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Nürnberg. Die ,.Südd. Landpost" ent­nimmt einem hiesigen Blatt folgenden Bericht über eine Verhandlung, die sich vor dem hies. Schöffengericht abgespielt hat:Einen uner- zogenen Buben, der im Haus Fenster und Läden beschmiert und Kot in den Briefkasten einge- worfen hatte, bestrafte ein hiesiger Hausbesitzer durch einige Schläge mit seinem Regenschirm. Darüber aufgebracht, erstattete der Vater dieses Früchtchens, anstatt seinem Sohn durch eine Tracht Prügel diese Ungezogenheit abzugewöhnen, Anzeige wegen Körperverletzung und erreicht denn wirklich, daß der Hausbesitzer zu 3 Mark Geldstrafe verurteilt wurde." Wer kann sich da noch wundern, wenn ein ungezügeltes Geschlecht heranwächst, fähig zu jeder Schandthat.

Württemberg.

Bei der am 28. Juli in Urach abgehaltenen Sitzung des Beirats der Verkehrsanstalten wurde dem Ministerpräsidenten Freiherrn von Mittnacht seitens der Amtskorporation Urach die Bitte vorgetragen, der Staat möge die Privatbahn Metzingen-Ucach ankaufen und dann die Linie bis Münsingen fortsetzen. Der Minister­präsident erwiderte, daß an die Frage des An­kaufs der beiden in Württemberg gelegenen Privatbahnen erst nach der Besserung der Finanz­lage des Landes herangetreten werden könne. Ueber einer späteren Fortsetzung der Bahn Metzingen-Urach nach Münsingen schwieg sich Frhr. v. Mittnacht aus. Bekanntlich dauerte der Jnteressenkampf zwischen den Bezirken Urach und Reutlingen um die Fortsetzung der Bahn auf die Alb verschiedene Jahre lang, bis endlich die Reutlinger den Sieg davon trugen. Daß künftig einmal zwei Bahnlinien vom westlichen Fuß der Alb nach Münsingen führen werden, ist wohl kaum denkbar, denn dafür ist die Gegend zu arm.

Die Sozialdemokraten, welche ver- schieden? Gegenden Württembergs noch immer durch heimische und auswärtigeGenossen" mit Hochdruck bearbeiten und mit ersichtlicher Vor­liebe ihre Redner da auftreten lassen, wo die Demokratie ihnen den Boden schon vorbereitet hat, zeigen sogar schon für die kommenden Land­tagswahlen große Zuversicht auf Eroberung einiger Mandate. Für Sonntag ist für die Genossen und Genossinnen des ersten württemb. Reichstagswahlkreises ein großartiges Waldfest mit Musik u. s. w. geplant. Für dieDamen" wird sogar ein eigenes Wettschießen (hoffentlich nicht als Vorübung für künftige Barrikaden­kämpfe) veranstaltet. So gar schlimm muß es also mit der Ausbeutung der Arbeiterfamilien durch die kapitalistischen Bourgeois doch nicht stehen, sonst könnte dem sozialistischen so zahlreich be­suchten Hohenstaufenfest nicht nach so kurzer Zeit wieder ein pompöses Waldfest folgen.

Stuttgart. 1. August. Baudirecktor a. D. v. Landauer, dessen Plänen die Residenz hervorragende Bauten, wie das Justizgebäude und die öffentliche Bibliothek, verdankt, ist im Alter von 78 Jahren gestorben.

DerStaats-Anzeiger" veröffentlicht eine kgl. Entschließung betreffend die Abhaltung des landwirtschaftlichen Hauptfestes in Cann­statt. Daselbe wird am Freitag den 28. Sept. d. I. auf dem Wasen bei Cannstatt abgehalten. Bei demselben findet eine Preisvcrteilung für Pferde, Rindvieh, Schafe und Schweine an württembergijche Züchter, eine Ausstellung der Prämiierten Pferde, des prämiierten Rindviehs, von landwirtschaftlichen Maschinen und Geräten, von Obst, Trauben und anderen landwirtschaft- stmt" ^^"Eten, endlich ein Pferde-Wettrennen

Bopfingen, 29. Juli. Das nunmehr von "vtt Aktiengesellschaft geleitete Elektrizitätswerk stellte in jüngster Zeit in verschiedenen Werk- Patten des Kleingewerbes elektrische Motoren M, da sich deren Zweckmäßigkeit in Zeit- und Eeldersparnis immer mehr zeigte.

