786
Das Anarchistenblatt, worin das Attentat von Barcelona gepriesen wird, fand vielen Absatz; zahlreiche Polizisten waren zur Stelle. Um 3 Uhr nachmittags versuchte ein Anarchist den Sockel der Nelson-Säule zu besteigen und wurde hierauf unter dem Zischen der Menge verhaftet. Als sich diese Versuche wiederholten, trieben 50 berittene Polizisten die Menge auseinander. Die übrigen Polzisten schritten gleichzeitig ein und da die Menge keinen Widerstand leistete, war der Platz bald gesäubert.
Paris, 4 Dez. Der Ministerrat genehmigte eine ministerielle Erklärung, welche morgen verlesen wird. Dieselbe spricht sich gegen eine Verfassungsrevision, gegen Einkommenssteuer und gegen Trennung von Staat und Kirche aus. Sie warnt auch vor den sozialistischen Utopien und betont das Bestreben, den Frieden nach innen und außen zu erhalten.
S a r a g o s s a, 4. Okt. Sechs Anarchisten, welche vorläufig in Haft genommen waren, wurden gestern abend endgiltig dem Gefängnis überliefert. Die Behörde von Barcelona verlangt die Auslieferung eines derselben als Beteiligter an dem Attentat im Theater Liceo.
Madrid, 4. Dez. Meldungen aus Melilla berichten: Die spanischen Truppen besetzen die ganze Grenze und errichten 3 neue Forts. Die Kabylen beschränken sich darauf, die Spanier aufmerksam zu beobachten und überschreiten die Grenze nicht.
Unterhaltender Heil.
In letzter Stunde.
Eine Dorfgeschichte von E. Eibejn.
(Fortsetzung 2.)
(Nachdruck verboten.)
Seine Stimme stockte, wie von unterdrückten Thränen erstickt.
„Vater! Vater!" schrie Annaliese schmerzerregt auf. „Du kannst nichts Böses gethan haben — Du nicht, Vater! — Mein Herz sagt cs mir!"
„Was ist gut, was ist böse?" begann der alte Mann wieder. „Kind — der Mensch kann die Folgen seiner Handlungen selten oder nie berechnen. Oft schlagen seine besten Vorsätze in das Gegenteil um und da. wo er Liebe säete, erntet er Haß! — Laß mich ruhig erzählen . . . Vor vier Jahren war's. Der Frühling war in's Land gekommen. Ich ging gegen Abend in den Wald, der nun wieder neu grünte und wiederhallte von frohem Vogelgezwitscher. Mir war so fröhlich zu Sinn wie lange nicht und fromme Gedanken wie ein Gebet durchzogen meine Seele . . . Ach, Kind! Da sollte man nicht glauben, daß man etwas Böses thun . . . am wenigsten, daß man ein Menschenleben vernichten kann-"
„Nein — nein — Vater! Das ist nicht wahr — nicht wahr! - Belüge mich nicht — belüge Dich selbst nicht! — Du — Blut vergießen, Du — Menschenblut — Vater! Nein — nein! — Unmöglich!"
Sie konnte sich nicht länger bezwingen, mußte ihren Vater unterbrechen, die Gefühle, welche ihr Herz folterten, hätten sie sonst erstickt.
Der Vater schüttelte mit dem Kopf.
„Kind — ich möchte gern selbst daran
zweifeln-wie ein schwerer Traum liegt
es hinter mir — und doch — es muß wohl Wahrheit sein — ein Zeuge der Thal ist da —"
Er wies auf den Wilderer, der anscheinend teilnamlos mit stieren Blicken, das Haupt auf dem Arm gestützt, dasaß.
„Vater — glaub' ihm nicht, glaub' ihm nicht." rief Annaliese. „Er lügt, er lügt-"
Der Wilderer erhob das Haupt, ein giftiger Blick schoß aus seinen Augen auf das Mädchen.
„Soll ich Dir und Deinem Vater vor Gericht beweisen, daß ich nicht lüge?" sagte er mit
rauher, heiserer Stimme. „Wär' ganz recht, wenn Dein Vater in's Zuchthaus käme."
