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selbst haben des öfteren jede derartige Behauptung als gemeine Lüge und Verleumdung zurück- gewiescn. Deshalb warte ich nicht ab, bis auf -Anregung des „Vorwärts" amtlich festgestellt werden wird, wie viele Tausend Mark ich vom Bund der Landwirte — mit oder ohne Deckadresse — beziehe, sondern erkläre schon jetzt klipp und klar:
Ter für obige Preßleistung verantwortliche Redakteur der „Schwäbischen Tagwacht", Landtagsabgeordneter Tau scher, handelt gegen mich als gewissenloser Verleumder und politischer Halsabschneider.
Fr. Schrempf,
Redakteur und Reichstagsabgeordneter.
Stammhei in, 16. Juni. Heute Nachmittag um 2 Uhr wurde ein Bürger hiesiger Gemeinde beerdigt, dessen großes Leichenbegängnis wie es unsere Geineinde noch wenig gesehen hat von seiner Beliebtheit Zeugnis ablegte; es war dies der pensionierte Forstwächter, früherer Kaufmann K ömpf hier. Eine Lungenlähmung hatte ihm ein ungeahntes jähes Ende bereitet; der hiesige Veteranenverein sowie der Militärverein gaben ihm mit umflorter Fahne das letzte Geleite, sowie die ganze Einwohnerschaft; der hiesige Liederkranz unterdes Direktion des Herrn Lehrer Bickel brachte seine Abschiedsvorträge vor dem Trauerhause wie auf dem Friedhofe in ergreifender Weise zum Vortrag. Der Ortsgeistliche rühmte seinen Fleiß sowie seine religiöse Gesinnung besonders aber die Sorge um das Wohl seiner hinterlasseneu Kinder. Zum Schluß legte Hr. Lehrer Bickel im Namen des homöopa- tischen Vereins, dessen Mitgründer der Verstorbene war, einen .Kranz am Grabe nieder. Ehre seinem Andenken.
Cannstatt, 18. Juni. Auf den Antrag der hies. Geschäftsinhaber hat die Kreisregierung den Ladenschluß an den Wochentagen mit Ausnahme des Samstags auf 8 Uhr und am Samstag auf 9 Uhr sestgestellt. Ausgenommen hievon sind die Metzger und Bäcker. In dem Zustand des kürzlich im Dienst verletzten Schutzmanns Kleemann ist leider eine Verschlimmerung eingetreten. Die 3 Messerstiche, die er erhielt, sind lebensgefährlich, dazu hat sich in den letzten Tagen noch eine Rippfellentzündung eingestellt. Von den Thätern ist immer noch einer nicht in Haft gebracht.
Hon au, 16. Juni. Zu der heutigen Aufführung des Li ch t e n st e i n f est sp i el s war das Haus schon mitte letzter Woche ausverkaust. Gespielt wurde in bekannt vorzüglicher Weise. HerzogAlbrecht und HerzogRobert waren mit militärischem Dienst anwesend. Die Herrschaften unterhielten sich einige Zeit mit den Komitecmit- gliedern, die Ernst Laiblin, Papiersabrikant in Pfullingen, vorstellte, und nahmen eine Erfrischung zu sich. Sie sprachen sich mit besonderer Anerkennung über das Gelingen des schönen Werkes aus. Nächsten Sonntag, den 23. Juni, wird voraussichtlich der letzte Spieltag in die'er Periode sein. Nach einer Pause von mehreren Wochen sollen die Spiele wieder ausgenommen werden.
Ravensburg, 17.Juni. (Strafkammer.) Ter 50jährige, oft vorbestrafte Karl Knaus von
Mengen hat mit einer Axt etwa 50 im besten Ertragsalter stehende Obstbüume verschiedener Grundbesitzer, wie er sagt aus Rache, angehauen und dadurch größtenteils vernichtet. Er wurde deshalb wegen Baumfrevels zu der Gefängnisstrafe von 1 Jahr und 8 Monaten verurteilt. Ter von ihm angerichtete Schaden beläuft sich auf ca. 760
Saarbrücken, 17. Juni. In Wolfskirchen an der Saar brannte in der vergangenen Nacht die große Dampfmühle des Herrn Schlumberger nieder. Ter Schaden beträgt 800 000
Berlin, 17. Juni. Der Lorbeerkrauz, welchen der Kaiser gestern am Bismarck- Denkmal niederlegte, trug auf den Atlasschleifen zu dem gekrönten W. die Inschrift: „Des großen Kaisers großem Diener." Dem Lokal-Anzeiger zufolge hat der Kaiser dem Fürsten Herbert Bismarck die Uniform des 1. Garde-Dragoner-Regiments verliehen. Gestern Abend fand beim Reichskanzler ein Diner statt, zu welchem die Präsidenten des Reichstages, des Herrenhauses und Abgeordnetenhauses sowie die Mitglieder des Bismarck-Denkmal- Comitös eingeladen waren. Fürst Herbert Bismarck und Herr von Levetzow hatten sich wegen ihrer tiefen Familientrauer entschuldigen lassen.
