610
nutze, um von Deutschland Zugeständnisse zu erpressen. Der wohlunterrichtete Berliner Corre- spondent des „Standard" berichtet aus russischen diplomatischen Kreisen, daß der Anschluß Schwedens an den Dreibund höchst unwahrscheinlich sei. Schweden würde vielmehr beim Ausbruch eines Krieges gleich Belgien neutral bleiben.
London, 19. Sept. Bei einem Brande, das heute Morgen um 5 Uhr im Hause des deutschen Konditors John Hermann in High- Street in Whitechapel (London) ausbrach, verbrannten 5 Personen. Das Feuer scheint in der im Hintergebäude gelegenen Küche entstanden zu sein und verbreitete sich mit Blitzesschnelle nach dem Vordergebäude, wo die Bewohner des Hauses schliefen. Der Knabe Frederick Monk, der in der Konditorei angestellt war, bemerkte das Feuer zuerst. Er weckte seinen Prinzipal, der sofort nach dem obersten Stockwerk eilte, um seine Frau und die übrigen Bewohner zu Wecken. Er wurde jedoch vom Rauche hingestreckt. Man fand seine Leiche im Bette der verbrannten Frauen. Umgekommen sind: der 26jährige John Hermann, die 50jährige Haushälterin Frau Hillworth, deren 13jähr. Tochter und zwei 20jährige Dienstboten.
Chicago, 21. Septbr. Die Direktoren der Ausstellung beschlossen, dieselbe am 31. Okt. zu schließen.
In Brasilien wütet ein heftiger Bürgerkrieg. Bekanntlich hat vor einigen Jahren der Marschall Fonseca den Kaiser Dom Petro entthront ; Fonseca wurde durch den Vizepräsidenten Peixolo abgesetzt und gegen letzteren empörte sich die brasilianische Flotte, welche gegenwärtig die Hauptstadt Rio de Janeiro heftig bombardiert. Peixoto hat sich in das Innere des Landes geflüchtet.
Ein Wespenstich inwendig im Halse brachte einer Frau in Affoltern bei Zürich, welche Most getrunken und das Tier verschluckt hatte, auf dem Wege von Trottwerk zum Arzt den Erstickungstod. Aus gleicher Ursache ist kürzlich im Glattthal, Kantons Zürich, ein Landwirt beim Heuen gestorben.
Telegramme an den Enzthäler.
Berlin, 22. Sept. Die Voss. Ztg. meldet aus Teichen: Hier wurden große Zollhintergehungen entdeckt. Bon den 93 Teilnehmern sind mehrere verhaftet. Der Hauptbeschuldigte ist ein sächsischer Kaufmann in Langenstein.
Güns, 22. Septbr. Der König von Sachsen ist 5 Uhr 5 Min., der deutsche Kaiser 5 Uhr 15 Min. nach Mohacs abgereist unter brausenden Ovationen des Publikums, welches die scheidenden Monarchen auch auf der Fahrt zum Bahnhof stürmisch begrüßte. Beim Abschied sagte Kaiser Wilhelm zu Minister Wekerle: „Ich nehme ein sehr angenehmes Andenken von Güns mit mir." Der Kaiser von Oesterreich rief Kaiser Wilhelm Waidmannsglück zu. 6 Uhr 20 Min. abends reiste Kaiser Franz Josef nach Men ab.
Parrs, 22. Sept. Nach Meldungen aus Buenos-Aires haben sich die Truppen in Corientes empört, auch die im Paranastrome stationierten Kanonenboote „Republika" und „Dermejo" lehnten sich gegen die Regierung auf.
Paris, 22. Sept. Ein furchtbares Gewitter, das gestern über Paris losging, hat großen Schaden, namentlich im Weichbilde der Stadt, angerichtet. In Maison-Laffitte bildete sich eine Wasserhose; der Wind war äußerst heftig; es donnerte und blitzte in einem fort; alle Gärten und viele Wohnhäuser sind verheert, viele Bäume entwurzelt. Mehrere neue Villen sind zerstört, zwei Häuser abge- Leckt; etliche Personen sind schwer verletzt. In Paris hat der Blitz mehrere Personen getroffen.
Unterhaltender Heil.
Verloren und Gewonnen.
Novelle von C. Martin.
(Fortsetzung)
(Nachdruck verboten.)
