelegentlich einer Hirschjagd, als der Mörder seinen Auftrag zu vollbringen ver­suchte; hinter einem Gebüsche stehend, legte er auf Deinen Vater an, aber in demselben Augen­

blick schlug ich die Waffe zur Seite und packte den Schurken. Von ihm unbemerkt, hatte ich in seiner Nähe gestanden und dessen Absicht er­raten. Der Mann erhielt als Strafe den Staup- besen und wurde des Landes verwiesen, nach­dem er einen halben Tag am Pranger gestanden hatte.

Aber Dein Vater wußte jetzt, was er von der Herzogin zu erwarten hatte, es war zweifel­los, daß sie nicht eher ruhen würde, als bis sie ihre Rache gestillt habe. Er hätte zwar seine Entlassung nehmen und sich auf seine Güter zurückziehen können, aber das ließ sein Pflicht­gefühl nicht zu, denn nur der Herzog selbst, der ihn angestellt hatte, konnte seinen Abschied genehmigen. Dieser aber war geisteskrank und daher unzurechnungsfähig; nur mit dem Tode des Fürsten erloschen die Pflichten seines Hof­marschallamts."

Inzwischen trieb es Jacobäa ärger als je. um zu zeigen, daß sie thun könne, was sie wolle, und alle Ermahnungen und Warnungen nicht zu beachten brauche. Ihre Verschwendungssucht stürzte das Land in Schulden, das Volk seufzte unter dem Druck unerschwinglicher Abgaben und die öffentliche Moral war unter dem bösen Bei­spiel des Hofes tief gesunken. Ich selbst halte lustig gelebt und mich eine Zeit lang in den Strudel der rauschenden Vergnügungen gestürzt, endlich aber ekelte mich dieses Treiben an und ich beschloß, mich zurückzuziehen."

Um diese Zeit war es, wo ich öfter mit Deinem Vater beim Schach oder Damespi-l zu­sammen kam. Oft. nach beendeter Partie, saßen wir noch beisammen und besprachen den traurigen Zustand unseres Landes, das die Herzogin un­fehlbar in's Verderben stürzen müsse."

Da sprach Dein Vater eines Abends es aus, was Jeder von uns schon längst im Stillen gedacht hatte: dieses Weib, den Fluch des Landes, aus der Welt zu schaffen. Mehr und mehr befestigte sich dieser Gedanke, das Volk litt unendlich und schließlich erschien es uns als eine heilige, patriotische Pflicht, die Ursache alles Elends zu beseitigen. Wir ließen das Los be­stimmen, wer die Thal voüführen sollte; es bestimmte mich Unglücklichen. O. hätte ich nie Hand an sie gelegt!"

(Schluß folgt.)

Vom St. Annenorden. Prof. Leyden ist, wie bereits mitgeteilt, der russische Annen­orden I. Kl. verliehen worden. In der Rang­folge der russischen Orden nimmt der Annen­orden die vierte Stelle ein. Der Orden besteht aus vier Klassen. Die erste Klasse verleiht den erblichen Adel, so daß also die Familie Leyden von nun an in Rußland geadelt ist; die übrigen drei Klassen gewähren ihrem Ritter den per­sönlichen Adel. Wie mit den meisten russischen Orden, so ist auch mit diesem eine Pensions­berechtigung verbunden. Die vierte Klasse des Annenordens ist ausschließlich Militärorden und wird für Auszeichnungen im Felde verliehen es wird diese Klasse stets am Griff des Säbels oder Degens getragen.

Der Kaufmann St. in Berlin war seit einigen Monaten mit der Tochter einer im Schön­hauser Viertel wohnenden Witwe verlobt und dem Bräutigam waren 15000 ^ Mitgift ver­sprochen worden, welche Verwandte der Braut spenden wollten. Die Hochzeit war auf letzten Samstag festgesetzt und der Bräutigam erschien am Samstag vormittag, um seine Braut nach dem Standesamt abzuholen. Vorher aber sollte die Mitgift überreicht werden, und nun ergab es sich, daß statt der versprochenen 15000 nur 12 000 zur Stelle waren, den Rest der Mitgift sollte der Bräutigam nachträglich erhalten. Damit war derselbe jedoch nicht einverstanden und er erklärte, nicht eher den Weg zum Standes­amt antreten zu wollen, bis diedrei Mille" auf dem Tisch lägen. Der peinlichen Lage machte die junge Braut ein schnelles und wirksames Ende. Sie erklärte, daß sie ihrerseits auf den Bräutigam verzichte, der nur ihr Geld, aber sie nicht heiraten wolle. In der That wurden die geladenen Hochzeilsgäste durch Boten und

Telegramme von der Auflösung der Verlobung in Kenntnis gesetzt, während die charakterfeste Braut am Nachmittag bereits eine Reise zu Ver­wandten in der Provinz antrat.

