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Der Kaiser war durch die Nachricht sehr bewegt, doch ließ er seine Stimmung während des offiziellen Teiles der' Einstellung des Prinzen Adalbert nicht zu Worte kommen. Infolge der Trauernachricht aus China wird der Kaiser seine Absicht, einige Tage in Kiel sich dem Segelsport zu widmen, aufgeben. Nach einem Telegramm desselben Blattes erhielt die in Altona lebende Gattin deS Generals' von Schwarzhoff gestern Abend vom Oberkommando in Tientsin die Nachricht vom Tode ihres Gemahls, dagegen erhielt die Gräfin Waldersee von ihrem Gemahl noch keine Kunde. Der Kaiser sandte ihr ein Telegramm, worin er seine Freude ausspricht, über die glückliche Errettung des Grafen. Gleichzeitig bedauert darin der Kaiser den Tod des Generalmajors o. Schwarzhoff.
Berlin, 19. April. Andern Anarchisten- Kongreß, welcher während der Osterfeiertage ftattfand und dessen Verhandlungen nicht öffentlich waren, nahmen 19 Anarchisten aus den Städten Berlin, Görlitz, Köln, Mainz, Wiesbaden, München, Heilbronn und Stuttgart teil. Es wurde die deutsche Föderation revolutionärer Arbeiter gegründet und das Blatt „Die Freiheit" zum Organ der Organisation bestimmt, deren Hauptsitz Görlitz sein wird. Zum Leiter der Geschäfte wurde der Textilarbeiter Frauböse-Görlitz gewählt. Ferner wurde beschlossen, alljährlich eine Anarchisten-Conferenz abzuhalten und ein Anarchisten-Manifest an die Arbeiter Deutschlands zu erlassen. In Stuttgart, wo die Anarchisten- Versammlung aufgelöst wurde, ist von der Polizei bei den Anarchisten Birk, Nonnemann und Hock Haussuchung abgehalten worden.
Berlin, 20. April. Wie aus Paris gemeldet wird, wurde die russische Studentin Vera Gelo gestern von der Anklage, ihre Freundin Zclenine ermordet zu haben, freigesprochen, da nach dem Gutachten der Sachverständigen die Angeklagte nur in beschränktem Maße für ihre That verantwortlich gemacht werden könne.
Berlin, 21. April. Ter Lokal-Anzeiger meldet aus Zürich: Hier ist man einem ausgedehnten Eisenbahn-Fahrkarten-Schwindel, ähnlich dem berühmten Fahrkarten-Betrug Berlin- Hamburg auf die Spur gekommen. Der Hauptschuldige ist flüchtig, seine Komplizen sind bereits verhaftet.
Breslau, 20. April. Wie dem Breslauer General-Anzeiger aus Waldenburg gemeldet wird, ereignete sich gestern in Hermsdorf auf der Vereinigten Glückhilf - Friedenshoffnung - Grube beim Schichtwechsel auf dem Guibald-Schacht ein großes Gruben-Unglück. Es sollten von den einfahrenden Bergleuten 16 Mann mit dem Fördcrkorbe nach der 6. Sohle gebracht werden, doch schon bei der dritten Sohle kam der Korb mit gewaltigem Ruck zum aufsitzen, da hier die Halte-Vorrichtung nicht zurückgestellt war. Von den 16 Verunglückten wurden 11 nach dem Knappschaftslazareth gebracht.
Sie haben zum Teil sehr schwere Verletzungen wie Knochenbrüche, Rückgrat-Erschütterungen und dergleichen erlitten.
Lemberg, 20. April. In ganz Ost- galizien dauert der Schneefall und große Külte fort.
Haag, 20. April.' Trotz der Abreise Sir Alfred Milners nach England wird in der Umgebung Krügers nicht mit der Möglichkeit eines baldigen Friedensschlusses gerechnet, weil England die völlige Unabhängigkeit Transvaals nicht zugestehen will.
London, 21. April. Trotz aller Dementi versichert man in Regierungskreisen, daß die Beurlaubung Sir Alfred Milners nur deshalb erfolgt sei, um die Friedensverhandlungen mit den Buren zu erleichtern. Zu diesem Zweck erhält Lord Kit- chener eine Persönlichkeit als Civil-Adlatus, welche bei den Buren in höherer Achtung steht, als Milner. Die Rückkehr Milners nach Südafrika sei, wenn sie überhaupt erfolgen sollte, erst nach Schluß der Friedensverhandlungen zu erwarten.
Tie Wirren in China.
Berlin, 19. April. Wie der Lokalanzeiger aus Paris meldet, gilt als gemeinsames Ziel der deutschen und französischen Truppen, welche unter den Generalen Leffel und Bailloud operiren, der wichtige Paß Alasong in Scheust. Chinesische Truppen halten diesen Paß besetzt.
