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Aus Stadt, Bezirk und Umgebung.
Liebenzell, 22. Okt. Anläßlich der Wendung des Umbaus unserer Kirche haben die bürgerlichen Kollegien einstimmig beschlossen, dem hies. ersten Stadtpfarrer Weitbrecht als Zeichen aufrichtiger Dankbarkeit für seine vielen When, die er anläßlich dieses von ihm ins Leben gerufenen Bauwesens hatte, sowie in Würdigung seines nahezu 20jährigen segensreichen Wirkens hier das Ehrenbürgerrecht der Stadt zu verleihen. Eine Absendung der bürgerlichen Kollegien unter Führung von Stadt- schullheiß Schneider hat heute die von einem Künstler angeferlige Urkunde in feierlicher Weise übergeben. Der Gefeierte, überrascht und hocherfreut von dieser ihm erwiesenen Ehre, dankte gerührt in längerer Rede. Die Einweihung der Kirche wird am kommenden Sonntag in feierlicher Weise stattfinden.
Pforzheim. 23. Okt. Die im Austrage der badischen Regierung bezw. des Kunstgewerbe- Bereins und hiesiger Industrieller nach Chicago zur Weltausstellung gereisten und nunmehr wieder zurückgekehrten Herren Direktor Waag, Fabrikant Schmerle und Mechaniker Lenz von hier haben m Amerika eine Anzahl moderner Bijouterien, Silberwaren und Photographien erworben, welche seit gestern im Kunstgewerbe-Museum ausgestellt sind und seitens der Geschäftswelt mit regem Interesse besichtigt werden. Es sind lauter erlesene, die Eigenart des amerikanischen Geschmacks bekundende Gegenstände, deren Erwerbung nicht ohne Einfluß auf unsere, hauptsächlich auf den überseeischen Export angewiesene Fabrikation bleiben dürfte.
Deutsches Weich.
Berlin, 24. Okt. Erzherzog Albrecht ist um 12 Uhr 23 Min. hier eingetroffen und vom Kaiser und den Prinzen Heinrich und Leopold am Bahnhof empfangen worden. Alsbald erfolgte die Weiterfahrt nach Potsdam. Aus der Fahrt vom Anhalter nach dem Potsdamer Bahnhof wurden der Kaiser und der Erzherzog begeistert begrüßt.
Berlin, 24. Okt. Bei dem Reichs- lanzler findet am Samstag ein größeres Mahl statt, wozu die preußischen und die anwesenden süddeutschen Minister sowie die beiderseitigen Kommissare für den russ. Handelsvertrag und noch andere Einladungen erhalten haben.
Berlin, 23. Okt. Heute Vormittag traten im Reichsschatzamt die Finanzminister der an der geplanten Weinsteuer hauptsächlich beteiligten Staaten zusammen. Auch Finanz- minister Dr. Miquel war anwesend. Wie verlautet, dürfte die Conserenz nur zwei Tage beanspruchen.
Seit Montag find diedeutschenFinanz- minister abermals zu einer Konferenz versammelt, und zwar diesmal in Berlin, wo die Herren in den Räumen des Reichsschatzamtes tagen. Es handelt sich bei dieser neuen Auflage der Frankfurter Finanzministerkonferenz zunächst uni die projektierte Reichsweinsteuer, welche, wenigstens in der vorgeschlagenen Form, auch in den Kreisen verschiedener Bundesregierungen aus erhebliche Bedenken gestoßen sein soll. Es geht daher die Rede von einer Umgestaltung dieses Steuerentwurfes, welche bezwecken würde, die Interessen der Weinbau treibenden Bevölkerung besser zu schützen und den Schwerpunkt der Weinsteuer aus die Kunstwein-Produklion M legen. Ob die Berliner Finanzminister- Konferenz daneben noch durch andere Steuer- Projekte in Anspruch genommen werden wird, steht zwar noch dahin, unwahrscheinlich ist es über nicht, daß bei den Berliner Beratungen Mch die verschiedenen Stempelstcuerentwürfe, die uugeblich geplant sind, zur Sprache kommen.
Berlin. 23. Okt. Die „Nordd. Allgem. ütg." schreibt: Nach den jetzt vorliegenden Kassenabschlüssen der Reichspostverwaltung für dsn 1. April bis Ende September 1893 betrugen die Einnahmen 122 264462 die Ausgaben
lOg 587490 »^ Es ergiebt sich darnach ein jiewüberschuß von 12676S71 oder 3210091
weark mehr gegen das Vorjahr.
