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eitage zu Mr. 109 des Knzthuters

Neuenbürg, Sonntag den 16. Juli 1893.

Aus Stadt, Bezirk und Umgebung.

Neuenbürg, 15. Juli. Von der Haus- lkbe des Chr. Bauer auf der Schwarzlochfabrik wird uns eine großbeerige Traube, welche beinahe reif ist, gespendet. Man wird sich solcher Seltenheit um Mitte Juli wohl kaum erinnern.

Der Instrumental-Verein und die Lieder­halle von Pforzheim machen am Sonntag den 23. Juli einen Ausflug nach Wildbad, woselbst mittags gemeinsames Konzert unter Mitwirkung der kgl. Kurkapelle in der Trink­halle, abends Beleuchtung der kgl. Kuran­lagen stattfindet.

Deutsches Keich.

B erl i n, 13.Juli. Reichstag. Osann (n.l.) begründet seine Interpellation wegen der Manöver in Gegenden mit Futternot. Der gegenwärtige Notstand sei dem vorjährigen, durch die Cholera erzeugten, wegen dessen die Manöver abgesagt wurden, gleichwertig. Preuß. Kriegs­minister v. Kaltenborn: Es sei ein verfassungs­mäßiges Recht des Kaisers, über die Abhaltung von Manövern zu befehlen. Seit die ersten Nachrichten über den Futtermangel oufgetaucht seien, habe die Militärverwaltung die entsprechen­den Maßregeln ergriffen. Strohstreu soll durch Torfstreu ersetzt werden, eine andere Futter­mischung für Pferde soll eintreten. Berichte seien eingefordert worden, die ausnahmslos da­hin sich äußerten, daß betreffs des Ausfalls oder der Verschiebung oder anderweitigen Gestaltung der Manöver zur Zeit eine Maßregel, die den Interessen der Armee bezüglich der kriegsmäßigen Ausbildung entgegenlaufen würde, nicht not­wendig sei. (Bewegung.) Es sei vielmehr mög­lich, durch entsprechende Anordnungen einer über­mäßigen Belastung der Bevölkerung vorzubeugen. Magazinverpslegung auf Kosten der Militärver­waltung soll eintreten; Zwischenmagazine sollen angelegt werden; wo Notstände herrschen, soll das Vieh aus den Manövergegenden angekauft werden. Uebrigens ist nicht ausgeschlossen, daß die Futter- und Wasserverhältnisse bis zu den Manövern sich noch günstiger gestalten. Ich wünsche dies im Interesse Aller. Auf Antrag Bachem (Zentr.) erfolgt eine Besprechung der Interpellation. Broekmann (Zentr.) bedauert die ablehnende Haltung der Militärverwaltung, v. Frege (kons.) hofft, daß die Erklärung des Kriegsministers keine definitive sei. Wenigstens wäre das Aussetzen der Kavallerie-Manöver zu erwägen. Die Manöver sollten auf die Gegen­den beschränkt werden, wo der Notstand nicht so groß ist. Gen >Lieut. Funck erklärt, den Wünschen des Vorredners werde Rechnung ge­tragen werden. In einzelnen Gegenden habe eine Verschiebung der Manöver bereits stattge­funden. Die Verwaltung strebe an. daß alles Erforderliche ohne Belastung der Bevölkerung von der Militärbehörde geliefert werde. Bürger (Zentr.), Kröber (Volksp.) und Köhler (Re- sormp.) unterstützten die Interpellation. Der bahr. Kriegsminister A s ch erklärt, auch die bayer­ische Kriegsverwaltung sei bereit, dem Notstand Rechnung zu tragen. Verhandlungen seien ein­geleitet, die Berichte des Generalkommandos stehen noch aus. Schönlonk (Soz.) meint, die Futterzölle müßten aufgehoben werden. Osann: Er hätte gewünscht, daß in Preußen auch die Zivilbehörden gehört werden. Kriegs­minister v. Kaltenborn erklärt, daß die Be­richte der Generalkommandos im Einvernehmen mit den Zivilbehörden erstattet worden seien. Die Oberpräsidenten seien sämtlich gehört wor­den. Schnaidt (Volksp.) wünscht zu erfahren, ob der württemb. Kriegsminister bereits mit dem preußischen über die Frage sich ins Einvernehmen gesetzt habe. Der württemb. Kriegsminister b- Schott legt dar, die württemb. Kriegsver- waltung habe bei der Reichsregierung einen An- "0g auf Aufhebung der Manöver noch nicht gestellt, weil die Ermittlungen noch nicht abge­

schlossen seien. Wenn die Notwendigkeit es er­heischt, würden wir nicht zurückschrecken, den An­trag zu stellen. Die Interpellation ist damit erledigt.

