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^ 54. Amis- und AnzeigebkaLL für dm Bezirk Galw. 76. Jahrgang.
Erscheint Dienstags, Donnerstag« und Samstags. Di« EinrückungSgebithr beträgt im Bezirk und in nächster Umgebung s Pfg. die Zeile, weiter ents-rnt lS Pfg.
Dienstag,
den 7. Mai 1901
Vierteljährlicher Abonnementspreis in der Stadt Mk. 1.10 ins Haus gebracht, ML. 1. 15 durch die Post bezogen im Bezirk; außer Bezirk Mk. i: 35.
Amtliche Bekanntmachungen.
D-m Ortsbehörden
wird das Minist.-Amtsbl. Nr. 5 von 1901, in welchem ein Erlaß über die Verteilung der Quar- tierlcistungen vom 6. März d. I. enthalteil ist, mit dem Auftrag zugesendet, dieses Blatt in die im Jahr 1899 hinausgegebene Sammlung der Bestimmungen über die Quarticrleistung von „Luge" einzuheften.
Calw, den 4. Mai 1901.
K. Oberamt.
Voelter.
Die Ortsbehörden
werden unter Hinweis auf den Ministerialerlaß vom 10. April 1901, Nr. 5419, (M.-A.-Bl. S. 113), betr. die Unterstützung der bedürftigen Familien von Teilnehmern an der Expedition nach Ostasien,
beauftragt, die Entschädigungsbcrechtigten sofort in geeigneter Weise zur Anmeldung ihrer Ansprüche aufzufordern und die Anmeldungen spätestens vis zum 15. V. Mts. hieher vorzulegen.
Calw, den 6. Mai 1901.
K. Oberamt.
Voelter.
Tagesneuigkeiten.
* Calw, 6. Mai. Wie wir hören, richtete hiesige sozialdemokratische Arbeiterverein ein Gesuch an die bürgerlichen Kollegien, es möge die Stadtverwaltung dem Protest einiger Städte Württembergs gegen eine Erhöhung der Getreidezölle sich an schließen. Die bürgerl. Kollegien haben in einer gemeinschaftlichen Sitzung Stellung zu dem Gesuch genommen
und dabei einstimmig beschlossen, über die Eingabe zur Tagesordnung überzugehen, indem die Gctreide- zölle zu den politischen Fragen und darum nicht in den Geschäftskreis der bürgerlichen Kollegien gehören.
8 Calw. (Wohnungsmietsver- träg e.) Die Erfahrung lehrt, daß es sowohl den Vermietern als den Mietern von Wohnungen nicht dringend genug empfohlen werden kann, Mietsverträge schriftlich abzuschließcn. In § 548 des neuen bürgerlichen Gesetzbuchs ist gesagt, daß Veränderungen oder Verschlechterungen der gemieteten Sache, die durch vertragsmäßigen Gebrauch herbeigeführt werden, der Mieter nicht zu vertreten hat. In Folge dieser Bestimmung kommt es vor, daß Mieter, welche ihre Wohnungen geputzt und ge- weißnet bezogen haben, dieselben ungeputzt verlassen zu dürfen glauben. Ties ist natürlich ein gegen Treu und Glauben und die allgemeine Verkehrssitte verstoßendes Unrecht, denn einmal hat der Mieter die Reinigung der Wohnung zu übernehmen, entweder beim Einzug oder beim Auszug. »Hier in Calw ist es von jeher und bis heute Ortsgebrauch, daß der Mieter die Wohnung in üblicher Weise gereinigt verläßt. Um Streitigkeiten vorzubeugen, ist Jedermann anzuratcn, durch Mietvertrag sest- zustellen, wie cS in diesen und anderen Richtungen gehalten werden soll. Tie in der Druckerei d. Bl. vorrätigen Mietvertragsformulare geben eine geeignete Anleitung.