Berlin, 17. Juni. Nach einem Telegramm des Kleinen Journals wird aus Peking gemeldet: Die Gesandten haben sich endlich über die Entschädigungsfrage geeinigt. Alle haben Amerikas Vorschlag angenommen, die Gesamtsumme der Entschädigung mit 450 Millionen Taels zu fixieren, die mit 4 °/° zu verzinsen wären. Darnach hätte China jährlich 18 Millionen Taels an Zinsen zu zahlen. Mit der Amortisierung der Schuldsumme soll erst in einigen Jahren begonnen werden. Rußland hat seine Einwendungen aufgegeben. Mehrere Gesandten hüben noch an ihre Regierungen depeschirt, um deren formelle Zustimmung zu dem einhellig gefaßten Beschlüsse zu erlangen. Auch über die Steuer-Quellen, aus denen die Bezahlungen Chinas zu bestreiten sein werden, haben sich die Gesandten geeinigt. Es sollen das sein: Die Abgaben auf Salz, die Inland-Zölle und ein Zuschlag von 5 °/° auf die See- Zölle. Für diese letzteren hat der amerikanische Gesandte Rockhill bereits die Zustimmung der Mächte erlangt. Auch in Betreff der Details ist vollständige Uebereinstimmung erzielt worden. — Ein italienischer Priester aus Schansi bestätigt die Meldung von der vor einigen Wochen erfolgten Massacrierung von 15 belgischen Priestern und einer Anzahl bekehrter Christen in Ningtiaoling (Süd-Mongolei) durch Soldaten der Prinzen Tuan, Tungfuhsiang und Alarkan. Doch erklärte der Priester, man könne für diese Unthat nicht den Hof verantwortlich machen. Der betreffende Bezirk sei das Rendezvous vieler abgesetzter Beamten.
Berlin, 18. Juni. Aus Kiel wird gemeldet: Die Linienschiffe Kaiser Wilhelm 11., Kaiser Wilhelm der Große, Kaiser Barbarossa, sowie die Kreuzer Victoria Louise und Gazelle gehen auf Befehl des Kaisers den aus Ostasien heimkehrenden Schiffen bis Cadiz beziehungsweise Gibraltar entgegen, um mit ihnen gemeinsam heimzukehren. Unter
dem Befehl des Prinzen Heinrich treten die genannten Schiffe bereits in den ersten Tagen des Juli von hier aus die Reise an, die mit Hebungen aller Art und für die neuen Schiffe mit Probefahrten verbunden sein wird.
Berlin, 18. Juni. Wie der Lokal-Anzeiger aus Hamburg meldet, wird die Rückkehr des Grafen Waldersee am 9. August erwartet. Die offizielle Begrüßung durch den Kaiser findet im Rathause zu Hamburg statt.
Berlin, 18. Juni. Wie das Berliner Tageblatt berichtet, soll gestern Nachmittag in den Vereinsräumen einer hiesigen Burschenschaft ein Säbel-Duell unter den schwersten Bedingungen ausgefochten worden sein. Ter eine der beiden ^Duellanten, ein in der Esser- und Liebert-Affaire bekannt gewordener Redakteur erhielt angeblich nach 30 Minuten einen so gefährlichen Äopfhieb, daß an seinem Aufkommen gezweifelt wird, während der Gegner, der Hauptredakteur eines hiesigen antisemitischen Blattes unverletzt geblieben sein soll. Es sollen noch mindestens, fünf weitere Säbel- und Pistolen-Duelle zwischen Burschenschaftern und alldeutschen Redakteuren sowie Politikern folgen, die alle ihre Entstehung der Liebert-Affaire verdanken. Professor Hasse habe unter Hinweis auf sein Alter und seine parlamentarische Immunität abgelehnt, sich zu schlagen und sei deswegen in Burschenschaftsverruf erklärt worden.
Berlin, 18. Juni. Auf dem Holzplatze am Kottbuser Damm wütet eine große F e n e rs b ru n st. Es brennen ein Holzlager, eine Molkerei, ein Asphaltlager und Stallungen. Menschenleben sind, soweit sich bis jetzt feststellen läßt, nicht in Gefahr.
Wien, 18. Juni. Die hiesigen Blätter bezeichnen die Rede Bülows bei der Einweihung des Bismarck-Denkmals als überaus prächtig stilisiert, sch wungvoll und hochinteressant. Es frage sich jetzt nur noch, wie dieselbe ihm und seiner weiteren Amtsführung bekommen werde.
Haag, 18. Juni. Präsident Krüger dementierte persönlich alle Friedensgerüchte. Der Krieg wird seiner Ansicht nach noch sehr lange dauern.