Wochenlang rauschte um Melanie wieder der Strom der Vergnügungen. Ein wundervoller Juni ließ die Luft zu allerhand Ausflügen bei den jungen Leuten entstehen und Mela ersann immer neue Ideen, die Abwechslung brachten. Sie war ausgelassen heiter, sprühend in der Unterhaltung, doch glitt oft, wenn sie sich unbeachtet glaubte, ein müder Zug über ihr Antlitz und ihre Augen füllten sich mit Thränen. Aber vergessen — vergessen! — dieser Lösung mußte sie folgen, und so taumelte sie weiter von Vergnügen zu Vergnügen. Ihre Stunden gab sie wohl pünktlich, aber sie opferte die Nachtruhe, um sich zu denselben vorzubereiten. Schalt dann ihr Bruder, so hieß cs:
„Ich kann doch nicht schlafen — laß mich nur!"
Leonie, die es für gewiß hielt, Mela könne nur noch kurze Zeit „Gouvernante" spielen, war so liebenswürdig mit der Schwägerin, wie lange nicht.
Absichtlich vermied es Mela, die Predigten ihres Seelsorgers aufzusuchen, oder mit ihm und seiner Frau zusammen zu treffen. Sie hatte im Frühjahr oft das Werner'sche Haus besucht, nun ging sie nicht mehr zu der durch Leiden ans Zimmer gefesselten Freundin, die mit Sorge ihrer dachte. Frau Werner zweifelte an Mela's Gemütstiefe, doch ihr Mann er- mutigte sie:
„Laß sie den Schmerz nur austoben — die Ruhe wird schon kommen! Auch kann ihre Gesundheit nicht lange mehr die geistige und körperliche Anstrengung ertragen."
So kamen die letzten Wochen des Juni herzu, die Gesellschaft fing an sich zu zerstreuen.
Ehe dies geschah, sollte noch ein Bazar in den Räumen der Landschaft abgehalten werden. Als Verkäuferin war auch Mela gewählt worden, und sie machte sich leichten Herzens ein paar Tage von ihren Stunden frei, um ganz ihren Pflichten im Verkaufslokale leben zu können.
Man hatte die Verkäuferinnen Trachten wählen lassen, die mit den Waren harmonierten und durch diese Neuerung dem Bazar viele Neugierige zugeführt, die nun auch gezwungen waren zu kaufen.
Mela stand in dem Kostüm eines Mailänder Blumenmädchens unter den tausend Blüten, die die Rosenzeit uns Nordländern bringt, — ihre sinnig gebundenen Sträuße fanden schnellen Absatz. Die Herren drängten sich zu ihrem Stand, da sie ihnen in der wohllautenden Sprache Italiens redete; und ihre Kornblumen, Winden und Rosen trugen reichen Gewinn ein.
Ein langer, blonder Herr mit gebräuntem Gesicht hatte sich am letzten Tage mehrmals vergeblich bemüht, in die Nähe des bezaubernden Mädchens zu kommen. Endlich in später Abendstunde leerten sich die weiten Räume — der Herr trat an Mela's Verkaufstisch. In italienischer Sprache bat er um die purpurrote Blüte, die sie eben in der Hand hielt. Lächelnd reichte sie ihm die Rose und nahm überrascht die Doppelkrone, welche er hinlegte.
„Sie werden wissen, daß ich nicht herausgeben darf, mein Herr! Wird bei Ihnen eine Rose mit Gold ausgewogen, so wünsche ich den armen Waisenkindern noch viele solcher Käufer."
„Muß nicht meine Freude groß sein, nun doch noch eine Blume von Ihrem Tisch zu erhalten, nachdem ich den Tag über vergebens auf eine Bresche gelauert?"
Die Rose, die so taufrisch aussieht, soll eine weite Reise machen. Noch heute mit dem Nachtzug verlasse ich B. und spätestens übermorgen früh überreiche ich einer glückstrahlenden Braut in Italien diese leuchtende Blüte, jage ihr, daß ich sie von einem Mailänder Blumenmädchen hoch im Norden erhalten habe.
Mela hörte zerstreut zu, der Herr fuhr fort: „Wird die kleine Braut nicht überrascht sein?"
„Wie, ruft sie gewiß, in B. giebt's Blumenmädchen von hier! Sie sprachen italienisch und verkaufen Blumen, wie bei uns?" ^
Mela lachte gezwungen.
