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Bezüglich der aktiven Dienstpflicht und der Nebungen der Volkssch ullehrer und Schul- Mtskandidaten ist Nachstehendes bestimmt wor­den Die zur Ableistung der aktiven (zehn- Migen) Dienstpflicht nnd die zur ersten (sechs­wöchigen) Uebung einberufenen Volksschullehrer und Schulamtskandidaten werden zu je einer tkonipaqnie vereinigt und zwar erstere beim ->n ,-Reg. Kaiser Wilhelm 120 vom 30. August ab, letztere beim 3. Bat. Jns.-Reg. Nr. 122 vom 27- September ab. Die Entlassung er­folgt am 7. November unmittelbar in die Heimat.

DieZentralstelle für Handel und Ge­werbe" hat. um unsere einheimische Industrie vor dem durch die in Holland, in den Balkan- staalen und Amerika immer häufiger auftretenden Schwindelfirmen verursachten Schaden einigermaßen zu schützen, eine Liste der zu ihrer Kenntnis gelangenden Firmen des ge­nannten Genres unfertigen lassen und teilt die­selbe den einzelnen Gewerbevereinen mit. Dem Vernehmen nach ist die Liste schon ziemlich reich­haltig. Unsere Gewerbetreibenden werden gut daran thun, wenn sie sich, bevor sie mit einer unbekannten Firma in Verbindung treten, tüchtig umzufehen. Da auch in Bayern eine ähnliche Festnagclung der Schwindelfirmen eingcleitet ist und dem Vernehmen nach ein gegenseitiger Austausch beabsichtigt ist, so wird dem Unwesen dieser Jndustrierilter hoffentlich bald energisch gesteuert werden.

Seit einigen Tagen weilen die Herren Ober­regierungsrat Schmidhäuser und Abteilungs- Ingenieur Gugenhan von der Ministerial-Ab- teilung für den Straßen- und Wasserbau in Oberndorf, um- unter Beiziehung des Kgl. Oberamts und der Kgl. Straßenbau-Inspektion in Sachen der Aufhebung der Flößerei auf dem oberen Neckar thätig zu sein. Gegen die Auf­hebung, die bekanntlich von den Landständen ge­nehmigt wurde, haben sich verschiedene Einsprüche erhoben, zu deren Beseitigung bezw. Ablösung die genannten Herren in verschiedenen Orten des Oberamtsbezirks die notwendigen Verhand­lungen cinleiteten.

Stuttgart, 18. Aug. (Schöffengericht.) Wiederum wurde von einem hiesigen Kaufmann gegen eine Strafverfügung der k. Stadtdirektion in Höhe von 100 wegen Feilhaltung ver­botener Apothekermittel und anderer Uebcrtret- ungen in Bezug auf den Verkauf von Giften gerichtliche Entscheidung beantragt. Der Antrag­steller fand die zuerkannte Geldstrafe zu hoch. Derselbe führte zugestandenermaßen verschiedene Mittel, deren Verkauf nur Apothekern gestattet ist, in seinem Laden, hielt seinen Giflschrank nicht vorschriftsmäßig geschlossen, und die in dem­selben aufbewahrten Giftstoffe nicht in der vor­geschriebenen Ordnung, sondern in ungenügender Papierumhüllung mit teilweise schwer leserlichen Aufschriften u. s. w. Auch Giftweizen fand sich in seinem Laden, wegen dessen Verkaufs er schon einmal bestraft wurde. Das Schöffengericht er- kannte auf eine Geldstrafe von 25 ^ für den Verkauf der nicht freigegebenen Apothekermitteln und von weiteren 25 für vorschriftswidrige Aufbewahrung von Giften und verurteilte den Angeklagten auch in die Kosten des Verfahrens. Bezüglich einzelner Artikel insbesondere auch Malzextrakt-Bonbons erfolgte Freisprechung. Unter etwa 40 Verhandlungs-Gegenständen, größtenteils Miet- und Wechselklagen, welche vorgestern vor dem K. Amtsgericht Stuttgarl- Ssadt zur Verhandlung kamen, waren auch Lffenbarungseide in der stattlichen Zahl von 14 vertreten. Auch ein Zeichen der Zeit!

Ulm, 18. Aug. Bei dem gestrigen Exer­zieren des Infanterie-Regiments Kaiser Wilhelm, König von Preußen (2. Württ.) Nr. 120 wurde w Folge der großen Hitze eine größere Anzahl von Leuten unwohl und mußte aus Reih und Glied treten. Auf dem Heimmarsch wurde der W einer Reserveübung eingezogene frühere Em- jahrig-Freiwillige Höfel (Postpraktikant in Stutt­gart) vom Hitzschlag betroffen und wurde in die Pwnierkaserne gebracht, in welcher er gestern abend gestorben ist.

