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Amts- «Kd AuzeigeölaLL für den Bezirk Galw.

76. Jahrgang.

Sri'Heint Dienstags, Donnerstags und Samstags. Die EinrückungSgebühr beträgt im Bezirk und in nächster umoebung s Psg. die seile, weiter entfernt IS Psg.

Samstag, den 15. Juni 1901.

Vierteljährlicher AbonnementSpreis in der Sladt Mk. 1.10 ins Haus gebracht, Mk. 1. 15 durch die Post bezogen im Bezirk; außer Bezirk Mk. 1. 35.

Amtliche Bekanntmachungen.

An die Ortsbehördru.

Um den Namen der Gemeinden schön und deutlich auf die Quittungs-Karlen aufdrücken zu können, wird den Ortsbehörden empfohlen, runde Gummistempel in der Größe des auf den Quit­tungs-Karten dafür vorgesehenen Raumes anzu­schaffen, soweit dies noch nicht geschehen sein sollte.

Calw, 11. Juni 1901.

K. Oberamt. i Voelter.

Tagesneuigkeiten.

Calw. Beim Jubiläums schießen der Stuttgarter Schütze ngilde erhielt Hr. Fabrikant Hippelein von hier auf Fcld- festscheibeKönig Wilhelm" den 3. Preis, einen von Herzog Robert gestifteten prächtigen silbernen Pokal (zu 260 gewertet).

Stuttgart, 11. Juni. (Strafkammer.) Wegen eines Vergehens der fahrlässigen Tötung war der 51jährige verheiratete frühere Chirurg und jetzige Kaufmann Friedrich Benzinger von Döffingen, OA. Böblingen, vorgeladen, welcher als geprüfter Heilgehilfe seit einer Reihe von Jahren die Chirurgie ausübte, aber im Jahre 1896 ein kaufmännisches Geschäft übernahm, ohne jedoch elfteren Beruf gänzlich aufzugeben. Im Februar ds. JZ. nahm er die 61jährige Witwe Wolf zu Döffingen in Behandlung, welche durch einen Fall auf dem Eise sich einen komplizierten Knöchclbruch zugezogen hatte, verbunden mit einer großen Wunde an der Bruchstelle, aus der die Bruchstücke der Knochen hervorragten. Benzinger wusch die Wunde mit einem in warmes Wasser getauchten leinenen Lappen aus, bestreute sie mit einem homöopathischen Pulver,

vernähte sie dann und legte einen Verband au. Schon nach einigen Tagen stellte sich eine hoch­gradige Entzündung und starke Eiterung und hie­rauf eine Blutvergiftung ein und trotz der Ampu­tation des unteren Teils des Fußes starb die Frau 13 Tage nachher. Nach dem Gutachten der Sach­verständigen Dr. Schwab von Wcilderstadt, OA.- Arzt Dr. Andrassy von Böblingen und Medizi­nalrat Dr. Köstlin war dieser schlimme Verlauf hauptsächlich der Nichtanwendung der seit 30 Jahren bekannten antiscptischen Behandlung (mit Karbol­säure) zuzuschreiben, da anzunehmen ist, daß durch eine solche eine bereits vorhandene Infektion be­seitigt worden wäre, während durch die vom An­geklagten angewandte Behandlungsweise eine solche auch erst in die Wunde hineingebracht worden sein kann. Auch hätte der Angeklagte angesichts einer so schweren Verletzung die Pflicht gehabt, sofort einen approbierten Arzt zur Behandlung zuzuziehen, was er unterließ. Als schwere grobe Fahrlässigkeit wurde ihm deshalb angcrechnet, daß er bei seiner mangelhaften Vorbildung eine solche Wunde in Behandlung nahm, ohne den kardinalsten Vorschrifte» der antiseptischen Behandlung Rechnung zu tragen, jedoch wurde mit Rücksicht auf seine Unbescholten­heit nur auf eine zehntägige Gefängnisstrafe gegen ihn erkannt.

