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Telegramme an den Enzthäler.
Berlin. 29. Sept. Die Nat.-Ztg. will wissen, daß in dem bevorstehenden Reichshaushaltsetat doch sehr erhebliche Neuforderungen für die Marine eingestellt seien.
Berlin, 29. Sept. Den Morgenblättern zufolge beabsichtige die Reichsregierung die Stempelabgaben für die Lotterielose um 50 °/o zu erhöhen.
Rom , 29. Sept. Die Gerichtsbehörden beschlagnahmten ein Paket mit dieBanca romana betr. Schriftstücken, welche der Sohn Tanlongos bei einem Notar hinterlegte. Den Blättern zufolge soll das Packet Briefe enthalten, worin frühere Minister den Gouverneur der Bank Tanlongo aufgefordert hätten, ihnen behilflich zu sein, den Preis der Rente aufrecht zu erhalten, bezw. zu heben. Tanlongo behauptet, daß durch Gewährung dieser Unterstützung der Bank beträchtliche Verluste erwachsen seien.
London. 29. Sept. Reuter meldet aus Buenos-Aires vom 28. Sept: Die Streitkräfte der Nationalregierung schlugen die Aufständischen bei Santa Fe nach zweitägigen Kämpfen.
Knteryattender Heit. Verloren und Gewonnen.
Novelle von C. Martin.
(Fortsetzung)
(Nachdruck verboten.)
Endlich sprach Mela ein Machtwort — die Kinder eilten in's Haus. Mela stieg langsam und nachdenklich die Treppe zu ihrem Zimmer hinauf. Im Hausflur war ihr von Fräulein Laura ein Brief gegeben worden. Er kam von Frau Werner, und doch freute er sie nicht sehr. Sie steckte ihn in die Tasche, um ihn in ihrem Zimmer zu lesen — die Gedanken weilten bei dem fernen Unerreichbaren. Nie stand ein Wort von ihm in den Briefen der Freundin, nur Geduld predigte dieselbe — treues Ausharren! Ach, wie lange befolgte sie nun schon diese goldenen Worte und noch immer kam das arme Herz nicht zur Ruhe und zum Frieden!
Auf dem Korridor an der Bibliothek stand der Baron.
„Mela". rief er hastig, ihre Hand ergreifend. „Endlich sehe ich Sie einen Augenblick allein!" Wie abwesend schaute Mela in seine lodernden Augen.
Welche Sprache, dachte sie und zog ängstlich ihre Hand aus der seinen, um sich ihrem Zimmer zuzuwenden.
„Nicht so!" er vertrat ihr den Weg.
„Sprich es doch aus. Mädchen, daß Du mich auch liebst, wie ich Dich liebe — heiß, unersättlich! Ein Wort nur, ein armseliges Wort, welches mir Hoffnung giebt! Sehen Sie denn nicht, wie es mit meiner Selbstbeherrschung zu Ende geht? Sie müssen es doch seit langer Zeit wissen, daß es so kommen mußte! Mela. wir können einander gehören — Du sollst mich lieben, wie Du sonst keinen mehr lieben wirst
— Du sollst mir nach einem stillen Erdenwinkel folgen, sollst meines Herzens Königin werden!"
Unaufhaltsam — zischend, hatte er die Worte hervorgestoßen. Sein glühender Atem überhauchte ihr Gesicht, er wollte sie an sich reißen — da erwachte sie aus ihrer Betäubung
— ein Anspannen aller Kräfte — ein Ruck und sie war frei.
„Elender, das wagen Sie!" Mit diesem Ausruf stürzte sie ihrem Zimmer zu. Drinnen rang sie die Hände und ging rastlos auf und ab. „Auch dies noch. Auch dies noch!" murmelte sie. „Mir solches Ansinnen zu stellen, mir — Melanie von Rosen. O es ist infam!"
„Wieder muß ich nun dieses Haus verlassen. wieder unter Fremden neuer Demütigung entgegengehen. O daß ich eine Heimstätte besäße. ein Vaterhaus, in welches ich flüchten könnte! Aber habe ich nicht Werners?"
