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UnerbeteneZusendungvonWaren. Für alle diejenigen, die durch unerbetene Zusendung von Waren belästigt werden, ist folgender Fall von Interesse: Ein Kaufmann machte einer Dame ein Angebot von Kaffee mit dem Bemerken, daß der Kaffee abgeschickt würde, wenn in 8 Tagen keine ablehnende Antwort einginge. Die Adressatin ließ die Postkarte unbeachtet und erhielt dann wirklich ein Packet unter Nachnahme. Als die Einlösung verweigert wurde, drohte der Absender mit seinem Rechtsanwalt und, daß der Dame erhebliche Kosten entstehen würden. Diese Mahnung wurde der Staatsanwaltschaft angezeigt, und diese erhob Klage wegen versuchter Erpressung. Das Gericht verurteilte den Kaufmann zu zehn Tagen Gefängnis. Das Reichsgericht hat die Revision verworfen.
Mit lügnerischen Reportern geht man in Wien streng ins Gericht. Von gestern wird von dort gemeldet: Der l 8jährige Heinrich Seidkamm, welcher sich in der letzten Zeit ein Geschäft daraus machte, den Zeitungsredaktionen gegen Honorar erfundene Meldungen über lokale Vorfälle zu bringen, wurde vom Richter Dr. Kurzweil des Betruges schuldig erkannt und zu 14 Tagen strengen und verschärften Arrestes verurteilt. Das strenge Urteil motiviert der Richter damit, daß die Zeitungen durch den Betrug nicht blos materiell, infolge der eingeleiteten kostspieligen Recherchen, sondern auch moralisch geschädigt worden sind.
Die Blindevon Manzanares, einein ganz Spanien bekannte Persönlichkeit, ist vor einigen Tagen gestorben, und alle spanischen Zeitungen beschäftigten sich mit ihrem Tode. Die Blinde von Manzanares war eine Dichterin, welche ein ganz außerordentliches Talent besaß — zu betteln. Sie schmiedete Verse, wovon viele wirklich bedeutend sind und auch gedruckt wurden. Im Wesentlichen bezweckten ihre sämtlichen Gedichte, ihr „Elend" zu schildern und die Leute zum Almosengeben zu bewegen. Dies gelang ihr denn auch vortrefflich. Es giebt wohl in Spanien keinenJournalisten,Dichter, Schriftsteller oder Staatsmann, der nicht nach Manzanares gewandert wäre, um die erstaunliche Bettlerin deklamieren zu hören. Die Königin Jsabella ließ der Frau eine Unterstützung von 30000 Duros (120000 Mk.) zu teil werden. Die Blinde von Manzanares hinterläßt ein Vermögen von ungefähr 300000 Pesetas. Und nun sage man noch, daß die Dichtkunst brotlos sei!
(Ein Geizhals.) Aus Cleveland, Ohio, berichtet die Westliche Post vom 19. Juli: Einer der ärgsten Geizhälse, Benjamin Weller, ist heute gestorben. Er erreichte ein Alter von 85 Jahren. Er sowohl wie seine Frau brachten ein stattliches Vermögen mit in die Ehe und das ganze Sinnen und Trachten Beider war nur darauf gerichtet, immer größeren Mammon anzuhäufen. Jedes verwaltete sein Geld für sich und der Argwohn zwischen den Gatten kannte keine Grenzen. Nur im Geize waren sie ein Leib und eine Seele. Weller hinterläßt ein Vermögen von einer halben Million. Das Leben, das er mit seiner Frau führte, war ein höchst eigentümliches. Sie führte die Haushaltung und er bezahlte sie dafür. Wenn er eine Taffe Kaffee trank, zahlte er dafür, nähte sie ihm einen Knopf an, so mußte er dafür bezahlen. Im Winter saßen Beide, er mit seinem Pelzmantel bekleidet, sie in mehrere Decken eingewickelt, in dem kalten Zimmer. Feuer betrachteten sie als einen ebenso großen Luxus wie Beleuchtung. Sobald es dunkel wurde, ging das Paar zu Bett. — (Es giebt auch bei uns solche sparsame Leute!) Kohlen und Licht wurden auf diese Weise gespart. In den ersten Jahren seines Ehestandes mar Weller Hufschmied und seine Frau half ihm wie ein Geselle. Vor acht Jahren wurde Frau Weller ermordet aufgefunden. Da zwischen den Ehegatten sehr häufig Streitigkeiten vorgekommen waren, so lenkte sich der Verdacht, den Mord begangen zu haben, sofort auf den alten Weller. Derselbe wurde verhaftet, jedoch nach langen Verhand- lungen freigesprochen. Der Prozeß kostete ihn
baare 10,000 Doll. Weller hinterläßt eine große Anzahl Häuser, die von nahezu hundert Familien bewohnt werden. Kindern hinterläßt er nicht. Sein ganzes Vermögen geht auf eine Anzahl entfernter Verwandter über.
