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glotzende Gesicht von „Monsieur Jean« erschien, räumte ich das Schlachtfeld.
Ich bin ein viel zu passionierter Jäger, als daß die Aussicht auf einen Kuß meinen Jagdeifer noch mehr hätte steigern können. Nacht für Nacht lag ich draußen auf dem Anstand, allein, obgleich ich jedesmal Wölfe hörte, glückte es mir doch nicht, einen der Gesellen zu Gesicht, geschweige denn zum Schüsse zu bekommen. Ich hatte eben damals noch die irrige Ansicht, daß Isegrim zu dem einmal gerissenen Stück zurückkehre.
Die Frechheit der Grauröcke ward dabei stündlich größer, und als eines Morgens am Hellen lichten Tage ein Mann auf der Landstraße unmittelbar vor Woippy von ihnen an- gefallrn und nur durch das zufällige Erscheinen einer Kavallerie-Patrouille gerettet wurde, ließ ich mich in der „Auberge" gar nicht fürder blicken, die Neckereien Mariettes kannten ja keine Grenzen.
So war es Sylvester geworden, — der Abend halte ein viel zu heiliges Anrecht auf eine Punschbowle, als daß ich an ihm nicht meinem Burschen, der mir schon die Jagdausrüstung reichen wollte, abgewinkt hätte, um bald darauf mich hinunter in die Stadt, ins Kasino zu stürzen.
Es ging äußerst fidel zu, und als „schwerer« Mann passierte ich Nachts gegen 10 Uhr das „Diedenhofener Thor«, um meinem geliebten Fort, wo ich um 3 Uhr morgens die Wachen revidieren mußte, zuzusteuern.
(Fortsetzung folgt.)
Berlin, 11. August. Eine schwere Zug- entleisung ist am Samstag durch fünf Ochsen herbeigeführt worden. Als der vom Osterode kommende Personenzug am Samstag Abend in Miswalde einlaufen sollte und an dem Dorfe Taabern vorübersuhr, sah der Lokomotivführer mehrere Ochsen zwischen den Bahnschienen dem Zuge entgegenkommen. Trotzdem sofort der Train gebremst wurde, war es zu spät; die Tiere stürmten der Lokomotive entgegen, gerieten unter die Maschine und brachten dieselbe zur Entgleisung. Die Lokomotive fuhr annähernd 50 Meter auf den Bahnschwellen, stürzte dann von dem */r Meter hohen Bahnkörper herab, 2 Wagen mitziehend. Ein Güterwagen wurde vollständig zertrümmert, besser davongekommen ist ein Personenwagen dritter Klasse, in welchem mehrere Personen leichte Verletzungen erlitten haben. Als besonderes Glück ist der Umstand zu betrachten, daß die Entgleisung nicht 100 Meter weiter geschah, wo der Bahndamm eine Höhe von 20 Meter hat. ebenso daß trotz der gefährlichen Lage der Maschine der Kessel nicht platzte, sonst wären die Folgen unabsehbar gewesen.
Ein großer Einbruchsdiebstahl, bei dem nicht weniger als für 17000 Mk. Briefmarken entwendet worden sind, ist in der Nacht zum Sonnabend bei einem Briefmarkenhändler in der Potsdamerstraße verübt worden. Unter den entwendeten Briefmarken befinden sich sehr wertvolle alte Postwertzeichen der deutschen Einzelstaaten, wie Preußen, Hannover, Mecklenburg, Oldenburg rc. Der Diebstahl kann nur von Fachleuten der Markenbranche ausgeführt worden sein; für gewöhnliche Einbrecher dürften Briefmarken schwerlich etwas „Anziehendes" haben.
Aus Mecklenburg. 10. August. Ein trauriges Zeichen der Zeit, schreiben die „Meckl. Nachr.«, sind die hier und da im Lande entstandenen „Saufklubs". Man findet sie in Dörfern ohne Krüge (d. i. Wirtshäuser) und Ausspann- ung. Sie wollen Leuten, die am Trünke und Kartenspiel Gefallen finden, hierzu Gelegenheit geben. Gegen ein Eintrittsgeld von 10 Pfg. wird man passives, gegen einen monatlichen Beitrag von 5 Pfg. aktives Mitglied. Da diese Vereine die gesetzlichen Vorschriften über Schankberechtigung umgehen und die Zahl der Schankstätten noch vermehren, so sind die Gerichte in der Lage, thatkräftig gegen sie vorzugehen und die Vorstände wegen Gewerbevergehen in Strafe zu nehmen.
