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der japanischen Gesandtschaft Anerbietungen ge­macht. Jedoch hat die japanische Regierung bis jetzt noch keine Weisung an ihre Vertreter ge­sandt, sich mit den verschiedenen französischen Handelshäusern wegen Waffenlieferungen ins Benehmen zu setzen.

Der Zar soll am Morgen der Hochzeit seiner Tochter Tenia mit dem Großfürsten Alexander Michaelowitsch drei anonhme Droh­briefe auf seinem Tische gefunden haben. Auf diesen Umstand werden die ganz außerordent­lichen Vorsichtsmaßregeln zurückgeführt, welche die Polizei bei der Hochzeitsfeierlichkeit im kaiser­lichen Palast zu Petersburg getroffen hatte.

Die bisherigen Versuche Englands und Rußlands, eine Beilegung des kriegerischen Kon­fliktes zwischen Japan und China herbeizu­führen, sind nach einerTimes"-Mcldung aus Tientsin fruchtlos geblieben. Es heißt, China wolle seine Oberhoheit über Korea ausgeben und sei es infolge des aggressiven Vorgehens Japans nicht geneigt, noch länger über die Frage der Einführung von Reformen in Korea zu unterhandeln. Im Uebrigen ist in den kriegerischen Operationen zwischen China und Japan augenblicklich ein völliger Stillstand eingetreten; die Japaner halten die den Chinesen abgenommenen Stellungen bei Assan besetzt, die chinesischen Streitkräfte in Korea sollen sich in völliger Auflösung befinden.

Die schon von dem amerikanischen Gesandten in Honolulu ausgesprochene Anerkennung der Republik Hawaii durch die Vereinigten Staaten ist jetzt seitens des Präsidenten Clcveland rati­fiziert worden. Die entthronte Königin Liliuokalani der Sandwich-Inseln, welche bis jetzt noch immer glaubte, Nordamerika würde ihr wieder zu ihren Rechten verhelfen, muß nunmehr diese stille Hoffnung angesichts des vom Präsidenten Cleve­land vollzogenen Aktes definitiv aufgeben. Ob die selbständige Republik Hawaii lange Bestand haben wird, das ist freilich eine andere Frage.

Shanghai, 11. August. Das Reutersche Bureau meldet: Laut Depesche aus Tschifu vom 10. August griff die japanische Flotte in der Frühe des Tages Weihaiwei an, wurde aber auf der einen Seite zurückg esch'lag e n. Die Japaner versuchen jetzt, auf der andern Seite durchzudringen.

New-Iork, 11. August. Das Reutersche Bureau meldet: Bei einem vorgestern Abend bei Lincoln in Nebrasca vorgekommenen Eisenbahn­unglück wurden 24 Menschen getötet. Die Ur­sache des Unglücks war böswillige Entfernung von Schienen. Ein Neger wurde als des Ver- brechens verdächtig verhaftet.

Auch der amerikanische Senat hat sich jetzt zu einem Gesetz gegen die Anarchisten auf­geschwungen. Dasselbe verbietet den von aus­wärts kommenden Anarchisten die Landung in einem Unionshafen, resp. den Aufenthalt in der Union. Jeder Anarchist, der einen zweiten Ein­wanderungsversuch macht, soll mit vier Jahren Gefängnis bestraft werden.

Unterhaltender Heil.

Der Junkermord zu Nürnberg.

Historische Erzählung von E. Escherich.

(Nachdruck verboten.)

Zu Nürnberg saß im Jahre 1295 Friedrich von Zollern als Burggraf. Aus erster Ehe waren ihm zwei Söhne erblüht, Johann und Slegmund, beide schöne, fröhliche, frische Knaben, me ob ihrer freundlichen Gutherzigkeit von ihrer ganzen Umgebung herzlich geliebt waren.

Einst wollten die beiden Jungherrn zur 3agd reiten. Es war ein schöner, sonniger Herbstmorgen, golden glänzte die Sonne über's Land, den feinen Nebelduft, der über dem Reichs- wa/d lag. mit kräftigem Strahl durchdringend. Wie sie so mit großem Gefolge von Troßbuben und Koppelknechten den Schloßberg hinunter ntten, mochte der Burggraf, der ihnen so vom Turmsöller nachsah, das Herz in gerechtem Stolze Pochen fühlen, ob solcher Stammhalter.

. Dazumal war Nürnberg noch weit unter seinem heutigen Umfange, schon bei St. Jakob stand das Thor; außerhalb desselben lag das

sogenannte Moos ein Sumpf daneben die Roßschwemme.

