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Kräfte wäre ein neuer Aufruhr-Bersuch geradezu Wahnsinn.
London, 5. Juli. Die Sozialisten von London haben trotz polizeilichen Verbots beschlossen. Donnerstag den 6 Juli, dem Tage der Hochzeit des Herzogs von Aork und der Prinzessin Marie von Teck, aus dem Wege, den der königliche Zug nehmen wird, eine Kundgebung zu veranstalten.
Das englische Unterhaus hat nunmehr mit geringer Mehrheit ein Gesetz angenommen. wodurch die Einzelberatung des Homerule-Entwurfs binnen kurzer Frist beendet sein muß. Diese Gewaltmaßregel Gladstone's hindert die Unionisten aber nicht ihre Amendements auf die Gefahr hin einzubringen, daß mehrere Dutzend Paragraphen schließlich in Bausch und Bogen von der Mehrheit angenommen werden müssen.
Chiragoer Ausstellung.
Aus der geistvollen Rede, die der Senator Karl Schurz als Vertreter der Deutsch-Amerikaner dort gehalten, soll eine Stelle namentlich hervorgehoben werden, welche für unsere Industriellen und Gewerbslcute von besonderem Interesse ist. Sie lautet: Es gibt in dem Kampf der Konkurrenz zwei Arten von geschäftlicher Politik, die für den Charakter des Geschäftsmannes und den des Geschäfts bezeichnend sind. Die eine ist das Unterbieten der Preise mit der Devise „Billig und schlecht-. Das ist die Politik des Spießbürgers, eine Politik, die eines tüchtigen Mannes und eines tüchtigen Volkes unwürdig ist. Die andere ist die Politik des Ueb erbiete ns im Werte — mit der Devise „Beste Ware für guten Preis.- Das ist die Politik des Geschäftsmannes von weitem Blick und von Charakterstolz; des Mannes, der mit offenem Geist die Bedürfnisse seiner Zeit erforscht und die besten Mittel sucht, ihnen zu genügen; der die Fortschritte der Empfindung und die Entwickelung der Gelegenheiten mit scharfem Auge verfolgt; der mit großem Sinn und freigebiger Hand die Wissenschaft und die Kunst zu seinen Gehilfen macht, der sich mit ehrlichem Handeln eine ehrliche Kundschaft gewinnt, und der auf dem Boden des gewonnenen Vertrauens mit kühnem Unternehmungsgeist weiteres wagen darf. Das ist die Politik eines Volkes, das seine Industrie und seinen Handel in großem Maßstabe aufbauen will; eines Volkes, das Geist besitzt und diesen Geist zu gebrauchen versteht; eines Volkes, das in seine eigene Kraft Vertrauen und vor seinem eigenen Charakter Respekt hat. Das ist die Politik, die den Weltmarkt erobern und ihn auch behaupten kann. Die Politik des Unterbi etens im Preise: das war Deutschland in Philadelphia — ein nachschleichender Schatten des Deutschlands der alten Zeit, der Zeit der Zerrissenheit, der Ohnmacht, der Kleinlichkeit, der Selbstironie, des Zweifels an der eigenen Kraft. Die Politik dcsUeberbietensimWert: — das Deutschland der neuen Zeit, des mächtigen Reichs, des gehobenen Nationalgefühls, der Selbstachtung, der großen Inspirationen, des gewaltigen Könnens , und des hohen Wollens, groß in seinem Kriegsruhm und nicht weniger groß in den Werken des Friedens. Diesem Deutschland bringen wir unfern Gruß.
Unterhaltender Teil.
Um Tod und Leben.
Eine Erzählung aus den Ausläufern des Rothhaar.
(Nachdruck verboten.)
(Fortsetzung 11.)
Vesroth blickte starr in die Fluten. Er saß, mit dem Gesicht von seinem Freunde abgewandt und ein höhnisches Lachen umspielte seine Lippen.
„Und dann", fuhr der schwarze Fritz fort. „Und dann hat man den Hut des Försters an einem Weidenbaum gefunden, das Wasser muß ihn dort abgesetzt haben, ihn selbst hat man trotz allen Suchens nimmer gefunden, mich sollt es nicht wundern," und die Stimme erstarb zu leisem Geflüster, „mich sollt es nicht Wundern,
wenn er nächstens als Geist umginge und seinem Widersacher sich auf die Hacken heftete."