Mannheim, 24. Okt. Heute hatte sich! vor dem Schwurgericht der Redakteur Julius l Mayer des seit Anfang Oktober hier erscheinenden demokratischen „Pfalzgauechos" wegen Beleidigung des Großherzogs zu verantworten. Die Verhandlung währte von vormittags 9 Uhr bis mittags 12'/- Uhr. Julius Mayer erschien mit einer roten Nelke im Knopfloch und spielte sich als Volkstribun auf. der den Großherzog vor dem Umgang mit Elementen, wie die Na- tionaüiberalen sie seien, habe warnen wollen. Die Geschworenen bejahten nach einer Beratung von kaum fünf Minuten die Schuldfrage und Julius Mayer erhielt darauf entsprechend dem Anträge des Ersten Staatsanwalts Dietz vier Monate Gefängnis zudiktiert.
Im Reichslande ist die Zahl der Katholiken seit 1870 von 1 304000 auf 1227 000 zurückgegangen, hat also um 77 000 abgenommen; während des gleichen Zeitraums wuchs die Zahl der Protestanten von 243000 auf 337000 an, was einer Zunahme von 92 000 gleichkommt Ursache dieser auffallenden konfessionellen Verschiebung ist der Umstand, daß an der starken Auswanderung seit 1870 sich hauptsächlich das katholische Element beteiligte, während umgekehrt die Einwanderung vorwiegend protestantisch war.
Württemberg.
Stuttgart, 23. Okt. König Wilhelm ernannte den König Albert von Sachsen znm Chef des Infanterie-Regiments Altwürttemberg Nr. 121. Aus diesem Anlaß reisten der Oberst des Regiments, sowie ein Hauptmann und Premierlieutenant zur Beglückwünschung und Vorstellung nach Dresden.
Stuttgart, 23. Okt. Das kgl. Finanzministerium hat an die Weininteressenten und so auch an die landw. Zentralstelle Anfragebogen versandt, um über das Projekt einer Reichsweinsteuer Mitteilungen zu erhalten. Dem Vernehmen nach hat die Zentralstelle für die Landwirtschaft letzten Donnerstag in der Angelegenheit eine Sitzung gehalten, bei der die Weinsteuer entschieden als verderblich für unseren Weinbau abgelehnt wurde. Diese Haltung sollen auch die sonstigen befragten Interessenten eingenommen haben.
Die Kassenschrank- und Schloßfabrik von I. Ostertag in Aalen ist auf der Weltausstellung in Chicago für die solide, exakte und gediegene Ausführung der ausgestellten Kaffen- schränke und zugehörigen Sicherheits- und Kom- binationsschlösser preisgekrönt worden.
Tübingen, 20. Okt. Auf der Welt- Ausstellung in Chicago ist dem Mechaniker C. Erbe hier für seine in der Abteilung für wissenschaftliche Instrumente ausgestellten Appa« rate ein Preis zuerkannt worden.
Den Klagen der Obstzüchter über die billigen Obstpreisen begegnet ein L gezeichneter Artikel im „Oberschwäb. Anz." mit folgenden Betrachtungen: Daß das Obst mit Ausnahme von Heuer und 1889 stets gute, ja hohe Preise erzielte, an das denken viele nicht mehr. Der billig denkende Landmann gönnt seinen Mitmenschen auch etwas und denkt daran, daß Heuer statt 1 Zentner 3 und 4 Zentner gewachsen sind und wenn man hiernach rechnet, so kommt man immerhin auch dieses Jahr wieder zu einem ordentlichen Mittcl- preis. Die geringe Mehrarbeit muß man auch nicht zu hoch anschlagen. Der Hauptfehler, welchen so manche Obstzüchter dieses Jahr gemacht haben, ist der: vor 6 und mehr Wochen haben sie aus übelangelegter Sparsamkeit halbreifes, grünes Abfallobst und fades Frühobst in Masse gemostet und obendrein noch Kübel Wasser darangeleert, statt diesen wertlosen Träber einfach wegzuwerfen. Solchen Most kann man nur zu alsbaldigem „Wegtrinken" aber nicht aufs Lager brauchen. Daß man diesem Frühmost Zucker und etwas Branntwein beigegeben hätte, hievon war keine Rede, und so ist es denn gekommen, daß trotz dem Obstreichtum so manche ihre Fässer mit geringer, schlechter, saurer Brühe voll haben, thr gutes, wertvolles Obst aber hängt vielfach noch auf den Bäumen und kann nur mühsam und um billigen Preis Absatz finden. Das Hausen und Sparen ist schon recht,
I man kann aber auch gar zu häuslich sein.