In einem Berliner Blatt war annonciert: „Ein seidenes Kleid für 3 Mark zu erhallen bei N. N." Eine Frau dachte mit 3 billig zu einem seidenen Kleid zu kommen und sandte 3 --4L per Posteinzahlung ein. Was erhielt sie? Einen Roman, dessen Titel „ein seidenes Kleid" war. Derartige Annoncen sollten vom Publikum immer mit der nötigen Vorsicht ausgenommen werden, da auch die einfachste Berechnung ergiebt, daß für den angegebenen Preis kein seidenes Kleid erhältlich ist.
Ein Wiener Blatt meldet: Sennor Arce, der jüngst ermordete Präsident von Boli- via, war immens reich und warf das Geld förmlich zum Fenster hinaus. Eines Tages, als er noch bevollmächtigter Minister in Paris war, ritt er bei Vincennes vorüber. Er sah eine Villa, die ihm gefiel. Er trat ein und fand die Familie, der die Villa gehörte, bci Tische: „Verzeihen Sie. wenn ich störe, ich wollte nur fragen, ob Sie diese Villa verkaufen; sie gefällt mir."
— „Je nachdem, das kommt ganz darauf an." — „Was soll sie kosten?" — „Zwei Millionen Franken." — „Können Sie gleich ausziehen?"
— „Wenn es darauf ankommt, in einer Stunde."
— „Nein," sagte dÄrce, „das ist zu spät. Wer weiß, ob sie mir in einer Stunde noch gefällt. Hier eine Anweisung auf zwei Millionen, aber stehen Sie gefälligst auf und gehen Sie sofort." Und die Familie, die den Namen d'Arce kannte, stand auf und der neue Besitzer der Villa setzte sich an den gedeckten Tisch und ließ sich das Essen trefflich schmecken ... So erzählt man wenigstens die Geschichte, die freilich etwas sehr bolivianisch klingt.
(Wie kann man Pflaumen, Mirabellen und Reineclanden aufbewahren?) Natürlich im getrocknetem Zustand. Wünscht man sie jedoch frisch zu erhalten, so giebt es mehrere sehr gute Aufbewahrungsarten, von denen diejenige in einer Zuckerlösung die bekannteste ist. Aber auch in reinem, gutem Alkohol, in Kirsch- und Zwetschgenwasser lassen sich die Früchte sehr lange aufbewahren, wie auch im starkgesättigtem Salzwasser viele Gemüse und Gartenprodukte. Um aber die Früchte auch im Geschmack möglichst unveränd- ert zu erhalten, sucht man die Luft möglichst abzuschließen, was auf verschiedene Weise geschehen kann, z. B. wenn man sie in reines Olivenöl legt und an kühlem Ort aufbewahrt. Sehr gut halten sie sich aber (nach den Wiener Jll. Bl.), wenn man sie in Wachs taucht, welches man aufgewärmt und mit gutem Spiritus zersetzt, resp. flüssig erhalten hat. Man taucht dann die Früchte samt Stiel, an einen Faden gebunden, wiederholt ein. läßt sie jeweils abtropfen und hängt sie in kühlem Raum auf — oder legt sie auch einfach, z. B. in Schachteln, in den Keller. Diese Wachsschale ist vollständig luftdicht und läßt sich dann leicht ablösen, wenn man mit einem flachen Messer draufklopft.
(Auch ein Barometer.) In einem Wirtshaus hört ein Gast, daß sein Nebenmann in kurzen Zwischenräumen immer das Wort: „Großglocknergletscherbesteigungskommissionsmitglied" vor sich hinspricht. „Ja wissen S", antwortet ihm derselbe auf seine Frage, „so lang ich das Wort aussprechen kann, darf ich noch eins trinken; Wenns nimmer geht, dann geh ich heim!" — (Merkwürdig.) Er: „Man hat schon zweimal geläutet — hörst Du denn das nicht?" — Sie: „Hab' nichts gehört!" — Er: „Na, da hört sich aber Alles auf! Du, eine kerngesunde Person, hörst so was nicht, und ich, der ich dalieg' mit meinem kranken Fuß. ich hör's!!« — (Durch die Blume.) Dichter: „Ich bewundere Sie, wie Sie die Rolle in meinem neuen Lustspiel ohne besondere Vorbreitung so frischweg spielen konnten!" — Schauspieler: „Ich habe ja die meisten Szenen desselben schon in anderen Stücken dargestellt!"
