80
Worte auszusprechen, welche ihm auf den Lippen lagen. Mit einer gewaltigen Anstrengung kämpfte er seinen Ingrimm nieder und indem er sich zu einem lauten Auflachen zwang, sagte er gegen seine Nachbarn gewendet:
„Da es dem Herrn Pfarrer nicht vergönnt ist, uns des Sonntags unter den anderen Schafen seiner Heerde in der Kirche zu sehen, mußte er Wohl die Gelegenheit wahrnehmen, seine für uns bestimmte Predigt an den Mann zu bringen. — Wir hätten indessen nur dann Ursache, ihm wegen derselben böse zu sein, wenn die lange Unterbrechung für die Güte des nächsten Ganges von Schaden gewesen sein sollte."
Es waren mehrere da, welche über den gezwungenen Scherz lachten und äußerlich wenigstens schien die Stimmung durch den seltsamen Zwischenfall nicht dauernd gestört.
Einen scharfen Beobachter aber hätte dieser trügerische Schein wohl kaum zu täuschen vermocht, und man brauchte nur einen einzigen Blick auf die soeben in so merkwürdiger Weise Gefeierte zu werfen, um zu erkennen, eine wie außerordentliche Wirkung das Geschehene auf sie hervorgebracht. Komtesse Elfriede lehnte schweigend in ihrem Sessel, ohne von den Speisen zu nehmen, welche ihr serviert wurden, und ohne ihr Glas noch ein einziges Mal zu berühren. Ihr Nachbar. Graf Trotha, welcher sich wiederholt vertraulich zu ihr neigte, machte offenbar ganz vergeblich den Versuch, sie zu beruhigen oder sie für ein Gespräch zu interessieren. Sie gab ihm kaum eine Antwort und ihr Blick ruhte unverwandt auf ihren in den Schoß gefalteten Händen.
Biel früher, als es wohl unter anderen Umständen geschehen sein würde, gab Graf Recke das Zeichen zur Aufhebung der Tafel, und in der allgemeinen Unruhe und Bewegung, welche das Ausstehen der Gäste verursachte, fand El- sriede Gelegenheit, unbemerkt zwischen den Säulen des nach dem Garten hin offenen Speisesaals zu verschwinden.
Um den Grafen Recke hatte sich alsbald eine kleine Herrengruppe gebildet, in welcher sehr lebhaft gesprochen wurde. Es war leicht ersichtlich, daß die Rede des Pfarrers dort den Gegenstand der Unterhaltung bildete. Vielleicht war der eigentliche Urheber der ganzen unliebsamen Störung überhaupt der einzige, dessen Ruhe keine erkünstelte war. Er hatte seiner Mutter den Arm gereicht und sie nach dem Hintergründe des Saales geführt. Dort standen sie nun ganz allein, auffällig von allen gemieden, denn auch die Gattin des Domänenpächlers, des Pfarrers treue Bundesgenossin, war inzwischen von ihrem Manne, welcher ein bitterböses Gesicht machte, in sicheren Gewahrsam genommen worden.
Trotzdem zeigte Rohden eine unbefangene, fast heitere Miene, und die Verlegenheit war durchaus nicht auf seiner Seite, »als der Neffe des Hausherrn, der Lieutenant Hans v. Trützsch- ler, auf ihn zutrat, um nach höflicher Verbeugung gegen die Pastorin ein Gespräch mit dem jungen Geistlichen zu beginnen. Der Offizier hatte offenbar etwas auf dem Herzen, das ihm selber sehr peinlich war, denn nach einigen unbeholfen vorgebrochten nichtssagenden Redensarten begann er mit einem energischen Räuspern ganz unvermittelt, wie um sich der fatalen Sache rasch zu entledigen:
„Was übrigens Ihre Rede anbetrifft, Herr Pastor, oder Ihren Trinkspruch, wenn man's so nennen darf, so läßt sich ja nicht leugnen, daß allerdings manches — ich will nicht sagen Zutreffende, aber doch immerhin recht Beachtenswerte darin enthalten war. Nur will mir scheinen — Sie gestatten mir doch ein offenes Wort? — als wenn Sie in Anbetracht des Ortes und der Umstände ein wenig — oder vielleicht auch recht erheblich zu weit gegangen wären. Solche Dinge pflegt man nach den Lcbensgewohnheiten unserer Kreise einer jungen Dame überhaupt nicht zu sagen, am wenigsten ,aber vor einer großen Gesellschaft. Mern Oheim ist sehr böse auf Sie, und ich muß gestehen, daß ihm das eigentlich nicht zu verargen ist. Ich für meine Person glaube ja gern, daß Sie
unter einem unwiderstehlichen Gewissenszwange, oder wie Sie nun das nennen, gehandelt haben, und der eine oder andere von uns mag ja wohl diesen Glauben mit mir teilen; aber die meisten — und ich halte es für meine Pflicht, Ihnen das ganz offen zu sagen. Herr Pastor — die meisten der hier versammelten Gäste können nach den Begriffen ihres Standes Ihr Auftreten doch nicht anders ansehen, als eine gröbliche und beinahe beispiellose Verletzung des Gastrechts."
