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Reichstreue Parteien" vereinigt und eigene Kandidaten aufgestellt.

Die Nordd. A. Z. bemerkt zu ihrer früheren Ausführung, daß durch die Tabakfabriksteuer beim Rauch- und Schnupftabak eine Ver­teuerung voraussichtlich nicht eintreten werde. Es sei hierbei selbstverständlich nur an minder­wertige Sorten gedacht. Uebrigens werde die Nordd. A. Z in der nächsten Zeit in der Lage sein, die Berechnung der voraussichtlichen Wirk­ung der fraglichen anderweitigen Besteuerung des Tabaks auf die Preisbildung von Zigarren und Tabak mitzuteilen.

Berlin, 17. Okt. DiePost" schreibt: Die Annahme, daß die Sonntagsruhebestim- mungen für die gesamte Industrie schon im nächsten Frühjahr in Kraft treten könnten, be­ruht auf einer Verkennung der zu überwinden­den Schwierigkeiten. Es sind mit einer ganzen Reihe von Jndustriegruppen noch Besprechungen nötig. Immerhin hofft die Reichsregierung, un nächsten Frühjahr die Entwürfe für die sämt­lichen Jndustriegruppen dem Bundesrate zustellen zu können. Bis wann der Bundesrat dieses Material erledigen wird, dürfte noch nicht abzu­sehen sein, weil dann noch die Einzelregierungen Stellung zu den Entwürfen nehmen müssen. Schließlich müßte auch der Industrie Zeit ge­lassen werden, sich auf die vielfach tief ein­schneidenden Bestimmungen einzurichten.

Berlin. In den deutschen Handelskreisen ist seit einiger Zeit eine lebhafte Bewegung im Gange, die auf eine Ermäßigung der Fernsprechgebühren abzielt. Die Reichs­postverwaltung hat sich ihr gegenüber bisher wenig entgegenkommend gezeigt. Um aber zu zeigen, daß eine solche Ermäßigung auch der Reichspostverwaltung selbst zum Vorteil gereichen würde, sind von verschiedenen Handelskammern Erhebungen darüber veranstaltet worden, wie­viel neue Anschlüsse bei Ermäßigung der Ge­bühr auf 100 oder gar auf 50 ^ jährlich zu erwarten wären. Das Ergebnis dieser Er­hebungen soll alsdann in einer Eingabe an den Staatssekretär im Reichspostamt verwertet werden.

Die Erneuerungswahlen im säch­sischen Landtage liegen in ihren Ergebnissen zwar noch nicht vollständig vor, aber die be­kannten Resultate lassen doch schon erkennen, daß in den bisherigen Parteiverhältnissen der zweiten Kammer keine wesentliche Veränderung eintreten wird. Bor Allem ist die vielfach be­fürchtete erhebliche Verstärkung des sozialdemo­kratischen Elementes in der sächsischen Volksver­tretung nicht eingetreten. Die Sozialdemokraten gewannen lediglich das neue Mandat für Leipzig- Ost, wo sich die Zahl der Wähler aus den Ar­beitermassen infolge der Einverleibung der von einer starken Arbeiterbevölkerung bewohnten öst- lichen Vororte Leipzigs in die Stadt bedeutend vermehrt hat. und das Mandat für Dresden- Antonstadt. letzteres infolge des Zwiespaltes zwischen den dortigen bürgerlichen Parteien.

München, 12. Okt. Im Eldorado fand gestern abend eine sozialdemokratische Versamm­lung statt, in der Abg. v. Vollmar über den am 22. l. M. beginnenden Kölner Parteitag referierte. Er führte aus, daß diese Tage immer mehr zu reinen Geschästsparteitagen werden und deshalb vielleicht für Abhaltung derselben ein zweijähriger Termin genüge. Bon den Punkten der diesjährigen Tagesordnung seien nur drei von Interesse: die Agitation, die Presse und die Maifeier. Der Redner betonte insbesondere, daß die ländliche Agitation möglichst lokal be­trieben werden müsse und sich die Gründung eines neuen Zentralwochenblattes nicht empfehle, weil die Partei an Zentralisation schon überge­nug habe. Was die Maifeier betreffe, so werde der Kölner Parteitag den in Zürich ge­faßten Beschluß zu Gunsten der allgemeinen Arbeitsniederlegung am 1. Mai nicht anerkennen können, da die ökonomischen Verhältnisse sich keineswegs gebessert hätten und daher die Durch­führung des Züricher Beschlusses völlig unmög­lich sei. Abg. Grillenberger erklärte sich eben­falls für zweijährige Abhaltung des Parteitages, damit für die gewerkschaftliche Bewegung ein größerer Raum geschaffen werden könne. Mil

der Einführung der Maifeier sei der Partei ein rechtes Kuckucksei ins Nest gelegt worden; die Frage des 1. Mai sei überhaupt als sozialde- mokratisches Partei-Dogma nicht anzuerkennen. Das Verlangen der allgemeinen Arbeitsruh sei bei der jetzigen wirtschaftlichen Depression ge- radezu eine Frivolität, da eine solche Kraftprobe gegenüber der organisierten Bourgeosie die Par­tei auf's schwerste schädigen müsse. Die Haupt­sache. um zum Achtstundentag zu gelangen, sei und bleibe die Gewinnung politischer Macht und die Stärkung der gewerkschaftlichen Bewegung.