Berlin, 19. April. Aus Lüneburg telegraphiert mehreren Abendblättern die Korrespondent Meyne: Vier wegen Mordes und Todtschlages vom Kriegsgericht in Tientsin und Shangai zu Zuchthausstrafen bis zu 15 Jahren verurteilte China-Krieger wurden gestern durch 8 Mann vom 2. See-Bataillon aus Wilhelmshaven zur Verbüßung ihrer Strafe in die hiesige Strafanstalt am Kalkberge transportiert.
Peking, 18. April. Tie „Kö. Ztg." meldet: Die Ursache des großen Feuers im Winterpalast, dem General v. Schwarzhoff zum Opfer gefallen ist, wird nicht in chinesischer Brandstiftung, sondern in einer Nachlässigkeit in der Küche gesehen. Aus den brennenden Gebäuden war nichts zu bergen; auch Graf Waldersee rettete nur das nackte Leben. Die Leiche v. Schwarzhoffs wurde diesen Morgen gefunden; der General war in das Haus zurückgekehrt, um Dokumente zu retten, er wurde von der Hitze und dem Rauche überwältigt. Tie Leiche wurde vollkommen verkohlt, mit dem Gesicht nach unten liegend, nahe am Ausgang, gefunden. Das Feuer verbreitete sich mit unglaublicher Schnelligkeit, niemanden sind Vorwürfe zu machen, die Baustoffe der Häuser sind Holz und Papier.
Berlin, 20. April. Nach einem Telegramm des Lokalanzeigers auS London wird aus
Peking gemeldet; Graf Waldersee wurde bei dem Brande des Palastes nur mühsam durch ein Fenster gerettet. Graf Waldersee leidet an erheblicher Nervenerschütterung. Anderthalb Morgen des Palastes wurden vom Feuer zerstört. Seltene Kunstschätze und kostbare Geschenke für Kaiser Wilhelm wurden zerstört. Die Feuerlöschgeräte waren unzulänglich. Das Feuer wütete bis 1'/- Uhr Nachts. Eine deutsche Schildwache soll umgekommen sein. Der Schaden wird auf eine Million Taels geschätzt.
— Die „Berl. Korr." berichtet, es sei gelungen, einen der Briefschreiber vom ostasiatischen Expeditionskorps zu ermitteln, der über schlechte Verpflegung, Vorenthaltung von Liebesgaben geklagt und Offiziere beschuldigt hatte, Liebesgaben zu ausschließlichem Gebrauch für sich selbst genommen zu haben. Der Briefschreiber hat zugestanden, daß er die Behauptungen nur aufgestellt hat, um zu Hause Mitleid zu erregen und Geldsendungen zu erlangen.
London, 19. April. Laffans Bureau meldet aus Peking: Li-Hung-Tschang habe den Kaiser und den Gouverneur von Schensi telegraphisch dringend ersucht, die chinesischen Truppen aus der Provinz Petschili zurückzuziehen. Der dortige com- mandierende General will sich auf einen Kampf mit den Europäern einlassen.
Vermischtes.
— Einem französischen Blatte schreibt man aus K o nst a n ti n o p e l: Man hat viel von der Kaltblütigkeit gesprochen, die der Sultan während des jüngsten Erdbebens in Konstantiuopel bewiesen haben soll. Das ist aber nur zum Teil wahr; denn als die Erderschütterung verspürt wurde, blieb der Sultan zuerst wie angenagelt auf seinem Platze, dann machte er einige Schritte und stieg die 3 Stufen seines Thrones hinunter. Sein Gesicht war in diesem Augenblick von einer auffallenden Bläffe; aber er hatte bald die Ursache der Erschütterung erkannt und gewann die Fassung wieder. Von diesem Augenblick an benahm er sich würdevoll, und das will bei diesem ängstlichen Manne schon viel sagen; er hat allen Grund, auf seine Haltung stolz zu sein, die ihm von seinen Unter- thanen als Heroismus angcrechnet wird. Ter Sultan gab nicht immer Beweise solcher Tapferkeit; als Ali Suavi vor einigen Jahren einen Handstreich versuchte, um Murad aus seinem Gefängnis zu befreien, lief Abdul-Hamid in dem Augenblick, wo die kaiserliche Leibwache die Anhänger Ali Suavis niedermetzelte, in dem 2 Kilometer von dem Orte des Gemetzels entfernten Mdiz-Park wie ein Wahnsinniger umher und umarmte vor Verzweiflung die Baumstämme, indem er ihnen zurief, daß man ihn ermorden wolle. Die klugen Leute in Konstantinopel, die genau wissen, was sie von der Tapferkeit des Padischah zu halten haben, nahmen daher die Mitteilungen der kaiserlichen Preßtrabanten über die „bewundernswerte und mutige Haltung des Sultans" während des kleinen Erdbebens beim Bairamfest mit skeptischem Lächeln aus.
reise. Davon habe ich genug. Diese Windstillen — wissen Sie noch? Alfonso, du kannst dir nicht vorstellen, was wir unter dem Aequator gelitten haben."
„Mr. Seymour," hob er sehr langsam an, „erlauben Sie mir. Ihnen für die Fürsorge zu danken, die Sie meiner Schwester und Florence während jener schweren Zeit gewidmet haben."
