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^ 49.

Amts- Md Anzeigeölalt für den Nezirk Galw.

76. Jahrgang.

Erlcheint Dienstags, Donnerstags und Samstags. Die EtnrückungSgebÜhr beträgt im Bezir? und in nächster Umgebung S Pfg. die Zeile, weiter entfernt 12 Pfg.

Donnerstag, den 25. April 1901.

Vierteljährlicher Abonnementspreis in der Stadt Mk. 1.10 ins Haus gebracht, Mk. 1. 15 durch die Post bezogen im Bezirk; außer Bezirk Mk. 1. 35.

Amtliche Nekarmtmachungen.

Bekanntmachung.

In Ausführung des Art. 13 des Gesetzes vom

16. Juni 1882,

betreffend die Farrenhaltung, und

24. Mai 1897, in Gemäßheit der Vollziehungsvcrfügung vom 1. Dezember 1897 ist für den Zeitraum vom 1. Mai 1901 M 30. April 1904 die Obcrschaubehörde für den Bezirk des X. landwirtschaftlichen Gauverbandes folgendermaßen zusammengesetzt worden: lÄkonom Schneider in Calw, Vorsitzender, Gutsbesitzer Karl Adrion in Oedenwald, O./A.

Freudenstadt,

Privatier Karl Zeltmann in Neuenbürg.

Als Stellvertreter sind bestellt worden: Privatier Schill in Altensteig, O./A. Nagold, Hirschwirt Ziegler in Gechingen,

Hirschwirt Klein in Nagold.

Dies wird hiemit zur öffentlichen Kenntnis gebracht. ^ ^

Calw, den 22. April 1901:

K. Oberamt.

Voelter.

Tagesneuigkeiten.

Leonberg, 22. April. In der vergangenen Nacht kurz vor 11 Uhr brach hier in der eng- gebauten Gaffe Feuer aus; 2 Scheunen und ein von 3 Familien bewohntes Wohngebäude wurden von den Flammen zerstört. Das Feuer griff mit solcher Geschwindigkeit um sich, daß die Bewohner nur das nackte Leben retten konnten.

Stuttgart, 22. April. Die Ueber- fahrt einer Stud en tcnleich e vom Prag­friedhof zum Güterbahnhof gab gestern abend Anlaß zu einer größeren studentischen Feierlichkeit. Die Professoren der Maschinenabteilung waren zugegen.

Sämtliche Korporationen waren entweder in Wichs oder in den Farben erschienen, auch die nicht Farben tragende Studentenschaft hatte ihre Vertreter gesandt. Der junge Mann, dem die Feier galt, befand sich zur Zeit im ersten Staatsexamen und galt als ein fleißiger, strebsamer Student. Auf eine Ankündigung hin,, daß im Unterschied vom seitherigen Brauche Hilfsmittel bei einem bestimnsten Examensfachc aus­geschlossen sein sollen, scheint der junge Mann in der Nacht vom Freitag auf Samstag so lange ge­arbeitet zu haben, daß er am Samstag vormittag nervös ins Examen kam. Um 10 Uhr soll er seinen Bogen mit der Schlußbemerkung abgegeben haben: Hier verlassen mich meine Gedanken". Als man am Nachmittag nach ihm forschte, fand man ihn mit durchschnittenem Halse und im Blute schwimmend in seinem Zimmer. Die Leiche wurde in die Heimat des Unglücklichen, nach Ulm, überführt.

Stuttgart, 22. April. Im Laufe des Vormittags wurden dem Pferdemarkt bei der Gewerbchalle etwa 700 St. Pferde zugcführt. In Privatstallungen. stehen ca. ZOO Stück. Die Wagen?, und Sattlcrwarenausstellung in der Gewerbehalle ist sehr reich befahren. Die Pferdemarktkommission hat verschiedene Aussteller mit Geldprämien und Geldentschädigungen bedacht. Der erste Tag des Marktes brachte, dank der günstigen Witterung einen starken Fremdenzufluß in die Residenz. Was die Frequenz des Pferdemarktcs selbst anbelangt, so muß konstatiert werden, daß dieselbe gegenüber dem Vorjahr wieder etwas zurückgegangen ist. Es zeigt sich von Jahr zu Jahr mehr, daß der Markt unter der Konkurrenz des Frankfurter Pferdemarktes stark zu leiden hat. Dagegen ist es eine erfreuliche Thatsache, daß die Qualität des Pferdematerials sich stetig hebt, was besonders den Bemühungen des württembergischen Pferdezuchtvereins zuzu­schreiben sein dürfte. Hauptsächlich war der schwere Arbeitsschlag in schönen Exemplaren vertreten, aber auch an Luxuspferden, vorwiegend von norddeutscher

und ungarischer Herkunft, fehlte es nicht. Der Handel war, wie immer am ersten Tag, ziemlich flau. Die meisten Abschlüsse werden erfahrungs­gemäß am zweiten Tag gemacht. Die Preise haben, soweit sich bis jetzt beurteilen läßt, gegenüber den­jenigen des Vorjahres etwas angezogen. Als neue Erscheinung zeigt sich seit einigen Jahren auf dem Stuttgarter Pferdemarkt auch daS amerikanische Arbeitspferd, das auch Heuer wieder in einer größeren Anzahl von Exemplaren vertreten ist. Der König besuchte heute nachmittag den Pferde­markt und ließ sich eine Anzahl Pferde vorführen. Der Hunde markt nimmt von Jahr zu Jahr eine größere Ausdehnung an. Heuer war derselbe von etwa 200 Tieren aller Rassen beschickt.