Aus Baden, 20. Okt. Auf der Strecke zwischen Appenweier und Offeuburg hat sich ein nicht unbedeutender Eisenbahnunfall zuge­tragen. Ein Personenzug fuhr nachts auf einen Güterzug und zertrümmerte gegen 30 Wagen, sodaß das Geleis vollständig gesperrt ist und die Passagiere umsteigen müssen. Personen wurden zum Glücke nicht verletzt, doch ist der Schaden an Material sehr groß.

Die deutsche Handelsmarine hat wiederum einen bedeutsamen Zuchwachs zu ver­zeichnen. Die Norddeutsche Loyd in Bremen hat vor kurzem abermals eine neue Linie nach Amerika eingerichtet. Die (Roland)-Linie geht Mittwochs von Bremen ab und ist vorwiegend auf den Zwischendecks- und Frachtverkehr ein­gerichtet. Die Schiffe für die Linie sind neu erbaut, mit vorzüglichen Zwischendeckseinricht­ungen versehen und nehmen gar keine Kayüts- paffagiere, sodaß den Zwischendeckeln das ganze mächtige Promenadendeck zur Verfügung steht. Der Norddeutsche Loyd ist gegenwärtig die größte Schifffahrtsgesellschaft der Welt und verfügt über 22 Linien, von denen allein 6 nach Amerika gehen.

Württemberg.

Stuttgart, 20. Okt. Der General-Ad­jutant Seiner Majestät des Königs. Gen.-Lieut. Frhr. v. Falken st ein begab sich in Stellver­tretung des Königs nach Dresden, um Se. Maj. dem König von Sachsen die Allerhöchsten Glückwünsche zu Höchstdessen 50jährigem mili­tärischen Jubiläum zu überbringen.

Stuttgart. Der langjähr. Vorstand des Amtsgerichts (Amt), Landgerichtsrat Stettner, wurde am Samstag auf dem Pragfried­hofe zur letzten Ruhe bestattet. Ein großer Kreis von Freunden und Kollegen mit dem Präsidenten v. Länderer an der Spitze um­standen das Grab. Als der mit Palmen, Blumen und Kränzen überreich geschmückte Sarg in die Erde versenkt wurde, spielte das Posaunenquartett der Johanniskirche den EhoralMein Glaub' ist meines Lebens Ruh'." Anknüpfend an die Worte des Apostel PaulusIch halte es dafür, daß dieser Zeit Leiden nicht wert sei der Herr­lichkeit, die an uns soll offenbar werden" hielt Stadtpfarrer Plieninger die warm empfundene Grabrede. Nachdem der Verstorbene schon eine erfolgreiche Amtsthäligkeit bei den Amtsge- richten Heidenheim, Ulm, Ellwangen, Neuen­bürg und Nürtingen zurückgelegt hatte, kam er im Jahre 1867 nach Stuttgart als Oberamts­richter und wirkte hier 20 Jahre lang als Vor- stand des Amtsgerichtes in der Rothebühlstraße, bis ihn schwere körperliche Leiden nötigten, aus dem Amte zu scheiden.

In Pinache wurde am letzten Samstag die neue Wasserleitung eingeweiht. Das Wasser kommt aus einem Brunnen, den die Gemeinde Wiernsheim unentgeltlich an die Gemeinde Pinache abgelassen hatte. Von demselben wer­den 3 Brunnen in letzterem Orte gespeist.

Wildberg, 19. Okt. Gestern Abend ge­rieten 2 Brüder. Söhne des Kaufmanns und Oekonomen G. Bräuning hier, aus einer gering­fügigen Ursache in Streit, wobei der eine dem andern ein Tranchiermesser in den Leib stieß. Der Thäter. ein verschlossener, arbeitsscheuer Mensch, ist verhaftet. Derselbe zeigte keine Spur von Reue über seine allem Anscheine nach vor­sätzlich ausgeführte ruchlose Thal. Die Teil­nahme mit dem allgemein beliebten, im vorigen Herbst vom Militär als Unteroffizier entlassenen jungen Mann, welcher heute Abend seinen Ver­letzungen erlegen ist, ist groß.

Obstpreiszettel.

Stuttgart, 21. Okt. Wilhelmsplatz: 3000 Ztr. Mostobst, Preis pr. Zt. 3 Mk. 30 Pf. bis 3 Mk. 60 Pf. 20. Oktober. Güterbahnhof. 19 Waggon (2 württ., 6 Hess., 11 schweiz.), Preis pr. Waggon 540600 Mk., pr. Ztr. 2 Mk. 80 Pf. bis 3 Mk. 10 Pf. Tübingen. Am letzten Mittwoch und heute haben die Obstpreise bedeutend angezogen; Aepfel galten 3 Mk. bis 3 Mk. 20 Pf., Birnen 3 Mk. 20 Pf. bis 3 Mk. 60 Pf. der Ztr. Hauptsächlich waren es die Händler, welche den Markt besuchten.

