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Aus Stadt. Bezirk und Umgebung.
Neuenbürg. 30. Sept. Der rührige Turnergesangverein veranstaltete gestern und heule unter der vortrefflichen Leitung des Hrn. Reallehrers Geiger im Hotel zur „Alten Post" gelungene Abendunter Haltungen, die das Interesse der hiesigen Einwohnerschaft in hohem Maße in Anspruch nahmen. Die Männerchöre, gesungen von etwa 40 Mitgliedern, fanden die ihnen gebührende Anerkennung; sie bestanden diesmal vorzugsweise in patriotisch ernsten Liedern, wie dies die schwierigen Com- Positionen von „Trompeter blas an den Rhein" von Pfeil, die „Siegesbotschaft" von Kreutzer und das „Schlachtgebct" von Weeber (Vater, ich rufe dich) beweisen. Dazu wurde das schöne Silcher'sche Volkslied „Am Brunnen vor dem Thore" in ebenso ansprechender und gediegener Weise zu Gehör gebracht. Das Programm war so zusammengesteUi. daß zwischen diesen Männerchören humoristische und turnerische Schaustücke zur Aufführung kamen und das ist es besonders, was den Veranstaltungen des Vereins immer seinen Reiz verleiht, denn gerade das heitere Gebiet, verbunden mit den anerkannt turnerischen Vorführungen (Pyramiden), haben sich unsere Turner zur besonderen Pflege erkoren. Die erste humoristische Nummer war ein komisches Terzett von Heinze, welche gleich den lebhaftesten Beifall fand; ihr folgten „Am Vorabend des Stiftungsfestes", das „Landstraßengigerl" und als letzte komische Szene „1000 Mark Belohnung" von Lincke. Es ist schwer zu sagen, welches dieser humoristischen Stücke mehr Heiterkeit erregte, doch dürfte dies die letzte Nummer, welche zu ihrer Darstellung allein die Zeit von etwa einer halben Stunde in Anspruch nimmt, gewesen sein. Die Darsteller, die wir im Einzelnen nicht wohl erwähnen können, da dies zu weit führen würde, thaten ihr Bestes, um ihre Rollen wirkungsvoll durchzuführen. Wenn wir aber doch einen dieser HH. Komiker besonders nennen, io werden dies all die zahlreich Anwesenden nur recht und billig finden. Es ist dies unser alter Bekannter, Hr. Fritz Höhn, der sich besonders als Landstraßengigerl, als welches er zum Schluß die „Spezialitäten der einzelnen Länder" zum Besten gab, auszeichnete. Nicht minoer originell trat er in dem Couplet „Koscheres Ständchen" auf, ebenso in der schon erwähnten komischen Szene „1000 Mark Belohnung", wo er, Haje genannt, durch seine drolligen Zwischenbemerkungen und Positionen fast unersetzbar erscheint. Hr. Reallehrer, der die Klavierbegleitung zu sämmtlichen Nummern selbst übernommen hatte, leitete und arrangierte mit geschickter Hand auch den ganzen humoristischen Teil. Es bedurfte wohl mancher mühevoller Proben, bis Alles in erwünschter Weise so weit war. Die beteiligten Mitglieder widmeten sich mit ebenso freudiger Hingebung der Sache. Dies gilt nicht minder auch für die Tucnerriege und ihrem Turnwart K. Titelius. Die Vorführungen der auf einer Leiter pyramidenförmig gruppierten gymnastischen Hebungen, im richtigen Moment bengalisch beleuchtet, erregten wieder ganz besonderes Interesse und wurden voll gewürdigt; sie bildeten eine dankbar aufgenommene Abwechslung im Programm. Alles in allem genommen, dürfen die Äbendunterhaltungen als durchaus gelungen bezeichnet werden und der Verein selbst kann mit voller Befriedigung auf die beiden Abende zurückblicken.
Calw. Um einem längst gefühlten Bedürfnis zu genügen, entschlossen sich die hiesigen Metzgermeisier ein neues Schlachthaus zu erbauen. Das Anwesen, ein hübscher Backsteinbau auf dem Brühl, wurde von dem Bauleiter, Hofwerkmeister Haußer in Ludwigsburg, im Laufe des Sommers so gefördert, daß der Bau noch in diesem Herbst dem Betrieb wird übergeben werden können. Zugleich wird darin eine Dampfwäschcrei ausgestellt werden. Die Bausumme wird sich auf 50000 Mk. belaufen.
Deutsches Weich.
Berlin, 29. Sept. Die Kaisermanöver des nächsten Jahres finden, wie den „Bert. N. Nachr." zufolge verlautet, beim XII. (königlich
sächsischen) und IV. (Provinz Sachsen) Armeekorps statt. Als Uebungsfeld soll die Gegend zwischen Leipzig und HM?» beziehungsweise Wcißenfels ausersehen sein.
