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amtsverweser Maier referierte in längeren, trefflichen und von vieler Sachkenntnis durchdrungenen Ausführungen über die von der K. Regierung zur Linderung der Not getroffenen Maßregeln und auf welch bestmöglichste Weise diese Maßregeln in den einzelnen Gemeinden zur Durchführung zu bringen feien und ermahnte die Ortsvorsteher, die größte Sorgfalt und Umsicht auf die Bekämpfung der Futternot zu verwenden. Des Weiteren wurden Vorschläge über den Anbau von Futtergewächsen auf abgeernteten Stoppelfeldern, über die Art und Weise der Verwendung der Kraftfuttermittel u. s. w. gemacht und eingehend besprochen.
Deutsches Weich.
Berlin, 7.Juli. Erste Lesung der Militärvorlage. Reichskanzler Graf Caprivi: Die Regierungen gingen mit ihren Forderungen bis auf den Antrag Huene zurück, mit Rücksicht auf die wirtschaftliche und die allgemeine Lage gegenüber dem Auslande, um die Debatte abzuschließen, welche im Auslande die Annahme Hervorrufen mußte, als ob in Deutschland nicht mehr der Sinn vorhanden sei, der alles an die Sicherheit, die Ehre und die Zukunft Deutschlands zu setzen bereit ist. (Unruhe links.) Die Frage der zweijährigen Dienstzeit hat nur theoretischen Wert; wenn dieselbe sich bewährt, kann die Regierung sie beibehalten, anderseits kann keine Partei so vaterlandsfeindlich handeln, die zweijährige Dienstzeit aufrecht erhalten zu wollen, wenn sie sich nicht bewährt. Was die Deckungsfrage anlangt, so soll die Börsensteuer ausgiebiger herangezogen werden. (Beifall.) Die Steuern sollen auf die leistungsfähigsten Schultern gelegt werden, und endlich ist beabsichtigt, die landwirtschaftlichen Gewerbe von neuen Steuern freizuhalten. Die Steuervorlagen konnten noch nicht ausgearbeitct werden; wir können mit der Vorlage nicht so lange warten. Der Reichskanzler schließt mit einem Aufruf. Deutschland zu geben, was es braucht, um sich eines ruhigen Daseins erfreuen und sicher in die Zukunft blicken zu können. (Lebhafter Beifall rechts und auf verschiedenen Bänken.) Abg. Payer: Die süddeutsche Bolkspartei steht zur Vorlage gleich ablehnend wie vor den Wahlen, auch dann, wenn sie zu den nicht staatserhaltenden Elementen gerechnet werden sollte. Abg. Frhr. v. Mante uff el: Die Konservativen halten fest an ihren Bedenken gegen die zweijährige Dienstzeit und stimmen dem Antrag Huene zu, weil ihnen die Sicherheit Deutschlands und des europäischen Friedens höher steht. Sie sind erfreut, daß die Reichsverwaltung die Steuerfrage in enger Fühlung mit dem preußischen Finanzministerium ausgearbeitet hat und hoffen, daß der preußische Finanzminister die Steuervorlagen auch hier vertreten werde. Abg. Liebknecht (Soz.) führt aus, die Regierung wolle jetzt die Vermehrung der Armee nicht zur Abwehr von äußeren Feinden, sondern um das Heer gegen die eigenen Bürger zu verwenden. (Rufe: Pfui!) Die Partei werde gegen die Vorlage stimmen. Abg. Frhr. v. Stumm (Reichsp.) wendet sich gegen die Behauptung des Vorredners, daß die Steuerlasten immer auf die schwächsten Schultern gelegt würden und weist auf die preußische Steuerreform hin, welche gerade die wirtschaftlich Stärkeren heranziehe. Die Reichspartei stehe voll und ganz auf dem Boden der Militärvolage. Fortsetzung Samstag 8. Juli. —Gröder (Zentr.) erklärt, die Fraktion habe unter Zustimmung aller zahlreichen neuen Mitglieder beschlossen, der neuen Vorlage gegenüber die gleiche ablehnende Haltung einzunehmen, wie gegenüber der ursprünglichen. Dr. v. Bennigsen weist die Notwendigkeit der Heeresverstärkung nach unter Berufung auf die ständig wachsenden Rüstungen der Nachbarstaaten. Erst wenn Deutschland stärker als Frankreich und Rußland jedes für sich sei, würde der Revanchegedanken in Frankreich zurückgedrängl. Reichskanzler Graf Caprivi führt aus, die Ausführungen Gröbers zeigen, daß die demokratische Richtung im Zentrum immer weitere Fortschritte mache, so daß das Zentrum aus einer konfessionellen Partei in eine politisch demokratische übergehe. Die