Sulz a. N., 12. Juni. (Wollmar kt) Auch in diesem Jahr hat die Zufuhr zum heutigen Wollmarkt eine Steigerung erfahren, dagegen ver­lief der Handel bisher bei niederen Preisen flau. Im Großhandel stellten sich die Preise auf 86 bis 92 c). per Pfd. Im Kleinhandel wurden für braune Wolle 1 20 bis 1 40 für weiße 95 ^

bis 1 20 L-. bezahlt.

Gmünd, 12. Juni. Auf dem hiesigen Bahnhofe wurde ein Knecht des Güterbeförderers Eisele, als er gestern morgen etwa halb 11 Uhr

das Geleise vor der Restauration überschreiten wollte, von einer R a n g i e r m as ch i u e erfaßt und zu Boden geworfen, während die Maschine über ihn hinwegsauste. Glücklicherweise war der Manu zwischen die Geleise geworfen worden und kam außer den insbesondere am Rücken zerrissenen Kleidern und Hautschürfungen mit einem Loch im Kopfe anscheinend davon, konnte sich auch noch allein zum Arzte begeben. Ten Zug- und Bahnbeamten blieb es nach ihrer Aussage ein Rätsel, wie der Mann bei der tiefgehenden Anlage der Maschine mit dem Leben davonkam.

Mainz, 12. Juni. Der deutsche Kaiser und der König von England treffen am 14. August zur Truppenschau in Mainz ein.

Berlin, 12. Juni. Zur Enthüllung des N a tio n a l - D e n km a l s für den Fürsten Bismarck hat wie die Naüonal-Zeitung berichtet, der Kaiser eine Ehren-Compagnie vom 2. Garde- Regiment zu Fuß befohlen sowie eine Abordnung der Halberstädter Kürassiere, deren Chef der Alt- Reichskanzler war. Auchki die gesamte Generalität wird der Einweihung bewohnen. Die Mitglieder vom Bundesrat und Reichstag werden sich in ge­schlossenem Zuge vom Reichstage herab über die Rampe nach dem Festplatz begeben und am Kaiser­zelt sich aufstellen. Das Plateau wird, soweit es sür den Rundgang frei bleiben soll, abgegrenzt. Von weit und breit ist eine große Anzahl von Ab­ordnungen angemeldet, die zum Schluß der Feier Kränze am Denkmal niederlegen wollen.

Berlin, 12. Juni. Nach einem Tele­gramm der Vossischen Zeitung aus London wird aus Peking depeschirt: Prinz Tschung reist mit Genehmigung des deutschen Gesandten am 13. ds. ab, um dem deutschen Kaiser das Bedauern des chinesischen Hofes über die Ermordung des Herrn

^ kL 1 9 jkk. Nachdruck verboten.

Ki« WLdchenfchicksar.

Frei nach dem Englischen von A. Wend t.

(Fortsetzung und Schluß.)

Sir Harrp ist sehr unglücklich. Kleine," fuhr Alice fort.Er war sehr hart zu Ihnen, aber er hat so viel gelitten! Seine Qualen in der vergangenen Nacht waren groß, sie gleichen all seine Härte aus. Wollen Sie ihm verzeihen Jane? Es kann Ihnen doch nicht zu schwer werden, da Sie ihn so lieb haben, denn das können Sie nicht ableugnen, Jane, Sie lieben ihn."

Eine tiefe Stille herrschte einige Minuten im Zimmer; dann sagte Jane leise und unsicher:Ja, Alice, ich kann mir nicht helfen, ich werde ihn lieb haben, so lange ich lebe! Aber Sie dürfen nicht böse mit mir sein"

Böse ?" sagte Alice, sie umarmend,nein, ich würde böse sein, wenn es anders wäre, da er.selbst Sie so sehr liebt und nie einer andern seine Liebe schenken würde. O, Jane, denken Sie nach, war er der einzige Mann, welchen Sie ge­liebt haben? Erinnern Sie sich an keinen andern?" Jane konnte keine Antwort geben, zitternd lag sie da und starrte Alice mit großen, unruhigen Augen an.