Innerhalb des Jakobthores war eine große Niederlassung von Sichel- und Sensenschmieden. Aus den an der Rezat gelegenen Eisenschmelzen (deren schon unter Karl dem Großen Erwähnung geschieht) bezogen sie das Metall, hier verarbeiteten sie's, von hier aus ging ein ziemlich ausge­breiteter Handel mit den Erzeugnissen ihres Fleißes in's Ausland. So groß aber der Wohl­stand dieser Schmiede war, so armselig und be­schränkt waren ihre Hütten- und Wohnräume, so daß, zumal zur günstigen Jahreszeit, Kinder und Weiber sich lieber außer als im Hause auf- hiclten.

Zunächst dem Thore stand ein sonderlich armselig Hüttlein, der Mann aber, der drinnen wohnte, war stark, wild und unbändig, wie sein grauser. roter Bart. Der Erste an der Arbeit und der letzte beim Feiern, war er rauh ge­worden wie sein Geschäft. Kaum damals hatte er eine mildere Regung gespürt, da er sich ein > Weib genommen. Erst da ihm dieses ein winz­iges Kindlein in die Wiege gelegt, hatte er em­pfunden, daß er auch ein Herz besaß. Seitdem war das kleine Mägdlein der Sonnenschein seines Lebens. Des Kaisers Wort kaum hätte den starren Menschen umstimmen mögen, seines Kindes flehende Augen vermochten es.

Jetzt war die Kleine vier Jahre alt und sie spielte gern mit den Nachbarskindern auf der Straße. Eben saß sie wieder dort als der fürst­liche Jagdzug vorüber kam. Verwundert und neugierig zugleich sah sie auf die Rosse und Hunde und waffenbewehrten Männer; und wie die Herrensöhne vorbeiritten, gefielen ihr die freundlichen Gesichter, lächelnd streckte sie die Hände nach ihnen, und Hans, der ein allzeit sanftes und mildes Gemüt besaß, winkte ihr fröhlich zu und warf ein Goldringlein hinunter.

Sie aber verstaud noch nicht den Wert der Gabe, sie sah nur nach dem Goldschein und den Hellen Augen des Gebers und sie bat jauchzend: Nimm mich mit, nimm mich mit!"

Da hielt Junker Hans das Roß an:Es geht nicht, du herzige Kleine, der Weg ist zu weit, die Hirschhatz zu wild!"

Wie sie aber den Mund zum Weinen ver- zog:Ich aber will mit Dir gehen!" lachte er tröstend dawider:Sei nur still kleiner Schatz, wenn wir rückkehren, will ich Dir ein lebend Häslcin oder Eichkätzlein mitbringen zum Spiel­gesellen!"

Da gab sie sich zufrieden und der Zug wollte sich eben wieder in Bewegung setzen, als einer der größten Bluthunde, die von einem Knechte an der Koppel gehalten wurden, sich losriß und über das Kind herfiel.

Wohl sprangen die Jäger allsogleich von den Rossen, und Junker Hans selber riß das wütende Tier zurück aber es war zu spät, ein scharfer Biß hatte des Kindes zartes Hälslein getroffen; mit dem rinnenden Blut war auch das zarte Leben entflohen.

Wehklagend standen die Männer; die beiden Junker zumeist bejammerten das furchtbare Unheil.

Da trat, aufgeschreckt durch den Lärm, des Kindes Vater aus seiner Schmiedewerkstelle: der erste Blick enthüllte ihm das ganze entsetz­liche Geschehnis. Einen Satz that er zu seinem Töchterlein; wie er die Kleine leblos sah» kam eine unbeschreibliche Wut über ihn der einzige Sonnenstrahl seines Lebens vernichtet blutiger Nebel tanzte ihm vor den Augen. Einen Schrei stieß er aus wie der wilde Tiger, der sich blut­dürstig auf den Jäger stürzt, da waren auch schon seine Genossen um ihn versammelt, wilde derbe Gesellen, die dem Burggrafen längst grollten ob seiner Strenge.

Jetzt brach der stillgenährte, lang zurückge­dämmte Haß sich heiß auflohend Bahn. Mit allen Waffen, die ihnen zur Hand waren, sielen sie unter den Jagdzug.

Auf den zunächst stehenden Junker Hans stürzten sie sich zuerst.

Was wollet Ihr?" rief er erschrocken.

Ein Keulenschlag, der ihn zu Boden streckte, war die Antwort; dann zerfleischten die Rasen­den mit Beilhieben und Messerstichen seine Brust.