Leutkirch. Der im Allgäu übliche Ge- Mm Schutze der Zugtiere gegen die ^Wen Bremsen Rauchgefäffe an die Wagen- oetchsel anzuhängen, hätte dieser Tage ein schweres Unglück zur Folge haben können. Herr Oeko-

nom Dorn in Winterstetten wollte in der Nähe von Beuren Heu laden. Er hatte eben einen Knecht angewiesen, den Wagen nicht zu weit nach vornen vollzuladen, als mehrere Gabeln voll Heu auf die Pferde und auf die Rauch­pfanne fielen, welch letztere das Heu sofort ent­zündete. Die Pferde rasten davon, Herr Dorn wollte sie halten, er fiel dabei zu Boden und wurde wohl 100 Meter weit geschleift, sich an dem Pferdegeschirr haltend. Es gelang ihm, wieder aufzukommen und die Pferde zu halten, bis indessen der mit dem Laden des Wagens beschäftigte Knecht abgesprungen war und die Stränge abschnitt. In demselben Augenblick brannte das ganze Quantum Heu und nach wenigen Minuten lagen blos noch die Eisenteile des Wagens da. Die Verletzungen, welche 3 Personen erhielten und die Brandwunden der Pferde sind zum Glück weniger gefährlich. Die Geistesgegenwart des Hrn. Dorn rettete ihm, dem Knecht und den beiden Pferden das Leben.

Hall. 1. Aug. Wie im vorigen Jahr in Eßlingen beschlossen wurde, findet das nächste württ. Landesschützenfest 1895 hier statt. Die Vorbereitungen hiezu sind schon im Gange; es haben Forstrat v. Hügel und Stadtschultheiß Helber hier, elfterer die Ehrenpräsidentschaft, letzterer die erste Vorstandschaft des Festaus- schusses angenommen.

Freudenstadt, 30. Juli. Im Hotel zur Post dahier hielt gestern nachmittag im Auftrag des württb. Schutzvereins für Handel und Ge­werbe, A. Treiber in Stuttgart einen ein­gehenden Vortrag über die den kaufmännischen Mittelstand schädigenden Einrichtungen, wobei er einer Aufhebung oder möglichst hohen Be­steuerung der Konsumvereine, des Hausierhandels, der Wanderlager und der Detailreisen das Wort redete. Kaufmann Münster von hier dankte dem Redner für seine Ausführungen und Vereins- Vorstand C. Müller-Stuttgart dankte den An­wesenden für ihr Erscheinen und lud zum Bei­tritt ein. Es sind auch 15 weitere Mitglieder demWürttemb. Schutzverein für Handel und Gewerbe" beigetreten, so daß der Verein im hiesigen Bezirk jetzt 30 Mitglieder zählt.

Anstand.

Wien, 30. Juli. Die Witwe des berühmten Chirurgen Billroth erhält auf Anordnung des Kaisers Franz Joseph eine jährliche Pension von 2000 Gulden. Nach der österreichischen Pensionsnormale beträgt das höchste Witwenge­halt 600 Gulden jährlich. Billroth, der seiner Künstlernatur entsprechend stets wie ein Künstler gelebt, hat kein nennenswertes Vermögen hinter­lassen.

Brüssel, 1. August. Jean Volders, einer der hervorragendsten belgischen Sozialisten­führer ist als unheilbar in ein Irrenhaus über- geführt worden. Er leidet an Größenwahn und versuchte mehrmals seine Wohnung anzuzünden.

Die Deputierienkammer und der Senat von Frankreich haben das von der Regierung vorgelegte Gesetz gegen die Anarchisten ange­nommen, und sind jetzt in die Ferien gegangen. Die sozialistischen Blätter Frankreichs geberden sich noch immer sehr erbittert gegen das Anar­chistengesetz, dessen erste Wirkung sich bei dem Prozeß gegen den Präsidentenmörder Caserio zeigen werden, indem aus demselben keine Einzel­heiten veröffentlicht werden dürfen.

Die englische Presse thut sehr aufgebracht darüber, daß die Japaner ein englisches von den Chinesen gechartetes (gemietetes) zum Truppen, transport nach Korea verwendetes Schiff in den Grund gebohrt haben, und zwar obgleich das Schiff die englische Flagge gehißt haben soll, was übrigens noch nicht bewiesen ist. Tapfer und mutig, wie die Engländer nun einmal allen schwächeren Nationen gegenüber sind, drohen sie den Japanern bereits mit der ganzen englischen Flotte, weil diese so frei waren, ihre Feinde nicht ruhig landen zu lassen. Daß es sich mit den Geboten der Neutralität nicht verträgt, einer kriegführenden Partei Munition zu liefern, Truppen zu befördern rc. wissen die Engländer zwar, aber sie kümmern sich nicht darum, sobald sie irgendwo Geld verdienen können.