<Schw. B.)

Von den Fildern, 23. April. Zwischen Vaihingen und Möhringen überfuhr heute morgen etwa 600 w vor Möhringen der fahrplanmäßige Zug ein Fuhrwerk. Dabei wurde die 67 Jahre alte Witwe des früheren Schultheißen Wagner von Möhringen getötet. Das Unglück geschah in einer Biegung der Bahn, der Führer hatte das vorgeschriebene Signal gegeben. Untersuchung ist eingeleitet worden.

Rottweil, 21. April. Dem Raubmörder Steinharter geht es nach seinem letzten Selbst­mordversuch sehr schlecht; die Rauchvergiftungen können unter Umständen doch noch seinen Tod herbeiführen. Der Mörder wird zurzeit ununter­brochen von einem eigenen Wärter bewacht.

Vom Riedlinger Ob er amt, 22. April. Zwischen Kanzach und Dürnau wütete heute abend bei starkein Ostwind ein heftiger Wald- brand. Von einer ausgedehnten 1012jährigen Fichtenkultur des fürstlich Thurn und Taxisschen Waldbestandcs wurde eine Fläche von etwa 50 Morgen in Asche gelegt. Die Einwohnerschaft von Kanzach und Dürnau hatte alle Mühe, das Feuer

6 1 6 1 O Nachdruck verboten.

Gin Miidchenschicksak.

Frei nach dem Englischen von A. Wend t.

I.

In eincr der nördlichsten Grafschaften Englands, in öder, fast schauriger Gegend, wo kein Baum, keine Pflanzen das Auge erfreuen,, nur nackte steile Felsen dem Reisenden jeden Augenblick den Weg zu versperren scheinen, liegt das kleine Städtchen L. Die Bewohner, zum großen Teil Bergleute, sind einfache Menschen und führen, fern dem Getümmel, fremd den Sitten größerer Städte, ein ruhiges, zufriedenes Dasein bei ihrer monotonen und wenig einträglichen Arbeit.

Vor kurzem hatte sich in vorerwähnter Stadt ein junger Arzt, Robert Gratton, niedergelaffen; ein Mann von stillem, freundlichem Wesen, welches jeden angenehm und sympathisch berührte, der Gelegenheit hatte, mit ihm näher zu verkehren. Er hatte sich in seiner bescheidenen Wohnung eine Art Laboratorium eingerichtet, das zu ebener Erde lag. Hier braute und destillierte er verschiedene Mixturen und Pulver, die später als Medizin für die Kranken dienen sollten, welche seine Hilfe in Anspruch nahmen. Außer den Besuchen, welche er seinen nicht zahlreichen und fast ausschließlich sehr armen Patienten abstattete, brachte er die meiste Zeit in diesem, seinem Heiligtums zu, und es war ihm nicht an­genehm, wenn er bei seinen Versuchen und Experimenten gestört wurde.

Obgleich Jane Gratton, die einzige Schwester des jungen Arztes, dies wußte und im übrigen ein musterhaft ruhiges, gesetztes Wesen hatte, hinderte dies alles sie nicht, eines Nachmittags ziemlich geräuschvoll die Studien ihres

Bruders zu unterbrechen, indem sie sehr erregt zu ihm ins Zimmer trat, einen Brief in ihrer Rechten hoch emporhaltend.

Robert," rief sie atemlos,eine ganz besondere Neuigkeit! Ich werde sie Dir aber nicht eher mitteilen, als bis Du errätst, um was es sich handelt."

Da fange ich erst gar nicht an zu raten," entgegnete er lächelnd. Sein Gesicht hatte ein müdes Aussehen, als er zu seiner Schwester aufblickte.Sage es, bitte, lieber gleich mein Kopf schmerzt mich heute, und das Nachdenken wird mir schwer."

Lady Dates hat geschrieben," antwortete Jane schnell, sie bittet mich, einige Zeit zu ihr nach Dates-Hall zu kommen. Du läßt mich gehen, Robert, nicht wahr ?" ^

Ter junge Doktor zögerte und sah sie traurig sinnend an.

O, schlage es mir nicht ab!" bat das Mädchen, ihre kleinen, zierlichen Hände auf seinen Arm legend und ihr liebliches Gesicht zu dem seinen erhebend. Bitte, lieber Robert, laß mich gehen, ich will Dich auch noch tausendmal lieber haben, als es bereits der Fall ist, lieber als jeden andern auf der Welt I"

Auch lieber als Willy?" fragte Robert lächelnd.

Natürlich, das thue ich schon jetzt," entgegnete sie.Nun aber lies den Brief, er ist so freundlich bittend abgefaßt."

Der junge Mann nahm das Schreiben, und nachdem er gelesen, ließ er seine Augen noch einige Sekunden nachdenklich darauf ruhen. Lady Dates war eine vertraute Freundin der verstorbenen Mutter der Geschwister gewesen und durch eine reiche Heirat in glänzende Lebensverhältnisse eingetreten, während der Vater der beiden als Arzt eine zwar sehr geachtete Stellung in Manchester ein­nahm, an irdischen Gütern aber wenig erübrigen konnte. Sein bescheidener, anspruchsloser Sinn, die Vorliebe für den ärztlichen Beruf und besonders seine