Forderungen der Vorlage anlangend, stimmen alle militärischen Autoritäten überein, daß Deutschland nicht so viel Truppen besitze, wie nötig sei, um einen Krieg erfolgreich zu Ende führen zu können. Gröber habe die Regierung angegriffen, als ob sie unehrlich gehandelt habe. Bezüglich der Deckungsfrage begreife er nicht, wie man sein Verhalten unehrlich nennen könne. Daß er Dinge nicht sage, die er zum Teil gar nicht wisse, zum Teil nicht sagen wolle, weil er befürchte, daß dadurch eine Beunruhigung des Erwerbslebens entstehe, sei doch alles andere, als unehrlich. Die strategische Seite der Vorlage spitze sich zu der Frage zu, ob man Anhänger der Quantität oder der Qualität sei. Jeder müsse aber zugeben, daß die Quantität und Qualität eine Grenze habe, und daß. wenn die Quantität ihre Grenze erreicht habe, keine Erfolge zu erzielen seien. Das lehre jede Seite der Geschichte. Je schlechter eine Truppe, desto blutiger und länger sei der Krieg. Dies Rezept gebe auch Gröber. „Wollten wir nach einem Siege in Frankreich stehen bleiben, was übrigens nicht von uns, sondern von Frankreich abhängt, so hieße das den Krieg in münituw verlängern. Das Urteil aller militärischen Autoritäten geht dahin: Wir haben nicht so viel Truppen, wie wir gebrauchen, um einen Krieg erfolgreich zu Ende führen zu können. Deshalb haben wir den Antrag gestellt, die Zahl der Truppen zu vermehren. Die verbündeten Regierungen können von dieser Ueberzeugung nicht zurückgehen." (Beifall rechts.) Preiß (Elsaßer, Vertreter Colmars im Reichstage) sagt: Wir sind nach wie vor Gegner der Vorlage. Dr. Böckel (Deutsche Resormpartei) macht feine Zustimmmung zu der Vorlage von einer Erklärung der Regierung darüber abhängig, daß die notwendigen Verbrauchsgegenstände nicht noch höher besteuert würden. Richter (Freis. Volkspartei) hält an seiner ablehnenden Haltung gegenüber der Vorlage fest. v. Iazdzewski (Pole) erklärt, seine Fraktion werde für die Vorlage stimmen. Rickert stimmt im Prinzip für die Vorlage. Er würde, sagt er, lieber aus dem Liberalismus austreten, als sich zwingen lassen, das Nötige zur Sicherung des Vaterlandes nicht zu bewilligen. (Lebhafter Beifall.) Zweite Lesung der Vorlage nächsten Donnerstag.
Die erste Session des Reichstags wird vielleicht schon gegen den 15. Juli ihr Ende erreichen, wenn eben keine kommissarische Vorberatung der Militärvorlage stattfindet. Die obwaltende recht hochsommerliche Temperatur wird jedenfalls ein wesentlicher Grund für die Neugewählten mit sein, die Debatten über die Heeresvorlage nach Kräften zu beschleunigen, und diese Absicht dürfte sich um so eher erreichen lassen, als ja der Inhalt des umgearbeiteten Militärgesetzentwurfes in keiner Beziehung etwas besonders Neues erhält. Das sonstige Beratungsmaterial. welches bis jetzt dem Reichstage zugegangen ist, läßt sich bis 15. Juli ohne große Mühe aufarbeiten, es sind dies der mit der Militärvorlage zusammenhängende Nachtragsetat. sowie verschiedene Anträge und Interpellationen. Von letzteren Sachen sind zu nennen der wiedereingebrachte Antrag des Jesuitengesetzes und eine Interpellation von nationalliberaler Seite, betr. die thunlichste Beschränkung der Manöver in Gegenden, in denen Futternot herrscht.
Die der Militärvorlage freundlich gesinnten Zentrumsabgeordneten Prinz Arenberg und Dekan Lender sollen in der Zentrumsfraktion verbleiben dürfen. Von etlichen Heißsporenen der Licber'fchen Richtung war der Vorschlag angeregt werden, beide Herren wegen ihrer Stellung in der Militärvorlage aus der Fraktion ausschlicßen, kläglicher Weise hat man aber in den maßgebenden Zentrumskceisen dieser Anregung nicht Folge gegeben.
Nach der ersten Beratung der Militärvorlage werden im Reichstage nur die auf die Futternot bezüglichen Anträge zu Verhand- lung gelangen.