Nicht in fließendem Zusammenhänge, sondern mit vielen Stockungen und Unterbrechungen durch verlegenes Räuspern hatte Hans von Trützsch- ler seine Zurechtweisung vorgebracht. Er war offenbar bemüht gewesen, durch eine höfliche Verbindlichkeit des Tones seinen Worten ihre Schärfe zu nehmen, und nun blickte er mit einiger Unsicherheit auf Rohden, dessen Miene ganz unverändert geblieben war, und der keinen Versuch gemacht hatte, die strafende Rede mit einer Rechtfertigung oder einem Widerspruch zu unterbrechen.
„Wenn ich Sie recht verstehe, Herr Baron." sagte er ruhig, „so haben Sie den Wunsch oder Auftrag, mir anzudeuten', daß mein ferneres Verweilen in diesem Kreise den Wünschen des Hausherrn nicht entsprechen und seinen Gästen ein Anstoß sein würde. Ich erwidere Ihnen, daß ich selbst mir dessen bereits bewußt geworden bin, und daß ich im übrigen nicht nur durch diese Erkenntnis, sondern auch durch meine Pflicht aus diesem Hause abgerufen werde."
Hans von Trützschler stotterte einige verlegene Worte, die wohl vor allem der Pastorin gelten sollten, und dann hatte er es sehr eilig, sich in eine möglichst weite Entfernung zurückzuziehen.
„Das ist ein trauriges Ende des Festes für Dich, liebe Mutter." sagte Rohden herzlich, als sie der Thüre zuschritten, aber sie lächelte freund- lich zu ihm auf und drückte seinen Arm so zärtlich wie ein liebendes Mädchen.
„Ich hätte mir's freilich nicht träumen lassen, daß man mich einmal irgendwo zur Thür hinaus komplimentieren würde." erwiderte sie scherzend, aber unter solchen Umständen kann ich mir's schon gefallen lassen. Möchte nur nichts Schlimmeres folgen, als es diese höfliche Ausweisung war!"
„Was auch geschehen mag, Mutter — wenn ich Deine Zustimmung habe, sehe ich allem mit voller Seelenheiterkeit entgegen. Ich bin nicht gerade stolz auf das, was ich gethan. Ich hätte vielleicht eine bessere Gelegenheit abwarten sollen, aber es riß mich hin."
„Und gerade darum war es gut so! Hättest Du mit Vorbedacht gehandelt, so würde ich Dich vielleicht ernstlich tadeln, denn Du hast die arme kleine Komtesse tiefer verwundet, als es um ihrer Erziehung willen nötig war. Ich will dafür einstehen, daß ein prächtiger Kern in ihr steckt; aber bei einer so seinen Schale kann auch der Kern gar leicht zu Schaden kommen, wenn man sie mit all zu rauher Hand zerbrechen will."
(Fortsetzung folgt.;
Wir lesen im „Mühl. Volksblatt": Ein unglaubliches Mißgeschick. Bekanntlich veranstaltete der Kanton Freiburg (Schweiz) vor einem Jahr eine Lotterie zur Erbauung und Begründung einer medizinischen Fakultät an der dortigen Hochschule. Auch im Elsaß wurden Lose abgesetzt. Auch der Pfarrer eines elsässischen Ortes hatte ein Billet genommen, aber aus irgend einem Grunde die Bezahlung unterlassen. Drei Tage nach der Ziehung der Lotterie, die am 18. u. 19. d. M. stattfand, erhielt er von Freiburg aus ein Telegramm: „Bitte, schicken sofort Geld oder Billet". Der Herr war unüberlegt genug, das Billet zurückzuschicken; nachher erst, leider zu spät, erfuhr er. daß sein zurückgeschicktes Billet, die Nr. 915342, das große Los (50000 Franken) gewonnen hatte. Den Profit von der Geschichte hat die Universität Freiburg in der Schweiz.
Fürst Bismarck hat den beiden Wachtmeistern der Leib-Gendarmerie, welche am 26. Januar im Königlichen Schlosse bei ihm den
Dienst hatten, zur Erinnerung an diesen Tag die Medaille, welche seinerzeit zum Jubiläum des Fürsten geprägt wurde, zustellen lassen. — Der Humor der Berliner ist auch in den letzten Tagen wieder zur Entfaltung gekommen. Ein kleiner Junge, der bei dem Empfang des Fürsten Bismarck mitten in der schaulustigen Menge vergebens die vor ihm stehenden Reihen zu überblicken suchte, meinte: „Ach wenn ick doch jetzt ne Jiraffe wäre!"
