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Erich-Mi DienitagS, Donnerstags lind Samstags. Dti KtnrückungSgibühr blträg! im Kezi:! und in nächster Il-uS-bung s Pfg. bi- Z-tle. v-it-r -ntf-rnt lL Psg.

Diensisg, dm 18. Juni 1901.

Vierteljährlicher Abonnementspreis in der Stadt ML. I.Itt ins Haus gebracht, Mk. 1. 15 durch die Post bezogen im Bezirk; I' außer Bezirk Mk. i: 35.

Amtliche Bekanntmachungen.

Beklmntumchrmg.

betr. die Einführung des hundertteiligen Thermometers.

Nachdem durch die Prüsungsbestimmungen für Thermometer vom 1. Januar d. I. ab alle mit Reaumurskalen versehenen Thermometer von der amtlichen Prüfung ausgeschlossen worden sind, ist von den K. Ministerien im Interesse der Herbei­führung einer einheitlichen Gestaltung der Wärme- messungcn angcordnet worden, daß künftig für den dienstlichen Gebrauch (insbesondere in öffentl. Schulen, Krankenhäusern, Dienstgcbäuden, u. s. w.) nur noch Thermometer angeschafft werden, welche ausschließlich die hundertteilige Skala tragen, ausgeschlossen sind also auch Thermometer mit mehreren verschiedenteiligen Skalen), und daß im dienstlichen Verkehr Temperaturangaben nach dem hWdcrtteiligen Thermometer zu machen sind.

An die Inhaber von Privat-Kranken- und Badeanstalten ergeht das Ersuchen, darauf Bedacht zu nehmen, daß auch in ihren Anstalten nur hundertteilige Thermometer zur Verwendung kommen. Ebenso werden die Zeitungsredak­tionen ersucht, in ihren Blättern Temperatur- angaben nur nach Graden des hundertteiligen Ther­mometers zu machen. Seitens der meteorologischen Stationen in Württemberg geschieht dies schon seit längerer Zeit.

Die Gemeindebehörden werden im übrigen auf den Erlaß des K. Ministeriums des Innern vom 27. Mai d. I. (Amtsblatt S. 165) hingewiesen.

Calw, 15. Juni 1901.

K. Oberamt.

Voelter.

Bekanntmachung.

Nach 8 8 ff. der Satzungen der Norddeut­schen Hagelversicherungs g es el l sch a f t in

Berlin, mit welcher die Württembergische Regierung die Uebcrcinkunft vom 9. Januar 1900 (M.-A.-Bl. S. 37) abgeschlossen hat, hatten die im Vorjahr Versicherten, wenn sie die Mitgliedschaft aufgebcn wollten, spätestens bis zum 30. September 1900 zu kündigen. Ein weiteres Kündigungsrecht stand ihnen ausnahmsweise dann, wenn ihre bisherige Vor­prämie für das laufende Jahr erhöht wurde, bis zum 30. April ds. Js. zu.

Wer nicht rechtzeitig gekündigt hatte, war ver­pflichtet, bis zum 1. Juni ds. Js. seinen neuen Versicherungsantrag einzureichen, blieb jedoch, vor­ausgesetzt, daß die Beiträge für das Jahr 1900 entrichtet sind, bis zur Einreichung des neuen An­trags mit denselben Fruchtarten und in derselben Versicherungsart bis zur Höhe der vorjährigen Ge- samtversichcrungssumme versichert; nur wäre die Gesellschaft berechtigt, unter Umständen an der Ent­schädigungssumme eineu Abzug von 20"/« eintreten zu lassen.

Wird jedoch der neue Antrag nicht spätestens bis zum 20. ds. Mts. nungereichl, so verliert das säumige Mitglied jeden Entschädigungsanspruch an die Gesellschaft, während die Gesellschaft befugt ist, die vorjährige Vorprämie als Konventionalstrafe cinzuklagen.

Nun ist seitens der Stuttgarter General- agcntur der Norddeutschen Hagelversicherungsgesell­schaft bei dem Ministerium die Mitteilung einge­gangen, daß eine große Anzahl der bisherigen Ver­sicherten, ohne fristzeitig gekündigt zu haben und ohne sonstigen stichhaltigen Grund die Erneuerung ihrer Anträge verwei­gern. Dieselben sollen sich unter anderem darauf berufen, daß auch im Jahr 1900 niemand zur Ver- sicherungsnahme gezwungen worden sei. Letzteres ist richtig, hatte aber seinen besonderen Grund, der darin bestand, daß im Jahr 1899 sämtlichen würt- tembcrgischen Versicherten von Seiten der Gesell­schaft gekündigt worden war. Sie hatte dies in

vorsorglicher Weise gethan, weil damals noch die Verhandlungen über die spätere Uebereinkunft vom 9. Januar 1900 schwebten und weil die Gesellschaft für den Fall, daß dieselben sich zerschlagen hätten, gegenüber von Versicherungsanträgen aus Württem­berg sich vollständig freie Hand sichern wollte.

Die Ortsbehörden werden nun beauftragt, die Landwirte ihrer Gemeinden, soweit sie Mitglieder der Norddeutschen Hagelversicherungsgesellschafr sind, auf vorstehende Vcrsicherungsbedingungen schleunigst aufmerksam zu machen und aus die nachteiligen Folgen, welche aus der Unterlassung rechtzeitiger Erneuerung des Versicherungsantrags erwachsen, hinzuweisen.

