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Berlin, 12. Dezbr. Die Novelle zum Unter st ützungswohnsitzgesetz wurde heute von der Kommission beraten. Nummer I des Artikel 1, welcher die Altersgrenze für Erwerb und Verlust des Unterstützungswohnsitzes auf das 18. Lebensjahr herabsetzt, wurde angenommen.

Berlin, 12. Dezbr. Die wirtschaftliche Bereinigung des Reichstags hat heute betreffs Stellungnahme zu den Handelsverträgen getagt. Plötz (kons.) erklärte, alle Verträge sollten zurück- gestellt werden, bis der russ. Handelsvertrag erledigt sei.

üä. Berlin, 12. Dezbr. Wir erfahren aus bester Quelle, daß die Meldung der Zeitungen, es habe sich ein Gegensatz zwischen Kaiser und Reichskanzler in der Auffassung der Atten­tatsversuche auf Kaiser und Reichskanzler und ferner in der Behandlung der württembergischen Schwierigkeiten herausgebildet, völlig unbe­gründet ist. Man kann von einem Gegensätze höchstens insofern reden, als der obersten Poli­zeibehörde die Attentatsversuche als der Ver­öffentlichung unwert erschienen, während der Kaiser eine ernstere Auffassung hegte und für den glücklichen Ausgang des Anschlags Dank­gebete in den Kirchen anordnen ließ. In Be­treff der württembergischen Angelegenheit dürfen, wie uns aus authentischer Quelle mitgeteilt wird, die zwischen Berlin und Stuttgart ent­standenen Friktionen hauptsächlich auf an höchster Stelle sich bemerkbar machende Einflüsse, welche von landsmannschaftlicher Seite ausgehen, zurück­zuführen sein.

Berlin. 12! Dez. Nach derPost" wird die Angelegenheit einer voraussichtlichen Aender- ung in der Berliner diplomatischen Vertretung Württembergs in leitenden Reichskreisen lediglich als eine interne Sache des süddeutschen Bundesstaates betrachtet.

Berlin, 11. Dez. Kaiser Wilhelm wurde bereits in Barby. wo er sich zur Jagd aufhält, von der Pariser Bombenaffaire benachrichtigt. Er war sehr überrascht und sprach tiefen Ab­scheu gegen den Urheber solcher Unthaten aus. Es verlautet, der Kaiser habe weiter geäußert, ohne drakonische Abwehrmaßregeln gehe es nicht mehr weiter.

Berlin, 11. Dez. DasBerl. Tagbl." erfährt, daß die deutsche Reichsregierung auch angesichts des neuesten Dynamitattentats in Paris darauf beharrt, zu internationalen Maßnahmen gegen die Anarchisten eine Initiative nicht zu ergreifen, weil der Anarchismus Deutsch­land verhältnismäßig wenig berührt. Deutsch­land werde sich aber einer Aufforderung Frank­reichs und Spaniens gegenüber nicht ablehnend verhalten.

Berlin, 10. Dez. Für Deutschland ist es überaus angenehm, daß England auf die Verstärkung seiner Wehrkraft zur See nunmehr eifrig bedacht ist. Vier Panzerschiffe, Torpedoboot-Zerstörer, ein Kreuzer stehen schon auf dem Programm der Admiralität. Der deutsche Marine-Etat ist trotz der Verheißungen, daß er mit weitestgehender Rücksicht auf den knappen Stand der Reichssinanzen aufgestellt werden würde, umfänglich ausgefallen. Der Reichstag hat stets der Ansicht Ausdruck gegeben, daß die geographische Lage Deutschlands eine Kriegsmarine ersten Ranges nicht rechtfertige, die Erhaltung einer solchen Flotte auch mit Rücksicht auf die Kosten sich verbiete. Nur ganz vereinzelt erstanden Verteidiger der gegen­teiligen Auffassung. Die Forderungen der Marineverwaltung wurden bisher denn auch stark gekürzt. Noch karger dürfte der Reichstag dies­mal im Bewilligen sein im Hinblick auf die Flottenreform Englands. Zwar nicht zwischen. England und dem Dreibunde, wohl aber zwischen England und Italien sollen gewisse Abmachungen bestehen für den Fall, daß eine der beiden Mächte angegriffen wird. Wenn kein formeller Vertrag darüber existiert, so nötigt die Gemein­samkeit der Mittelmeer-Jntereffen Englands und Italiens von selbst zu gegenseitigem Beistände. Aber auch bei Bedrohung anderer, beispielsweise deutscher Interessen könnte England, so­weit eine Flotte in Betracht kommt, nicht un- thätig bleiben, aus dem einfachen Grunde nicht, weil jedes Mißgeschick im Kriege, das etwa den

Dreibund träfe, auch dasEhrenmitglied des Dreibundes" treffen würde. Wie sehr England dagegen sich sträuben mag: sein Schicksal ist mit dem des Dreibundes eng verknüpft.