Sie zog den Brief aus der Tasche ihres Kleides und las — enttäuscht ließ sie ihn sinken.
Frau Werner schrieb von einer Versetzung nach Berlin. Leider hätte ihr Mann dort noch keine passende Wohnung gefunden, — sie ginge daher vorläufig mit den Kindern nach Dessau zu Verwandten; Weihnachten hoffe sie dort mit Bruno vereint zu verleben. — Weiter hieß es in dem Brief: „Mela! Aus Ihren Mitteilungen und den Erzählungen einer Dame aus dortiger Gegend entnehme ich, daß Sie auf unsicherem Boden stehen. Seien Sie vorsichtig
— der Baron soll Frauen leicht gefährlich werden und wenn ich auch nicht fürchte, Sie könnten ihn gern haben, so ängstigt mich Ihre Anwesenheit dort im Hause, während der Abwesenheit der Frau. Ich ahne, der Baron liebt Sie bereits."
O wären ihr doch die Augen geöffnet worden! Sorglos hatte sie dahingelebt, glaubend, es gäbe keine Untreue und keinen Verrat mehr; als wären alle Männer gleich ihm treu, fest und wahr!
Sie weinte nicht, sie war empört bis ins Innerste. Wild pochte das Blut in ihren Schläfen, und immer lauter klang es in ihr: Fort, nur fort! —
Das Diner mochte längst vorüber sein, als der Diener an ihre Thür pochte und im Namen des Baron's bat, sie möge zu einer kurzen Unterredung in dem Salon erscheinen.
„Melden Sie Ihrem Herrn", sprach sie frostig, „daß ich zu unwohl bin, um das Zimmer verlassen zu können. Auch zwingen mich schlechte Nachrichten von auswärts, den Herrn Baron um einen Wagen zum Schnellzug zu ersuchen. Meine Sachen mögen vorläufig hier bleiben."
Der Diener kam mit einem Schreiben zurück
— hastig erbrach sie das duftende Billet.
„Gnädiges Fräulein", hatte der Baron geschrieben. „Verzeihen Sie mir, ich war fassungslos! Gehen Sie nicht von hier fort, Sie sind der Engel der Meinungen geworden. Wie sollte ich Ihre Abreise auch erklären? — Bleiben Sie — vergeben Sie meine Worte. Fern von Ihnen will ich büßen. Schon morgen früh reise ich nach Italien ab! - Nochmals Verzeihung! —
Mela blieb ratlos! Wo war ihre Pflicht? Der Boden brannte unter ihren Füßen — durfte sie aber feig den Posten verlassen, auf den die Baronin sie gestellt? Konnte sie nicht der Frau des Hauses das glückliche Bewußtsein lassen, einen rechtschaffenen Mann zu besitzen? Er ging zu seiner Familie — sie blieb bei den Kindern — wenn im Frühjahr die Damen zurückkehrten, konnte sie ein neues Engagement antreten, ohne den Baron, der ein Zusammentreffen wohl vermeiden mußte, gesehen zu haben.
Sie entschied sich zu bleiben.
Herr von Horwitz nahm den Bescheid des Fräuleins, daß sie auf den Wagen verzichte, um die Kinder nicht ganz allein zu lassen, freudig auf.
Es kostete Mela Ueberwindung, ihr Zimmer zu verlassen, und mit den Kindern zu beten, wie sie allabendlich that. Schweren Herzens die Kleinen endlich verlassend, kam ihr die Beleuchtung der Treppe mangelhaft vor. Sie ging zurück. „Bitte, Luise", sprach sie zu der Wärterin, „begleiten Sie mich nach oben, ich fühle mich unwohl und fürchte umzusinken. Gewiß war ich mit den Mädchen zu lange in der feuchten Herbstluft."