Ausland.

Die Aussichten der französischen Monarchisten bei den Depuliertenkammer- wahlen vom 20. August scheinen herzlich schlechte zu sein. Fast die gesamte Pariser Presse ist darüber einig, daß Royalisten wie Bonapartisten mit bedeutenden Verlusten aus dem Wahlkampfe hervorgehen werden, in welcher Beziehung der Siecle" besonders pessimistisch urteilt. Denn dieses Blatt meint, daß auf die monarchistischen Parteien zusammen von den pund 580 zu ver­gebenden Mandaten nur etiba 20 entfallen würden; sollte diese Annahme zutreffen, so wäre der Bankerott des monarchistischen Gedankens in Frankreich dann allerdings erklärt. Das genannte Blatt berechnet weiter, daß voraus­sichtlich 500 Republikaner undRaüiirle", nämlich zur Republik neigende Konservative, und außerdem 60 Sozialisten gewählt werden würden. '

Aus Aigues Mortes (Arrondissement Nimes) werden Zusammenstöße zwischen franzö- siichen und italienischen Arbeitern gemeldet. Die Magazine sind geschloffen, Arbeitermengen durch­ziehen mit Stöcken bewaffnet die Straßen. Die Ruhestörungen sind dadurch veranlaßt worden, daß die italienischen Arbeiter gegen einen äußerst geringen Lohn arbeiteten. Die Gendarmerie war in zu geringer Stärke anwesend und konnte deshalb die italienischen Arbeiter nicht wirksam schützen. Dem Führer der Polizeimannschasten gelang es indessen, die von den französischen Arbeitern auf einem Gehöft eingefchlossenen italienischen Arbeiter zu befreien; als diese aber wieder in Aigues-Mortes einlrafen, stießen sie auf eine neue Schar französischer Arbeiter, von denen sie angegriffen und bis in die Straßen von Aigues-Mortes zurückgedrängt wurden. Die Ankunft der Truppen machte dem Blutvergießen ein Ende. Abends herrschte in den Vorstädten von Marseille, wo zahlreiche italienische Arbeiter wohnen, eine große Erregung. Die Polizei er­hielt strenge Befehle für den Fall etwaniger Verwickelungen. Die Blätter besprechen die Vor­gänge, mißbilligen die Ausschreitungen und raten zu schneller Erledigung der Angelegenheit. In­folge neuer Todesfälle unter den verwundeten Arbeitern ist die Zahl der Toten nach amtlicher Feststellung auf 15 gestiegen, darunter befinden sich 5 Franzosen. Die Zahl der Verwundeten übersteigt 60. Die Beerdigung der Toten fand gestern abend ohne Zwischenfall statt. 300 Italiener lagern in Sylveral, wohin sich der italienische Vizekonsul begeben hat, um sie auf- zusordern, sich ruhig zu verhalten.

Paris, 19. Aug. Heute Mittag trat nach erdrückender Hitze reichlicher Regen ein.

Aus Rußland, 13. Aug. Die Stadt Wilna ist nachts von einem Wolkenbruch heimgesucht worden. Das Wasser drang blitz­schnell in die Kellerwohnungen ein. In einem Hause ertranken 15, in einem anderen 2 Be­wohner, die in der Bestürzung den Ausgang nicht mehr finden konnten. Auch im westlichen Teile Wolhyniens sind Gewitter mit wolken­bruchartigen Regen niedergegangen. Zwischen Maciejuw und Kowel wurde die Bahnstrecke unterspielt; der Verkehr ist dort eingestellt.

Die Behringsmeerfrage zwischen Eng­land, Nordamerika und Rußland ist jetzt durch das Urteil des internationalen Schiedsgerichts in Paris zum Austrage gelangt. Der Schieds­spruch erkennt vorwiegend die englichen Ansprüche bezüglich des Robbenfanges im Behrings­meere an.

Die parlamentarische Entscheidung in der Silber-Frage in Nordamerika zieht sich einigermaßen in die Länge. Indessen gilt es doch als sicher, daß sie schließlich gegen die Silberfreunde ausfällt, da im Senate eine kleine Mehrheit für die Aufhebung der Sherman-Bill vorhanden sein soll.

Die ernsten Unruhen, deren Schauplatz die Stadt Bombay in den letzten Tagen war, sind durch die Entfaltung starken militärischen Machtgebotes wieder niedergeschlagen worden. Es soll aber noch eine bedenkliche gegenseitige Erbitterung zwischen Mohamedanern und Hindus bestehen.