Calw, 17. Juni 1901.

K. Oberamt.

Voelter.

Tagesneuigkeiten.

* Calw, 17. Juni. Am Samstag abend veranstaltete der Liederkranz unter Mitwirk- des hiesigen O r ch e st e r v e r e i n s ein wohlge­lungenes Konzert im badischen Hof. Das Pro­gramm umfaßte in gewählter Reihenfolge Manner­chöre, Quartette, Soli und Orchesterstücke. Der Chor des Liederkranzes brachte unter der bewährt trefflichen Leitung von Hrn. Mittelschullehrer Müller 6 Chöre zur Aufführung. Besonders tratDer Wald" von Häser, ein reich harmonisierter und schön gedachter Chor, in seiner Wirkung als eine kraftvolle und stimmungsreiche Tondichtung hervor. DerWinzcrchor" von Mendelssohn ist eine klang­schöne, gediegen gearbeitete und ansprechende Kom­position, die nicht ohne Eindruck bleiben kann. Von großer Wirkung waren ferner das gemütliche Silcher- jiedIm Mai" undder treue Kamerad" von Attenhofer. Hr. Wilh. Schwämmle sang mit ganz vorzüglicher Stimmgebung zuerstAn der Weser" von Pressel und hierausDie Zither lockt, die Geige klingt" von Sauer. Das Tirolerguartett

Feuilleton.

Nachdruck verboten.

Dem Teben zurückgegeben.

Roman von B. Ern st.

I.

Im großen Speisesaale eines altertümlichen Schlosses saßen zwei Grafen Nordau Vater und Sohn einander gegenüber am Eßtisch bei einem sehr einfachen Mittagsmahle. Das Zimmer war kahl, ohne irgend welchen Schmuck, und das Licht eines trüben Februartages, das durch die hohen Fenster fiel, fand keinen Gegenstand, dem eine bessere Beleuchtung zu wünschen gewesen wäre. An den Wänden hatten früher Bilder gehangen, wahrscheinlich Familienporträts, deren Umrisse sich noch deutlich auf den Tapeten abzeichnetcn, und unerfreuliche Spuren von nicht mehr vorhandenen Möbeln waren überall sichtbar. Der alte Herr trotz seiner Jahre noch ein schöner Mann sprach mit anscheinender Ruhe dem einfachen Essen zu; aber eine ungewöhnliche Bläffe und der ernste Ausdruck seines Gesichts ließen ihn doch anders erscheinen, als man ihn sonst kannte. Der Sohn das verjüngte Ebenbild des Vaters und schöner noch, als dieser in jungen Jahren gewesen war berührte die Speisen kaum, und aus den dunklen Augen, die gerötet aussahen wie von schlaflosen Nächten, blickten Gram und Sorge. Auch ein Diener war anwesend, der sich bemühte, den Herren aufzuwartcn, ob­gleich es eigentlich nichts für ihn zu thun gab. Des Vaters Versuche, ein Ge­spräch in Gang zu bringen, scheiterten an der Schweigsamkeit des Sohnes, und so blieb alles stumm, nur daß der alte Graf, der den Diener heimlich weinen sah, ihm mehrmals zurief:Heule nicht, Lorenz!"

Die einförmige Mahlzeit war eben beendet, da hörte man den Hund auf dem Hofe anschlagen. Vor dem hohen Steinthore, auf dem das Wappen der Grafen Nordau eingehauen war, hielt ein Wagen. Alle drei blickten überrascht durch die Fenster, und Lorenz schickte sich an, hinauszugehen. Der junge Graf rief ihm nach:Du weißt, wir können keinen Besuch brauchen!"

Warum nicht?" sagte der alte Herr.Mir wäre es lieb, über diesen öden Tag hinwegzukommen, und der langweiligste Besuch ist mir lieber als das Alleinsein mit dir!"

Der Sohn gab keine Antwort. Ein zweiter Blick durchs Fenster ließ ihn einen Herrn wahrnehmen, der den Wagen fortfchickte, Lorenz freundlich begrüßte und ihm einen Handkoffer übergab.

Ist das nicht Kuno Selben ?" sagte der alte Graf.

Der Sohn, der seinen Augen kaum trauen wollte, ging dem Freunde mit raschen Schritten entgegen.Kuno! Ist cs möglich?" rief er, und es zuckte wie ein Lichtstrahl über sein düsteres Gesicht. Sie traten ein. Die Begrüßung des alten Herrn ließ an Herzlichkeit nichts zu wünschen übrig.Welch ein glücklicher Einfall von dir, gerade heute zu kommen", sagte er.

In der That", bemerkte der Sohn mit bitterem Spott,du hättest den Tag nicht besser wählen können, da es unser letzter Tag hier ist. Aber will­kommen bist du darum doch," setzte er hinzu, da er des Gastes verwundertes Gesicht sah. Dieser schaute sich um. Seine Augen streiften die kahlen Wände, und unter dem Eindrucks der Herabgekommenhcit, die aus dieser Umgebung sprach, fragte er mit gepreßter Stimme:Ter letzte Tag? Was heißt das?"

Es heißt," sagte der junge Graf mit scharfer Betonung,daß Bergau subhastiert/ist und daß wir es morgen verlassen."