Zweite Beratung der Militärvorlage am Donnerstag den 13. Juli. Abgeordneter Graf Hompesch weist zunächst Namens des Zentrums die Behauptung des Reichskanzlers zurück, daß das Zentrum eine politisch-demo­kratische Partei sei. Es sei vielmehr eine kon­servativ königstreue Partei. Reichskanzler Graf v. Caprivi drückt seine Freude über diese Erklärung aus, will jedoch die Entwickelung der Dinge abwarten. Nach weiteren Erörterungen zwischen dem Abg. Dr. Lieber und dem Reichs­kanzler über die demokratische Richtung des Zentrums erklärt sich Abg. Beckh (Hospitant) Namens der freisinnigen Volkspartei gegen, und Abg. Zimmer mann (Antis.) Namens seiner Partei, sowie Graf Moltke für die Vorlage. Abg. Dr. Lieber verwahrt sich alsdann gegen den Vorwurf des Mangels an Königstreue. In der hierauf folgenden Abstimmung über den 8 1 und sodann über H 2 des Artikels 1, For­mation der Friedenspräsenz, werden die Para­graphen debattelos angenommen. Der Artikel 1 wird mit 198 gegen 187 Stimmen ange­nommen. Für denselben stimmen geschlossen die Konservativen, die Reichspartei, die National- liberalen, die Polen, die freisinnige Vereinigung und die deutsche Reformpartei, ferner vom Zentrum Prinz Arenberg und Lender, ferner Graf Bismarck-Schönhausen, v. Hornstein, Prinz Carolath und Rösike. Gegen H 1 stimmen ge­schlossen die Sozialdemokraten, die deutsche und freisinnige Bolkspartei, das Zentrum mit den genannten Ausnahmen, die Welfen, die Elsaß- Lothringer, und von den Wilden Bachmeier, Pachnicke, Sigl und der Däne Johannsen. Es fehlten die 3 Antisemiten Liebermann v. Son­nenberg, Ahlwardt und Leuß, sowie der Pole Czarlinski, ferner die Abg. Eck (Zentr.), Hilpert (wild), Letocha (Zentr.) Zu Artikel 2 liegt der bekannte Antrag des Prinzen Carolath und des Abg. Rösike vor, die zweijährige Dienstpflicht so lange festzulcgen, als die Friedenspräsenz nicht herabgemindert werde. Prinz Carolath begründet seinen Antrag. Abg. Frhr. v. Slumm (Reichsp.) spricht sich dagegen aus. Reichskanzler Graf v. Caprivi gibt die Erklärung ob, die verbündeten Regierungen würden, falls der zwei­jährigen Dienstzeit nicht unüberwindliche und nicht vorher ersetzbare Hindernisse entgegenträten, nach Ablauf von fünf Jahren nicht auf die dreijährige Dienstzeit zurückzugehen. (Beweg­ung und Beifall.

Berlin, 14. Juli. Graf Herbert Bis­marck sprach heute im Reichstag bei der Militär- Vorlage scharf gegen Caprivi. Der Präsident griff mehrfach ein. Schließlich wurde Bismarck das Wort entzogen, da er nicht zur Sache spreche.

Aus Karlsruhe, 1l. Juli wird ge­schrieben: Nachdem die hiesige Stadtgemeinde das Projekt derAlbthalbahn Karlsruh e- Herrenalb dadurch fördern Hilst, daß sie die Kosten für Ausarbeitung von Kostenvoranschlag und Plänen auf die Stadtkasse übernommen hat, regt es sich bereits in der Nachbarstadt Ettlingen, wo man schon lange mit scheelen Augen das Bahnprojekt beobachtete. Denn dorten ist man einer solchen Bahn keineswegs hold, bedeutet sie ja so viel wie ein Todesurteil gegen ihre eigene Bahn vom Holzhof bis zur Hauptlinie, die bis jetzt ohnehin nur eine ganz winzige Rente ab­warf. Der neueste Ettlinger Amtsverkündiger wendet sich denn auch mit aller Entschiedenheit gegen die Herrenalber Bahn und sagt u. a. : Ettlingen blieb bis jetzt ruhiger Zuschauer, ließ sich sogar durch Bosheiten nicht aufrütteln in der gewiß richtigen Annahme, daß eine Bahn bis Herrenalb nicht rentieren könne und deshalb jeder Groschen für ein derartiges Projekt ver­geblich wäre." Dagegen tritt das Blatt energisch für eine Verlängerung der schon bis zum Holz­