In Salamis hat man, wie aus Athen berichtet wird, in der Nähe des Ankergrundes der Kriegsschiffe mehrere mit verwitterten Men­schenknochen gefüllte uralte Gräber gefunden. Man glaubt, daß es die Gräber der in der Schlacht bei Salamis gefallenen griechischen und persischen Soldaten seien. Der Unterrichts­minister hat den Generalephorus beauftragt, die weiteren Ausgrabungen überwachen zu lassen und über die Ergebnisse sofort Bericht zu er­statten.

Unterhaltender Teil.

Eberhard Dorrinck.

Erzählung von F. Hermann.

(Nachdruck verboten.)

(Schluß.)

Der alte Mann sank in seinen Stuhl zurück und stöhnte tief auf. wie von einem betäuben­den Schlage getroffen. Hermann aber schien froh, die zermalmende Last von seiner Brust wälzen zu können und fuhr fort:

Vor einem Jahre hat mir mein Vater das Geständnis jener That abgelegt, die ihn zwar wieder zu einem reichen und geachteten Manne gemacht, die aber sein ganzes Leben verpestet hat. Er ist körperlich vollständig ge­brochen, und er war nicht mehr im Stande, die Last seines Geheimnisses allein zu tragen. Er erzählte mir, daß es damals wie ein Rausch, wie ein Taumel über ihn gekommen sei, und ihm die Schändlichkeit feiner Thal erst zum Bewußtsein gelangt sei, als er sich mit seiner kostbaren Beute in weiter Entfernung von dem Hotel befunden habe. Tage lang habe er mit sich gekämpft, ob er den Eigentümer der Tasche, dessen Namen ihm unbekannt geblieben ist auf­juchen und ihm seinen Besitz zurückstellen sollte, aber er sei doch endlich der furchtbaren Ver­suchung unterlegen/ DaS Geld reichte aus, den größten Teil seiner alten Schulden zu tilgen und ihm die Gründung eines neuen Geschäfts in St. Louis, wohin er sich eine Entdeckung fürchtend begeben hatte, zu ermöglichen. Der Erfolg war auf seiner Seite und er wurde im Laufe der Jahre ein reicher Mann. Er ließ uns, seine Angehörigen, aus Europa kommen, und ich trat ebenfalls in sein Geschäft ein. Aber ich kann es Ihnen bezeugen, Herr Dorrinck, daß mein Vater nie wieder eine frohe Stunde gehabt hat, daß ihm die Erinnerung an die schreckliche That, welche er gegen seinen edelsten Wohlthäter verübt, jeden Augenblick seines un­glücklichen Daseins verbittert hat. Endlich ließ es ihm keine Ruhe mehr, sein Verbrechen unge- sühnt zu wissen. Da er selbst sich zu schwach fühlte, um zu reisen, zog er mich in sein Ver­trauen und beauftragte mich, nach Deutschland zu gehen, um den Bestohlenen aufzusuchen, ihm, wenn er noch am Leben sei, sein Kapital mit Zinsen und Zinseszinsen wieder zuzustellen, und ihm zu sagen, daß er außerdem zu jeder Sühne bereit sei, welche jener ihm auserlegen würde." Erschöpft hielt der junge Mann inne.

Nachdem Hermann tief Atem geholt, fuhr er in seiner Erzählung fort:Da es mir an allen Anhaltspunkten fehlte, blieb mein eifriges Suchen Monate lang ohne Erfolg. Und nun muß ein Zufall gerade an diesem Abend, den ich für den glücklichsten meines Lebens hielt, eine so furchtbare Entdeckung herbeiführen! Daß ich nicht mehr daran denken darf, Nellys Hand anzunehmen, ist selbstverständlich. Wie könnte ich es wagen, ihr je ins Auge zu sehen, wenn ich mir sagen muß, daß sie ein Recht hat, meinen eigenen Vater als einen Verbrecher zu verachten! Wie können Sie selbst es über sich gewinnen, jetzt noch Ihre Einwilligung zu geben! Und selbst wenn Sie in Ihrer Großmut so weit gehen wollen, meinem Vater zu verzeihen und Nelly zu verschweigen, wessen Sohn es ist, dem sie ihre Liebe zugewendet hat, mutz ich nicht mit Rücksicht auf den Unglücklichen, von der Last der Selbstvorwürfe gebeugten und gebro­chenen Mann da drüben aus mern eigenes Lebensglück verzichten? Er würde Sie wahr­scheinlich auf der Stelle erkennen, und ich bin gewiß, daß er sich in dem vernichteten Gefühl der Reue und Scham ein Leid anthun würde!"