„O, bitte, danken Sie mir nicht, Mr. Hawke, ich bin hinreichend belohnt durch das Vertrauen, welches mir Miß Damaris geschenkt hat, und durch das Glück, Ihre Tochter nach allen Gefahren wohlbehalten wieder bei Ihnen zu wissen."
„Aber ich muß Ihnen danken," fuhr er schmerzlich lächelnd fort, „wenn auch nur, um einen Vorwand zu haben, die Unterhaltung auf einen Gegenstand zu leiten, der für uns alle drei von hohem Interesse ist. Der schreckliche Schlag, welcher meine Gesundheit zerstört und mir den Lebensmut gebrochen hat, überhebt mich wohl der Notwendigkeit, Ihnen die Beweggründe für mein damaliges Verhalten gegen Sie zu erklären, oder eine Bemerkung über die Art Ihrer Bewerbung um Florence zu machen. Ich leugne nicht, daß ich mich in dem Charakter des Herrn, welchem ich mein Kind geben wollte, arg getäuscht habe. Meine Schwester hat mir über ihn die Augen vollständig geöffnet, und sein Benehmen nach seiner Rückkehr von —"
„Denken Sie sich, daß er jetzt heiraten will!" schrie Tante Damaris. „Ist so was erhört! Nach ein paar Monaten hat der saubere Patron die vergessen, der er aus Liebe um die ganze Welt folgen wollte. Ich wünschte nur, die andere, welcher er jetzt seine reizende Person angetragen hat, hätte ihn gesehen, wie er den .Strathmore' verließ. Ach, Alfonso, freue dich, daß du dieses Ungeheuer los bist. Das ist ja ein pöbelhafter Mensch."
„Damaris, .laß uns von ihm schweigen. Er existiert nicht mehr für uns. Florences Abneigung war gerechtfertigt. Und Mr. Seymour," fuhr er mit einiger Verlegenheit fort, „ich bin es Ihnen schuldig, zu gestehen, daß, sowie ich mich in Mr. Morecombe getäuscht habe, ich mich auch in meinem Urteil über Sie irrte. Ich wollte meinen Willen haben. Sie aber kreuzten meine Pläne, und der Zorn darüber machte mich blind. Sie haben seitdem auf die ehrenvollste Weise bewiesen, daß Sie mein Kind aufrichtig lieben und das har bei mir Gewicht — das hat bei mir Gewicht," wiederholte er mit großem Nachdruck.
Ich nahm seine Hand. „Lassen Sie mich Ihnen von Herzen danken für Ihre gütigen Worte. Ihre Tochter weiß, wie treu und innig ich sie liebe. Ohne sie wäre mir die Welt öde und leer. Vom ersten Augenblick an, als ich sie sah, konnte ich nicht anders, als sie lieben. Ich will mich jetzt nicht entschuldigen, daß ich damals so kühn war von ihr zu träumen, aber daß ich Ihnen damit in den Weg trat und schweres Aergernis bereitete, das bedaure ich und bitte Sie deshalb um Verzeihung, Mr. Hawke."
„Nicht nötig," wehrte er ab. „Wir kannten einander eben damals noch nicht. Mr. Seymour, mein Kind ist mein kostbarstes Gut. Sie ist das einzige, was mir bleibt; werden Sie gut zu ihr sein und sie immer lieben, wenn ich sie Ihnen anvertraue?"
„Heißt das. Sie geben Sie mir?" fragte ich atemlos.
.Er nickte.
Ich schüttete mein übervolles Herz in Dankesergüssen vor ihm aus, aber Tante Damaris schnitt mir das Wort vom Munde ab, indem sie aufstand und sagte:
„Alfonso, Florence wird ungeduldig sein, ihren Bräutigam zu begrüßen. Wollen wir nicht gehen und sie ihm herschicken?" Er stand stumm auf und bot mir die Hand. Ich nahm sie schweigend, denn ich sah Thränen in seinen Augen und wußte nicht, was ich sagen sollte. Dann ging er, gefolgt von Tante Damaris, die sich in der Thür noch einmal umdrehte und mir müttterlich liebevoll zunickte.
Mit pochendem Herzen blieb ich am Tische stehen. Lange brauchte ich nicht zu warten. Die Thür ging auf. Mein Liebchen trat ein. Die Rachmittagssonne färbte ihr Haar mit goldenem Schein. Sie blieb einen Augenblick mit schüchternem Lächeln und geneigtem Köpfchen stehen. Als ich die Arme nach ihr ausstreckte, flog sie hinein; sie lag an meinem Herzen und unsere Lippen begegneten sich.
„Das ist das Ende von unserem Schiffbruch, Jack," flüsterte sie, als ich sie sprechen ließ.
„Ja, Liebchen, meine Seele, meine Braut!" jubelte ich, „das Ende unseres Schiffbruchs, aber der Anfang eines Glückes ohnegleichen."
(Ende.)