Die Proben für das neue Kochgeschirr aus Aluminium der Soldaten sind in Preußen zur Ausgabe gelangt, und die Beschaffung derselben durch die Truppen ist angeordnet worden. In der Form weicht das neue Kochgeschirr von dem alten nicht ab. Es ist wie dieses als Einzel- kochgeschirr eingerichtet, dessen größerer Teil mit Merkstrichen des Litermaßes versehen ist, während der kleinere, als Deckel dienende Teil mittels eines im Geschirr selbst mitzuführenden Handgriffs als kleine Bratpfanne benützt werden kann. Eine vollständige Umwandlung hat aber das Aeußere durchgemacht, indem dieses geschwärzt ist, und also beim Tragen desselben auf dem Tornister jedes Blinken und damit die Sichtbarkeit von Weitem ausgeschlossen ist. Das Innere des Kochgeschirrs zeigt aber die Metallfarbe des Aluminiums. Wie es heißt, werden die neuen Kochgeschirre bereits bei den diesjährigen Kaisermanövern, jedenfalls bei der Kaiserparade in Gebrauch genommen werden, so daß die äußere Erscheinung der Truppen einen veränderten Anblick gewähren wird.
In dem Schaufenster eines Schuhwarengeschäfts in der B.-Str. in Berlin befindet sich, wie man im „Berl. Tagebl.« liest, ein aus dicken eisernen Stäben zusammengefügter kleiner Käfig, der Wiesel, Marder oder anderes Raubzeug beherbergen könnte. Alle Welt staunt ihn an, immer finden sich dort dichte Menschengruppen, die das Schaufenster umlagern, obwohl in dem Käfig keine Spur von solchem Raubzeug zu entdecken ist. Es sind dort vielmehr nur 30 Zehnmarkstücke geborgen, die derjenige erhalten soll, der dem Geschäftsinhaber Nachweisen kann, daß er je im Leben beim Verkauf seiner Ware 10 Pfennige vorgeschlagen habe. Noch keinem scheint es gelungen zu sein, dem Schuhmachermeister eine Verletzung seines Geschäftsgrundsatzes nachzuweisen.
(Pinkerts Versuch einer Kanalüberfahrt mittelst des Wasservelocipeds.) Der in England lebende Ingenieur Georg Pinkert hat vor einiger Zeit den Versuch unternommen, den Kanal la Manche zwischen Cap Grisnez und Folkestone mittelst des von ihm konstruierten Wasservelocipeds zu überqueren. Dasselbe hat Räder aus Gummi, die mit Luft aufgepumpt sind. An den Seiten der Hinteren Räder befinden sich wie bei einem Wasserrad gebogene Schaufeln, während das Vorderrad als Steuer dient. Am Morgen des 23. Juli fuhr Pinkert, ohne sich von einem Boote begleiten zu lassen, bei Cap Grisnez von der französischen Küste ab. Vergeblich wartete man indessen in Folkestone auf seine Ankunft. Es wurde Nacht und Pinkert war noch nicht in Sicht. Endlich kam von Calais die Nachricht, daß die Kanaldurchquerung aufgegeben worden sei, nachdem der Fahrer noch nicht ganz den halben Weg auf den Wellen zurückgclegt habe. Er scheint, auf hoher See angelangt und von einer starken Strömung erfaßt, seine Richtung verloren zu haben; nach einer anderen Annahme wurde er von einem Anfall der Seekrankheit heimgesucht; genug, er gab das „Wasser- treten« auf und ließ sich samt seiner Maschine in einiger Entfernung von Dünkirch von einem Fischersahrzeug bergen und nach Boulogne bringen. Trotz alledem hat Pinkert aber seinen Plan noch nicht aufgegeben, denn er gedenkt in nächster Zeit den Versuch zu wiederholen.
(Einfache Prüfung der Butter auf Verfälschung.) Die verdächtige Butter wird nach der Zeitschrift „Fürs Haus« auf ein Stück weißes Papier gestrichen, dieses zusammengerollt und angezündet. War die Butter rein, so entwickelt sich ein unangenehmer Geruch, war sie mit tierischen Fetten gemengt, so riecht sie nach verbranntem Talg.
(Nur immer Geschäft.) Hausfrau in Karlsbad zum neuen Dienstmädchen: Hören Sie, Anna, — wenn wieder ein Kurgast abreist, dann sagen Sie bloß: „Auf Wiedersehn," und nicht wieder „bleiben S' g'sund," — Sie Gans, wenn die Leut' g'sund bleiben, dann kommen s' gar net wieder!