Im Reichstage ist ein Antrag von Staudy (deutschkons.) auf Vereinfachung des Alters- und Jnvaliditätsversicherungsgesetzes eingegangen.
München. 4. Juli. Die „Allg. lh,. gibt anheim, wegen des landwirtschaftlichen Notstandes das diesjährige bayerische Zenttal- landwirtschaftsfest in München, genannt „Oktober- fest". ausfallen zu lassen. In Oberbayern sei die Not zivar nicht so groß, dafür aber um so größer in Franken. Wenn auch München sehr an diesem Feste hänge, so werde es doch nichi bloß Hauptstadt von Oberbayern, sondern von ganz Bayern sein wollen. Wenn das Blatt mit dieser Erwägung bei den Münchenern nur Glück hat!
Karlsruhe, 5. Juli. In der gestrigen Bürgcrausschußsitzung wurden für Fertigung der der Pläne. Kostenanschläge und Rentabilitäts- berechnung einer Nebenbahn Karlsruhe- Herren alb 5000 bewilligt. Aus der Mitte des Stadtverordneten-Kollegiums wurde die Frage gestellt, ob die Gemeinde Herrenalb und die württembergische Regierung dem Projekt günstig gegenüber ständen, was von Oberbürgermeister Schnetzler dahin beantwortet wurde, daß die Gemeinde Herrenalb um das Zustandekommen der Bahn bemüht sei und hoffe, daß die württ. Regierung den Bahnbau unterstützen werde, er glaube, dag nach Fertigung des Projekts ein Unternehmer auf Grund desselben um die Konzession zum Bahnbau einkommen und eine Unterstützung vom Staate erhalten werde. Von verschiedenen Seiten wurde der Wunsch ausgesprochen. daß die Stadt nicht als Unternehmerin der Bahn eintrete, da ein solcher Betrieb nicht geeignet sei, von der Gemeinde verwaltet zu werden, von dieser auch nicht so billig verwaltet werden könne als von einem Privatunternehmer.
Württemberg.
Stuttgart, 7. Juli. Verlagsbuchhändler Wilh. Spemann in Stuttgart ist von Seiten der deutschen Reichsregicrung als Preisrichter für die Presse und das Buchgewerbe bei der Weltausstellung in Chicago berufen worden. Hr. Spemann wird am 18. d. M. mit dem Dampfer „Havel" aus Bremen abreisen.
Eßlingen. Das XIV. Württ. Landesschießen findet am 16.—18. Juli d. I. in der neu erbauten Schießstätle hier statt. Zahlreiche und wertvolle Ehrenpreise, worunter Ehrengaben von Ihren Majestäten dem König und der Königin sowie der Stadtgemeinde Eßlingen sind ausgesetzt. ^
Anstand.
In Schloß Windsor fand am Donnerstag die feierliche Vermählung des Herzogs von Jork des künftigen Königs von England, mit der Prinzessin Mary von Teck statt. Dem glänzenden Akte wohnten zahlreiche Fürstlichkeiten bei.
Wien, 6. Juli. Bei einem Kanalbau wurde ein Arbeiter verschüttet, der trotz sofort eingeleiteter Rettungsarbeiten erst nach zwölf Stunden befreit werden konnte. Nur der Kopf des Armen war frei, alles andere war in Erdmassen eingekeilt. Der Mann konnte Cognak und sonstige Genußmittel zu sich nehmen, war aber andauernd sehr matt. Bei der Ausgrabung zeigte es sich, daß der Gerettete nur leichte Eindrücke und Schürfungen der Haus erhalten hatte.
Aus der Schweiz. 6. Juli. Das diesjährige eidgenössische Sängerfest, das vom 10. bis 12. Juli in Basel gefeiert wird, nimmt eine nicht dagewesene Ausdehnung an. Nahezu 5000 Sänger werden sich beteiligen. 64 Vereine treten im Volksgesang auf, 19 >m Kunstgesang Am Samstag Abend 5 Uhr findet ein Begrüßungskonzert statt, und Sonntag Morgen beginnen in verschiedenen Kirchen un Konzerthallen die Wettgesänge.
Die neueste Sommer-Gigerl-Mode
sind grasgrüne Filzhüte, gleich geschmackvoll l der Form, welche an einen Kaffeebeutel eimne
(Aus der Schule.) Lehrer: der Gemahl der Aphrodite?" - schuter. „Aphrodietrich!"
Auflösung des Bilderrätsels in Nr. l05.
Harte Worte brechen keine Knochen.
Redaktion, Druck und Verlag von Thrn. Meeh io Neuenbürg.