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ba auch wenn er darunter leiden müsse, der Aot der Landwirte abzuhelfen. Gegen dieses Vorurteil müsse angekämpft werden. Die Staats- waldungen hätten eine Stellung wie die fiskalischen Gruben, die zu ihrem Nachteile nichts ^ergeben würden. Ministerialrat v. Ganghofer trat dieser Ansicht entgegen und Bezirkspräsident d- v- Hammerstein drückte seine Freude darüber aus, daß die Forstwirtschaft diesmal sür die notleidende Schwester, die Landwirtschaft, rmgktreteii sei und sprach die Hoffnung aus, daß auch für die Zukunft in Zeiten der Not Gleiches geschehen möge. Das letzte Thema Bau und Betrieb von Waldeisenbahnen" wurde von den Berichterstattern auf Grund der in den Bngesen gesammelten Erfahrungen sehr eingehend behandelt. In beiden Angelegenheiten ergab sich schließlich eine allgemeine Uebereinstimmung. Der 22. August war einer Besichtigung des Schlachtfeldes von Gravelotte gewidmet; der Generalstabschcs des 16. Armeekorps hatte dabei die Führung übernommen und gab durch seine fesselnden Erläuterungen den Anwesenden ein überaus klares Schlachtbild. Bei dem Festessen am Mittwoch im Sladthause brachte den Kaisertoast der erste Vorsitzende des Deutschen Forst- männertages. der k. daher. Ministerialrat v. Ganghofer, in beredten und tiefempfundenen Worten aus. Er gedachte in dem wieder deutsch gewordenen Metz der großen Vergangenheit der Stadl, in welcher sich die Schicksale des deutschen Volkes spiegeln. Der letzte Tag des Beisammenseins galt einem Ausflug nach Alberschweiter zur Besichtigung der dortigen Waldbahnen. Bon dort aus begab sich ein großer Teil der Forstmänner über den Donnon in die Oberförstereien Roihau und Schirmeck.
Hechingen, 30. Aug. In vergangener Nacht '/,l Uhr wurde hier ein ziemlich starkes Erdbeben verspürt. Die Temperatur war wenige Grad über Null.
Iffezheim bei Baden-Baden, 29. Aug. Zm Rennen um den großen Jubiläumspreis errang wider Erwarten ein deutsches Pferd, Fürst von Fürstenbergs Nickel, einen glänzenden Sieg.
Württemberg.
Stuttgart, 31. Aug. Se. Mas. der Kaiser trifft in Begleitung I. Mas. der Kaiserin am 14. Sept. hier ein und reist am 16. wieder von hier ab. — Se. Mas. der König kommt morgen Abend von Villa Seefeld' hier durch und trifft um 8 Uhr in Ludwigsburg ein, woselbst I. Mas. die Königin voraussichtlich am Samstag ankommt.
In die nachrichtenlose Stille aus Württemberg fiel wie ein befruchtender Regen aus die Phantasie und Kombinationsgabe mancher Zeilen- lieseranten die Nachricht von der Reise unseres Ministerpräsidenten. Frhr. v. Mittnacht, nach Kissingen zu dem Fürsten Bismarck. Da Frhr. v. Mittnacht bekanntermaßen ein großer Schweiger ist, namentlich der Presse gegenüber, so wirkt es einigermaßen drollig, wenn in verschiedenen Blättern von einem bekannten Zeitungsmacher behauptet wird, unser Ministerpräsident habe sich auf eine von hoher Seite ausgehende Anregung (dem Leser bleibt freigestellt. in dieser hohen Seite unfern König oder den deutschen Kaiser zu vermuten) nach Kissingen begeben, um den Fürsten Bismarck zu veranlassen, seiner Stimmung gegen den neuen Kurs nicht mehr in so scharfer Weise Ausdruck zu geben u.s.w. Frhr. ». Mittnacht ist mit der Fürstlich Bismarck'ichen Familie seit vielen Jahren persönlich befreundet, und alle politisch denkenden Leute sind sich ivohl darüber klar, daß der Besuch des würtlb. Ministerpräsidenten in Kissingen irgend einen Politischen Hintergrund gar nicht gehabt haben kann.
Das Zweitälteste evangelische Volksschul- ehrerseminar Württembergs in Nürtingen stierte letzter Tage das 50jährige Jubiläum seines Bestehens unter großem Zudrang ehe- maliger Zöglinge und Lehrer des Seminars und in persönlicher Anwesenheit des Staats- Mnisters des Kirchen- und Schulwesens, welcher M diesem Zweck sogar seinen Sommerurlaub
unterbrochen hat.
