492
verlor ich den Grund unter den Füßen; ich mußte schwimmen. Meine große grüne Blechbüchse schwamm auch, so lange sich noch genug Luft darinnen befand; als sie aber voll Wasser gelaufen war, sank sie und hing schwer an meinem Körper herab. Dazu die großen Stiefel und das nasse Zeug; es war kein Spaß. Mühsam arbeitete ich mich vorwärts einem ziemlich hohen Vorsprunge entgegen. Als ich ihn aber erreicht hatte, war ich matt und müde und so von Seewasser gesättigt, daß ich großen Widerwillen empfand, noch weiter vorzudringen, sondern beschloß, auf einem erhöhten Felsen, der sich zwischen den Wänden eines schmalen Geklüftes befand, die Ebbe abzuwarten, was freilich noch bis zur Nacht dauern mußte. Mich fröstelte. Mir war so voll, so durch und durch naß zu Mute, wie einem, der zu viel Wasser getrunken hat . . . Aber das Aergste sollte noch kommen.
Aus Südwest hatte sich eine frische Brise erhoben. Auf den breiten so glatten Wogen bildeten sich kleine Wellen, auf diesen wieder kleinere, und die Wassermassen fingen an. sich nach oben scharf zu gestalten und zackig zu werden, so daß sich ein Grat von Schaum auf ihnen zeigte; auch kamen sie mit größerer Geschwindigkeit heran als bisher. Erreichten sie das seichtere Wasser, so brandeten sie; ihr schäumender Kamm kippte über, und mit Gepolter stürzten sie in die Höhlungen und das Geklüft der ausgewaschenen Felswand.
Da stand ich nun mutterseelenallein und blickte mit Beängstigung auf die See hinaus, die ausgebreitet vor mir lag und sich immer wüster und wilder gebärdete. Manchmal warf eine große Welle ihren Schatten auf einen Teil der weiten Fläche, dort waren die Wellen dunkel und drohend anzusehen; der übrige Teil wogte grün und glitzernd im Sonnenschein, sah aber auch nicht viel freundlicher aus. Weiße Möwen mit schwankendem Flügelschlag schwebten auf und nieder unter ächzendem Geschrei und haschten aus dem Schaum der Wellen ihre Beute pfeilschnell.
Ich fühlte mich malt vor Hunger, dachte mit Sehnsucht an meinen Freund und Lehrer, der es sich vielleicht zur selbigen Zeit bei Beefsteak und Pudding wohl sein ließ, dachte an das liebe Nachbarkind mit den freundlichen Kartoffeln. Dabei stieg das Wasser noch immer, und bald kam eine Welle, höher als zuvor eine, die spülte meinen Felsen naß. Ich stellte mich auf die Füße. Bald war mein Zufluchtsort ganz überschwemmt; ich stand wieder im Wasser, und nach einer geraumen Zeit drangen die Wellen bis zu meiner Jacke herauf, so daß ich an den Knöpsen ihr furchtbares Steigen beobachten konnte. Sie erreichten allmählich den zweiten, den dritten, den vierten Knopf; und der Wind frischte immer mehr auf, die See lief immer höher. Wie wollte das enden!
Da sah ich aus der Ferne zwei mächtige Wellen Heranrollen. Ihr Kamm ragte über den andern empor; er war von der Sonne hellgrün durchleuchtet und schwankte und tanzte, als die große Waffermasse schweigsam heranlief. Mit ausgebreiteten Armen stemmte ich mich fest gegen das Gestein und sah, indem ich den Atem anhalt, mit Angst dem nassen Berge entgegen. Schon begann der schäumende Kamm leise rauschend sich zu beugen; dann war sie da! Das Wasser stieg mir hoch über die Stirne; ich hörte nichts mehr als Donnergepolter im Felsengeklüfte. Kaum hatte ich den Kopf wieder frei und den Mund weit geöffnet, nach Luft schnappend, einen großen Atemzug zu thun, als die zweite hohe Welle da war und mir den Mund voll Seewasser schlug, das mit seiner Salzigkeit und seinem eklichen Erdgeschmacke mir unsäglich zuwider war. Statt frischer Luft drang eS mir in die Brust, und ich hustete es wieder aus, wobei mir vor Schmerz die Thränen in die Augen kamen. Ich konnte kaum zu Atem gelangen.
