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beschränken sich diese Vorkommnisse, auch auf der Rheede von Kopenhagen spielt sich ein Akt russisch-französischer Verbrüderung ab, der vielleicht um so bedeutungsvoller ist. als er nicht im Taumel der Feststimmung unternommen, sondern mit aller Ruhe und Ueberlegung ausgeführt ist. Kein Geringerer als der von jedem Chauvinismus doch freie Kaiser von Rußland hat die Vorgänge von Toulon persönlich sanktioniert und den Zusammenhang zwischen ihnen und sich bestätigt, indem er zu derselben Stunde, wo Avelane französischen Boden betrat, den Franzosen auf ihren vor Kopenhagen ankernden Schiffen einen Gegenbesuch machte. Wenn man den Franzosen freilich glauben könnte, so würde von Kopenhagen bis noch Toulon nur die reinste Friedensluft wehen. Der „Temps" schreibt in einem Artikel zur Begrüßung des russischen Geschwaders, daß jetzt, wo eine dem Dreibund gleiche Macht das Gegengewicht zu diesem bilde, der Weltfriede zum ersten Male gesichert sei. Darin liege die Bedeutung der Feste, welche zugleich Feste des Friedens und des Vertrauens seien, und der „Jour" sagt, dank Frankreich habe Rußland seine Waffenmacht verdoppelt und seinen Kredit verzehnfacht. Das Letztere klingt freilich, wie man's nehmen will, friedlich und kriegerisch zugleich, wie schon die Signatur des heutigen Friedens ist. Wenn man aber die weiteren Nachrichten über den gestrigen Empfang gelesen hat, so kann man sich doch des Gedankens nicht erwehren, daß all diesen Reden, die herüber und hinüber gewechselt werden und all den Veranstaltungen, mögen sie auch noch so Harm- und bedeutungslos auf den ersten Blick erscheinen, ein mächtiger Impuls inne wohnt: der nationale Haß.
Paris, 17. Okt. Die Anarchisten und revolutionären Sozialisten verteilen seit gestern in Versammlungen Pamphlete gegen die französisch-russische Verbrüderung, worin auch die Schmähartikel abgedruckt werden, die der Präsident des Pariser Gemeinderats. Humbert, vor mehreren Jahren im Jntransigiant gegen den Zaren veröffentlicht hat.
Paris, 17. Okt. Marschall Mac Mahon, dessen Zustand sich neuerdings verschlimmert hatte, ist heute vormittags 10 Uhr auf seinem Schloß Lasoret gestorben. Die Regierung beschloß die Beisetzung des Marschalls Mac Mahon auf Staatskosten zu veranstalten und die Familie desselben um die Genehmigung zu ersuchen, die Leiche im Jnvalidendom beizusetzen.
Paris, 16. Okt. Der Jahrestag der Hinrichtung der Königin Marie Antoinette wurde heute in mehreren Kirchen gefeiert. — Der Deutsche Botschafter, Graf Münster, der gestern zurückgekehrt ist. machte heute dem Präsidenten Carnot seine Aufwartung.
Kopenhagen, 17. Okt. Die russische Kaiserfamilie und die Prinzessin von Wales mit Familie sind heute von Dänemark abgereist.
New-Uork, 16. Okt. Der „New-Aork Herald" veröffentlicht weitere Einzelheiten über die Beschießung von Rio de Janeiro. Darnach erlitten die Regierungslruppen bedeutende Verluste. Das Schiff der Aufständischen „Agui- davan" eröffnete das Feuer. Es entspann sich ein Streit um den Besitz der Fabriken in Ar- maco. Viele Gebäude wurden beschädigt, eine große Anzahl Fremder getötet und verwundet. Die Regierungstruppen erwiderten das Feuer, aber ihre alten Kanonen konnten den Schiffen Mellos keinen Schaden zufügen. Die Aufständischen beschossen alsdann die Vorstadt von Rio. Der Verlust an Menschenleben soll ein beträchtlicher sein, obwohl die Regierung diese Thatsache nicht einräumen will.
Telegramme an den Enzthäler.
Paris, 18. Okt. Zu Ehren der russischen Offiziere fand gestern abend eine allgemeine Illumination statt.