(Fl. Bl.l
(Zahn um Zahn.) „Mein Fräulein, Gx haben mir als Erwiderung für das Gedicht, das ich auf Sie gemacht habe, eine Haarlocke ge. schickt. Wie ich sehe, ist sie aber nicht von Ihrem Kopf." — „„Das ist ganz in Ordnung — das Gedicht war ja anch nicht aus Ihren, Kopf.""
(Die Macht der Gewohnheit.) Herr (seinen Freund, einen Zahnarzt, besuchend): „Ich habe heute furchtbare Schmerzen im Kopfe." — Zah„, arzt (zerstreut): „Warum läßt du dir denselben nicht ausfüllen?"
Telegramme.
Eßlingen, 12 . Aug. Oberbürgermeister Dr. Mülberger traf gestern abend 7 Uhr mit seiner Gemahlin geb. Leisinger von der Hochzeitsreise zurückkehrend hier ein. 6 Mitglieder der bürgerlichen Kollegien begrüßten die Neu. vermählten am Bahnhof und gaben denselben das Geleite zur Wohnung. Vor dem dekorierten und illuminierten Hause hatte sich eine große Menschenmenge angesammelt. Die hiesigen Turn- i vereine führten einen Fackelreigen aus, woraus § die vereinigten Gejangvereine mehrere Lieder zum Vortrag brachten. Der Oberbürgermeister dankte vom Fenster aus für die herzliche Begrüßung und brachte ein Hoch auf die Stadt aus. Die Feier wurde leider durch heftigen Regen beeinträchtigt.
Ulm, 13. Aug. Landgerichtsrat Pfitzer erklärt, daß er in seiner Privatklagesache gegen Rechtsanwalt Kapp gegen den abweisenden Beschluß des Stuttgarter Schöffengerichts Beschwerde erhoben habe und daß er sich eine weitere Erklärung bis nach Erledigung dieser Beschwerde Vorbehalte.
Ulm, 13. Aug. Gestern nacht starb in Wildbad, wohin er tags zuvor abgereist war, ' Oberamtsarzt Dr. Häberle im Alter von 60 Jahren an einer Lungenlähmung. Derselbe wird nach letztwilliger Bestimmung im Heidelberger s Krematorium verbrannt und die Aschenurne soll auf dem hiesigen Friedhof beigesetzt werden.
Ulm, 13. Aug. Der Besitzer der Hirschapotheke Eduard Farr ist gestern im Alter von s 45 Jahren gestorben. j
Wien, 23. Aug. Zu Gunsten des allgemeinen Wahlrechts wurden gestern unter freiem ! Himmel auf der Feuerwerkswiese des Prater und in Schwechat je eine sehr zahlreich besuchte Arbeiterversammlung abgehalten.
Brüssel, 12. August. Eine gestern stattgefundene Zugentgleisung ist dadurch entstanden, s daß quer über den Schienen ein eiserner Block , lag. Man glaubt jetzt, daß der Block von einem vorhergehenden Güterzuge gefallen ist. Die ^ Maschine und 7 Güterwagen wurden zertrümmert.
Antwerpen, 12. Aug. Aus verschiedenen kleineren Orten des Choleragebietes werden 4 neue Erkrankungen und 7 Todesfälle gemeldet.
Paris, 12. Aug. In Algier verhaftete die Polizei 12 Anarchisten, welche meist Aus- i länder. Letztere werden Zwecks ihrer Ausweisung nach Frankreich übersetzt und an die Grenze ge- ' führt worden. — Aus Buenos Ayres wird die Verhängung der Quarantäne gegen europäische Herkünfte gemeldet.
Lyon, 12. Aug. Caserio soll nunmehr nach dem 15. d. Mts. hingerichtet werden, da gegenwärtig in Lyon ein Musikwettstreit stattfindet, der bis zum 15. d. M. dauert.
London, 12. Aug. Nachrichten aus Tanger besagen, daß ein Kabylenstamm aufständisch sei. Mehrere Kalifen sollen getötet, andere vertrieben sein.
New-Jork, 11. Aug. Ein Zug der Union- Pacific-Bahn stürzte in der Nähe von Linkoln (Nebraska) in einer Höhe von 15 Mtr. von einer Brücke herunter. Der Maschineukessel explodierte. 15 Personen wurden mehr oder weniger schwer verletzt, gegen 12 Personen wurden getötet; der Lokomotivführer und Heizer verbrannten auf entsetzliche Weise. Das Unglück soll infolge böswilliger Aushebung einer Schiene entstanden sein.
Redaktion, Druck und Verlag von C. Me eh in Neuenbürg.