Haben Sie jemals etwas von Willy Smith gehört?" fragte Alice errötend. Gut, ich lernte ihn damals im Seebade kennen; er erzählte mir von einer ge­wissen, unartigen, kleinen Dame, welche seine Braut gewesen war. Er war sehr traurig und sehr unglücklich zuerst; aber nach einiger Zeit er fragte mich dann nicht, und ich glaubte, er mache sich nichts aus mir. Aber jetzt vor dem Fest sahen wir uns wieder, und und wir sind jetzt sehr glücklich, Jane! Er gab mir den Diamantring. Sir Harry wußte, daß ich mit Willy verlobt bin, aber er hat mein Geheimnis bewahrt, Hanna habe ich es gestern gesagt. Er und ich schloffen einen geheimen Bund, bevor wir zum Fest herkamen; einem gewissen, dummen, kleinen Mädchen gegenüber sollte ich mich als seine Braut stellen, cs

sollte eine letzte Prüfung für Dich sein und-Nun, Du verstehst mich!

Willst Du uns verzeihen? Wir waren hart genug bestraft gestern, als wir sahen, wozu wir Dich, unfern Liebling, getrieben hatten. Tu Treue! Tu edelmütige,

dumme, kleine Närrin!" fügte sie lachend hinzu, um ihre Thränen zu verbergen. Als ob er, da er einmal Dich liebte, noch für mich Liebe haben könnte! Und nun, Jane, um mich glücklich zu machen, mußt Du erst glücklich sein. Willst Du mich envürgen, kleine Freundin, und mit Deinen Küsten ersticken? "Nein, nein, ich habe nichts gethan, dieselben zu verdienen. Sei nicht so freigebig damit. Du behälft sonst keine für Sir Harry übrig. O, das werden glückliche Weih­nachtsfeiertage für uns werden, Jane!"

Jane konnte kein Wort erwidern, aber der stumme Druck ihrer Hände, der leuchtende Glanz ihrer glückstrahlenden Augen waren beredt genug.

Harry Jates war während der Zeit wie ein gefangener Löwe im Zimmer auf und ab gegangen. Alice hatte ihm zwar versichert, daß es bester gehe, aber er war ängstlich und unruhig.

Es war ein herrlicher Morgen, so ein richtiger, schöner, klarer Weihnachts­tag. Der Himmel war blau und wolkenlos, die Sonne schien hell und blendend auf den weißen Schnee, auf die bereiften Bäume, es war ein köstlicher Anblick. Doch der junge Mann wendete sich schauernd vom Fenster ab, fast haßte er den kalten Schnee, welcher beinahe sein ganzes Glück begraben hätte.

Als er sich herumdrehte, öffnete sich, die gegenüberliegende Thür. Noch ein wenig geblendet von dem blitzenden Schnee, schritt er hastig vorwärts, in der Meinung, es sei Alice, welche eintrat. Aber nicht Miß Durham erschien, sondern ein anderes kleines, schankes Mädchen, mit einem eleganten Hckuskleide aus dem Vorrat der zukünftigen Mrs. Smith bekleidet, stützte sich gegen den Thürpfosten und kam dann langsam mit niedergeschlagenen Augen näher.

Laut aufjauchzend zog Sir Harry die bebende, kleine Gestalt in seine Arme, an sein Herz. Jane schmiegte sich fest und vertrauensvoll an ihn, beide waren stumm vor übergroßem Glück. Und nicht lange darauf brachte Sir Harry eine junge, schöne Gattin nach Aates-Hall, wo beide ein glückliches, segensreiches Leben führen. Sie sehen häufig Gäste von den benachbarten Besitzungen bei sich, unter denen Mr. und Mrs. Smith ihnen die teuersten sind. Diese sind nach Jane's Meinung eben so glücklich wie sie selbst, so glücklich wie niemand sonst in der Welt.

(Ende.)