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76. Jahrgang.

Erscheint Dienstags, Donnerstags und Samstags. ^ Die EinrückungSgebühr beträgt im Bezirk und in nächster > UrnZebung 9 Pig. die Zeile, weiter entfernt 12 Pfg.

Donnerstag» den 20. Juni 190t

Vierteljährlicher Adonnementßpreis in der Stadt Mk. 1.10 ins Haus gebracht, Mk. 1, 15 durch die Post bezogen im Bezirk; außer Bezirk Mk. i: 35.

Amtliche Bekanntmachungen.

Kekarmtrnachrmg.

Laut Bekanntmachung des Ministeriums des Innern vom 1. Juni 1901 Nr. 8610 (Min.-Amtsbl. S. 162) sind die Beträge ver durchschnittlichen Jahresardeitsverdienste der land- und forst wirtschaftlichen Arbeiter im Sinn des tz 10 des Unfallverficherungsgesetzes für Land- und Forst­wirtschaft vom 30. Juni 1900 durch die Kreis­regierung Reutlingen für die Zeit vom t. Juli 190t bis zum 31. Dezember 1906 im ganzen Oberamtsbezirk festgesetzt worden für erwachsene männliche Arbeiter auf 600A.

weibliche 400

jugendliche männliche 400

weibliche 250

Calw, 15. Juni 1901.

K. Oberamt.

V o e l t e r.

Tagesneuigkeiten.

Calw. Die Handwerkskammer- Reutlingen erläßt an die gewerbl. Vereinig­ungen des Kammerbezirks folgende Bekanntmachung:

In unserer Vorstands-Sitzung am 30. Mai d. I. wurde beschlossen, Sie auf einige Punkte unseres Arbeitsplanes besonders aufmerksam zu machen.

Es handelt sich um Aufgaben der Kammer, die nicht eigentlich im Gesetz und Statut festgelcgt, sondern mehr freiwilliger Art sind. Unsere Kammer wird sich die Erfüllung auch dieser Aufgaben an­gelegen sein lassen. Sie will den Handwerkern ihres Bezirks überhaupt in weitgehendem Maße dienen, sowohl in persönlicher wie in beruflicher Beziehung. Sie will die Stelle fein, an welche sich Einzelne wie Vereine jederzeit mit Fragen und Wün­

schen wenden können, in dem Vertrauen, dort sicher Aufklärung, Belehrung, Rat, Förderung zu finden.

Demgemäß erteilt der Beamte der Kammer (der Sekretär) mündlich und schriftlich im Bu­reau oder in Vereinsversümmlungen Auskunft auf Fragen, welche an ihn (oder an das Bureau) von der Handwerkerschaft des Kammerbezirks ge-, richtet werden: mögen diese Fragen Angelegenheiten des gesamten oder eines einzelnen Handwerks, oder allgemein gewerbliche, wirtschaftliche oder soziale Zu­stände oder Verhältnisse, oder im besondern gesetzliche, Bestimmungen, staatliche Einrichtungen und dergl. be­treffen. Auch kann-sein Rat oder seine Mitwirkung z. B. bei der Fassung schwieriger geschäftlicher Schrift­stücke, bei der Bearbeitung neuer Statuten, bei der Gründung beruflicher oder wirtschaftlicher Ver­einigungen w. in Anspruch genommen werden. Ferner wird der Sekretär aufklärend und belehrend wirken durch Vorträge, und durch kurze, gemeinver­ständlich geschriebene Mitteilungen an die Presse des Bezirks. (Vereine, welche wünschen, daß ihnen von Seiten der Kammer ein Vortrag geboten werde, wollen sich an den Vorsitzenden wenden.)

Auf dem Bureau arbeitet der Sekretär in der Regel täglich (Sonn- und bürgerl. Feiertage aus­genommen) von 812 und 26 Uhr. Auswär­tigen Herren, welche ihn persönlich sprechen wollen, wäre zu empfehlen, daß sie sich vorher schriftlich anmelden, da er dann und wann im Dienste der Kammer abwesend ist.

Wir ersuchen Sie, Ihre sämtl. Mitglieder mit dem Inhalt dieser Zuschrift bekannt zu machen. Bureau: Reutlin gen, Led erstr. 49 1l.

Calw. Zuverlässigen Mitteilungen zufolge ge­langen nach Württemberg Ausschnitte aus amerikani­schen Zeitungen mit Aufrufen an inländische Personen, sich wegen Erlangung von Nach­lässen in den Vereinigten Staaten von Amerika an einen amerikanischen Advo­katen (Notar) zu wenden. Wir machen daher

wiederholt auf die in Nr. 55 des Calwer Wochenbl. veröffentlichte Warnung aufmerksam. Erblustige, welche die Vermittlung solcher Advokaten in Anspruch nehmen wollen, haben jedenfalls nur dann Hoffnung auf sachgemäße und zuverlässige Vertretung ihrer Interessen, wenn sie sich vorher bei demjenigen deutschen Konsul, in dessen Amtsbezirk der betreffende Advokat wohnt, nach der Persönlichkeit des Letzteren erkundigen und die Auskunft des Konsuls günstig lautet. Der sicherste, einfachste und billigste Weg bleibt übrigens stets die Vertretung durch die deutschen Konsuln.

Calw, 19. Juni. Auf der Station Teinach ereignete sich gestern ein bedauerlicher Unglücksfall. Beim Langholzabladen schlug ein Stamm dem Sägwerkbesitzer Fr. Kirchh err einen Fuß ab.