Der zur Zeit auf Urlaub in Deutschland weilende Reichskommissar für Ostafrika, Major v. Wißmann, soll fest entschlossen sein, definitiv aus dem Ruchsdienste auszuscheiden, und dasselbe wird auch hinsichtlich des Reichskommissars Dr. Peters behauptet. Es wäre jedenfalls tiefbedauerlich, wenn diese beiden um die Entwicklung Deutsch Ostafrikas so ungemein verdienten Männer in der That ihre bisherige Laufbahn verlassen würden.
Berlin. Eine vollkommene Umwälzung im Fe r n sp r e chw es en würde die Verwirklichung eines Planes Hervorrufen, der gegenwärtig von der Oberpostdircktion erörtert werden soll. Es handelt dabei, wie die „B. N. N." Mitteilen, sich um die Aushebung des Fernsprechabonnements zugunsten der Zahlung für Einzelgcspräche. Nach diesem Plan würde die Anlage eines Telephons für einen geringen Betrag erfolgen, durch den gerade die Anlagekosten des Apparates gedeckt werden. Für jedes einzelne Gespräch des Teilnehmers ist dann ein bestimmter niedrig bemessener Preis zu zahlen; die Anzahl der täglich von dem Teilnehmer geführten Gespräche wird durch einen Kontrollapparat auf dem Amt ermittelt. Dieser Apparat soll auch bereits in Ausarbeitung sein, doch ergicbt seine Thätigkeil noch keine vollkommene Sicherheit für tadellose Arbeit.
Essen, 27. Sept. Geheimrat Krupp hat die Zinsen aus dem gelegentlich der Aussöhnung zwischen dem Kaiser und dem Fürsten Bismarck gestifteten Kapital von 100 000 einer zu begründenden Fachschule für Handwerker überwiesen.
Niedersulzbach, 26. Sept. Gestern kamen drei desertierte französische Fremdenlegionäre, wovon einer mit der silbernen Tonking-Medaille geschlickt war, in Uniform hier an und meldeten sich bei der Gendarmerieslalion, worauf sie ihre Uniform mit Zivilkleidern vertauschen mußten. Die noch jungen Leute sind Elsäßcr. Ais Ursache zur Desertion geben sie schlechte Behandlung neben furchtbaren Strapazen an.
Vor einigen Tagen hat das preuß. Kriegsministerium angeordnet, daß die Selbstbewirt- schaflung der Kantinen durch die Truppen aufhören solle. Spätestens bis zum Anfänge des Jahres 1896 müßten alle Kantinen an Privatpersonen verpachtet werden. Diese Anordnung ist hauptsächlich aus militärischen Gründen getroffen, damit die bisher in den Kantinen beschäftigten Soldaten ihrer dienstlichen Thätigkeil besser nachgehen könnten; die Maßregel ist jedoch auch aus wirtschaftlichen Gründen zu begrüßen, denn dadurch, daß die Militärverwaltung darauf bedacht gewesen war, die Bedürfnisse des Militärs mehr und mehr durch eigene Einrichtungen zu befriedigen, wurde dem Mittelstand, der in früheren Zeiten erhebliche Vorteile gehabt hatte, wenn an einem Orte eine Garnison bestand, der Verdienst ganz entzogen, daß man anfängt, diese Bahnen wieder zu verlassen, ist sehr erfreulich, denn der Umstand, daß trotz der Vermehrung des Heeres, also trotz gesteigerter Auforderungen an die Steuerzahler, die materiellen Vorteile der Civilpersonen an dem Heere sich immer mehr verringerten, machte die Armee nicht gerade populärer. Indessen sollte die Militärverwaltung sich mit der Verpachtung der Kantinen an Privatpersonen nicht begnügen, sondern vielmehr einen Schrtt weiter gehen und die Kantinen möglichst aufheben.
(Handelsmarine.) Der Norddeutsche Lloyd in Bremen hat am 29. Aug. abermals einen neuen Doppelschraubendampfer größter Dimensionen in Fahrt gestellt. Der neue Dampfer „Prinzregent Luitpold" hat einen Raumgehalt von 7000 t, eine Länge von 485 Fuß, eine Breite von 52 Fuß und eine Tiefe von 36 Fuß (vom Hauptdeck aus). Das Schiff nimmt 160 Kajüt- und 1000 Zwischendeckspaffagiere. Für die letzteren sind in drei Abteilungen besondere Familienkammern geschaffen, für je 10 bis 12 Personen berechnet. Die Zwischendeckseinricht-
I ungen sind ebenso wie die Salons nach einem ' ganz neuen Typus hergestellt und gesundheitlich sowohl wie in Rücksicht auf die Bequemlichkeit von höchster Vollkommenheit. Der Laderaum des Schiffes faßt 6500 ebur. Ein Schwesterschiff des „Prinzregent Luitpold" der „Prinz Heinrich", lief am 21. August auf der Werst von F. Schichau in Danzig von Stapel. Beide Dampfer sind zunächst für den Dienst auf den Rcichspostlinien des Norddeutschen Lloyd bestimmt. Der „Prinzregent Luitpold" hat, wie schon bemerkt, seine erste Reise nach Australien bereits angetreten. 5 neue Dampfer des Norddeutschen Lloyd befinden sich gegenwärtig auf deutschen Werften noch in Bau.