Berlin, 6. Nov. Daß sich ein Soldat in Konkurs befindet, schreibt dieFrkf. Ztg.", ist gewiß eine seltene Erscheinung. Der Kauf­mann Julius Croner in Hetlstedt, jetzt Soldat beim 4. Ulanenregiment in Thorn, Inhaber der Firma Julius Croner in Hettstedt, hat seinen Konkurs angemeldet.

München. Der neueste Blödsinn. Madame Albert, Schneiderin für Hunde", so steht auf dem Thürschilde eines neuen Ateliers, das dieser Tage in Paris eröffnet worden ist. Für die Hunde derHauptstadt der Welt" hat eine Schneiderin eine Modemagazin und ein Atelier eingerichtet, in welchem die Freunde der Menschen mit allen Ehren und mit der größten Höflichkeit empfangen werden. Ein sehr hübsch möblierter Salon steht den vierbeinigen Kunden zur Verfügung; hier finden sie auch ein Buffet, das mit Hundezwieback und mit vielen anderen Hundeleckereien reichlich versehen ist. Die Besitzer oder die zärtlichen Besitzerinnen der Hunde können in dem Atelier der Madame Albert für ihre Lieblinge Alles bekommen, was sie nur wünschen. Ja, es werden ihnen auf Verlangen sogar ein Hunde-Modejournal und Pröbchen von Stoffen für Hundkleider in's Haus geschickt. Das ist doch offenkundige Gehirnerweichung!

Mit Rücksicht auf die vorgerücktere Jahres­zeit und die in Folge dessen schon gegen 6 Uhr eintretende Dämmerung, die in den Häusern sich zur Dunkelheit gestaltet, werden die Hausbesitzer an ihre Verpflichtung erinnert, für Beleucht­ung Sorge zu tragen, denn nach einem Urteil des Reichsgerichts haftet der Hausbesitzer für jeden Schaden, der durch Unglücksfälle infolge mangelhafter Beleuchtung ausgeführt wird. Hat ein Mieter durch die Bestimmungen des Miet­vertrages die Verpflichtung zur Beleuchtung übernommen, so bleibt dem Hauseigentümer nur der Regreß an diesen Vorbehalten, wenn er zur Verantwortung gegebenen Falles gezogen würde.

sSeine Motivierung.) Gläubiger:Sie haben mir doch schon vor Jahresfrist versprochen, daß ich der Erste sein solle, den Sie bezahlen!" Herr: Ganz recht, und ich Hab' auch mein Wort gehalten, denn bis heut' hat keiner von mir Geld bekommen!

sStandesbewußtsein.)Das sind nur 20 Pfg. der Eintritt kostet 40 Pfg.!"Hier steht doch: Militärpersonen zahlen die Hälfte!"

Aber Sie sind doch keine Militärperson!"

Ich werd' wohl eine Militärperson sein! Ich bin Köchin beim Herrn Hauplmann!"

(Niederträchtig.) Fräulein (am Morgen nach dem Ball):Denken Sie, die ganze Nacht habe ich mit einem Herrn getanzt, der mit mir zu­sammen die Schule besucht hat!" Herr:Wie? Und der alte Herr konnte noch so flott tanzen?!"

(Im Heiratsbureau.)Haben Sie Vermögen?"

Nein!"Aber einen Beruf?"

Gegenwärtig nicht ich habe meine Gründe ....!Also Grundbesitzer!,,

(Fl. Bll.

Telegramme.

Berlin, 8. Nov. DerNordd. Allgem, Ztg." wird die Nachricht, daß Oberregierungsrat Milmowski zum Chef der Reichskanzlei aus­ersehen sei, als richtig bestätigt.

Berlin, 8. Nov. Wie dieNorddeutsche Allgem. Ztg." hört, ist im nächsten preußischen Etat wiederum eine nicht unerhebliche Vermehr­ung der Richterstellen vorgesehen.

Petersburg, 8. Nov. Es verlautet, daß die Beisetzung nicht am 20., sondern be­reits am 18. November stattfinden wird.

Petersburg. 8. Novbr. Nach einer Meldung der Blätter werden insgesamt 75 Fürstlichkeiten mit Gefolge zu den Beisctzungs- feierlichkeiten eintreffen.

Redaktion, Druck und Verlag von C. Meeh in Neuenbürg.