In den ersten Tagen des Januar ist, wie man der „Nat.-Ztg." aus Reval schreibt, das Jägerkommando des Bjelomorski'ichen Regiments, das, aus 60 Mann und 3 Offizieren mit dem l Lieutenant v. Hennings an der Spitze bestehend, i zur Bärenjagd in das olonezische Gouvernement ausgerückl war, nach Reval zurückgekehrt. Das Kommando hat auf diesem Jagdzuge 7 Bären zur Strecke gebracht, darunter drei große Exemplare. Fünf von ihnen wurden mit der Kugel erlegt, zwei mit dem Bajonett nach heißem Kampf getötet. Besonders in einem Fall drohte die Jagd einen verhängnisvollen Ausgang zu nehmen, als Meister Pelz, durch eine Verwundung in Wut gebracht, einen Soldaten bereits in eine Umarmung geschlossen hatte. Allein der nächst, stehende Kamerad versetzte dem wütenden Tiere einen Stich mit dem Bajonett, und während es sich nun seinem Angreifer zuwandte, wurde es von der Kugel eines dritten Soldaten niedergestreckt, ohne daß der bereits ins Handgemenge mit der Bestie geratene Soldat auch nur den geringsten Schaden genommen hätte.
Lebensversicherung eines Königs, Der König von Portugal hat kürzlich, wie der Londoner Berichterstatter der „Birmingham Gazette" meldet, sein Leben für 2 000 000 Fr, versichern lassen. Wie gewöhnlich, haben verschiedene Gesellschaften das Risiko unter sich verteilt. Einen bedeutenden Teil hat die englische Gresham-Gcsellschaft übernommen. Den ! Rest haben französische Gesellschaften gezeichnet, i
Kurzer Prozeß, Als der ungarische Maler Munkacsy in die „Galerie Petit" in Paris kam, wo sein umgearbeitetes Historienbild „Arpad" vor der Verschickung nach Budapest für zwei Tage ausgestellt wird, fand er die Beleuchtung ungenügend und ließ sofort das Dach des mit Milchglas eingedeckten Hofes, von dem der Ausstellungssaal das Licht empfängt, in Scherben schlagen. Der Schaden beträgt 8000 Franken, die der Künstler bezahlt.
„Er bremst." Folgendes hübsche Scherzwort eines Stuttgarter Großindustriellen wird uns berichtet. Derselbe erhielt dieser Tage Besuch von einem Jugendfreund, dem er fein flottgehendes Fabrikationswesen und seine elegante Wohnung zeigte. „Na, na," meinte der Gast, „Du scheinst in dem besten Zug zu sein, ein reicher Mann zu werden. Was macht denn Dein Filius, der Bruder Studio in Tübingen?" !
— „Gewiß bin ich," meinte lächelnd unser:
Großindustriellen, „im besten Zuge, ein reicher Mann zu werden, aber mein Sohn, von dem ^ Du eben sprachst, lieber Freund, der „bremst" t bei dem Zug. ^
(Kindlicher Trost.) „Ja, liebe Else. Du l hast schon eine recht alte Mama!" — Aber, - liebe Mama, Du bist ja noch gar nicht so alt
— Du siehst nur so aus."
(Kathederweisheit.) Professor: „Meine Herren, auch der Dachs gehört z. B. zu den Tieren, welche Nachts an das Tageslicht kommen!"
Auflösung des Rätsels in Nr. 19.
Bahn, Hahn, Kahn, Wahn, Zahn, Ahn.
Richtig gelöst von Ernst Gottschalk in Neuenbürg.
Bestellungen
für die Monate Februar u. März auf den
„Gnschäler"
werden von den Postanstalten und Postboten entgegengenommen.
Anzeig
Sir. 21.
Erscheint DienS vierteljährlich
Sta
Aus dem
Mo
in dem Rathar 90 St. r 1 tann. 392 St. r 67 ,. s 203 „ t 455 „
85 „
67 b Kaufslieb
Neu
Zum Verkau lassenschaftssach Hafners hier i Hauses mit Sch Termin auf Samstag d vormitt anberaumt.
Den 7. Febr Stc
Urivat
Im Wege di ung kommt am Freitag d vormitt beim Rathaus z 1 Tafelkl. Schreinw«
Den 7. Febrl
Neu. Am Donnerstl abends findet im H
Plenar-Vl
statt, wozu die
statt, wozu die eingeladen werd
Knilmrgerj Re,rtlinger! KuubrnvaH
, Hauptgewinn 15 000. Anteile Mk. 2.40 Versen A. Lai
Redaktion, Druck und Verlag von C. Meeh in Neuenbürg.