Württemberg.
Geburtsfest der Königin. Wie der St.-Anz. vernimmt, ist von S. M. dem König als Predigttext für die am Sonntag den 7. Okt. d. I. statlflndende kirchliche Feier des bevorstehenden Allerhöchsten Geburtsfestes I. Majestät der Königin in den evangelischen Kirchen des Landes die Stelle Psalm 103, 1. 4: „Lobe den Herrn, meine Seele, der dein Leben vom Verderben erlöset, der dich krönet mit Gnade und Barmherzigkeit" bestimmt worden.
Stuttgart. 29. Septbr. Am heutigen Samstag sind es 50 Jahre, seit Se. Hoheit Prinz Herrmann zu Sachsen-Weimar beim Militär eintrat. Eine öffentliche Feier dieses 50jährigen Militär-Jubiläums hat der hohe Herr abgelehnt. Zur Gratulation erschien aber eine Anzahl von Offizieren, welche unter Sr. Hoheit gedient haben, im Palais Weimar und überreichten mit den herzlichsten Glückwünschen einen Ehrensäbel mit Widmung. Der Prinz wurde am 4. Aug. 1825 auf Schloß Altenstein in Sachsen-Meiningen als Sohn des Herzogs Bernhard zu Sachsen-Weimar, Königlich niederländischen Generallieulenants, und der Herzogin Jda geb. Prinzessin von Sachsen-Meiningen geboren. Am 15. Oktober 1840 trat er in die Osfiziersbildungsanstalt in Ludwigsburg ein, wurde nach deren Absolvierung am 30. Sept. 1844 zum Lieutenant im damaligen 2. Reiterregiment ernannt und im Oktober 1845 zur Königl. „Leibgarde" versetzt. In dieser Truppe durchlief er die verschiedenen Dienstgrade, dis er im Jahre 1851, zum Oberstlieutenant ernannt, das Kommando der Leibgarde übernahm. Dieses Jahr brachte für ihn noch ein anderes frohes Ereignis — seine Vermählung mit Ihrer Königl. Hoheit der Prinzessin Augusta von Württemberg, Tochter des Königs Wilhelm I. und Tante Sr. Majestät unseres Königs Wilhelm II. Infolge dieser Vermählung ist der Prinz ein Angehöriger unseres württembergischen Königshauses und es ist das Schwabenland seine zweite Heimat geworden. Im Jahre 1853 zum Obersten befördert, übernahm er im Mai 1859 das Kommando des 2. Reiterregiments und wurde kurz darauf unter Beförderung zum Generalmajor zum Kommandanten der Reiterdivision ernannt.
In dieser Stellung verblieb er bis zum Oktober 1865, wo er — seiner Bitte gemäß — derselben enthoben und zum Generallieutenant a 1u 'suite der württ. Reiterei ernannt wurde. Am 15. Juli 1879 erfolgte seine Ernennung zum General der Kavallerie und am 28. April 1887 wurde er ü la suite des Dragonerregiments „König"
(2. württ.) Nr. 26 gestellt. Entstammt aus einem Fürstenhause, dessen Namen in der Geschichte und Litteratur des deutschen Volkes einen hervorragenden Klang hat, ausgerüstet mit einem für alles Schöne und Gute empfänglichen Ge- müte, begeistert für die errungene Einheit unseres deutschen Vaterlandes, ein treuer Diener unseres Königs, stets thätig für die Interessen unseres württembergischen Heimatlandes und dessen Hauptstadt — so steht sein Bild vor unseren Augen, so sehen wir heute froh bewegt an ihm hinauf. Am 4. August nächsten Jahres feiert Se. Hoheit seinen 70. Geburtstag. Diesen Tag besonders festlich zu begehen, werden sich die Vereine des Württ. Kriegerbundes, an dessen Spitze der Prinz kurz nach der Gründung ge« ! treten ist, nicht nehmen lassen. .
Stuttgart. Um die Stelle eines be- ! soldeten Gemeinderats hat sich Rechtsanwalt >