Vesroth war bei diesen Worten herumgefahren. Sein von der Sonne gebranntes Gesicht ward um einen Ton blasser.
„Unsinn. Fritz, der Mensch wird bei dem Unwetter, dessen Gewalt er in unseren Bergen noch nicht kannte, vom Pfade abgewichen und in den angeschwollenen Fluß gestürzt sein. Das ist schon öfter bei uns vorgekommen!"
„Freilich, und der Fluß hat ihn mitgenommen und eines Tages wird von weiter unterhalb die Nachricht kommen, daß ein Körper angeschwemmt sei. ein Förster ohne Hut mit einem Schuß im Kopfe."
„Du lässest Deinen Gedanken freien Spielraum. aber möglich, ja vielleicht wahrscheinlich ist. was Du sagt, wenigstens was das anbetrifft, daß der Körper des Försters angeschwemmt wird!"
„Das mit dem Schüsse, meinst Du, ist nichts!"
„Ich glaube nicht, auch ohne das-"
„Freilich, und es läge dann ein einfacher Unglücksfall vor und nach einigen Tagen kräht kein Hahn und kein Huhn mehr nach dem werten Herrn Oberförster Dornap. Aber mit seinem im Walde wandelnden Geiste möchte ich doch nichts zu thun haben!"
Lauernd schaute der Sprecher aus sein Gegenüber. Der Wilderer war aufgestanden. Von dem Brombecrgerank riß er einzelne Blätter und warf sie unachtsam in die Flut, welche sie spielend davonführte. Mußte sie nicht ebenso den Körper seines Todfeindes dahin entführt haben in's Thal? Jetzt wandte er sich zu seinem Kameraden:
„Laß den Unsinn mit Deinem Geiste, ich glaube nicht daran!"
„Du glaubst nicht daran? Hast Du nicht gehört, wie der Geist des erschossenen Oberförsters Hülster im Forsthause umgegangen ist?"
Der Wilderer zerpflückte in nervöser Hast die Blätter des Brombeerstrauches. „Die Leute sprechen vieles, alles kann man nicht glauben."
„Gewiß nicht, doch Du hast doch gewiß schon von dem feurigen Reiter gehört, der drüben im Bruche um Johanni durchs Feld reitet!"
„Pah, Irrlichter!"
„Mag sein, doch ich weiß von meinem Vater eine wahre Geschichte, die keinen Zweifel läßt, daß Geister auf der Erde wandern. Der reiste Nachts im Gebirge nach der Waldeckischen Grenze zu. Er war froh, daß er den Frankensteiner Wald hinter sich hatte, in dem sollte es nicht geheuer sein. Als er aus dem Walde trat, schien der Mond über die ganze Gegend und mein Vater merkte, daß nicht weit von ihm ein anderen Mann aus dem Gebüsch trat, über den Graben sprang und dort stehen bleibt. Es war etwas Geisterhaftes in der Erscheinung des Fremden. Meinem Vater war nicht ganz Wohl zu Mute, aber da er ein beherzter Mann war, wollte er sehen, was es mit der Erscheinung für eine Bewandtnis habe. So fing er an zu traben; der Fermde that's ihm nach und trabte unverdrossen ihm schräg gegenüber nach. Rascher läuft mein Vater, rascher auch der Geist; denn ein solcher ist es gewesen, erst bei den Häusern des nächsten Dorfes war der Geist verschwunden und mein Vater hörte im dortigen Wirtshause, daß im Walde der Geist eines dort erschossenen Wilddiebes umgehe."
„Was Du da redest, der Fremde wird der Schatten Deines Vaters gewesen sein, der neben ihm herlief im Mondschein!"
„Pah Schatten ! Mein Vater konnte wohl einen Schatten von einem Geist unterscheiden. Ich könnte Dir wohl noch mehr erzählen. Wie oft habe ich gehört, daß hier am Flusse vor alten Zeiten eine Menge Geister gehaust!"
„Zur Heidenzeit!"
„Auch jetzt noch, Du kannst es glauben, noch vor wenig Tagen erzählten Leute aus unserm Dorfe, daß zwei nackte Kinder aus der Eder gestiegen und schweigend neben ihnen her bis zum Dorse gelaufen seien!"