(Poesie und Prosa.) Er: „Ich liebe Sie, mein Fräulein. ich will sie auf den Händen tragen!" — Sie: „Auf die Dauer würde das Ihnen doch zu schwer, so wäre mir von Anfang an eine Equipage schon lieber!"
Falbs Wetterbericht. Zwei Tage vor und nach dem kritischen Termine des 1. August nahmen die Niederschläge zu; namentlich aber zeichnete sich der 7. August durch ein verheerendes Unwetter aus. das besonders arg in der Mark Brandenburg wütete. Am Tage darauf traten heftige Gewitter auch in Steiermark und Kärnten ein. Gleichzeitig fand ein zerstörendes Erdbeben am Fuße des Aetna statt. Mit der Annäherung an den kritischen Termin des 16. August ist eine Zunahme der Niederschläge wahrscheinlich. Um den 18. wird dann bei Eintritt stärkerer Winde eine Aenderung des Witterungscharakters wahrscheinlich, derzufolge neuerdings Temperatursteigerung und Gewitter in Aussicht stehen. Im Vergleiche mit dem Vorjahre zeigt der bisherige Verlauf des Wetters im August bereits einen bedeutenden Ueberschuß an Niederschlägen, der in der zweiten Hälfte des Monats wahrscheinlich noch stärker hervortreten wird. Das entgegengesetzte Verhalten ist vom Sept. zu erwarten.
Telegramme.
Berlin, 15. Aug. Anläßlich der ausge- tauchtcn Gerüchte über den Aufschub der Vermählung der Prinzessin Alix von Hessen mit dem russischen Thronfolger leitartikelt die Voss. Ztg. über den Glaubenswechsel einer deutschen Prinzessin. Sie verurteilt das Verlangen der russischen Kaiserfamilie, wonach die deutsche Prinzessin zwecks Aufnahme in das kaiserliche Haus zur orthodoxen Kirche überzutreten habe, insoweit dieser Glaubenswechscl nicht aus wirklicher Ueberzeugung geschieht. Für diesen Zustand sei hauptsächlich die deutsche Regierung als verantwortlich anzusehen, welche dem Ansinnen Rußlands nicht entgegenträte.
Berlin, 15. Aug. Das „Berl. Tagebl.« meldet aus London: Ein in Viktoria angekommener Postdampfer berichtet, daß die Eingeborenen der Fidschiinseln mehrere Ortschaften überfielen, die Einwohner töteten und auffraßeu. Seit 20 Jahren ist das der erste dortige Rückfall im Kannibalismus.
Schwäb. Hall, 15. Aug. Die im Walde bei Michel seid aufgefundenen Gegenstände Strahlenmonstranz, Ciborium, Meßkelch, Kreuzpartikel, Weihrauchschiffchen) wurden im Februar d. I. aus der Kirche zu Peting, Post Neuenburg in Bayern entwendet.
Pest, 15. Aug. Das im Bau befindliche Palais der Handelsbank in Szatmar ist gestern nachmittags eingestürzt. 16 Arbeiter wurden verschüttet. Bisher sind 5 schwer verletzt und einer tot heraufbefördert worden.
Paris, 15. Aug. Die Guillotine ist gestern abend nach Lyon abgegangen. Die Hinrichtung Caserios wird wahrscheinlich Donnerstag früh stattfinden.
London, 15. Aug. Das Oberhaus verwarf nach zweitägiger Debatte mit 24 gegen 30 Stimmen die Pächterbill.
London, 15. Aug. Reutter meldet aus Jokohama: Am Samstag fand ein Seetreffen zwischen Japanesen und Chinesen statt. Es heißt, die Chinesen seien zurückgeschlagen worden.
Rom, 15. Aug. Die Polizei entdeckte eine Anzahl Individuen, welche Explosivwerkzeuge anfertigten und verhafteten sieben. Die Verhafteten fallen unter die neuen Anarchistengesetze. Bei einem derselben, dem Zeitungskolporteur Clari wurde ein vollständiges Laboratorium zur Herstellung von Explosionsmaschinen entdeckt. Eine dort Vorgefundene Bombe, welche zur Explosion vorbereitet war, gleicht durchaus der bei der Deputiertenkammer aufgefundenen. — Der „Jtalia" zufolge sollte eine Bombe in Crispis Hause explodieren. So habe eine Versammlung von 15 Anarchisten am 2. August beschlossen, um gegen die Verurteilung Caserios und Legas zu protestieren. Ein gewisser Giganti, damit betraut, die Bombe zur Explosion zu bringen, wurde verhaftet.
Redaktion, Druck und Verlag von C. Meeh in Neuenbürg.