Die deutschen Kolportage-Buchhändler hielten Ende voriger Woche in Stuttgart eine Versammlung ab und beschlossen beim Reichstag einen Protest einzureichen gegen den Antrag von Gröber und Genossen, wonach der Vertrieb von Kolportage-Romanen künftig verboten werden soll, sobald in den letzteren irgend etwas Unsittliches entdeckt werde. Die Buchhändler wollen nicht der Unsiulichkeit Vorschub leisten, fürchten aber nicht mit Unrecht, daß der Begriff des Unsittlichen von einzelnen Beamten oder Privatpersonen allzuweit ausgedehnt werden könnte.
Stuttgart. Programm sür das Deutsche Nationalfest, nach den Beschlüssen der bürgerlichen Kollegien und des Festausschusses. Sonntag den 27. August 1893 Festgoltesdienste in den Kirchen der Stadt. Freilag den 1. September ds. I. Abends 6 Uhr: Glockengeläute von den Kirchtürmen. Totenfeier auf dem Fangelsbachfriedhof an den Gräbern der dort beerdigten Krieger. Samstag den 2. Septemb. Morgens 7 Uhr: Ehoral von der Stiftskirche. Abends 7Ur Uhr: Bankett in der Liederhalle unter Beteiligung der Familien-Angehörigen, bei günstiger Witterung im Garten, andernfalls im Festsaal.
Stuttgart, 29. Aug. Kartoffel- und Krautmarkt. Zufuhr am Leonhardsplatz: 500 Ztr. Kartoffeln, Preis Pr. Ztr. 2 Mk. 60 Pf. bis 3 Mk. — Zufuhr am Marktplatz: 3000 Stück Filderkraut, Preis per 100 Stück 20—25 Mk. — 31. August. Zufuhr am Leonhardsplatz: 500 Ztr. Kartoffeln, Preis per Ztr.
2 Mk. 60 Pf. bis 3 Mk. — Zufuhr am Markplatz: 1800 Stück Filderkraut, Preis per 100 Stück 15 bis 20 Mk.
Stuttgart, 29. Aug. Obstpreiszettel. Wilhelmsplatz: 1000 Ztr. Mostobst, Preis 2 Mk. 20 Pf. bis 2 Mk. 40 Pf. pr. Ztr. — 31. Aug. Withelmsplatz: 800 Ztr. Mostobst, Preis 2 Mk. 50 Pf. bis 2 Mk 80 Pf. per Ztr. — Eßlingen, 30. Aug. Auf dem heut. Obstmarkt kamen 300 Ztr. zum Verkauf, der Ztr. zu
3 Mk. bis 3 Mk. 20 Pf. — Das Gemeindeobst in Berkheim, geschätzt zu 217 Simri, wurde mit 267 Mk. bezahlt, also das Simri rund zu 1 Mk. 23 Pf.
Ausland.
Das Repräsentantenhaus und der Senat der Vereinigten Staaten von Nordamerika machen jetzt Ernst mit der Abschaffung der Shermanbill. Hiedurch entsteht aber immer ein größerer Wirrwarr in den Geld- und Kredit- Verhältnissen auch in Europa. Immer mehr Staaten wollen die Goldwährung einführen, und doch genügt das vorhandene Gold bei weitem nicht. Die Abschaffung des enorm schutz- zöllnerijchen Mac-Kinley-Tarifs ist leider bis zum Jahre 1894 verschoben worden.
Während in Europa zur Zeit die Wespenplage herrscht, wird Mexiko von einer Skor- pionenplage heimgesucht. In der Stadl Durango ist dieselbe so groß geworden, daß der Sladlral Belohnungen für die Tötung der Tiere ausgeschrieben hat. Auf diese Weise wurden 80000 derselben vernichtet. Für 100 getötete Skorpionen zahlt die Stadt 60 Cents. Angestellte Skorpionentöler dürfen in jede Wohnung gehen, um dort ihren gemeinnützigen Beruf auszuüben.
Telegramme an den Enzthäler.
Berlin, 1. Sept. Das Kaiserpaar reist 10 Uhr 50 Min. von der Wildparkstation nach Koblenz ab.
Berlin. Der Voss. Ztg. zufolge besteht die Absicht, vor der Aenderung der Umgehung der deutschen Zollerhöhungen durch Rußland den Nachlaß des Ursprungszeugnisses für österreichisches Getreide gelten zu lassen, dagegen für Mehl den Nachweis zu verlangen.
Die Voss. Ztg. meldet aus Petersburg: Der Finanzminister beschloß an den Haupthandelsplätzen Deutschlands, Oesterreichs und Frankreichs Handelsagenturen zu errichten.
Madrid. In der Gendarmerie-Kaserne explodierte eine Petarde und richtete Materialschaden an. 2 Verdächtige wurden verhaftet.
Unterhaltender Heit.
Verloren und Gewonnen.
Novelle von C. Martin.
(Fortsetzung)
(Nachdruck verboten.)
Bei Rosen's war Gesellschaft. Man hatte zwanglos an kleinen Tischchen soupiert, und die junge Welt gab sich bald darauf dem Tanze hin, während die älteren Herrschaften am Spieltisch saßen oder medisierten.
Auch Leuchen huschte im weißen bänder- geschmücklen Kleidchen noch durch die Zimmer, denn Frau von Rosen konnte eS sich nicht versagen, ihren Liebling von Alt und Jung bewundern zu lassen, daß dabei auch manches Stückchen Torte, manches Tröpfchen Wein über Lenchens Lippen kam, ist selbstverständlich. Frau von Rosen drückte eben an solchen Abenden ein Auge zu, und Klein-Lenchen wußte dies.
Graf Rodach, der Kinder liebte, hatte den Wildfang eben erhascht, als er einen tüchtigen Griff in die Schale mit Konfekt that, die auf dem Buffet stand. „Ei, ei, Leckermäulchen: Will man sich denn absolut den Magen verderben, damit morgen der Doktor einen abscheulich bitteren Trank verschreiben kann?" scherzte er, die Süßigkeit aus der kleinen Hand nehmend.
„So, nun wirst Du mir versprechen, heute nicht mehr zu naschen — ein artiges Mädchen thut dies niemals.
„O bitte, sagen Sie's nicht der Mama", sagte das Kind ängstlich. „Ich muß sonst gleich ins Bett, und ich möchte io gern noch dem Tanze zusehen. Kommen Sie mit in diese Fensternische. Ist sie nicht ein prächtiger Platz?"
„Gewiß, man kann beobachten und wird nicht gesehen; der Blumenstrauß, der hier liegen geblieben, duftet prächtig."
„Das sind Tante Mela's Blumen", sagte das Kind, den Strauß in die Hand nehmend. „Soll ich Dir eine davon herausziehen? Du steckst sie dann in Dein Knopfloch, wie Papa immer thut."
Und die geschäftigen Fingerchen zupften eine rote Rosenknospe aus dem Bouquet, die der Graf auch richtig in seinem Knopfloch befestigte.
„Du verschenkst aber etwas, was Dir nicht gehört."
„O, Tantchen macht sich morgen nicht mehr viel aus den Blumen!"
„Dort tanzt Fräulein Mela! Sieh einmal, wie anmutig sie den Kopf senkt", sagte Graf Rodach. „Du hast eine sehr schöne Tante. Bist Du nicht stolz auf sie?"
„Ach, findest Du sie wirklich schön? Mir gefällt sie gar nicht," sprach Leuchen bestimmt.
„Sie gefällt Dir nicht?" lachte der Graf erstaunt.
„Nein, denn sie ist manchmal unausstehlich und so hochmütig! Du glaubst es gar nicht! Sie widerspricht der Mama, denke Dir! Dann sagt sie noch, ich wäre sehr unartig!"
„So? Nun. vielleicht hat die Tante recht mit den Unarten, denn als Du vorhin nach der Schale langtest —"
„Ja das machen doch alle Kinder, das ist nicht so schlimm", meinte Lenchen. „Denkst Du denn, Tante Mela ist früher folgsam gewesen? O, bewahre: Papa hat schon davon erzählt! Sie hat Niemanden geküßt als kleines Mädchen» nur ihre Mama, ihrer Patin hat sie einmal die Zunge herausgestreckt!"
„O weh." lachte der Graf, belustigt über den Zorn der kleinen Person.
„Ja, ja," ereiferte sich Lenchen. — „Ein- mal ist sie den halben Tag auf dem Heuboden geblieben und hat sich von allen Leuten suchen lassen, weil Besuch da war, den sie nicht leiden konnte. War das etwa hübsch?"
„Nein, gewiß nicht; — ich denke, Du thust so elwas nie. — Aber nun ist Fräulein Mela eine große Dame, sie hat mit den Kinderschuhen auch alle Unarten abgelegt, da solltest Du ihr recht gut sein."
„Bist Du ihr denn auch gut?" fragte das Kind. Graf Rodach war verlegen, endlich meinte er: „Ich bin allen braven Menschen gut, Lieb-Lenchen. Komm aber jetzt aus Deinem