Der Erzähler schwieg und that einen tiefen
Zug aus der Schnapsflasche. Er wußte wokl daß sein Kamerad ebenso empfänglich war für di- Sachen, die er da erzählte, wie er selber °
„Wir wollen aufbrechen!- sagte Vesrotb
„Ich bin's zufrieden, wie ist's mit unserm Vorhaben?" ' ^
„Ach so. das hätte ich nahezu vergessen In der nächsten mondhellen Nacht treiben wir den Bock. Ich komme vom Bilstein herüber'"
Ein leises Frösteln lief durch den Wilddieb als er den Ort nannte. Hatte die Erzählung des schwarzen Fritz ihn dennoch gepackt? Wohl doch wollte er dem Gesellen nichts zeigen von der inneren Bewegung. Darum bog er das Geäst auseinander und trat hinaus auf einen kaum kenntlichen Pfad, der am Ufer des Flusses durch Weidengestrüpp sich dahinschlängelte.
„Ich werde am Platze sein, will nur hoffen, daß der Geist des toten Försters uns nicht einen Strich durch die Rechnung macht."
Damit schlich er in entgegengesetzter Rich. tung davon.
Auf Umwegen schlich Vesroth seinem Heim zu. Die Nacht war hereingebrochen, er fand seine Mutter beim glimmenden Herdfeuer, das Abendessen bereitend. Der Wilderer setzte sich auf den Herdstein. Unheimlich flackerten die Flammen und jagten huschende Schatten an den rußschwarzen Wänden der niederen Küche dahin,
„Mutter, glaubst Du an Geister, an Ge^ spenster?"
Die Alte ließ den Löffel sinken und blickte den Sohn verwundert an.
„Wie kommst Du darauf?"
„O, ich meine nur so!"
Die Hände in die Hüften gestemmt schaute die Mutter den Sohn an.
„Ob ich an Geister glaube, meinst Du? Gewiß thu ich das. Und ich habe Beweise dafür!"
Der Wilderer blickte stieren Auges auf die Sprechende.
„Du hast Beweise?"
„Jawohl, Dein Großvater selig wurde von einem Forstbeamten erschossen, Du hast davon gehört und noch heute verfluch ich die Hand, welche die Flinte gegen ihn aufhob. In der Nacht, es mochte gegen 12 Uhr sein, wir lagen im Bett und der Mond schien hell in die Stube, da that sich die Thür auf und Dein Großvater trat herein, mit verzerrtem, schmerzentstellten Blicke, dann ging er wieder hinaus und die Thür schloß sich langsam. Am andern Tage haben sie ihn gefunden, den Schuß in die Brust, das Gesicht entstellt vor Schmerz, die Hand auf der brennenden Wunde. Was sagst Du dazu, oder meinst Du, er selbst sei zu uns getreten, ich meine es war sein Geist."
Der Wilderer hatte die Augen geschlossen. Ließ er das eben gemalte Bild an seinem geistigen Auge vorübergehen?
„Komm herein in die Stube, das Essen ist fertig."
„Ich mag nichts, ich gehe zu Bett!"
„Wie Du willst!"
Der Wilderer schlich die Treppe hinunter in seine Kammer. Ehe er sich zu Bett legte, untersuchte er die Riegel der Fenster und das Schloß der Thür. Fürchtete er einen Ucbersall oder die fleischlosen Geister? Ja. der Mann, der da draußen in Feld und Wald nichts fürchtete, was Fleisch und Bein hatte, fühlte sich ohnmächtig und voll Grauen gegenüber eingebildete" Geistern. Drei Kreuze machte er rasch über Gesicht und Brust, dann ging er zu Bett,
O. solch' Aberglaube herrscht heute noch mehr als man denkt unter der ländlichen Bevölkerung. Und es gilt noch manchen Kampf zu bestehen, daß dieser Wahn weiche, wie de Nebel flieht vor der siegenden Sonne.
(Fortsetzung folgt.)
(Eine Familienkatastrophe.
Sie das, bitte!" — Er: „Was soll ich lassen. — „Sie dürfen nicht auf den Knien vor liegen!" — „Und warum nicht?" ,
Bruder könnte ins Zimmer kommen!" -7 -- wäre dabei? Er darf es wissen." wenn er es weiß, pumpt er Sie an, un habe schon zwei Verehrer dadurch verlore^^.
Redaktion, Druck und Verlag von Chrn. Meeh i» Neuenbürg.