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längst mit ihren Wünschen abgeschlossen und sich in Ergebung in ihr Schicksal gefügt. Trotzdem konnte sich ihr Herz nicht losmachen von der ersten und einzigen Liebe und recht oft trat Huberts Bild vor ihre Seele. Sie glaubte, daß er sie aufgegeben, denn daß er nie ein Lebenszeichen gegeben, war doch wunderbar, ihre Betrübnis darüber war mit der Trauer um die verlorenen Eltern zusammengefallen und ihr Leben erschien ihr seitdem so trübe und hoffnungslos, daß sie fast jeden Glauben an eine glücklichere Zukunft verloren hatte. Die Er­innerung an die letzten traurigen Jahre zog durch ihr Herz und ihre Augxn füllten sich mit Thränen, als sie so dastand und hinab in den See schaut?. -

Plötzlich schrie sie laut auf, und die Arme ausbreitend, als wollte sie nach etwas greifen, starrte sie mit weit aufgerissenen Augen auf das Antlitz, das sie eben neben dem ihrigen im See erblickte. Doch schon wurde sie von zwei Armen umfaßt und sie sah in Wirklichkeit den vor sich, der ihr wie ein Phantom dort im Spiegel des Sees erschienen war.

Rosa. Rosa! habe ich Dich wirklich wieder­gefunden?" rief Hubert jauchzend und führte das geliebte Mädchen, das sich fest an ihn lehnte, zu der Bank.

Rosa fand keine Worte, das Glück war zu plötzlich über sie gekommen, sie bebte am ganzen Körper und brach endlich in einen Thränen- ström aus, in den sich ihr übervolles Herz, das die Wonne nicht zu fassen vermochte, Luft machte.

Mein Benno!" hauchte sie endlich und ließ ihr Haupt an seiner Schulter ruhen.

Hubert küßte ihr die Thränen von den glühenden Wangen und so saßen sie lange, lange, ohne einander zu fragen; wie denn das so ge­kommen. daß sie sich wiedergefunden, sie blickten sich immer wieder in die Augen und lasen die unvergängliche gegenseitige Liebe in denselben.

Die Sonne verschwand hinter den gegen­überliegenden Bergen und ein goldiger Schimmer lag auf dem See, der in eine mehr und mehr violette Färbung überging.

Das Meer erglänzte weit hinaus, im letz­ten Abendscheine", sang Hubert ganz leise und neigte sich zu Rosas Ohr. Diese nickte nur und sah glückselig zu ihm auf.Ich habe das Lied nicht wieder gesungen", sagte Hubert und über sein Gesicht zog es wie ein Schatten,war es mir doch, als hätten wirklich Deine Thränen mich vergiftet, als könnte ich nie und nimmer mehr Ruhe finden."

Und jetzt?" fragte Rosa und ein strahlen­des Lächeln verklärte ihre Züge.

Jetzt werde ich die Stunde segnen, in der ich das Lied vor drei Jahren sang",und ich die, als ich es zum ersten Mal von Dir hörte", fügte Rosa hinzu.

Wieder und wieder priesen sie das Glück des Wiedersehens und konnten sich nicht trennen von dem Platz, trotzdem der Abend immer mehr hereinbrach.

Endlich mußten sie doch an den Rückweg denken und Hubert meinte, daß sich die Freunde vielleicht gar ängstigen würden über ihr langes Ausbleiben. »Ä-M

Hördes?" rief RosaHWWp»d--«M, ich durchschaue jetzt vollständig den Plan der lieben Menschen. Meine gute Marie ist die einzige, der ich meine Liebe zu Dir und zugleich die Hoffnungslosigkeit derselben gestanden. Die Reise nach der Schweiz, den Plan des Zusammen­treffens, alles haben die vortrefflichen Menschen uns zu Liebe ersonnen und der Segen des Himmels hat geholfen, daß alles so gut zu Ende geführt ist.

Dann hat vielleicht Frau Hörde die Tasche absichtlich liegen lassen.

O, die schlaue, kleine Frau sagte mir, sie würde die Tasche einstweilen hier lassen, sie wolle ihrem Mann entgegengehen und ich möge sie beide hier auf diesem schöiM Platz erwarten."

Und nun wollen wir ihnen verkünden, wie gut ihnen der Plan gelungen ist", sagte Hubert.