Junker Siegfried war indessen zum Thor

hinausgesprengt, während die Knechte die Flucht nach der entgegengesetzten Seite ergriffen hatten.

Aber die blutdürstigen Gemüter der An­greifer waren ihrer Rache noch nicht gesättigt. Als sie sich von des einen Junkers Tod verge­wissert hatten, stürzten sie dem anderen nach.

Siegmund hatte, die Straße verfolgend, bei der Roßschwemme die Furt durch die Pegnitz gewinnen wollen; aber durch den Lärm der Ver­folger erschreckt, sprengte sein Roß zur Seite in den Sumpf da war auch er verloren Unter den Streichen der Wütenden endete er dem Bruder gleich sein junges blühendes Leben.

Andern Tags freilich kam der Burggraf mit furchtbarer Rache die Sichel- und Sensen- schmiedc zu überziehen aber zu spät die waren mit Kind und Kegel nach Donauwörth und Dinkelsbuhl geflohen und dem bejammernS- Vater blieb nichts übrig, als die verstümmelten Leichen seiner hoffnungsvollen Söhne zu Grabe tragen.

Zu St. Jakob liegen sie unter dem Altäre beigesetzt, den Ort aber, wo die grause Mord- that geschehen, nannte man noch Jahrhunderte langkleine Türkei".-

Berlin, 10. August. Nicht weniger als 84Konfektioneusen" wurden in der vergangenen Woche von hies. Konfektionsfirmen alsProbir- Mamsells" gesucht. Darunter werden verlangt deutsche normale Damen", Damen mitguter gelb Stern-Figur",junge Mädchen mit gelb Stern-Figur",starke normale Figur",deutsche gelb Figur", Figur 46",rot Stern-Figur" u.s.w.

Erfurt, 7. Aug. Aus dem von hier kaum eine halbe Bahnstuude entfernten Flecken Neudietendorf wird denBerl. Neuest.Nachr." folgende Anekdote mitgeteilt. Im Wartesaal 1. und 2. Klasse trank ein älterer Herr eine Tasse Kaffee. Noch ist er nicht ganz fertig, da braust der Zug heran undzwei Minuten Aufenthalt" ertönt es. Eiligst springt der Herr auf und eilt an den Zug, ohne seine Rechnung bezahlt zu haben, der Kellner natürlich ebenso schnell hinterher.Sie haben Ihre Tasse Kaffee noch nicht bezahlt", muß sich der gerade in die erste Wagenklasse Einstcigende vor den anderen Fahrgästen sagen lassen. Mit dem Ausdrucke der Entschuldigung greift der alte Herr in die Tasche und händigt dem wartenden Ganymed den geforderten Betrag aus. In demselben Augenblick kommt der Schaffner und fordert die Fahrkarten. Da eine neue Verlegenheit! Der vergeßliche Passagier durchsucht krampfhaft alle Taschen, ohne indeß sein Rundreiseheft zu finden. Schon setzt der Kondukteur seine Amts­miene auf, da kommt glücklicherweise der Kellner mit dem Heft angestürzt, welches er im Warte­saal neben der Kaffeetasche des alten Herrn ge­funden. Der Schaffner wirft einen Blick auf den Umschlag, um den Namen zu prüfen; im nächsten Augenblick greift er salutierend an die Mütze. Das Billet gehörte Herrn Finanz­minister Miquel, der augenblicklich zur Er­holung in Thüringen weilt.

Aus Franken, 10. Aug. Vor einigen Tagen starb in dem Orte Urspringen bei Lohr der unter dem Namen Götz Josefle bekannte Schneider Jos. Goldberg. Er hinterließ ein Vermögen von 50 000Trotzdem führte er ein äußerst sparsames Leben und lebte nur von Kartoffeln und Brot, das er sich erbettelte. Die Mannheimer Polizei hatte ihn-einmal ab­gefaßt und es fand sich bei ihm ein Betrag von 20 000in kleinen Bündeln Banknoten vor. Auf tel. Anfrage bestätigte der Bürgermeister von Urspringen, daß Goldberg dieses Vermögen rechtlich besitze. Bei dieser Gelegenheit verlangte G.. über Nacht in Haft bleiben zu dürfen, da er sonst Schlafgeld zahlen müsse. Kürzlich wurde er im Zellinger Wald auf dem Heimweg von Würzburg ohnmächtig gefunden und mußte heimgefahren werden. Einen Arzt zu holen, lehnte er wegen der Kosten ab und so erlag er, wie der Arzt nachträglich feststellte, dem Hungertode.