Calw. Unter der AufschriftNicht sub­ventioniert" teilt derBeobachter" in seiner letzten Nummer folgendes mit:

DieSchwäb. Tagwacht" hatte unter Hinweis auf den Journalisten Bauer, der sich unter einer Deckadresse Geld von der Zentrale des Bundes der Landwirte zahlen ließ, zu der Bemerkung des Vorwärts",der Bund hat zum Beispiel auch Reichstagsabgeordnete subventioniert," geschrieben:

Natürlich große Neugierde in der bürgerlichen Dresse nach den Namen der subventionierten Reichskags- abgeordoeten und den Umständen, unter denen sie vom Bunde der Landwirte erkauft worden sind. Die Herren mögen sich nur beruhigen. Wenn es an der Zeit ist. wird derVorwärts" die Namen nennen!

Daun wird auchamtlich" sestge'tellt werden, mit wie viel tausend Mark der Nagolder Neichstags- abgeordnete Schremps subventioniert ist und ob er sein Agentenhonorar auch unter einer Deckadresse zugestellt erhält.

Hierauf erwidert nun Friedr. Schrempf an leitender Stelle derDeutschen Rcichsposi":

Sowohl Rechtsanwalt Kraut, der Vorstand der konservativen Partei Württembergs, als ich

^ b 11 1 1 1 b 1 0 II* Nachdruck verboten.

Dem Leben Zurückgegeben.

Roman von B. Ern st.

(Fortsetzung.)

Und wo wollt ihr hin?"

Fürs erste zu Onkel Franz. Wohin sonst?" Er zuckte die Achseln. Nach kurzem Schweigen setzte er hinzu: Nun aber sage auch du mir, was dich jetzt mitten im Winter vom Rhein hierhergeführt hat."

Ich komme nicht direkt aus Köln, sondern ich war eine Zeitlang in Berlin bei meinen Eltern. Im Dezember bin ich sehr krank gewesen, lebensgefährlich; nun soll ich mich erholen. Dazu bedurfte es eines längeren Urlaubes. Weißt du, Herbert, es ist bekanntlich eine Thorheit, an Ahnungen zu glauben. Nach meiner letzten Erfahrung aber werde ich von nun ab wohl ein wenig abergläubisch werden. Seit vierzehn Tagen konnte ich keine Ruhe finden vor beständigem Denken an dich. Du gingst mir nicht aus dem Sinn. Schließlich wurde die Sehnsucht nach dir so groß, daß ich mich kurz entschloß und hierher reiste. Und nun, nun muß ich meine Unruhe begründen und dich in so trauriger Lage finden. Meine Eltern sahen cs nicht gern, daß ich meine ihnen eigentlich zukommende Urlaubszeit kürze, aber mich litt es nicht länger bei ihnen, ich wollte nach langen Jahren der Trennung zu dir hin. Warum hast du mir eigentlich nie geschrieben und meine Briefe nie beantwortet?"

Ich war nicht in der Stimmung dazu," erwiderte der junge Graf. In­zwischen war Seiden mit seiner Toilette fertig, und beide gingen in den Speisesaal

zurück, der jetzt leer war, denn der alte Graf Nordau hatte sich zur Mittagsruhe in sein Schlafzimmer und Lorenz mit den Resten der Mahlzeit und dem Tisch­zeug in die Küche zurückgezogen. Die jungen Männer nahmen am Eßtische Platz. Jetzt erst fiel es Herbert ein, den Reisenden zu fragen, ob er schon zu Mittag gegessen habe.

Ja, danke, am Bahnhof," erwiderte Kuno.

Eine Weile verging. Dann begann Kuno wieder: Mir ist zu Mute, als träumte ich. Ich sehe Bergau, nach dem ich oft eine kindliche Sehnsucht gehegt, wieder. Aber wie anders ist alles, als ich es mir ausgemalt hatte. "Nochmals frage ich dich, Herbert, wie konntest du es übers Herz bringen, mir nie eine Zeile zu schreiben und jede Verbindung mit deinem Jugendfreunde abzubrechen ?"

Das Schreiben ist mir eine verhaßte Arbeit, seitdem ich allwöchentlich Briefe an so und so viel Wucherer meines Vaters zu schreiben hatte. Ich kann es nicht ändern, daß der Himmel mich mit einem schwerfälligeren Gemüte begabt hat als meinen Vater; daß ich" er sah düster vor sich hinvor Scham ob unserer traurigen Lage in die Erde sinken möchte, während Papa wie du eben bemerkt hast mit philosophischem Gleichmute sein Schicksal trägt und sich sicher seiner Zukunft wegen keine grauen Haare wachsen ließe, wenn er sie nicht schon hätte."

Aber war dann unter Euren Verwandten keiner im stände. Euch zu helfen und die Katastrophe von Euch abzuwenden?"

Graf Nordau lachte bitter.

An wen habe ich nicht schreiben müssen? An jeden Verwandten und Bekannten meines Vaters, an Fremde, deren Namen mir Papa zum erstenmal nannte!" Er biß die Zähne zusammen wie im heftigen Zorn.Kannst du verstehen, was ein stolzer Mensch empfindet, wenn er solche Briefe zu schreiben gezwungen ist?"

Armer Herbert!" sagte der andere teilnehmend.Und alles war umsonst!"