Da rollte abermals eine schwere Welle heran. Ich ward emporgehoben und umgeworfen. Es war vorbei. Ich ertrank . . . Gleich einem elektrischen Schlage traf es meinen Kopf ... Es war im Ohre das Trommelfell,
welches zersprang, wie es bei Ertrinkenden zu thun pflegt, dachte ich.
Doch der Schlag rührte von einem Tau her, dessen Ende auf mich herabgefallen war, und das ich im Krampf des letzten Ringens fest mit der Faust umklammerte. Ich fühlte mich in die Luft gehoben und gewann einen Ruheplatz am Felsen, hoch und trocken über dem Wasser.
Nachdem ich mich verschnauft und verpustet hatte, so daß ich wieder zu sehen und zu hören anfing, vernahm ich über mir ein Geschrei und viele Stimmen. Wer beschreibt meine Freude! Ueber den Rand der Felswand hoch oben blickte das Antlitz des lieben Nachbarkindcs, zwar rotgeweint, aber lachend. Auch kam das Gesicht meines Freundes u. Lehrers zum Vorschein; er schien ganz verstört und in Schweiß gebadet; seine sonst so steifen Vatermörder hingen schlaff, seine Halsbinde war verschoben, doch schien auch er vergnügt, mich noch am Leben zu finden. Ich schrie hinauf, sich möchten mir ein Stück Schwarzbrot herunterwerfen; sie hatten aber keines.
Die Männer, welche oben das Tau hielten riefen und winkten nach der Seite hinüber; und bald darauf bog um den Felsvorsprung ein großes Boot mit acht Rudern, drei Mann an jedem Ruder. Sie kamen heran. Aber dies war in der Brandung nicht so leicht, und mehrmals stieß das Boot heftig gegen den Felsen die Leute waren daher nicht gut zu sprechen auf mich. „Dar is de Mosje!" riefen sie. „Wat häst du Swinegel bi de Ebb um dat Land to gaan, wenn du nich op de Tide paffen wullt! Komm an Board, verdammte Jung!"
Ich ließ mich an dem Taue zu ihnen hinab, und sie brachten mich in schneller Fahrt nach dem Unterlande, wo die Badegäste versammelt waren, um mich, den man bereits tot gewähnt, zu sehen. Ich mußte mit meinen Wasserstiefeln, die innen und außen naß waren, durch eine wahre Lästergasse schreiten. Einige indessen sahen mich mit Teilnahme an, andere machten ihre schlechten Bemerkungen, allen aber schien es im Ganzen recht zu sein, daß ich nicht ertrunken war. Mit sanftem Vorwurfe empfing mein Freund und Lehrer mich; ich nahm mir vor, ihm nimmermehr zu solcher Angst, wie er sie meinetwegen ausgestanden, Veranlassung zu geben.
Am nächsten Morgen saß ich wieder auf den Stufen vor der Thür, gebeugt über die Reisebeschreibung, die mir angenehm trocken vorkam. Das Nachbarkind brachte freundlicher als je Kartoffeln und Bratfisch. Sie setzte sich neben mich; ich mußte mein Erlebnis erzählen, und wir plauderten still mit einander. Ausfälle auf mein Werktagsleben in der Stadt machte ich nicht; meine Wirksamkeit daselbst erschien mir an diesem Morgen in einem milderen Lichte und die Tinte als ein weniger gefährliches Element, nachdem ich die schöne freie Natur und das grüne Seewasser einmal aus dem Vollen gekostet hatte.
Stuttgart, 27. Juli. Die Ehre, die deutsche Sprache um ein neues Wort bereichert zu haben, gebührt entschieden dem Professor der oberen Abteilung eines hiesigen Gymnasiums. Derselbe, ein glühender Hasser jeglichen Fremdwortes, verdeutscht den gefürchteten „Komma- Bacillus" in das fein klingende rein deutsche „Beistrich-Knirps."
Schaf köpf - Kongreß. Vom Samstag den 5. bis Montag den 7. August findet, wie verschiedene Blätter melden, in Pa pp ritz in Sachsen der 5. Schafkopf-Kongreß statt. Im „Sächsischen Prinzen" in Striesen finden jetzt allabendlich Konkurrenzvorspiele statt.
Ein Vergleich zwischen Krupp'schen und Bange-Geschützen, der das Ergebnis von türkischerseits vorgenommenen Probeschießversuchen ist, hat nach der in Konstantinopel erscheinenden „Deutsch-Türkischen Korrespondenz" die Vorzüge der Krupp'schen gegenüber den französischen Geschützen in klares Licht gestellt.