Mit dem PanzerschiffBrandenburg", welches vor einigen Tagen von Sr. Mas. dem Kaiser im Hafen von Kiel besichtigt wurde, ist der deutschen Reichsmarine ein neuer Typ eingereicht werden. Die neuen Panzerschiffe haben ein Deplacement von 10000 to. bei einer Maschinenstärke von mehr als 8000 Pferde­kräften; die Geschwindigkeit der Schiffe beträgt 16 Seemeilen. Die Schiffe sind vollständig mit Nickelstahl gepanzert, haben 2 Stahlmasten und 3 Panzerthürme, in deren jedem zwei 28 om- Geschütze aufgestellt sind. Endlich haben die Schiffe eine große Anzahl Schnelllade-Geschütze von 10,5-und 8,8 om-Kaliber. Das Schwester­schiff derBrandenburg", der PanzerWörth", macht gegenwärtig seine Probefahrt. Im nächsten Frühjahr sollen zwei weitere Panzer desselben Typus mit dem NamenWeißenburg" und Kurfürst Friedrich Wilhelm" vollendet sein, sodaß die deutsche Kriegsmarine alsdann 4 neue Hochsee-Panzer stärkster Armierung besitzt. Die Erfolge der deutschen Handelsmarine sind nach dem statistischen Ausweis im Jahre 1892 wiederum ganz außerordentliche gewesen. Ganz besonders tritt im Verkehr mit den Ber­einigten Staaten von Nordamerika hervor, in welchem der Norddeutsche Loyd in Bremen weitaus die leitende Stellung unter allen Schiff­fahrtsgesellschaften sich seil Jahren errungen hat. Ein ganz besonders interessantes Bild er- giebt die Postbeförderung. Die gesammte amerikanisch-europäische Post belief sich im ver­flossenen Jahre auf 1728800000 Zr. An der Beförderung dieser Post haben 13 Schifffahrts­linien Anteil genommen. Von dem gesammten Quantum hat nun der Norddeutsche Loyd allein fast 700000000 gr., d. h. bedeutend mehr als ein Drittel der ganzen amerikanisch-europäischen Post befördert. Die Ursachen für diesen ge­waltigen Vorsprung liegen in dem Umstand, daß der Norddeutsche Lloyd als einzige Linie der Welt zweimal wöchentlich Schnelldampfer von Bremen nach New-Iork und umgekehrt ab­fertigt. während daneben seine Postdampfer ebenfalls noch nach New Jork und Baltimore wöchentlich laufen. Die Linien des Nord­deutschen Lloyd stehen daher auch in der Passagier­beförderung an der Spitze aller Linien der Welt; im Jahre 1892 betrug der Passagierverkhr mehr als 200000 Personen.

B e r;l i n, 11. Dez. Da in letzter Zeit mehr fach die Maul- und Klauenseuche durch Rindvieh und Schweine aus Italien nach Deutschland eingeschleppt worden, veröffentlicht der bayrische Minister des Innern im Reichsanzeiger ein Ver­bot der Durchfuhr von Rindvieh, Schafen, Ziegen und Schweinen.

Berlin, 11. Dez. Nach der Post haben die Verhandlungen über die Grenzregulierungen im Hinterland von Kamerun begonnen. Den deutschen wie französischen Delegierten ist strengste Geheimhaltung der Verhandlungen auferlegt.

Berlin, 12. Dez. Aus Friedrichsruh wird der Zusammenstoß zweier Güterzüge gemeldet. Acht Wagen sind zertrümmert. Ein Heizer und ein Bremser wurden verletzt, der letztere schwer.

Wie dieBreslauer Ztg." meldet, nahm die schlesische Provinzialsynode eine Reso­lution an, in welcher tiefer Schmerz über die durch den Reichstag erfolgte Annahme des Zentrumsantrags auf Wiederzulassung der Jesuiten ausgedrückt wird.

Leipzig. 11. Dez. Der hier am 14. De- zember statlfindende Landesverrats-Prozeß gegen die französischen Spione wird nicht öffentlich verhandelt werden.

Köln, 12. Dez. In Lippramsdorf wurde in der letzten Nacht ein Kirchendiebstahl verübt. Es gelang den Dieben mit Kirchen­geräten im Werte von mehreren 10 000 Mark zu entkommen.