Calw, 6. Mai. Im „Bad. Hof" hielt gestern Hr. Landes-Oekonomierat Länderer von Kirchberg einen Vortrag über „Nadelreisstreu". Ter Vorstand des Landwirtschaft!. Bezirksvereins Calw, Hr. Reg.-Rat Voelter, begrüßte die Versammlung und wies daraus hin, daß eine Erörterung über die Frage der gegenwärtig fast überall herr
schenden Streunot gewiß recht nötig sei. Hr. Landes- Oekonomierat verbreitete sich sodann in kurzem, sehr sachlich gehaltenen Vortrag über die Streufrage im allgemeinen, insbesondere aber über die auch in unserem Bdzirk vielfach zur Verwendung kommende Nadelreisstreu. Von einer guten Stallstreu verlange man, daß sie 1) ein warmes, weiches Lager biete, 2) den Dung der Tiere reichlich aussauge und sich gut mit ihm verbinde, 3) daß sie selbst Pflanzennahrungsstoffe enthalte, dabei 4) wenig koste und 5) leicht zu handhaben und reinlich sei. Der Redner schilderte nun die einzelnen Ersatzstreumittel, die dem Landmanu in Ermangelung von Stroh zur Verfügung stehen und giebt zugleich der Versammlung seine eigenen Erfahrungen, die er mit einzelnen machte, zum besten. Torfstreu eignet sich namentlich für Pferde sehr gut, sogar besser als Stroh. Auf ein Pferd genügen täglich 5—6 Pfd., wenn in richtiger Weise gestreut werde (Matraze). Der Dung ist für leichten Boden besser als für schweren. Fürs Rindvieh, insbesondere bei Milchwirtschaft, ist Torfstreu weniger geeignet. Sägspüue werden im Bezirk soviel verwendet, daß er über Anwendung und Nutzen derselben die Anwesenden nicht zu belehren brauche. Laub- und Moosstreu sollten nur verwendet werden, wenn gar kein anderes Slreumittel mehr aufzutreiben sei, da der Mist wenig tauge und die Moosentnahme dem Wald sehr schädlich sei. Erdstreu sei sehr unreinlich und fast nicht zu benützen. Die Reisstreu wird außer auf dem Schwarzwald in der Ellwanger, CrailSheimer und Welzheimer Gegend vielfach verwendet. Diese Streu giebt wohl ein weiches Lager, enthält aber sehr wenig Nährstoffe für Pflanzen und giebt diesen auch sehr langsam an den Boden ab, saugt auch viel weniger Tungstoff aus als die übrigen Streumittel.
6 H 1 k k 6 1 <? H. Nachdruck verboten.
Gi« Wädchenschicksar.
Frei nach dem Englischen von A. Wendt.
(Fortsetzung.)
„Dort kommen unsere Anpraller!" bemerkte Sir Harry lachend, als ein blonder junger Mann und an feinem Arm ein großes, sehr schlankes Mädchen langsam näher kamen. Das letztere sprach und lachte affektiert, handhabte auch den großen Fächer ebenso. Jane erbebte und lehnte sich tiefer in die roten Kiffen zurück.
Sie kamen langsam heran, die schweren Falten des rosaseidenen Kleides schleiften am Boden, der rosa Fächer bewegte sich auf und nieder, des Mädchens Helle, blaue Augen blickten fast herausfordernd um sich, als sie stolz aufgerichtet daher schritt. Jane's Herz stand beinah still. Würden diese kühlen, blauen Augen sie im Schatten der Blätter erkennen? Geschah cs, dann brach das Verhängnis unaufhaltsam herein, der Zauber war gelöst, und-. Die Un
gewißheit dauerte nicht lange, Julia Smith's lange Schleppe hatte Sir Harry's Fuß berührt, sie drehte den Kopf, und die kalten, blauen Augen ruhten auf Jane's entzückendem, blaffen Gesicht.
„Jane!" rief sie überrascht, „Du hier? wie hätte ich denken können. Dich hier zu treffen!"
Jane, mit einem Gesickt so farblos wie ihr Kleid, hatte sich erhoben und antwortete mit fast unnatürlicher Ruhe: „Ich habe Dich schon seit einigen Minuten gesehen."
„O, dann warst Du es also, gegen die wir rannten," sagte Julia lachend.
„Mir erschien das Gesicht der Dame bekannt, aber an Dich dachte ich nicht, sehr natürlich; denn ich könnte nicht erwarten. Dich hier zu finden. Aber wie kommst Du hierher? wo hältst Du Dich auf?" fuhr sie mit einem fragenden Blick auf Sir Harry fort, welcher an Miß Gratton's Seite getreten war, wohl bemerkend, daß das Rencontre kein angenehmes für Jane war.
„Ich logiere in Dates-Hall!" war die ruhige Antwort. „Geht es Dir gut, Julia?"
„In Dates-Hall! Ist es möglich! und —"
„Sind alle wohl, Julia, ist Mary auch hier ?" fragte Jane in einem Ton, in welchen sich Schmerz und Furcht mischten, und der den jungen Mann an ihrer Seite mit Sorge erfüllte.
„Nein, Mary ist nicht hier, ich bin mit Mrs. Brown befreundet und einige Tage hier zum Besuch." Mit scharfem Ton fügte sie hinzu: „Ich dächte, Du müßtest bester wissen als ich, wie es uns allen geht, Willy schreibt Dir ja täglich. Er weiß natürlich, daß Du hier bist?"
„Ja, natürlich!" hauchte Jane.
„Jane, willst Du mich nicht Deinen Freunden vorstellen?" fiel hier Sir Harry's Stimme ein, des jungen Mädchens Heiz schmerzlich berührend.
Ruhig und formgemäß vollzog sich diese Vorstellung, obgleich sie sich über sich selbst wunderte, woher sie hierzu die Kraft nahm; es war wie eine Art Verzweiflung.
Julia lächelte beglückt, als Sir Harry sic um einen Tanz bat, und sagte ihm den nächsten zu. Der junge, schöne Gentleman war ihr längst ausgefallen und cs war ihr ein erfüllter Wunsch, mit ihm zu tanzen. In diesem Augenblick kam ein junger Herr zu Jane: „Endlich bin ich an der Reihe, Miß Gratton, ich bin glücklich, daß ich Eie gefunden habe."