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daß dieselben zugleich den Anknüpfungspunkt für die vertragsmäßige Regelung unserer Han­delsbeziehungen zu anderen Staaten bilden wür­den, hat sich inzwischen soweit erfüllt, als cs gelungen ist, aus der durch jene Verträge ge­schaffenen Grundlage auch mit Spanien, Ru­mänien und Serbien neue Handelsverträge zu vereinbaren. Die Verträge, durch welche unserem Güteraustausch mit diesen Ländern die wünschens­werte Stetigkeit und die Möglichkeit gedeihlicher Entwicklung geboten wird, werden Ihnen zur verfassungsmäßigen Bejchlußnahme zugehen. Im Einverständnisse mit Meinen hohen Verbündeten habe Ich Mich veranlaßt gesehen, Rußland gegenüber von der Befugnis einer außerordent­lichen Erhöhung der Einfuhrzölle Gebrauch zu machen. Die von Mir erlassenen Verordnungen werden Ihnen sofort mitgeteilt werden. Ich gebe Mich der Hoffnung hin. daß der Verlauf der schwebenden Handelsvertragsverhandlungen mit Rußland zur Beseitigung dieser Maßnahmen führen wird.

Dank den energischen Bemühungen, welche die verbündeten Regierungen aufgewendet haben, ist es gelungen, die verheerende Epidemie, welche im vergangenen Jahre schwere und schmerzliche Opfer gefordert hatte, seitdem fernzuhalten, -mid wo sich vereinzelte Krankheitsfälle zeigten, ihrer Verbreitung erfolgreich entgegenzutreieu. Die gewonnenen Erfahrungen noch wirksamer zu verwerten, und die Abwehrmaßregeln zu dauern­den und einheitlichen zu gestalten, ist der Zweck eines Gesetzentwurfs, welcher Ihnen vorgelegt werden wird. Um die mit der pflichtmäßigen Strenge jener Abwehrmaßregcln vereinbarte Schonung des internationalen Verkehrs thunlichst sicher zu stellen, hat unter Beteiligung des Reichs im Frühjahr in Dresden eine von der Mehr­zahl der europäischen Staaten beschickte Konferenz staltgefunden, deren Beschlüsse Ihnen zur Ge­nehmigung zugehen werden.

Die Erledigung der Ihnen auf finanziellem und handelspolitischem Gebiet gestellten Auf­gaben wird Ihre Arbeitskraft in jo hohem Maße in Anspruch nehmen, daß die verbündeten Re­gierungen es für ratsam erachtet haben, den Kreis der Vorlagen im Uebrigen thunlichst ein­zuschränken. In dem Verhältnis Deutschlands zum Auslande ist eine Aenderung nicht einge­treten. Bei Fortdauer der engen Freundschaft mit den zur Verfolgung gemeinsamer friedlicher Zwecke uns verbündeten Reichert, stehen wir zu allen Mächten in guten und freundlichen Be­ziehungen. Ich gebe mich daher cher Zuversicht hin, daß uns mit Gottes Hilfe die Segnungen des Friedens auch fernerhin werden erhalten bleiben.

Gernsbach, 16. Nov. Bei der^ am letzten Sonntag hier abgehaltenen Besprechung der Gesangvereine des Murgthales wurde die Gründ­ung eines Murgthal-Säpgerbundes be­schlossen.

Dill-Weißen st ein, 17. Nov. Heute früh nach 7 Uhr fand man den verheirateten Fabrikschmied Weiser von hier im Kanal der hiesigen Papiermühle ertrunken vor. Man ver­mutet, daß derselbe in letzter Nacht durch einen Fehltritt hineingestürzt ist. W. ist Vater von 4 Kindern.

Württemberg.

Stuttgart, 17. Nov. Heute vormittag 12 Uhr fand im Kronprinzenpalais die Taufe des jüngst geborenen Sohnes des Herzogs Alb recht statt. Dem Taufakt, für den im großen Speisesaale des Palais ein Altar errichtet worden war, wohnte S. M. der König mit der Prinzessin Pauline bei, ebenso die Eltern des Herzogs und der Herzogin Albrecht und die Ge­schwister. Die heil. Handlung begann mit einer feierlichen Ansprache des Prof. Keppler von Tübingen. Gegen das Ende der Ansprache er­schien der Täufling unter Vorantritt des Grafen v. Degenfeld, getragen von der Hofdame Frei­fräulein v. Stauffenberg; der geistliche Redner empfing ihn mit dem Segen und nahm den Tauf­akt unter Assistenz des Ätadtpfarrers Mangold vor, wobei der einzige Pathe, Herzog Philipp,

Großvater des Täuflings, die Hand auf den­selben legte. Der Prinz erhielt den Namen Philipp Albrecht Karl Maria Ludwig Josef Hubertus Stanislaus Leopold.