(Schluß folgt.)

In einem Artikel der ZeitschriftPolitiken" wirft der berühmte nordische Dichter und Poli­tiker Björn st jerneBjörnson die Frage auf, woher es komme, daß die Entwicklung der Charaktere nicht mit der zunehmenden Intel­ligenz der Menschen der Jetztzeit gleichen Schritt halte, weshalb es in unseren Tagen so viel brutalen Individualismus, so wenig Har­monie in Kunst und Literatur, so viel Unruhe, Agitation und Umsturzlust, so viel Fanatismus, Menschenvorrecht und Ränkesucht gebe, weshalb mit anderen Worten, die Menschen unserer Zeit, die fast jeden Tag neue Mittel erfinden, um sich die Natur dienstbar zu machen, es nicht fertig bringen, sich selbst zu zügeln. Da der Dichter die Kirche nicht für fähig erachtet, um für diese Mißverhältnisse Heilung zu gewähren, giebt er ein Universalmittel an,zur Sonne zurückzukehren". Nur der Umstand, daß heutigen Tages ein großer Teil der Menschheit die Nacht zum Tage und den Tag zur Nacht mache, in der Nacht dem Vergnügen nachgehe und den Tag verschlafe, mache diese Menschen so nervös, daß sie zu Alkohol, Morphium und anderen Mitteln greifen und dadurch das Nervensystem aus dem Gleichgewicht bringen. Die Aerzte- welt solle einen Aufruf an das Publikum er­lassen, zur Sonne zurückzukehren, mehr in Licht und freier Luft zu leben. Eine besondere Wirk­ung verspricht sich Björnson aber doch erst von einem Vorgehen durch den Staat. Von dem Augenblicke an, wo alle vom Staat beschäftigten Arbeiter und Beamten, alle Schulen die Arbeit bei Sonnenaufgang begönnen und bis zur Mit­tagszeit ausführten, in unumgänglichen Fällen einige Stunden länger, würde diese Reform die andere mit sich ziehen. Mittag würde wieder Mittag, und die Geschäfte könnten am Nach­mittag geschlossen werden. Abend wäre wieder Abend wie einst. Die Theater würden von 47 oder von 58 Uhr spielen und zwischen 9 und 10 Uhr würde alles geschlossen und still sein wie auf dem Lande. Diese Reform würde nichts kosten, im Gegenteil eine bedeutende Er­sparnis an Beleuchtung, Brennmaterial, wie auch an menschlichen Kräften mit sich führen.

Paris, 3. August. Einer, bei dem in Umkehrung des bekannten Bibelwortes das Fleisch sehr stark, der Geist aber schwach ist, erließ jüngst in einer hiesigen Zeitung folgende Annonce:Ein junger Mann von angenehmer Erscheinung, welcher sich gern verheiraten möchte, sucht die Bekanntschaft eines älteren Herrn, der ihm seine gefährliche Absicht ausreden könnte. Diese neue Art, von den zwei Seelen in einer Brust eine davon zu töten, empfiehlt sich der Nachahmung, da dadurch für verunglückte Ehe­männer ein neuer Erwerbszweig entsteht, in dem sie ihre Lebenserfahrungen trefflich ver­werten können.

(Zweierlei.) Chef:Was haben sie da ange­stellt, Moses?! Sie haben ja der Dame, die soeben halbseidenes Band verlangte, reinseidenes gegeben und es zum Preise des halbseidenen verkauft?!"Kommis:Ich habe mich ver­griffen!" Chef:wie heißtvergriffen?" Man kann sich vergreifen, wenn man verkauft halbseidenes?!" (Fl, Bl.)

(Fatal.) Veschuldeter Lebemann:Merk­würdiges Pech, was ich habe! Da, wo ich mich so recht verlieben könnt', ist gewöhnlich keine TochtMda!"

(Kasernhofblüthe.) Unteroffizier:Lümmelt sich der Mensch wieder am Querbaum herum wie ein Zebra, das sich die Streifen am Gummi­baum herausradieren will!"

(International.) Ein Berliner, der mehr­ere Jahre als Schweizer bei einem Amerikaner gedient hat, wünscht eine Stellung als englischer Groon in einer französischen Familie.