Aus Elsaß-Lothringen, 19. Okt. Noch immer zeigt sich wenig Leben im Weingeschäft. In Rappolts­weiler ist der Preis in den letzten 2 Tagen um 2 zurückgegangen und steht augenblicklich auf 1314 ^ Einige Posten besserer Qualität sind gestern zu 16 abgesetzt worden. Von den berühmteren Lagen, wie Zahnacker, Trottacker und Gaisberg, meist mit Riesling- und Tokaiergewächs, sind nennenswerte Abschlüsse noch nicht erfolgt, Preise haben sich daher noch nicht gebildet. 1892er, der vor einigen Tagen noch mit 2426 .44 bezahlt wurde, ist jetzt schon für 2021 ^ zu haben In den umliegenden Weingemeinden St. Pilt, Rohrsch- weier, Rodern und Hunaweier stehen die Preise etwa 1 -4L niedriger, als in Rappoltsweiler. Ueberall sind noch ziemlich große Vorräte vorhanden. Rufach hat ziemlich flott verkauft. Durchschnittspreis 11,4012,80 Mark. Die Weinernte Diefenthal, Dambach, Bliensch- weiler und Ottrott, in anderen Jahren ihrer guten Lage wegen vom Weinhandel bevorzugt, können in diesem Herbst wegen Mangels an Käufern nicht los­schlagen.

Ausland.

Brüssel, 21. Okt. Die Behauptung der Franzosen und Russen, daß die Russenfeste in Frankreich nur zur Stärkung des Friedens bei­trügen und daß dieselben nur friedliche Nach­wirkungen haben würden, ist durch ein blutiges Ereignis bereils Lügen gestraft worden. Hier in Brüssel waren nämlich die Russenfeste Ver­anlassung zu einem erbitterten Gefechte, welches sich vorgestern abend zwischen einer Anzahl hiesiger Rosselenker und einem der neuen Brüder der Russen, welcher den bezeichnenden Namen der nordische Herkules" führt, abfpielte. Be­sagte Rosselenker hauen, nachdem sie in größerer Gesellschaft ein frohes Fest gefeiert, eine Wirt­schaft auf dem klaee äe la Noimaie ausgesucht, um dort den letzten Rest ihres Durstes zu ver­nichten. Während sie dort saßen, trat der er- wähnte nordische Herkules ein, dessen Nationaliäl ihnen wohl bekannt war, und nunmehr brachten die angeheiterten Kutscher die Rede auf die Russenfeste, wobei sie über die Begeisterung der Franzosen um die Welte Scherze machten, die zwar auf besondere Feinheit keinen Anspruch er­heben durften, aber doch ihre Wirkung aus den starken Franzosen nicht verfehlten. Denn dieser erhob sich plötzlich und stürzte sich wütend auf die Witzbolde, die sich ihrerseits energisch ihrer Haut wehrten und kräftig auf den Friedens­störer einhieben. Als endlich die Polizei auf dem Kampfplatze erschien, konstatierte sie, daß das Resultat der Schlacht in 6 Verwundeten bestand, zu denen auch dernordische Herkules" gehörte. Dieser an und für sich recht unbe­deutende Vorfall dürfte gleichwohl aus dem Grunde ein allgemeines Interesse verdienen, weil er zeigt, wie man selbst in den untersten Schichten einer sonst sehr franzosenfreundlichen Bevölkerung über das gegenwärtige Benehmen der stolzen Republikaner im Westen denkt.

Die Thatsache, daß der Zar nur die eine der beiden ihm vom Präsidenten Earnot zuge­sandten Begrüßungsdepeschen beantwortet hat, erregt in Paris eine gewisse Verstimmung, wenn­gleich dieselbe den russischen Gästen gegenüber nicht zum Ausdruck kommt. Auch soll an der Seine einigermaßen Enttäuschung darüber herr­schen, daß der Ton der Antwortsdepesche des Zaren sich im Verhältnis zu der überquellenden Wärme des ersten Begrüßungstelegrammes ziem­lich kühl ausnimmt.

Telegramme an den Enzthäler.

Dresden, 23. Okt. Der Kaiser und die Prinzen Heinrich und Albrecht trafen hier um 5 Uhr Min. ein und wurden vom Prinzen Georg am böhmischen Bahnhose empfangen. Sie fuhren im offenen 4spännigen Galawagen von der dichtgedrängten Menschenmenge jubelnd begrüßt zum Schlosse, wo die Begrüßung des Königs statlfand. Der Kaiser überreichte dem König den Feldmarschallstab mit Brillanten. Um 6 Uhr fand Galaiafel mit 340 Gedecken,