(Aus dem Staatsanzeiger.) Infolge der vom 3l. Oktober bis 11. November d. I. abgehaltenen zweiten Lehrerdien st Prüfung ist zur Versetzung von Schuldiensten für befähigt erklärt worden: Oelschläger, Karl, Unter­lehrer in Höfen.

Stuttgart. Nach längerer Pause trat die Finanzkommission der Kammer der Abg. am 16. d. Mts. zur Beratung dreier der­selben zur Berichterstattung zugewiesener Peti­tionen in Steuersachen zusammen, wobei im Referat des Abgeordneten v. Lutz über nach­stehende Eingaben an die Stände zu den ge­stellten Anträgen dem Vernehmen nach folgende Beschlüsse gefaßt worden sind: 1) Die Eingaben des Ausschusses des württemb. Schutzvereins für Handel und Gewerbe in Stuttgart wegen Heran­ziehung der Erwerbs- und Wirtschaftsgcnossen- schaften in Württemberg zur Gewerbesteuer, sowie 2) die Petition des Ausschusses des Ver­bands württ. Gewerbevereine wegen Abschaffung der Wertzeichen der Konsumvereine und Bei­ziehung aller auf Erwerb gerichteter Genossen­schaften zur Besteuerung im Umfang wie die übrigen Gewerbetreibenden der Kgl. Regierung zur Erwägung zu übergeben; endlich 3) die Bitte des württemb. Bäckerverbandes, den vom Staat angestellten Beamten und Unterbeamten die Beteiligung an den Konsumvereinen durch Mitgliedschaft zu verbieten, der königl. Regierung zur Kenntnisnahme mitzuteilen, sowie die Kammer der Standesherren zum Beitritt einzuladen.

lieber den Raubmord in Reutlingen wird demSchw. Merk." geschrieben: Der Bäcker­geselle hat, erdrückt von dem im Laufe der Untersuchung weiter zu Tag geförderten Be­weisen, das Geständnis abgelegt, das schwere Verbrechen an den Bertschen Eheleuten begangen zu haben. Er giebt an, die That aus Rache darüber begangen zu haben, daß ihn sein Meister am Tage zuvor einen faulen Menschen geschimpft habe. Bei weiterer Durchsuchung der Schlof- kammcr Diemers wurden verschiedene blutbefleckte Kleidungsstücke desselben, ebenso der Rest des geraubten Geldes, zwei Rollen im Betrag von 70 die ebenfalls über und über mit Blut befleckt waren, vorgefunden, so daß der gesamte Betrag von 540 ^ bis zu einem kleinen Teil, den der Tyäter verausgabt hatte, wieder beige­bracht ist. Auch der fehlende Schlüssel zur Bertschen Wohnung wurde im Abort des Hauses aufgefunden. Wie berechnend Diemer auch noch nach der That zu Werke ging, geht daraus her­vor, daß er sich selbst am Sonntag den Leuten gegenüber in den schlimmsten Verwünschungen gegen den Thäter erging und gleich bei der ersten Vernehmung angab, er sei als Knabe ein­mal auf den Hinterkopf gestürzt, und seitdem wisse er manchmal nicht, was er thue. Das Befinden von Bcrtsch war gestern auf kurze Zeit so, daß er einige Angaben über die Schreckens­nacht machen konnte.

Von den Geld- und Warenbörsen.

Stuttgart, 16. Nov. Abwartend, schwankend, sehr still so lauteten in kurzen Schlagworten die Stimmungsberichte von den europäischen Geldbörsen während der ganzen abgelaufenen Berichtswoche. Die zu Anfang derselben kolportierten Berichte über eine äußerst schwierige Finanzlage Italiens wurden durch die Auslassungen einiger italienischer Oppositionsführer wieder sehr gemildert, so daß sich die italienischen Werte wieder erholen konnten. Dauernd ungünstig wirkten dagegen die Berichte über die Lage des Eisenmarktes und die Nachricht von einer ziemlich beträchtlichen Herabsetzung der Walzeisenpreisen. Die Thronrede zur Eröffnung des Reichstags blieb auf die Börsen ohne Einfluß trotz der darin ausgesprochenen Hoffnung auf ein Zustandekommen des deutsch-russischen Handels­vertrags. Die Getreidemärkte verkehrten in Deutsch­land und Oesterreich bei ruhiger Haltung und nur wenig abgeschwächten Preisen, obgleich die amerikan. Getreidemärkte mehrfach ziemlich flau sich gestalten. Die Baumwollmärkte zeigten während der ganzen ab­gelaufenen Woche eine stille Haltung bei matter Ten­denz, weshalb die gangbarsten Baumwollsorten aber­malige Preisabschläge zu verzeichnen haben. Die Terminpreise für Amerikaner verloren gegenüber dem Schluß der Vorwoche 67 Points. Die Garn- und Tüchermärkte verkehren gleichfalls in lostloser Haltung,