„Kind! reize ihn nicht!" warnte der Vater angstvoll Annaliese, „Du weißt ja noch nicht mol, wie das alles so gekommen ist . . . Laß mich weiter erzählen . . . Während ich so in stiller Freude dahinschritt im Wald auf ungebahnten Pfaden — Du weißt, ich streife gern durch Dick und Dünn, da, wo mir's am besten gefällt, — begegnet mir der Peter Holm, ein erlegtes Reh auf der Achsel ... Du erinnerst Dich, er war ein Wilderer wie der ..."
Er stockte —
„Na, sagen Sie's nur: wie der Hans Mohr!" lachte dieser roh auf.
„Du weißt auch, daß der Peter Holm im Walde tot aufgefunden wurde, eine Kugel im Kopf . . . Also — er begegnete mir. Ich sah ihn wohl finster an, wußte ich doch, daß er wilderte, und daß er das Reh, das er trug, ebenfalls widerrechtlich erlegt haben dürfte. Mit einem Ruck warf er das Reh von der Schulter und trat mir drohend gegenüber . . . Ha! Schulmeister! schrie er. wollen wir uns mal messt«, wer von Beiden der Stärkste ist? — Dabei packle er mich und schüttelte mich unter satanischem Lachen, das mir tief in die Seele schnitt. Ich weiß nicht mehr, was ich sagte, aber ich versuchte, ihn zu beruhigen. Du wirst mich verraten, dem Förster anzeigen und ich komme in's Zuchthaus, Schulmeister! sagte der Peter, das muß ich aber verhüten und da ein stummer Mund nichts verrät — Er vollendete seine Drohung nicht mit Worten, aber mit der Thal, — erhob die Faust zum Schlage nach meinem Haupt — ich wich noch rechtzeitig zurück und der Schlag streifte blos meinen Arm. Während seine Faust niedersank, fiel ihm die Flinte von der Schulter. Bev^r er sie fassen konnte, war sie in meiner Hand. Er stieß einen Fluch aus, drang wieder auf mich ein — ich wich schnell zurück, faßte Posto an einem Baum und hielt die Flinte schußbereit vor mich hin. Ich wußte nicht, daß sie geladen war, er aber stutzte und bewies mir dadurch, daß dem so war
— so viel Mut mochte er auch wohl von dem verspotteten Schulmeister nicht erwartet haben. Bevor er noch zu einem Entschluß gekommen war, hatte ich den Hahn gespannt; fast mechanisch, ohne eigentlich zu wissen, was ich that, drückte ich los — der Schuß krachte — Peter stürzte
— ich warf die Flinte fort und wollte entfliehen — da trat mir Hans Mohr entgegen —"
„Ja. ja!" rief der Wilderer aus, „ich kam noch frühzeitig genug, den Mord mit anzusehen und — Gott verdamm' mich. Schulmeister! — wenn ich früher gekommen wäre, Ihr würdet statt meines Kameraden ein toter Mann gewesen sein.
„Dank, Vater! Dank!" rief Annaliese fast jubelnd aus, „Du bist kein Mörder, Du hast Dein Leben verteidigt, in der Notwehr den Wilderer erschossen — wer kann Dich deshalb verurteilen?"
Und sie küßte die Hand ihres Vaters.
„Notwehr?" hohnlachte der Wilderer, „wer will Deinem Vater das glauben, Annaliese, wenn ich das Gegenteil beschwöre? — Ich behaupte, Dein Vater hat den Peter vorsätzlich erschossen — ihn erschossen, weil der Peter Deinen Vater beim Wildern erwischte — wie nun, Annaliese? — Das dem so ist), beschwör' ich und mein Wort wird doch noch so viel gelten, um Deinen Vater ins Zuchthaus zu bringen!
— Menschenleben ist Menschenleben! Gleichviel, ob Dein Vater den Peter erschoß oder einen Andern — er hat Blut vergossen und das schreit nach Rache!"
„Ihr seid ein unverschämter Lügner!" schrie Annaliese den Wilderer an. „Geht hin und laßt meinen Vater ins Gefängnis werfen — geht doch! — Es ist besser, die Sache kommt vor das Gericht, als daß wir uns von Euren Drohungen in steter Furcht erhalten lassen. Dem Vater kann kein Mensch ein Haar krümmen
— er hat gehandelt, wie ein Jeder an seiner Stelle gehandelt haben würde! — Geht, Hans, geht!"
„Soll ich gehen. Schulmeister?" fragte der
Wilderer mit unterdrückter Wut und sprang auf. „Ihr wißt besser als Eure Tochter, was Euch bevorsteht."