Mont Cresson, 18. Oktober. An das Arbeitszimmer des fi Marschalls Mac Mahon wurden gestern Abend Siegel angelegt. Der Marschaü entschlief sanft im Schlosse Laforet, umgeben von den Mitgliedern seiner Familie.
Zahlreiche Besucher aller Klassen kommen nach dem Schlosse, um ihr Beileid auszudrücken.
Madrid, 18. Okt. Der Dampfer Sevilla schiffte in Melilla 200 Mann aus. Die Situation daselbst ist unverändert.
London, 18. Oktbr. In emer konservativen Versammlung zu Preßton hielt Marquis Salisbury eine Rede, worin er ausführte, die Annahme des Homerule würde die Macht des Reiches schwächen und zwar in alle« seinen Teilen. Wenn man die Vorgänge in Asien und am mittelländischen Meere beobachtet, werde man den gegenwärtigen Moment nicht für geeignet finden, daß England es wagen könnte, sich vor den auswärtigen Nationen als geschwächt zu zeigen.
Unterhaltender Heil.
Um eine Million.
Erzählung von Eugen Eiben.
(Fortsetzung 1.)
Eine Anzahl junger Herren aus aristokratischen Kreisen versammelte sich jede Woche einmal in einem fashionabeln Hotel zum Spiel.
Heute am Mittwoch Abend war wieder Zusammenkunft. Das Spiel war nachgerade zur Leidenschaft bei Allen, die daran teil nahmen, geworden; das bewiesen die bleichen Gesichter mit den fast unheimlich funkelnden Augen. Die Seelenthätigkeit Aller schien sich nur auf das Spiel zu konzentrieren.
Graf Wahnfried war heute wieder wie so oft der Liebling des Glücks. Ein großer Haufen Goldstücke lag vor ihm und schwoll immer mehr an. Die Mitspielenden, alle mehr oder minder unter dem Einflüsse des reichlich genossenen Champagners stehend, merkten nicht, daß er mit vertauschten Karten spielte. Nur Baron von Wildenthal beobachtete ihn genau und raunte ihm verstohl.n ein warnendes Wort ins Ohr.
Es war bereits Mitternacht vorüber. Die Uhr schlug eins — zwei — drei! Jetzt mußte nach der Spielregel geschlossen werden.
„Das Spiel ist aus, meine Herren!" rief ein junger Gardelieutenant, Baron von Hohen- wald. „Vereinigen wir uns jetzt zu einem kleinen Souper."
Er schlug die Vorhänge des Fensters zurück, öffnete dasselbe und ließ frische Luft in das schwüle Zimmer strömen.
„Seht, der Morgen dämmert schon! Bald grüßt uns die rosige Aurora und kündet uns den Aufgang strahlender Liebe," fügte er hinzu.
„Verliebte sind doch immer Poeten," lachte Baron von Wildenthal. „Sagen Sie uns doch, lieber Kousin, wird uns bald ein glücklicher Bräutigam zu einem Souper einladen?"
„Was? Baron von Hohenwald verliebt? Er, der allen Damen Haß geschworen zu haben schien?! Das ist ja das reine Wunder! Dürfen wir auf das Wohl Ihrer Dame trinken? Wie heißt sie? Welche Blume haben Sie sich aus dem Paradiese holder Weiblichkeit geholt! Dürfen wir's nicht wissen? Ach, was! Allen Freunden darf man das Herzensgeheimnis anvertrauen!"
Während dieser durcheinander schwirrenden Reden nahm man an der Tafel Platz, auf welcher das Souper bereits serviert war.
„Meine Herren, ich bitte, bitte! Tausend Fragen auf einmal!" lächelte der Lieutenant. „Die könnten den weisesten Professor zur Verzweiflung bringen! Um wie viel mehr mich! Ich weiß in der That nicht, welche Antwort ich Ihnen geben soll! Ja kann ich nicht und nein mag ich nicht sagen! Erlauben Sie mir zu bemerken, daß mein Kousin von Wildenthal nur einen Verdacht geäußert hat, den man nicht sofort zur Thatsache erheben darf, wenn man nicht irre Wege wandeln will."