Schanghai, 1. Aug. Der bereits gemeldete Kampf zwischen der chinesischen und japanischen Flotte fand am 25. Juli statt. Auf chinesischer Seite gingen 2 Kanonenboote und 1 Transport­schiff mit 1500 Mann verloren.

AusderSchweiz, 31. Juli. Vom Schwur­gericht des bergnischen Mittellandes ist ein sechs- zehnjährigerKnabe, namens Schenk, wegen Raubes und Totschlages zu lebenslänglichem Zuchthaus verurteilt worden. Sechszehn Jahre alt und lebenslängliches Zuchthaus. Das will zu hart erscheinen. Der Knabe gehört in eine Erziehungsanstalt und nicht in das Zuchthaus.

Unterhaltender Teil.

Ein Blick in die Zukunst.

Novelle von C. Schirmer.

(Nachdruck verboten.)

(Fortsetzung.)

Kaum war eine Woche vergangen, als es ihn wieder forttrieb aus der alten Heimat, die ihm auf Schritt und Tritt so fremd vorkam. Das kleinstädtische Gepräge, das ihm überall be­gegnete bedrückte ihn, und alle Aufmerksamkeiten, mit denen ihn seine Verwandten überschütteten, alle Liebe seiner Schwester konnten ihn nicht bewegen, seinen Aufenthalt zu verlängern.

Auf der Tour, die er nach der Schweiz ein­zuschlagen hatte, mußte er Berlin passieren, und während er überlegte, bis zu welcher Station er wohl das Billet lösen sollte, durchzuckte ihn plötzlich der Gedanke nach B. zu reisen.

Was ihn dazu bewegte, wußte er selbst in dem Augenblick nicht, aber auf der ganzen Reise fühlte er eine gewisse Befriedigung über seinen Entschluß, den Ort zu besuchen, wo Rosas Eltern, und wahrscheinlich auch sie selbst wohnte.

Ja, er beschäftigte sich sogar mit dem Plan den Kanzleirat aufzusuchen, es war ihm, als müßte ihm dadurch Ruhe des Gemüts kommen und je näher er an B. kam, desto mehr wunderte er sich, daß er nicht längst schon auf den Ge­danken gekommen sei, eine Aussprache mit Rosas Vater zu suchen.

Es war spät Abends als der Zug in die große Halle des Bahnhofes brauste und Hubert, der sich von der langen Fahrt bei dem heißen Sommertage sehr ermattet suhlte, war froh, als ihn eine Drotschke bald nach einem Hotel be­förderte, wo er ein gutes Unterkommen fand. Nach einer ruhigen Nacht durchwanderte er die Straßen der großen Stadt und als es gegen die Mittagszeit kam, nahm er einen Wagen und sagte dem Kutscher Straße und Hausnummer, wohin er zu fahren wünschte. Er hatte die Wohnung des Kanzleirat in seinem Notizbuch angemerkt, und obgleich er ja annehmen mußte, sie dort nicht mehr zu finden, so wollte er doch das Haus sehen, in welchem Rosa gewohnt.

Es war eine ziemlich lange Fahrt bis in die entlegene Vorstadt und Hubert hatte vollständig Zeit über seinen Entschluß nachzudenken. Endlich hielt der Wagen vor einem grünen Gitter, durch das Hubert ein freundliches Haus in einem wohlgepflegten Garten bemerkte.

Die Pforte, die in denselben führte, war offen und er las zu seinem Erstaunen auf einem oben angebrachten Schilde:Kunst- n. Handels­gärtnerei."

Als er in den Garten trat, kam ihm ein Mann in Gärtnertracht entgegen und fragte ihn höflich nach seinem Begehr.

Hubert sah sich erstaunt um und sagte dann, daß er den Kanzleirat Gebert, der ja hier w»hne, zu sprechen wünsche.

Den können Sie nicht mehr sprechen", ent- gegnete der Mann,er ist bereits über Jahr und Tag tot."

Tot?" rief Hubert erschrocken aus.

Ja im Winter war es ein Jahr. Er war die letzte Zeit vollständig gelähmt, denn ein Schlag hatte ihn gerührt, als seine Frau so schnell starb."

Sie ist auch tot?"

Hubert bebte am ganzen Körper und konnte kaum die Worte über seine Lippen bringen.

Arme Rosa!" flüsterte er und der Gärtner sagte dann: