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in anderen Gegenden bereits im Gange. Feuchte, bessere Wiesen geben landauf, landab gute Oehmderträge, während da, wo im Vorsommer die Grasnarbe ausgebrannt ist, wie namentlich in den obengedachten Bezirken des Jagstkreises, auch der Oehmdertrag mager ausfäüt. Die Obsternte des Landes wird, besonders an Aepfeln. aber auch an Birnen, immerhin besser als mittel ausfallen. In mehreren Bezirken des Neckar- und Schwarzwaldkreises und zwar gerade den hauptsächlichsten Obstgegenden, steht ein guter bis sehr guter Ertrag in Aussicht. In Höhelagen ist der Stand durchweg besser als in Tieflagen. Wegen der Trockenheit im Untergrund reist das Obst rasch heran, bleibt aber an manchen Orten etwas klein. Auch für das Obst wird Regen sehr gewünscht.

Die meteorologische Zentralstation in Stutt­gart hat bis jetzt 32 Sommertage gezählt, deren vom meteorologischen Standpunkt gerechnet 3540 zur Reife des Weines nötig sind. Daß diese Zahl nun bereits erreicht sein wird, ist unzweifelhaft anzunehmen. Leider steht im Stuttgarter Thale die in Aussicht stehende Qua­lität nicht im Verhältnis zu der geringen Quan­tität, da die Winterfröste hier viel Schaden angerichtet haben. Selbst in den besseren Lagen wird pro Morgen nicht mehr als ein Eimer zu ernten sein.

In Tübingen verunglückte eine Frau aus Amerika durch Spiritus, den sie zum Haar­brennen benutzte. Durch unvorsichtiges Zugießen entstand ein Brand ihrer Kleider, der ihr das Leben kostete.

Lconberg, 22. August. Gestern Abend */rl0 Uhr warf sich ein Soldat des hiesigen Bezirkskommandos in der Nähe der hies. Station unter den Zug Nr. 174, wurde aber zur Seite geschleudert und nur leicht am Gesicht gestreift. Der ganze Zug ging über ihn weg; als man denselben an der Kurve zum Halten brachte und nach dem Lebensmörder schaute, entsprang derselbe. Heute wurde er wegen der Verletzung am Gesicht in das Garnisonslazareth nach Stutt­gart verbracht.

Nagold, 20. Aug. Am heutigen Sonn­tagnachmittag wurden wir wieder einmal durch Feuerallarm überrascht. Es brannte in der Nähe des Seminars im Hause des Möbel­schreiners Gottlob Müller. Dessen Frau machte ein Nachmittagsschläfchen, als imSchopf" auf eine bis jetzt nicht aufgeklärte Weise Feuer aus­brach. Nur notdürftig angekleidct, mußte sie ihr Leben retten, und sie wäre wohl elend in den Flammen umgekommen, wenn ein Nachbar nicht sofort Umschau nach den Bewohnern des Hauses gehalten hätte. Die Frau des Sägers Klumpp rettete sich durch einen Sprung aus dem zweiten Stockwerk des brennenden Hauses und verletzte sich nicht unerheblich. Drei Fa­milien sind obdachlos geworden.

Stuttgart, 22 . Aug. Kartoffel» und Kraut-

«arkt. Zufuhr am Leonhardsplatz: 600 Ztr. Kar­toffeln, Preis pr. Ztr. 2 60 ^ bis 3 ^ Zufuhr

am Marktplatz: 2000 Stück Filderkraut, Preis per 100 Stück 2025 »kt

Stuttgart, 22. Aug. Obstpreiszettel. Wil­helmsplatz: 800 Ztr. Mostobst, Preis 2 »lL 60 ^ bis

80^ pr. Ztr.

Ausland.

Die nationaleErregung, welche ganz Italien wegen der unerhörten Vergewaltigung der italienischen Salinenarbeiter in dem süd­französischen Stäbchen Aigues-Mortefs seitens ihrer französischenKameraden" durchzittert, hat sich in einer ganzen Anzahl italienischer Städte bereits durch energische antifranzösische Demonstrationen Luft gemacht. Derartige Vor­gänge haben sich in Rom, Messina, Genua, Turin, Neapel, Bologna, Tarent und anderen Orten abgespielt. In Rom durchzog am Samstag Abend und dann wieder am Sonntag Abend eine große Volksmenge unter Verwünsch­ungen auf Frankreich die Straßen und versuchte wiederholt, in das Gebäude der französischen Botschaft an der Piazza Farnese einzudringen, wovon aber die Menge durch die aufgebotene Polizeimacht und das Militär verhindert wurde;

doch wurden die meisten Fenster der Botschaft durch Steinwürfe zertrümmert. Ein Volkshaufe, der nach dem Gebäude der französischen Bot­schaft beim Vatikan ziehen wollte, wurde von der Polizei zerstreut, dagegen riß ein anderer Haufe von dem französischen Priesterseminare Santa Chiara das päpstliche und das Cardinals- wappen herab. In Messina riß die Volksmenge das Wappenschild des französischen Consulats- gebäudes herab und verbrannte es, in Genua verbrannte die Menge zwölf Wagen der franz. Trambahn.Gesellschaft. Gewiß müssen alle diese Ausschreitungen entschieden gemißbilligt werden, aber sie sind angesichts der großen Aufregung, in welche die blutigen Vorfälle in Aigues- Morfes weite Kreise der italienischen Nation versetzt haben, vollkommen erklärlich. Sind doch die Italiener in Aigues-Mortes wie wilde Tiere von den französischen Arbeitern umhergehetzt worden, wobei die Bevölkerung vielfach an dieser schrecklichen Menschenjagd Teil nahm. Empörend ist auch das Verhalten des Bürgermeisters von Aigues-Mortes, welcher in einer Proklamation von einer den französischen Arbeitern gewordenen Genugthuung" sprach, empörend das Verhalten der Hospitäler in Marseille, welche sich acht Stunden lang weigerten, die dorthin gebrachten verwundeten Italiener aufzunehmen, schmachvoll sind die Pöbclangriffe auf die wehrlosen ver­wundeten Italiener während ihres Transportes. Sicherlich wird darum die Entrüstung des ital. Volkes über die Blutszenen von Aigues-Mortes noch lange nachklingen, mag auch diese Affaire weiter keine bedenklichen Auseinandersetzungen zwischen der italienischen und französischen Re­gierung zur Folge haben. Auch die italienischen Blätter erklären bereits, der Gefühlsausbruch des italienischen Volkes sei gerechtfertigt. Sie fordern aber gleichzeitig das Volk zur Ruhe auf.Diritto" ermahnt die Bevölkerung, von antifranzösischen Kundgebungen abzulassen, weil dadurch die Verhannlungen mit Frankreich nur beeinträchtigt werden. Die Regierung hat sehr entschiedene Maßregeln zur Ausrechterhaltung der Ordnung getroffen. Bemerkenswert bei den italienischen Volksdemonstrationen ist das Ver­langen der erregten Menge nach der deutschen Nationalhymne. Instinktiv fühlen die Italiener, daß ihnen gegen die momentan so verhaßten Franzmänner, wenn es zu offenen Feindselig­keiten käme, Deutschland als Hauptvertreter der Dreibundidee, treu zur Seite stehen würde. Die Franzosen suchen natürlich das Spielen der deutschen Hymne auf ihre Art zu deuten. So schreibt derSoir", die Straßentumulte in Italien wären durch Agenten Caprivis ange­zettelt worden. Diese dumme Ausrede bedarf natürlich keiner Widerlegung, sie ist nur der Ausdruck des französischen Schuldbewußtseins.

DemTemps" zufolge hätte die Unter­suchung über die Vorgänge in Aigues-Mortes unwiderleglich ergeben, daß die Franzosen zuerst von den Italienern angegriffen wurden.

Paris, 20. Aug. Die heutigen Depu­tiertenwahlen sind bisher ruhig und ohne Zwischenfall verlaufen. In Cockinchina ist der bisherige Vertreter wiedergewählt.

Bern, 21. Aug. Die Volksabstimmung über die Initiative über das Schächten ergab, soweit bekannt, 188 688 Stimmen für Annahme, 116 952 für Verwerfung, und auch die not- wendige Mehrheit der Cantone hat sich für die Annahme gefunden. Somit ist die Bundes­verfassung um einen Artikel bereichert, welcher lautet:Das Schlachten der Tiere ohne vor- herige Betäubung vor dem Blutentzuge ist bei jeder Schlachtart und jeder Viehgattung aus­nahmslos untersagt."