„Gewiß, es wird die junge Dame amüsieren zu hören, daß es überall Menschen giebt die gern Komödie spielen! — Aber Rosen welken leicht; — auch die Ihrige wird welken."
„O nein! Ich bin selbst Rosenzüchter und weiß mit meinen Pfleglingen umzugehen», gab er zurück. „Die kleine Komtesse Rodach soll keine welke Blüte an ihrem Hochzeitstage sehen."
Mela zuckte zusammen. „Nach Mailand fahren Sie?" — Gräfin Rodach ist die glückliche Braut?"
„Sie kennen meine Patin?" rief der lange Herr entzückt.
Mela nickte nur, ihr schwindelte.
„Sie müssen nämlich wissen, daß ich das süße Ding als blutjunger Mensch über die Taufe hob. Ach, hätte ich damals doch von meinem Rechte Gebrauch gemacht, und das kleine Mädchen mir gesichert. Jetzt führte ich sie gern selbst zum Traualtar, aber ein junger, dunkeläugiger Sohn des Südens schnappt sie mir vor der Nase weg, und ich habe das Nachsehen. Ich darf meine Gefühle nicht einmal laut werden lassen, ohne Spott zu gewärtigen."
„Die Komteß ist noch so jung." Mela sagte es, um etwas zu erwidern. Sie glühte wie im Fieber — wenn ward sein Name genannt?
„Ja, ja, freilich! Aber da unten im Römerland wird früh geheiratet! Der Bruder war dagegen — da hätten Sie die Kleine bitten sehen sollen! Natürlich sagte er „Ja und Amen!"
„Graf Rodach bleibt in Italien?" war es leise von ihren Lippen gekommen.
„Sie kennen ihn auch! Welch' lieber, prächtiger Mensch! Fest, treu und wahr, wie die deutschen Eichen! Aber auch unbeugsam wie diese!"
„Ja", hauchte Mela. Wie sie zitterte.
„Ich bin sein Begleiter auf seinen brasilianischen Reisen gewesen. War sehr gut, denn ich habe Besonnenheit. Er aber geht jeder Gefahr kühn entgegen, da giebt's kein Ausweichen, kein Besinnen! Möchte wieder mit, wenn er nach Afrika geht, aber es läßt sich diesmal nicht thun, bin zu Hause nötig!"
Da Mela schwieg, plauderte der lebhafte Mann weiter: „Er will lange fortbleiben — ein Jahr gewiß! Ist ein Unding, die ganze Reise. Wäre Zeit für ihn. ein Nest zu bauen! Freilich haben seine Werke über Brasilien und Spanien viel von sich reden gemacht, aber ein Graf soll kein Mann der Feder sein. Er hat Güter, die ihm Beschäftigung genug bieten, und ein junges Weibchen würde ihm die Fremde schon vergessen lehren. Wie glücklich müßte seine Frau werden! Er, der so aufopfernd in der Freundschaft, so anspruchslos in seinen Gewohnheiten, würde ihr den Himmel auf Erden bereiten!"
„Ich glaube das auch!" — Mela lehnte sich an die Säule, um nicht zu sinken. Warum malte der Mann mit so lichten Farben? Damit ihr das Dunkel noch schrecklicher vorkam?
„Nun muß ich aber fort!" rief der Herr nach seiner Uhr sehend. „Geben Sie mir den letzten Strauß, der dort oben liegt. So", er legte wieder ein Goldstück auf den Tisch, ,,dw Waisenkinder konnten keine bessere Verkäuferin finden, als Sie, gnädiges Fräulein."
Noch einige Phrasen, eine tiefe Verbeugung, und Melanie war allein.
(Fortsetzung folgt.)
Der allernächste kritische Termin erster Ordnung nach Falb ist der 25. d. M. (Montag); er soll der drittstärkste dieses Jahres werden und es seien wahrscheinlich schon vom -ro> ab bedeutendere atmossphärische Störungen zu erwarten.
Mmdeftens Mk. 50
, mehr, spart Jedermann, der bn oe ssteuer die Bettfedern, Bettbarchent. 7 »lsch. TiWüch--., HEch--. °
Redaktion, Druck und Vertag von Chrn. Meeh tu Reuenbürg.