Bei letzteren versagten 10 Prozent der rohren, die angeblich doppeltwirkenden Mer funktionierten als Perkussionszünder (im M schlage), nicht aber als Zeitzünder, das „rauek- lose" Pulver entwickelte ebensoviel Qualm wie das gewöhnliche, Aufsatz und Richlmaschine halten nach jedem Schuß Korrektur nötig, die Lafette gestattet wegen ihrer geringen Breite die Anbringung von Achsensitzen nicht. Beim Probeschießen mit dem 12 cm Belagerungs-Geschütz nach dem System Bange mit 2,8 kg Ladunas- gewicht, 18,3 Geschoßgewicht und 493 w Anfangsgeschwindigkeit und einem Krupp'schen 12 em Belagerungsgeschütz mit geringerem Ladungsgewicht (1.9 k§). dagegen größerem Geschoßgewicht (20 k§), wobei die Anfangsgeschwindigkeit dennoch um 30 m diejenige des Bange-Geschützes übertraf (sie betrug 523 m), brauchte letzteres, um 50 pCt. Treffer auf 4500 m Entfernung zu erzielen, eine Ziellänge von 50 m, das Krupp'sche Geschütz dagegen nur eine solche von 30 m auf 9000 m Distanz. Nach dem Schlußurteil eines türkischen Mitgliedes der Prüfungskommission erwies sich die französische Munition 4 mal, die Treffsicherheit des französischen Geschützes 4'/, mal und die Widerstandsfähigkeit der letzteren 20 mal geringer wie bei Krupp.
Amerikanische Räuber. Es ist gelungen, Henry Starr und Kid Wilson, zwei Mitglieder der berüchtigten Starrschen Bank- und Bahnräuberbande, die viele Monate lang der Schrecken der Bewohner von Arkansas ge- gewesen ist und ein Dutzend Personen ermordet hat. endlich dingfest zu machen. Die beiden Genannten kamen in Gesellschaft der Frau Starr nach dem Spaulding House, um dort zu übernachten. Da sie gefährliche Gesellen sind, so tru^die Polizei Bedenken, ihnen sofort im offenen Kampfe gegenüber zu treten und beschloß, einen günstigen Zeitpunkt abzuwarten. Dieser kam auch, indem die Räuber sich trennten und Wilson gegen Morgen nach Colorado City ging. Nun ging man gegen die Räuber vor. Starr wurde in dem Restaurant des Hotels vollständig überrumpelt, so daß ihm keine Möglichkeit gegeben war, von seinen Waffen Gebrauch zu machen. Er machte die Bemerkung, cs sei ein Glück sür die Häscher, ihn derart überrascht zu haben, da er sonst ein halbes Dutzend für immer unschädlich gemacht haben würde. Auch Kid Wilson wurde überrumpelt. Nachdem die beiden Räuber und Mörder in Sicherheit gebracht waren, wurde auch Frau Starr in einem Schlafzimmer des Hotels verhaftet. Sie ist jung und hübsch 18 Jahre alt und hat sich vor sechs Monaten mit Starr verheiratet. Man fand unter ihrem Kissen 1460 Doll, im Goldmünzen, außerdem 500 Doll. Gold in einer Börse. Auch trug sie einen wertvollen Revolver mit Perlmuttergriff, Bei Starr und Wilson fand man 2000 Doll, in Gold vor. Auf die Verhaftung der Räuber war eine Belohnung von 5000 Doll, ausgcsetzt.
(Au!) Kind: „Du Onkel, warum bist Du denn nicht mehr schwarz hinten?" Onkel: „Weshalb soll ich schwarz sein, Du kleines Närrchen?" Kind: „O ich weiß doch vom Papa, daß Du über ein Jahr lang in der Tmte gesessen hast?"
(Mittel gegen schweißige Hände.) Gegen schweißige Hände empfiehlt sich das öftere Waschen derselben in mäßig kaltem Wasser, dem man etwas Weinsäure oder Alaun zugesetzt hat.
UL" Niemand. der nach Pforzheim kommt,
versäume die bei Ludwig Becker vorm.
Hardt in den Schaufenstern ausgestellten SM mit den unglaublich billigen Preisen anzusehen-
Bestellungen
für die Monate August und September auf den
„GuMiUer"
werden von allen Postanstalten und Postboten entgegengenommen. In Neuenbürg abonnier man bei d-c Geschäftsstelle.
Redaktion, Druck und Verlag von Thrn. Meeh in Neuenbürg.