„Gleich, gleich, Fräulein!" Luise kam mit Licht. An der Treppe stand der Baron. Mela sah ihn stolz an, Verachtung blitzte aus ihren Augen. „Ich reise zu sehr früher Stunde, Fräulein von Rosen", sagte er leise, „ich konnte nicht gehen, ohne Ihnen Lebewohl gesagt zu haben." Er streckte ihr seine Hand entgegen, Mela beachtete es nicht.
„Sagen Sie der Frau Baronin und Baronesse Ellen meine Empfehlungen", erwiderte sie kalt und stieg hinan.
„Dank, tausend Dank! Ich gehe beruhigt, da ich Sie hier weiß!"
Fräulein Nerken sah beim Diner am nächsten Tage boshafter aus, als sonst. Sie hatte die jungen Beamten der Frau des Inspektors zur Beköstigung übergeben, und mühte sich nun ver
geblich, aus der blassen, schweigsamen Melanie etwas herauszubringen. Endlich beim Nachtisch als die Kinder sich entfernt hatten, hob sie an!
„Wie schade, daß Horwitz abgereist ist!
Graut Ihnen nicht auch vor den langen Winter- ! abenden? Dabei ist die Jnspektorsfrau eine sö !
bornierte Person, daß man nicht mit ihr ver- ^
kehren kann! Was werden wir anfangen?»
„O. mir ist nicht bange!" rief Mela. Ich habe große Pläne für den Winter! Sie wissen ich studiere polnisch — um mich darin zu ver- ! vollständigen, werde ich die Jnspektorskinder des ! Abends bei mir sehen."
Zögernd und ihre Antipathie mühsam über- I windend, fügte Mela bei: '
„Wollen Sie nicht alsdann mit auf mein ! Zimmer kommen? Marianka Wronzka ist ja I bald erwachsen." s
„Gott steh' mir bei", lachte das Fräulein. z
„Aber", fuhr sie lauernd fort, „es werden doch noch Tage vergehen, ehe dieses Chor bei Ihnen sich einnistet?"
„Gewiß, ich muß erst mit Inspektors sprechen." „Nun, viel Vergnügen! Ich bestaune Ihre Passionen! — Warum fesselten Sie nicht lieber den getreuen Anbeter! Er hätte Si: zur Baronin gemacht!"
Mela erschrack! So wußte diese Person. —
„O, ich bin doch nicht blind", sagte Laura. „Schon in den ersten Tagen Ihres Hierseins begriff ich die Sache!
„Sie haben mich nicht gewarnt? Ich hätte das Haus längst verlassen sollen!"
„Das sehe ich nicht ein. — Fühlen Sie gar nichts für Horwitz? Er ist ein schöner Mann."
„Der Gatte einer Anderen." —
„Pah, was geschieht nicht im Leben. Sie wären Baronin geworden! Herrin von Grun- thal! Aber jetzt!"
„Nun jetzt?" Sie fragte es zornbebend.
„Je nun! —" ein falsches Lächeln spielte um die dünnen Lippen des Fräuleins — „der Baron hat Leidenschaft! Vielleicht erzwingt er nun doch, was er will, und — nun jedenfalls werden Sie nicht mehr Baronin!"
(Fortsetzung solgt.f
(Minon et. omen.) „Sie, ich Hab' heute netto die siebente Tochter bekommen! Wie soll ich sie nennen — meine Frau meint „Asta"!" — Ich rate Ihnen: Basta!"
Unglaublich aber wahr ist es. daß man 5 Mtr. guten doppeltbreiten halbwollenen Kleiderstoff mit Streifen, Noppen oder Karro zu 2 15 ^ bei Ludwig Becker vorm. Chr. Erhardt in Pforzheim kauft.
Versäume Niemand sich diese Gelegenheit zu Nutzen zu machen.
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Gnzthiiler.
Mit dem 1. Oktober 1893 beginnt ein neues Quartal und damit auch ein neues Abonnement aus den Enzthäler. Die Bestellungen wollen sofort bei der bisherigen Bezugsquelle erneuert werden, wenn keine Unterbrechung in dem Versandt des Blattes eintreten soll.
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