Frankfurt a. M., II. Dez. Die Ham­burg-Amerikanische Packetfahrt-Aktien-Gesellschast veranstaltet im kommenden Frühjahr 2 Orient- Reisen. Die erste geht, wie die Franks. Ztg.

meldet, ab Hamburg am 10. Februar mit dem Schnelldampfer Augusta Viktoria. (Die Rück­reise erfolgt am 27. März 1894), die zweite am 17. Februar ab Genua mit dem Schnelldampfer Fürst Bismarck."

Karlsruhe, 12. Dez. Nach sechsstündiger Verhandlung erklärte sich die zweite Kammer einstimmig gegen die Reichsweinsteuer.

Der zweite Hauptgewinn der Roten Kreuz-Lotterie (50000 Mark) fiel auf die Nummer 314 254.

Württemberg.

Stuttgart, 11. Dez. Gerüchtweise ver­lautet, der Präsident der Zentralstelle für die Landwirtschaft, Frhr. Hans v. Ow, sei zum Nachfolger des Staatsministers des Innern v Schmid bestimmt. Weiter werden genannt: Dr. v. Göz, Staatsrat v. Pischeck, Staats rat v. Moser.

Stuttgart, 12. Dez. Die Frage über den Nachfolger des Herrn v. Schmid als Minister des Innern scheint sich, obschon eine allerhöchste Entscheidung bis zur Stunde nicht vorliegt, dahin lösen zu wollen, daß der Staats­rat I. v. Pischeck an diese Stelle berufen wird.

Als designierter Nachfolger des bisherigen Gesandten v. Moser in Berlin gilt Herr v. Barnbüler, gegenwärtig Gesandter Wärt, tembergs in Wien, ein Sohn des dorstorbenen und seinerzeit vielgenanntenen württembergischen Staatsmannes.

Die württemb. landw. Genossenschafts- Zen t r a l k a s s e E. G. m. b. H. hat vom 1. Jan. n. I. ab den Zinsfuß für die in laufender Rechnung entnommenen Gelder auf 4°/» herab­gesetzt.

Stuttgart, 11. Dez. DasN. Tagbl." schreibt: Wie wir vernehmen, finden im Herbst 1894 dreitägige Kaisermanöver des K. württemb. Armeekorps statt. Wie wir bereits schon vor einiger Zeit mitteilen konnten, war anfänglich die Verlegung der neuformierten aus drei Batterien bestehenden Artillerieabteilung von Ludwigsburg nach Ulm bestimmt. Später wurde für diesen Truppenteil Stuttgart als Garnisonsorl in Aussicht genommen, und erst in letzter Zeit hat man sich endgültig für Cann­statt entschieden, wo zu diesem Zwecke eine , Kaserne erbaut werden soll. Die vielfach ver­breiteten Gerüchte in Betreff eines Garnisons­wechsels des hiesigen Ulanenregiments scheinen sich zu bestätigen. Dem Vernehmen nach soll Ende Juli n. I. das hiesige Ulanenregiment König Karl nach Ulm und das seither in Ulm garnisonierende Dragonerregiment König nach Stuttgart verlegt werden.

Ueber den geologischen Aufbau des Schwarz­waldes sprach am Samstag abend Dozent Dr. Karl End riß im württemb. Schwarzwald­verein. Redner wies zunächst darauf hin, daß der Schwarzwald eine keilförmige Masse mit Abbrüchen nach dem Rheinthal bilde. Für die geologischen Verhältnisse kommt erstens in Be­tracht: der Hauptgrundstock, zweitens die Auf­oder Anlagerung. Ersterer wird gebildet aus Gneis und Granit. Die Gneismassen sind wahr­scheinlich veränderte Sedemente. Der Granit ist in einzelnen Gebieten mächtig entwickelt, so von Gernsbach bis ins Murgthal. in der Gegend von Triberg, bei Hammereisenbach, Schluchsen, Hausen rc. Die Granitmassen werden wohl jünger als der Gneis sein; an vielen Punkten findet man Granit von Gneis umlagert. Der Schwarzwald ist in geologischer Beziehung eine Ruine, die schon sehr viel verloren hat. Zu den ältesten Anlagerungen gehören die quarzischcn Gesteine in der Gegend von Baden-Baden, wie Kalke, Schiefer; doch ist deren Alter nicht leicht festzustellen. Bei Badenweiler und Lenzkirch trifft man Sandsteine und Thonschiefer, sowie Gerölle, welche der Periode vor der Stein­kohlenzeit angehören; damals ist der Schwarz­wald hoch entwickelt gewesen. Porphyre, die aus jener Zeit stammen, hat man bei Lenzkirch gefunden; die Gebirgsbildung hat auch damals geherrscht. Zu den nächst jüngeren Bildungen in der Gegend von Schramberg, Baden-Baden rc, gehören Reste des wirklichen Hauptsteinkohlen­gebirges. Ablagerungen von Äuntsandstern