London, 18. Juni. Aus Peking wird gemeldet: Die Vertreter der Mächte sind der Ansicht, daß sämtliche Unterhandlungen mit China vor August beendet und daß die Truppen mit Ausnahme der Schutzmannschaften für die Gesandtschaften vor Ende August eingeschifft sein werden. Die Deutschen verlassen bereits den Winterpalast, damit die notwendigen Vorkehrungen zur Rückkehr des Hofes getroffen werden können.
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„Die einzige Seife die bisher meine volle Zufriedenheit erlangte," schreibt ein Arzt, nachdem er Versuche mit der Patent-Myrrholin-Seife gemacht. Uebcrall, auch in den Apotheken, erhältlich.
Einige gaben gar keine Antwort, andere eine ablehnende. Alle, die wir zu wiederholten Malen um Hilfe gebeten, erklärten sich des Gebens müde, und betrachteten Papa als unverbesserlich. Ihre Meinung ist leider nur zu berechtigt. Tu wirst mich nach diesen Worten für sehr unkindlich halten. Aber wenn du mich und mein vernichtetes Leben anschaust, mußt du zugeben, daß ich Grund habe, meinem Vater zu zürnen."
Der andere schwieg wie in übergroßem Mitgefühl. Mehrere Minuten vergingen. Dann sagte Kuno:
„Und doch war er stets ein überaus zärtlicher, liebevoller Gatte und Vater."
Wieder überflog ein bitteres Lächeln das schöne Gesicht des jungen Grafen. „Jawohl," sagte er. „Eine wohlfeile Zärtlichkeit, die mit dem Gedanken an das Wohl der Seinen wenig oder gar nichts zu thun hatte. Es läßt sich nicht länger verbergen, wozu soll ich dir gegenüber Umschweife machen? Darum gestehe ich dir offen, daß das Treiben meines Vaters schuld ist an unserem Unglück. Wie weit ich auch zurückdenken mag, bis in meine ferne Kindheit, immer habe ich Grund, ihn zu tadeln und ihm zu zürnen, darum kann von Liebe und Ehrfurcht ihm gegenüber bei mir nicht die Rede sein."
Erschrocken sah der Freund ihn an. Herbert fuhr fort:
Glaube nicht, daß ich in augenblicklicher Aufregung so spreche. Es ist die Thatsache, über die ich in mancher schlaflosen Nacht nachgedacht habe. Oft steigt das Bild meiner verstorbenen Mutter vor meinen Augen auf, wie sie in ihrem Zimmer saß, über eine Arbeit gebeugt, und ich, der kleine wilde Bube, stand vor ihr und fragte: „Mutter, warum weinst du nur immer?" „Ja, ihre sanften, blauen Augen vergossen zahllose Thränen, die mir damals unerklärlich waren. Erst als längst Gras auf Mamas Grabe wuchs, begannen mir die Augen aufzugehen über die Ursache ihrer Thränen. Als vielumworbenes siebzehnjähriges
Mädchen schenkte meine Mutter ihre Neigung dem schönen, aber als etwas leichtsinnig bekannten Grafen Nordau. Ihr Vater und ihr Bruder waren gegen diese Verbindung. Sie hatten von zahlreichen Liebesabenteuern gehört, die er gehabt, von am Spieltisch verbrachten Nächten, von schweren Schulden, die sein im fernen Osten gelegenes Gut belasteten.
Lange Zeit währte es, bis sie sich so weit erweichen ließen, ihn ins Gebet zu nehmen und über seine Verhältnisse zu befragen, und er hatte diese Zeit mit allen Mitteln ausgenutzt, um sich in dem Herzen des unschuldigen Kindes recht festzusetzen. Er trug die edelsten Vorsätze zur Schau — vielleicht glaubte er damals selbst daran — und beteuerte, daß er keinen höheren Lebenszweck kenne als den, die Geliebte glücklich zu machen. Leider traute man ihm, was mein Onkel Franz sich noch heute nicht verzeihen kaun, und die Ehe wurde geschlossen. Während des ersten Jahres mag sie glücklich gewesen sein. Dann starb mein Großvater, und zwar zu rasch, um das Vermögen seiner Tochter sichern zu können, und so kamen die zwei Millionen, die sie erbte, in die Hände meines Vaters. Zwei Millionen Thaler! Eine hübsche Summe, nicht wahr? Der Mensch kann alles, was er will. Mein Vater wollte das Geld durchbringen, und es gelang ihm. Natürlich konnte das nicht geschehen, ohne daß es meiner Mutter auf die empfindlichste Weise bemerkbar geworden wäre. Er unternahm große Reisen und ließ seine schöne junge Frau mit ihrem Kinde einsam auf dem Schlöffe zurück. Hielt er sich eine Zeitlang zu Hause auf, so zog mit ihm ein Schwarm von Gästen ein, mit denen er in Saus und Braus lebte. Am Spieltisch wurden ungeheure Summen vergeudet, und als in meinem siebenten Lebensjahre meine Carola geboren wurde, war Bergau — das die Großmut des Schwiegervaters von allen Schulden freigemacht hatte — bereits wieder mit einer Hypothek belastet.
(Fortsetzung folgt.)