Zürich, 21. Aug. Der heute vormittag von hier abgegangene Schnellzug ist zwischen Herblingen und Schaffhausen entgleist. Zwei Wagen sind zertrümmert und der Schaden an Material ist bedeutend. Drei Wagen mit 80 Reisenden stürzten den 6 Meter hohen Bahn­damm hinab. Ernstliche Verletzungen sind in­dessen nicht vorgekommen.

Mailand, 22. Aug. In einem Cafe ent­stand eine Reiberei zwischen Offizieren und An­archisten. Die Truppen schritten ein. Es wur­

den mehrere Personen verwundet. Auch zahlreichen andern Städten werden ähnlick! Kundgebungen gemeldet. ^ ^

Rom, 22. Aug. Gestern Abend wurden die Kundgebungen wiederholt, wobei die Anarch­isten hervortraten. Es wurden drei kleine Bar rikaten gebaut, eine davon angezündet und gegen die einschreitenden Truppen einige Steine geworfen. Die Ordnung war alsbald wieder hergestellt. - In Genua wurden neuerdings mehrere Omnibusse angezündet, in den Fluß qx. warfen und drei Kioske verbrannt. "

Telegramme an den EnzthSler.

Gotha, 23. Aug. Herzog Ernst n. ist gestern abend 11 V. Uhr in Rheinhardsbrunii g e st o r b e n.

Speyer. 23. Aug. Die VI. General- Versammlung des Evangel. Bundes wurde eröffnet. Hofprediger Fab er von Berlin hjch die Festpredigt.

Rotterdam, 23. August. Auf einem Boot kam ein Choleratodesfall, in Maas Louis ein choleraverdächtiger Fall vor.

Pest, 23. Aug. Die Gemeinden Kinswarda

und Dombrad werden als Choleraherde, das Komitat Szabolcs als choleraverseucht erklärt.

Rom, 23. Aug. Der König und Prinz Heinrich trafen in Gaeta ein. besichtigten die Hasenbefestigungen, wohnten den Nachtmanövern bei und reisen heute Abend nach Spezia ab.

Rom, 23. Aug. Ein behördliches Mani­fest verbietet jede Ansammlung.

Der Provinzialrat von Neapel bewilligte 10000 Fr. für die Familien der Opfer von Aigues-Mortes.

Petersb urg, 23. Aug. Es wird 4°/«ige Herabsetzung der seit August bestehenden Bahn­tarife für Getreide, Mehl und Grütze auf allen russischen Eisenbahnen nach den österreichischen und rumänischen Grenztransitpunklen publiziert. Die Tarifermäßigung tritt sofort in Kraft. Die österreichische Bahnen ermäßigen ihren Tarif nach der Schweiz und Italien bedeutend.

Vermischtes.

Berlin. Ein schweres Verbrechen ist in der Friedensstraße 96 verübt worden; ein Kutscher hat daselbst aus Eifersucht ein Mädchen zum Fenster hinausgeworfen, so daß dasselbe schwere innerliche Verletzungen erlitten hat. Er selbst hat sich dann mittels eines Beiles eine' anscheinend bedenkliche Schädelverletzung bei­gebracht.

(Aus dem Kladderadatsch ) Der russische Finanzminister führt den unzweifelhaft deutschen Namen Witte. Ist das den russischen Patrioten ganz entgangen? Keine schönere Anerkennung und Belohnung könnte diesem schneidigen Mann, dem Rußland und die russische Landwirtschaft so viel verdankt, zu Teil werden, als wenn sein Name, wie es mit deutschen Ortsnamen in Rußland geschehen ist, schleunigst ruMM würde. Wittewitsch wäre ein hübscher Name, aber auch Blamiro witsch klänge immernoch besser als Witte.

Studenten-Lied.

O Nadelwald, wie bist du schön In deinem grünen Kleid!

Dein Harzgeruch erfüllt die Luft Balsamisch, weit und breit.

Ich weiß, warum ich Liebe stets Zu dir im Busen trug "

Wir haben Beide wenig Moos Und Beide Pech genug!

» Niemand, der nach Pforzheim kommt.

Redaktion, Druck und Verlag von Thrn. Meeh in Neuenbürg.