hof gehenden normalspurigen Buhn als Industrie­bahn bis zur Spinnerei ein. Für diese Strecke sei Rentabilität vorauszusehen, weshalb die Ettlinger Gemeindebehörde nicht länger säumen sollte, geeignete Schritte zu thun, damit dieses Projekt zur Ausführung komme. Der Reinge­winn der Lokalbahn, etwa 1000 per Jahr, könne auf diese Weise verdoppelt werden. Es frägt sich nun allerdings, wie die Rentabilitäts­berechnung für die Bahn Karlsruhe-Herrenalb ausfällt. Wenn überhaupt von Rente gesprochen werden darf, so dürfte sie über 1 bis 2 Prozent jedenfalls nicht hinausgehen. Allerdings kommt es darauf an, inwieweit die württembergische und badische Regierung das Projekt finanziell unterstützen. Jedenfalls wäre im Interesse der Allgemeinheit eine Bahn bis Herrenalb vor­zuziehen; den Hauptnutzen eines derartigen Ver­kehrsinstituts trüge zweifellos Herrenalb, das bisher noch ohne jegliche Bahnverbindung ist. Schon aus Billigkeitsrücksichten müßte diese Stadt auch zu den Anlagekosten entsprechend herange­zogen werden.

Württemberg.

Stuttgart, 14. Juli. Vom letzten Samstag bis zum Montag fand hier die General­versammlung der Mitglieder des Verbands reisender Kaufleute Deutschlands statt. Die Reiseonkels", meist recht gemütliche Herren bis in ihr hohes Alter hinein, wissen ihren nicht immer angenehmen Beruf durch Humor zu ver­schönern, vergessen darüber aber nicht die ernsten, wirtschaftlichen Fragen der Gegenwart scharf im Auge zu behalten und in der begründeten Ueberzeugung von der Wichtigkeit ihres Berufs auch ihrerseits eine energische Stellung zu diesen Fragen zu nehmen, wofür sie alle Beachtung und Anerkennung verdienen. Die reisenden Kausleute dringen nicht nur auf eine Reform des Personen- und Gepäcktarifs und Abschaffung des Trinkgelder-Unwesens und ähnlicher Miß­stände in den Hotels, sondern sie bekämpfen auch die Mißgeburt des Geschäftsreisens, nämlich die Detailreisenden, welche Privalkuudschaft aufsuchen und so sich neben oder sogar unter die Hausierer stellen. Einem zündenden Vortrag gegen den Unfug, der mit den Konsumvereinen in's wirt­schaftliche Leben eingerissen ist, zollten sie leb­haften Beifall. Die Kundgebungen der deutschen Kaufmannsreisenden sollten umsomehr Beachtung finden, als z. B. die hervorragendsten Staats­männer Englands und Frankreichs schon seit Jahren in ähnlichen Versammlungen reisender Kaufleute zu erscheinen und an dieselben größere Ansprachen volkswirtschaftlichen Inhalts zu halten pflegen, weil sie längst erkannt haben, daß gerade diese Männer nicht unwesentliche Träger der Kultur sind und auf die Stimmung weiter Volkskreise einen nicht unerheblichen Ein­fluß ausüben.

Rottenburg, 11. Juli. Heute fand hier die feierliche Inthronisation des Bischofs Dr. Wilhelm v. Reiser in der Domkirche statt. Um 9 Uhr begann der Gottesdienst, dem sich erstmalige Besteigung des bischöflichen Stuhles durch den Bischof Wilhelm, sowie seitens des Domkapitels und der übrigen Geistlichkeit die Huldigung durch Handkuß anjchloß. Von II bis 1 Uhr dauerte die GratulationSkur in bischöfl. Palais. Um 1 Uhr fand im Gasthof zum römischen Kaiser das Mittagessen statt, zu oem sich über 100 geladene Gäste eingefunden hatten. Bischof Wilhelm brachte den Toast aus den Papst und auf den König aus, wobei er ver­hieß, in die Fußstapfen seines seligen Vorgängers, des Friedensbischofs Karl Josef v. Hesele zu treten.

Wie uns mitgeteilt wird, bietet sich für unsere ärmere Bevölkerung in waldigen Gegenden dauernde Gelegenheit zu einem Nebenverdienst durch das Sammeln und Trocknen von Brennesselkraut, welches von einer aus­wärtigen Firma gern gekauft wird. Wir möchten