und die Preise stellen sich zu Käufers Gunsten. Nach der vorübergehenden Besserung in der Vorwoche trai auf den Zuckermärkten wieder ein nicht unwesentlicher Rückschlag ein. Das ganze Geschäft gestaltet sich sehr stell, und diese und die Preise erfuhren nahmhafte Ab­schwächungen. Auch die Kaffeemärkte haben nach dem lebhaften Geschäft der Vorwoche eine ziemlich starke Reaktion zu verzeichnen. Die Umsätze sind aus allen Plätzen namhaft zurückgegangen und ebenso die Preise.

Ausland.

Graz. 17. Novbr. Graf Alexander Hartenau, der frühere Fürst von Bulgarien ist heute Mittag gestorben. Der Tod erfolgte Punkt 12 Uhr mittags. Seit 7 Uhr morhens war Agonie eingetreten. Der septische Charakter der Krankheit verursachte ihren schnellen Ver­lauf. Die Teilnahme der Bevälkerung ist außer, ordentlich groß. Kaiser Franz Joseph und die Erzherzöge hakten sich heute Vormittag nach dem Zustand des Kranken erkundigt. Die Gräfin Hartenau, die erst vom Wochenbett aufgestanden war sie wurde am 24. Oktober von einer Tochter entbunden brach über der Leiche ihres Gatten bewußtlos zusammen. Man fürchtet, daß sie geisteskrank werden könnte. Die provi­sorische Bestattung findet am Montag statt. Heute ist grade der 8. Jahrestag der Schlacht von Sliwnitza, in welcher weiland Fürst Alexan­der die Serben besiegte.

Marsaille, 16. Nov. Gestern abend 11 Uhr 50 Min. platzte innerhalb des in sie Hauswand eingebauten Schilderhauses an dem Divisionsgebäude des 15. Armeekorps eine 30 Ceutimeler hohe, anscheinend mit Dynamit ge­füllte Blechbüchse. Die Schlagentzündung zer­störte die Wand des anstoßenden Ordonnanz­raums und die dortigen Gerätschaften, sowie sämtliche Fenster und Spiegelscheiben des Ge­bäudes und der benachbarten Häuser. Menschen sind nicht verletzt. Der Korpskommandeur ist gegenwärtig in Paris; daher befand sich keine Schildwache vor dem Hause, was dem Ver­brecher die Vorbereitung ermöglichte. Der Krach wurde kilometerweit gehört. Die Bevölkerung, sehr erregt, strömte scharenweise herbei. Die Polizei ist einem Kerl auf der Spur, welcher eine Viertelstunde vor der That im Thorwege Gebäudes gesessen hat und der Thal ver- Lllchtig erscheint.

Der Krieg der Spanier mit den Rif- kabylen bei Melilla ist noch nicht beendigt. Die Spanier haben die Außenforts von Melilla reichlich verproviantiert und bombardieren noch immer die Stellungen der Kabylen, die sich etwas weiter landeinwärts zurückgezogen haben, nach­dem einer ihrer Führer gefallen war. Der Sultan von Marokko hat den Rifkabylen zwar befohlen, alle Feindseligkeiten einzustellen, letztere kümmern sich aber um diesen Befehl nicht, und bis der Sultan die nötigen Truppen beisammen hat, um die Rifkabylen zur Raison zu bringen, wird es wohl noch mehrere Wochen anstehen.

Von der Lokomotivfabrik Winterthur, werden gegenwärtig die Lokomotiven für die Libanonbahn angeferligt. Die erste wurde soeben vollendet; sie ist stärker und schwerer als jede der in der Schweiz verwendeten Bergloko« Motiven. Aus dem gleichen Etablissement werden nächstens auch 4 Lokomotiven nach Japan ver> sendet.

Telegramme an den Enzthäler.

Aalen, 18. Nov. Der in der K. Loko- motivwerkstätte hier beschäftigte verheiratete Taglöhner Hch. Wahl von Eschach O.A. Gail­dorf wurde gestern 9 Uhr von der Transmission erfaßt und sofort getötet.

Berlin, 18. Nov. Dem Berl. Tagbl. wird aus London gemeldet: Der französische Dampfer St. Paul wurde beim Kap Finistere zum Wrack, 10 Mann der Besatzung werden vermißt.

Mailand, 18. Nov. 35 Anarchisten wurden verhaftet und viele Flugschriften be­schlagnahmt.

Redaktion, Druck und Verlag von C. Meeh in Neuenbürg.