(Um sich gegen Mücken und Schnaken zu schützen), reibt man das Gesicht mit einem Papier, aus welches man einen Tropfen Anisöl gießt. Ein solches Papier kann man wochenlang be­nützen, ehe es seine Wirksamkeit verliert.

Telegramme.

Wilhelmshafen, 5. Aug. Kaiser Wil­helm hat heute früh an Bord des Hohenzollern die Reise nach Cowes angetreten.

Berlin, 5. Aug. Ein amtlicher Bericht aus Tokio an die hiesige japanesische Gesandt­schaft bestätigt den Sieg der Japaner bei Asan. Darnach wurden am 27. Juli die chinesischen Verschanzungen bei Chanho, in der Nähe von Asan erstürmt. Von 2800 Chinesen sind 500 gefallen. Die Japaner verloren 5 Offiziere. 70 Mann und eroberten 4 Kanonen und viel Ma­terial. Sie besetzten das chinesische Hauptquartier.

Posen, 5. Aug. Nach amtl. Mitteilung aus Russisch-Polen wütet daselbst die Cholera noch sehr stark, besonders in dem Gouvernement Kjelzy und Radom.

Karlsruhe. 6. Aug. Der Bund der Ritter des eisernen Kreuzes hielt gestern hier eine Delegiertenversammlung ab. 41 Vereine mit 7000 Mitgliedern waren ver­treten. In der Ehrensoldfrage beschloß die Versammlung ein Immediatgesuch an den Kaiser, worin diesem die Regelung der Frage überlassen wird. Eine Petition an den Reichstag um Be­willigung der vom Kaiser bestimmten Summe wurde gleichfalls beschlossen. Der Jahresbeitrag wurde auf 25 festgesetzt, die Gründung eines Vereinsorgans abgelehnt und Begrüßungstele­gramme an -den Kaiser, den Großherzog und Fürste Bismarck abgesandt. Nachmittags fand ein Festmahl und abends ein Bankett, in der Festhalle statt.

Tübingen, 5. Aug. Auch am heutigen zweiten Tage des Kreisturnfestes ließ das Wetter sich gut an. Um 5 Uhr war Empfang der Festgäste. Bis 1 Uhr fanden Vereinssitzungen statt. Bei dem Bereinswettturnen trugen leider vier Turner mehr oder weniger schwere Verletz­ungen davon und mußten infolgedessen von der Sanitätskolonne in Behandlung genommen wer­den. Um '/-4 Uhr setzte sich der große Festzug in Bewegung. Insgesamt waren es 87 Vereine, die sich an ihm beteiligten. Geführt wurde der­selbe von 5 Festreitern, unter denen sich drei Akademiker befanden. Auf dem Festplatz hielt Oberbürgermeister Gös eine Begrüßungsrede. Unter der Leitung des Prof. Keßler-Stuttgart wurde von 5 Uhr an ein allgemeines Wetturnen abgehalten, das auf's beste verlaufen ist. An den Stabübungen nahmen 736 Turner teil.

Chartres, 5. Aug. Bei einer Reitübung von Unteroffizieren, welche der Rittmeister Lefort leitete, wollte ein Pferd das Hindernis nicht nehmen. Der Rittmeister stellte sich an die Barriere und schwang den Säbel, um das Pferd zum Springen aufzumuntern. Das Pferd bäumte sich, stürzte und fiel mit seinem ganzen Gewicht auf den Rittmeister, welcher so schwer verletzt wurde, daß er nach einer halben Stunde starb. Lefort war Kommandeur des 13. Kürassier-Re­giments.

Marsaille, 5. Aug. Einer der gefähr­lichsten Anarchisten Namens Auguste wurde nebst seiner Frau verhaftet. Es wurde bei ihm eine umfangreiche Korrespondenz und Sprengstoffe beschlagnahmt.

Venedig, 5. Aug. DerGazetta" zu­folge sind bereits 300 Anarchisten zur Depor­tation nach Massaua bestimmt.

Shanghai, 6. Aug. Vom Kriegsschau­platz liegt nur ein unbestätigtes Gerücht von der Wegnahme dreier chinesischer Kriegs­schiffe in Shanghai vor. Vorsichtsmaßregeln zur Aufrechthaltung der Ordnung sind getroffen.

Roubaix, 6. August. Eine Feuersbrunst zerstörte nachts das Leihhaus. Der Schaden wird auf 2 Millionen geschätzt.

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