„Bleibt!" sagte der Schulmeister, „und setzt Euch wieder! Du. Annaliese. sei ruhig! Als mir der Hans damals im Walde gegenübertrat. gelobte er mir Schweigen über die That. wenn ich ihm zweihundert Thaler zahlen würde! Ich habe die zusammengesparten Notpfennige genommen, Schulden dazu gemacht, nur um den Hans befriedigen zu können. Wäre ich nicht so bestürzt gewesen, fast wahnsinnig über das Geschehene, unfähig jeder ruhigen Üebcrlegung — ich hätte mich dazu wohl kaum verstanden, mich nicht vor einer Verantwortung vor Gericht gefürchtet. Man hätte meine Behauptung, aus Notwehr den Peter erschossen zu haben, nicht ohne Weiteres zurückweisen können, selbst wenn der Hans das Gegenteil bekundet und beeidet hätte. Ich wäre vielleicht frei ausgegangen, oder höchstens zu einer kurzen Freiheitsstrafe verurteilt worden. Jetzt liegt die Sache anders. Ich zahlte dem Hans das Schweigegeld. Zeigt er mich nun an. ,o spricht dieser Umstand wider mich. Nur derjenige, der sich schuldig fühlt und vor der Strafe zittert, wird sich zur Zahlung eines Schweigegeldes verstehen. Das verurteilt mich! Ich würde ganz bestimmt auf mehrere Jahre ins Zuchthaus wandern müssen! — Das könnte ich nicht überleben, es wäre mein Tod!"
„Der Hans hat das Geld bekommen -- will er nun doch sein Wort brechen?" fragte Annaliese. „Wird er nicht auch bestraft, weil er das Geld angenommen hat?"
„Davor fürchtet sich der Hans nicht," antwortete der Vater. „Er würde sicher wegen Erpressung bestraft werden, aber trotzdem wird er mich anzeigen, wenn ich ihm nicht noch eintausend Thaler für sein ferneres Schweigen zahle."
„Schändlich!" stieß Annaliese entrüstet aus.
(Fortsetzung sotgt.)
Brüssel. 2. Dezbr. Als vorgestern der Herzog von Sachsen-Koburg, von Ostende kommend, hier einlraf, spielte sich ein heiteres Vorkommnis ab, welches freilich dem König Leopold für einige Augenblicke großen Aerger bereitet haben soll. Auf dem Nordbahnhofe hatten nämlich am vorgestrigen Abende vor dem Geleise, auf welchem der Zug mit dem Herzoge einlaufen sollte, der König mit seinem Bruder, seinem Neffen und einer zahlreichen Suite sich eingefunden und daneben halte ein Bataillon Grenadiere Ausstellung genommen, um dem hohen Ankömmlinge die militärischen Ehren zu erweisen. Plötzlich wurde das Einlaufen des Zuges gemeldet, das Kommandoz„Achtung, präsentiert das Gewehr" erscholl, dem die braven Grenadiere auch sofort nachkamen, als mit einem Male der Stationsvorsteher in großer Aufregung herbeistürzte und dem Könige milteilte, daß der Zug auf dem Geleise im Rücken der Anwesenden ein- fahren würde. Zwar wurde nun sofort „Kehrt" und nochmals „Präsentiert das Gewehr" kommandiert. aber das Schreckliche, was inzwischen geschehen war, konnte nicht mehr rückgängig gemacht werden, denn der Zug war bereits cinge- laufen und die präsentierenden Grenadiere hatten dem Herzog anstatt des Gewehres diejenige Seite ihres Körpers präsentiert, die zur Bezeugung von Ehrenerweisungen sonst nirgendwo in Anspruch genommen wird. Daß über die fatale Geschichte hier viel gelacht wurde, braucht wohl kaum gesagt zu werden.
(Ein Komiker.) Schneider: „. ^ Wenn Sie nicht zahlen können, so geben Sie mir wenigstens eine Sicherheit!" — Schauspieler: „Hm! Wie denken Sie über eine dritte Hypothek aus meine goldenen Manschettenknöpse.
Auflösung des Rätsels Nr. in 188 .
„Amon — Mamon."
Für den Monat
Dezember
nehmen noch alle Poststellen u. Postboten Bestellungen auf den Enzthäler an.
Redaktion, Druck und Verlag von C. Meeh in Neuenbürg.