1 Dieses Jahr hätte man doch den „Brunnen" mehr in Ruhe lassen und einen guten gehaltvollen Moll machen sollen. Die Hauptsache bei allem Obstbau sind gute Sorten. Aus solchen hat man auch bisher ordentliche Mittelpreise erlöst, mit schlechten Sorten aber thut man auch in geringen Obstjahren schwer zum Verkaufen. Schöne, haltbare Aepsel braucht man nie um Schleuderpreise herzugeben, man liest sie sorg, sam aus, legt sie an einem frostfreien Orte auf ein Strohlager und später, auf den Nikolaustag oder auf Weihnachten gilt solches Obst wieder anständige Preise. In der Haushaltung kann man — zumal bei Kindern — viel Brot und andere Kost ersparen. Urteilen wir nun billig: letztes Jahr für alle, welche Obst zu verkaufen hatten, ein festes Jahr; Heuer für die Käufer ein gutes Jahr und weil es so viel giebt, können auch erstere zufrieden sein, denn in so manchem armen Hause wird Most eingelegt und in manchen obstarmen Gegenden findet der Most allgemeineren und vergrößerten Eingang. Da wird man den liebgewonnenen Haustrunk auch in Zukunft nicht misten wollen — zum Segen des Obstbaus.
Stuttgart, 24. Okt. Kartoffel- und Kraut- markt. Zufuhr am Leonhardsplatz: 80l> Ztr. Kartoffeln, Preis per Ztr. 2 Mk. 60 Pf. bis 3 Mk. — Zufuhr am Marktplatz: 5000 Stück Filderkraut, Preis per 100 Stück 18—20 Mk.
Calw. Obstmarkt am 18. Okt. Zufuhr 100 Ztr. Preis für Aepfel 2 30 bis 3 Birnen 1 -kL 40
— 21. Okt. Zufuhr 35 Ztr. Preis für Aepfel 2 «Kl 50 ^ bis 2 70 Birnen 2 -kL 80
Ausland.
In der plötzlich so kritisch gewordenen parlamentarischen Lage in Oesterreich ist die Wahlreform-Frage zunächst wieder in den Hintergrund getreten. Ministerpräsident Graf Taaffe sieht ein, daß er mit seiner Wahlreform einen schweren Fehler gemacht hat. als er mit derselben so unvermutet und ohne jede vorherige Rücksprache mit den maßgebenden Parteiführern auf der Bildfläche erschien. Er läßt daher in den offizösen Preßorganen bereits zum Rückzuge blasen und in demselben versichern, die Regierung gedenke keineswegs das Parlament wegen der Wahlreform ohne Weiteres aufzulösen. Dafür ist aber die Affaire der Prager Ausnahmeverfügungen jetzt zum „springenden Punkt" in der ganzen Situation geworden. Graf Taaffe besteht auf der bedingungslosen Genehmigung der Ausnahmeverordnungen durch das Abgeordnetenhaus, widrigenfalls dasselbe aufgelöst werden soll.
Wie die Russenfeste in Frankreich durch Mac Mahons Tod, so haben die Engländerfeste in Italien durch den Tod des britischen Botschafters Lord Vivian eine Unterbrechung erlitten. Admiral Seymour wohnt der Leichenfeier in Rom bei, und an diesem Donnerstag werden in Spezzia, wo das Geschwader jetzt ankert, die Feste wieder ausgenommen werden. Das Volk von Spezzia hat die Engländer mit der größten Begeisterung begrüßt.
Demnächst wird in Italien neues Papiergeld in Umlauf gesetzt werden, und zwar Zettel, die auf einen Franken lauten. Das zeigt deutlicher als die längsten Abhandlungen, in welche Geldnot Italien gebracht worden ist.
London, 23. Okt. Die „Times" begrüßt in einem Artikel „England und die russische Marine" die letztere als den jüngsten Sproß der englischen Marine, da viele Generationen russischer Seemänner in der englischen Marine gedient haben. Sie betont, daß die Engländer mit allen Nationen, Franzosen und Russen eingeschlossen, in herzlichster Freundschaft leben möchten, und hofft, daß die russische Flotte Portsmouth besuchen werde, um die Vorurteile der Engländer gegen die Russen zu beseitigen. Freilich würde der Empfang nicht so warm ausfallen, wie in Toulon und Paris.
Telegramme an den Enzthäler.
Paris, 25. Okt. Bei der Festoorstellung in der Oper erregte die Schlußszene, in welcher eine Statue des Friedens auf der Bühne erschien und hinter den Coulissen ein Kanonenschuß fiel,