„Eine diplomatische Antwort!" versetzte Graf Wahnfricd. „Wer möchte den Sinn ergründen?! Vielleicht die Komteß Marie von Maienberg-"
Eine jähe Röte überflutete das Antlitz des Lieutenants, was nicht unbemerkt blieb.
„Aha! Getroffen! Da haben wir's'» rj°s es bunt durcheinander. „Das Geständnis ha Amor selbst mit roter Tinte auf das Antlitz unseres Freundes geschrieben! Jetzt hilft ^ Leugnen mehr!"
„Meine Herren, ich bitte Sie —» stammelte der Lieutenant ganz verlegen und fuhr sich mit dem seidenen Taschentuch über das erregte Antlitz
„Nein, nein! Es ist keine Fabel!» lachte Baron von Wildenthal. „Streiten Sie nicht länger, Sie lieben die Komteß.»
„Kein Wunder," bemerkte Graf Wahnsried mit malitiösem Lächeln, „wer könnte dem Zauber ihrer Millionen widerstehen?!"
DerLieutenant erhob sich mit einem Entschlüsse.
„Meine Herren." sagte er mit leuchtenden Augen, „was Sie schon halb erraten haben, ich will es offen eingestehen, nur bitte ich vorläufig um Diskretion! Ich liebe die Komteß von Maienberg, sie hat mir ihr Herz geschenkt und mich zum Glücklichsten aller Sterblichen gemacht! Die Verlobung soll in nächster Zeit gefeiert werden-"
Weiter kam er nicht, ein Jubelsturm unterbrach ihn.
„Komteß Marie von Maienberg lebe hoch!"
Die Gläser klangen aneinander und wurden geleert.
„Meine Herren, ich danke Ihnen," fuhr der Lieutenant fort, als es ruhiger geworden war. „Eins möchte ich noch bemerken!" Mit zornsprühenden Blicken wandte er sich an den Grafen Wahnfried. „Wer meinen sollte, die Millionen der Komteß übten eine besondere Anziehungskraft auf mich aus. irrt sich — vielleicht absichtlich! — Sie wissen — ich bemerke es ungern — daß ich, sobald ich mündig geworden, selbst über Millionen gebieten kann, im beschränkten Maße schon jetzt. Deshalb fragt meine Liebe nicht nach Gold, nur ein Herz will ich, ein Herz, das mich über Alles liebt, und dieses habe ich bei der holden Komteß gefunden! Ich erkläre: wäre die Komteß eine Bettlerin, ich würde stolz darauf sein, sie aus dem Staube zu meiner Gemahlin erheben zu dürfen!«
Bravorufe wurden laut, verstummten aber sofort, als Graf Wahnfried erwiderte:
„Nun — nun — ihre Millionen wollen Sie doch wohl nicht verschmähen, Herr Baron von Hohenwald? — Da wären Sie ja ein sonderbarer Heiliger! — Ich für meine Person gestehe offenherzig ein: Hätte ich die Wahl zwischen einer häßlichen Erbin und einer schönen Bettlerin — ich würde der Ersteren mein Interesse, der Anderen mein Herz zuwenden, das Interesse heiraten und auf seine Kosten das Herz lieben lassen! — Gefällt Ihnen diese Philosophie. Herr Baron?! — Schwerlich was?"
Er sah dem Baron mit unverschämtem Lächeln ins Antlitz, aber dieser wandte ihm verächtlich den Rücken.
„Sie sind ein Idealist, Herr Baron." fuhr Graf Wahnfried fort, „ich huldige dagegen der weisen Prosa und damit fährt man am besten durch die Welt. Da betet man keine Ideale an. um sie schließlich nach ihrer Verkörperung abgeschmackt zu finden. Ich will nicht hoffen, daß Sie diese Erfahrung mit Ihrem holden Herzensideal machen werden."
Der Baron wandte sich dem Sprecher wieder
erregt zu. „ - .
„Was sollen diese Redensarten?« fragte er drohend, „wollen Sie mich beleidigen oder die Komteß?" (Fortsetzung folgt.)
(Grobe Schmeichelei.) „Wenn ich Sie fihe- fällt mir immer ganz unwillkürlich ein bedeutender Gelehrter ein!" — „In der That, Herr Professor? ... Und wer ist dieser Gelehrte. — „Darwin!" —-,
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